Warum ich mit "Nein" gestimmt habe

Gestern habe ich beim Mitgliedervotum der SPD meine Stimme abgegeben. Ich habe eine Weile mit mir gerungen, sowohl den Brief, der beigelegt war und unverhohlen darum bat mit „Ja“ zu stimmen, als auch contra-Argumente gelesen und mich danach mit dem Koalitionsvertrag selbst auseinandergesetzt.

Das 185 Seiten umfassende Dokument ist eine ziemlich seltsame Angelegenheit: Es steht viel schönes drin aber nur dann, wenn man oberflächlich liest. Ein Beispiel:

Die deutsche Wirtschaft braucht eine saubere, sichere und bezahlbare Energieversorgung

Hm, klar. Aber warum nur die Wirtschaft? Im Bereich Energieversorgung (S. 49-61) findet sich zum Thema Kosten auf Seite 53 folgender Schwurbel:

Kosten der Energiewende
Die Energiewende ist nicht zum Nulltarif zu haben. Die Gesamtkosten sind in den letzten Jahren aber schnell und stark gestiegen. Private und gewerbliche Stromkunden müssen erhebliche Lasten tragen. Die EEG-Umlage hat mittlerweile eine Höhe erreicht, die für private Haushalte und weite Teile der Wirtschaft, insbesondere auch mittelständische Unternehmen, zum Problem wird, wenn es nicht gelingt, die Kostendynamik zu entschärfen.
Mit der grundlegenden Reform, auf die wir uns verständigt haben, wollen wir Ausmaß und Geschwindigkeit des Kostenanstiegs spürbar bremsen, indem wir die Vergütungssysteme vereinfachen und die Kosten auf einem vertretbaren Niveau stabilisieren. Dazu brauchen wir neben einem berechenbaren und im Gesetz festgelegten Ausbaukorridor insbesondere mehr Kosteneffizienz durch Abbau von Überförderungen und Degression von Einspeisevergütungen, eine stärker marktwirtschaftlich orientierte Förderung, eine Konzentration der besonderen Ausgleichsregelung auf stromintensive Unternehmen im internationalen Wettbewerb und eine ausgewogene Regelung für die Eigenproduktion von Strom.

Um es mal präzise zu sagen: Die CDU/CSU hat hier ein planwirtschaftliches Modell („im Gesetz festgelegter Ausbaukorridor“, früher hieß das Fünfjahresplan) vorgelegt. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien soll nämlich per Gesetz festgeschrieben und gesteuert werden während zugleich Förderung von Erneuerbaren Energien „marktwirtschaftlich orientiert“ sein soll. Dafür sollen die Netzentgelte „fair verteilt“ werden und die Bürger am Ausbau der Netze beteiligt werden – insbesondere an den Kosten.

Beim Thema Atomenergie fehlt zwar nicht die Standortsuche (ohne konkrete Angaben allerdings), dafür ist die Sache mit dem Rückbau sehr schwammig formluiert:

Wir erwarten, dass die Kosten für den Atommüll und den Rückbau der kerntechnischen Anlagen von den Verursachern getragen werden.Über die Realisierung der rechtlichen Verpflichtungen der Energieversorgungsunternehmungen wird die Bundesregierung mit diesen Gespräche führen.
Aha. Man will „Gespräche führen“ über die Realisierung der rechtlichen Verpflichtungen. Ähm, hallo? Die Energieversorger haben vom Steuerzahler die AKW mehr oder weniger geschenkt bekommen, haben den Strom subventioniert verkauft und dürfen sich jetzt auf Hintertürchen freuen, damit die Entsorgung auch vom Steuerzahler subventioniert wird? Ich glaube nicht.
Des Weiteren fehlt mir in ganz anderen Bereichen eine Menge: Mindestlohn? Naja, eine Art Mindestlohn light, soll aber erst 2017 kommen. Und wenn Tarifverträge drunter liegen bleiben die Löhne sogar schlechter. Na super!
Ganz fürchterlich finde ich die Tatsache, daß die Vorratsdatenspeicherung erhalten bleibt. Das Thema Bürger ausspähen und NSA findet dafür praktisch gar nicht statt. Zwar will die kommende Koalition „Um Vertrauen wieder herzustellen, […] ein rechtlich verbindliches Abkommen zum Schutz vor Spionage verhandeln.„, aber so richtig konkret wird das nicht. Daß unsere Geheimdienste vielleicht verdammt nochmal die Pflicht haben und vor so etwas zu beschützen wird da mal lieber nicht erwähnt. Und welches „Vertrauen“ soll da wiederhergestellt werden?
Ein NPD-Verbot wird nicht einmal erwähnt, dafür aber an deren Plattform „Vertriebenen-Gedenktag“ festgehalten. Finde ich nicht gut.
Noch so ein Punkt: Seit einigen Jahren ist ein Ausbau des BAFöG eigentlich unbedingt notwendig; Daß in den vier Jahren Schwarz-Gelber Stillstand mit Reichenförderung nichts passiert ist verwundert natürlich nicht. Aber auch dieser Koalitionsvertrag kümmert sich nicht im Mindesten um das Thema, statt dessen taucht (auf Seite 29) dieses merkwürdige „Deutschlandstipendium“ der CDU wieder auf.
Die PKW-Maut wird kommen – so will es der Koalitionsvertrag. Zwar plappert Florian Pronold noch vollmundig davon, daß das eh nicht gehen werde, aber ich wette heute schon, daß sie kommt – und zwar für alle. Parallel scheint man sich aber über die Luftverkehrssteuer Gedanken zu machen, das heißt dann so:
„Bei der Einführung von fiskal- oder ordnungspolitischen Maßnahmen im Luftverkehr werden wir auf ein positives Nutzen-Kosten-Verhältnis achten.“

Hm…. heißt das, in dem Bereich wird weiter subventioniert und Steuern abgebaut? Die Schwarz-Gelbe Bundesregierung ist auf die unglaubliche Blödheit gekommen, ausgerechnet Kurzstreckenflüge zu subventionieren – zu Lasten der umweltfreundlichen Bahn. Soll das heißen, das bleibt so? Wird gar verstärkt? Und warum ist bei diesem Thema ständig von „internationaler Wettbewerbsfähigkeit“ die Rede?

Und so geht das weiter. Die Mogelpackung der „Rente mit 63“ führe ich nun gar nicht aus, das hat Wolfgang Lieb schon besser gemacht, als ich es könnte. Die Zustimmung scheint trotz der Medienkampagne zu wackeln – der Dortmunder Bundestagsabgeordnete Marco Bülow will jedenfalls ebenfalls nicht zustimmen.

Ich möchte außerdem eines betonen: Die Kampagne der Medien zu dem Thema ist durchschaubar und sollte die Wahlentscheidung der Mitglieder nicht beeinflussen! Mehr dazu morgen.

Demokratie? Nicht mit Merkel!
Frau Merkel ist ja diese lästige Parlamentiererei in der BRD überaus suspekt, von der Volkskammer her ist sie ja ganz anderes gewohnt. Nun soll diese Große Koalition mit 80% der Mandate nun wirklich über bequeme (und verfassungsändernde!) Mehrheiten verfügen, da liest man auf Seite 184 diese Sätze:

Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.
Ähm… nein? Habt Ihr sie denn noch alle? Wie war das mit der freien Gewissensentscheidung des Abgeordneten? Dem unbedingten Bekenntnis zur Demokratie? Sätze wie diese sind typisch für Merkel-Regierungen, und in Wahrheit ziemlich beklemmend. Ich für meinen Teil kann und werde als überzeugter Demokrat diesem Quatsch nicht zustimmen.
Nein zur Großen Koalition.

Bemerkenswert: Zwei Klassen in der Gesellschaft

Ich finde es bemerkenswert wie jetzt – kurz nach der Wahl – plötzlich alle Medien aufjaulen, weil sich der Verdacht der Gewissheit nähert, daß neben rund 80 Millionen unschuldiger Bundesbürger auch Frau Dr. Merkel ins Visier der NSA geraten ist. Aber das ist ja nur ein „Rot-Grünes Sommertheater“ (Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer)

„Die Vorwürfe sind vom Tisch.“, erklärte mir das Pofalla und meinte damit das Abhören deutscher Bürger. Mehr noch, er hat behauptet: „Der Datenschutz wurde zu einhundert Prozent eingehalten.“. Stimmt. Wurde auch. Das wußte keiner. Bis auf alle.

... und die Merkel dachte wirklich, daß sie als einzige nicht abgehört wird...

Quelle: Twitter

Wie dumm muß die CDU-Führung eigentlich sein, wenn sie ernsthaft geglaubt hat, daß nur Otto Normal auf der Straße abgehört wird, nicht aber die Mobiltelefone der Regierung? Noch dazu, wo sich die Kanzlerin bei der Benutzung des „Neulands“ offenbar ein nicht zugelassenes Handy gegönnt hat? Mal ganz ehrlich: Sind die wirklich so blöd?

Wenn nicht, dann haben sie es nämlich willentlich zugelassen – so wie die ganze Unionsbande die Bevölkerung in diesem Zusammenhang belogen hat. Natürlich, Union eben. Hauptsache, Mutti ist da und sagt daß alles gut ist.

Ehrlich gesagt, ich freue mich irgendwie auch so ein bißchen darüber, daß die verlogene Union sich prompt in der eigenen Falle wiederfindet. Nur daß die Medien das so kurz nach der Wahl aufgreifen, ist schon ein bißchen, naja, zufällig. Aber daneben ist es eben auch bemerkenswert.

Vor der Wahl wurde die Affäre für „beendet“ erklärt, der Bürger soll sich keine Sorgen machen und gefälligst das Maul halten, „linke Spinner“ und Verschwörungstheoretiker geben da „amerikafeindliche“ und damit antidemokratische Behauptungen von sich und überhaupt, es geht um Sicherheit und das ist ein „Supergrundrecht“ – nun haben wir eine abgehörte und damit im Grunde erpreßbare Kanzlerin. Ich kann mich da an den Rücktritt eines gewissen Kanzlers wegen so einer Geschichte erinnern…. Guillaume hieß der Verräter, meine ich.

Wir haben zwei Klassen in der Gesellschaft, eher mehr. Und es interessiert niemanden von der herrschenden Klasse, wenn die Niedrigmenschen (Also die Arbeiter, Angestellten und kleinen Unternehmer) ihrer Rechte verlustig gehen. Aber wehe, es trifft auch mal jemand anderes. Dann wird der Botschafter einbestellt. Auxch wenn es eigentlich nichts besonderes ist.

Tatsache ist – die USA verletzten nicht nur Bürger- sondern auch Grundrechte.
Tatsache ist – es interessierte die Union einen Scheißdreck, bis sie selbst betroffen war. Soviel zum Thema „Volkspartei“.

Tatsache ist – Die (alte) Bundesregierung verletzte ihren Amtseid und beging im Grunde einen Verrat an den „Bürgern draußen im Lande“ – und sollte eigentlich vom Verfassungsschutz beobachtet und von der deutschen Justiz verfolgt werden.

Tatsache ist – Unionswählern scheint das alles vollkommen egal zu sein. Sie haben ihre Regierung verdient.

P.S.: Hören wir doch mal, wer wirklich schuld ist:

Ein Pyrrhus-Sieg

Die CDU hat mit einem Zweitstimmenergebnis von 34,1% und einem Erststimmenergebnis von 37,2% Geschichte geschrieben. Künftig kann sie alleine 255 Sitze im Deutschen Bundestag stellen, das hat es noch nie gegeben. Mit der CSU als natürlichem Fortsatz stellt die Union künftig 311 von 630 Abgeordneten – es fehlen also 5 Sitze für die absolute Unionsmehrheit.

Das heißt umgekehrt auch, daß eine Mehrheit der Deutschen Wähler Merkel nicht gewählt hat. Eilfertig haben SPD und Grüne allerdings ein Bündnis oder eine Tolerierung durch die Linke ausgeschlossen – es wird nicht kommen. Damit bleibt, wie Peer Steinbrück es so schön formuliert hat, der Ball in Merkels Feld. Sie muß sich Mehrheiten beschaffen. Damit ist es allerdings auch ein Pyrrhussieg der Union.

Pyrrhus I., König von Epirus (einem wohl seit der Bronzezeit besiedelten Gebiet im heute griechisch-albanischen Grenzland) errang mit der Schlacht von Asculum einen Sieg gegen die Römer, der die Molosser (so hieß das griechische Volk) letztendlich den SIeg im Krieg kostete. Die Verluste waren hoch und der Sieg bei Asculum wird einhellig als Schicksalswende begriffen.

Für Frau Merkel ist es tatsächlich ein Problem, denn die beiden verbliebenen Optionen werden nun schwierig, vor allem seit allen Parteien klar ist, daß eine Koalition mit Frau Merkel das eigene Aus bedeutet.

Schwarz-Rot, also die Große Koalition, will in der SPD eigentlich niemand, auch wenn die Presse seit Wochen nichts anderes schreibt. Im Ergebnis müsste die SPD hart verhandeln und zusehen, daß sie ihre Eigenständigkeit behält – sonst geht das Ganze schief. Ein nochmaliges Wahldebakel kann sich die Partei nicht leisten. Eine Reihe von Elementen würden wohl zusammenpassen, Außenpolitik und Sozialpolitik wären zu machen, allerdings könnte es bei der Familien- und Gleichstellungspolitik zu Schwierigkeiten kommen, wie beim Betreuungsgeld oder der Homo-Ehe. Auch die Sache mit dem Mindestlohn dürfte spannend werden.

Schwarz-Grün wäre interessant, auch weil die Grünen mittlerweile Wählertechnisch im Teich der Union fischen. Tatsächlich sind die Grünen nun die letzte liberale Kraft im Bundestag und haben in Baden-Württemberg gezeigt, daß sie auch Konservativ können. Lediglich in den Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung dürfte es ziemlich knirschen.

Schwarz-Tiefrot ist rechnerisch denkbar, praktisch aber nicht, alleine schon weil Frau Merkel dann plötzlich die Bild-Zeitung gegen sich hätte und sowas macht sie nicht. Der Fall Wulff dürfte ihr nochmal nachdrücklich demonstriert haben, was es bedeutet, gegen den Springer-Verlag zu regieren.

Eine Option bleibt aber und ich hielte diese für die beste für die Parteien links der Mitte: eine CDU-Minderheitenregierung. Hannelore Kraft hat gezeigt, daß man auch erfolgreich mit Minderheiten regieren kann, Frau Merkel müsste sich dann eben für jedes Projekt eine Mehrheit organisieren. Das muß sie aber ohnehin: Im Bundesrat hat Schwarz-Gelb praktisch nichts mehr zu melden. Sachsen ist noch Schwarz-Gelbe Koalition, im Falle Bayerns ist die CSU nun alleine, Hessen ist noch fraglich. Hier hat es die FdP zwar gerade so in den Landtag geschafft, Schwarz-Gelb ist dennoch abgewählt.Technisch könnte es hier zu Rot-Rot-Grün kommen, aber auch zu Schwarz-Grün, was in Frankfurt ja schon recht gut funktioniert. Ansonsten gibt es eine Reihe großer Koalitionen (Thüringen, Sachsen-Anhalt, Mecklemburg-Vorpommern und Berlin) und der Rest sind Rot-Grüne Koalitionen (in Schleswig-Holstein mit dem SSW), in Brandenburg ist es die SPD mit der Linkspartei.

Blickt man mal auf die Aufstellung (hier als pdf) der Bundesratskoalitionen, so liegen 29 Stimmen in der Hand von Rot-Grün, 18 in der Hand großer Koalitionen und 7 entweder alleine in der Hand der SPD oder in der Koalition SPD/Linkspartei. 10 Stimmen sind bei der Union alleine oder mit der FdP. Hessen bringt 5 Stimmen mit – fiele Hessen an Rot-Rot-Grün, hätten die Parteien links der Mitte noch sicherer eine absolute Mehrheit im Bundesrat. Schon jetzt gibt es eine deutliche Mehrheit der SPD/Grünen mit der Linkspartei zusammen: 36 Stimmen.

So oder so – Frau Merkel steht eine interessante Zeit bevor. Ganz im chinesischen Sinne…

Fundstückesamstag (I): Kleiner Samstag-Augenschmaus

Ergebnis eines Mittagessens. Nicht gerade die neueste Erkenntnis, aber ich wüsste schon gerne, welche Großspendergesetze die Wähler von Schwarz-Gelb diesmal wählen werden…

Schwarz-Gelb(Auf das Bild klicken für volle Vergrößerung)

Zur Landtags- und Bezirkswahl in Bayern 2013

Leider hat es ja nicht geklappt, die CSU vom Thron zu schütteln, im Gegenteil. Bislang pflege ich jenen, die (z.T. auch schadenfroh) fragen, was ich zu Wahl zu sagen habe, mitzuteilen, daß es eine gute und eine schlechte Nachricht gibt. Die Gute Nachricht: Die FdP ist draußen. Die schlechte Nachricht: Die CSU ist noch drinnen.

So ganz ernstgemeint ist das zwar nicht, aber trotzdem ist es schade, daß es den drei Oppositionsparteien nicht gelungen ist, die CSU mal in die selbige zu schicken – tatsächlich ist es angesichts der ganzen Skandale, welche die CSU in der letzten Zeit produziert hat, nahezu unverständlich, daß sie dennoch derart zugelegt hat. Ein Beispiel: Frau Merk hat im Fall Gustl Mollath mehrfach gelogen und sich dermaßen ungeschickt, geradezu rechthaberisch verhalten – ein Sozialdemokrat wäre längst gesteinigt worden – daß es gleich für 47,06% der Erststimmen in ihrem Wahlkreis gereicht hat. Man greift sich an den Kopf. Bei 56,76% Wahlbeteiligung sind das zwar nur 26,04% der Wahlberechtigten, aber warum wählt ein Viertel der Ulmer Bayern noch immer eine solche Person und wofür?

Blickt man über ganz Bayern hinweg, so ist es zwar erfreulich, daß die SPD in Maßen zugelegt hat, 464.078 Gesamtstimmen mehr (also 191.516 Erststimmen und 272.562 Zweitstimmen mehr) als 2008 erringen konnte, aber da die CSU sowohl aus der FdP, als auch aus anderen Parteien schöpfen konnte und insgesamt 1.028.312 Gesamtstimmen (485.684 Erst- und 542.628 Zweitstimmen) mehr erringen konnte als bei der vorherigen Wahl, ist das Ergebnis trotzdem enttäuschend.
Daß die FdP viel verloren hat ist deutlich, interessant finde ich das Ergebnis bei Grünen und Freien Wählern: Die Freien Wähler erringen 12.957 mehr Erststimmen als 2008 (Was aber wegen der gestiegenen Wahlbeteiligung noch immer -0,8% ausmacht) und verlieren bei den Zweitstimmen 36.609 gegenüber 2008, also 1,6%. An Gesamtstimmen macht das also einen Verlust von 23.652 Stimmen, das sind 1,2%.
Die Grünen hingegen erleben ein sehr interessantes Ergebnis: Sie gewinnen 38.075 Erststimmen (macht aber -0,3%!) und verlieren 18.534 Zweitstimmen (-1,3%) gegenüber 2008. Das macht einen Gesamtstimmenzuwachs von 19.541 Stimmen – was aber einen Prozentverlust von 0,8% ergibt. Das ist interessant, denn die Grünen erleiden Verluste obwohl sie Gewinne haben und das ist ein schöner Beleg dafür, was die Wahlbeteiligung ausmacht. Die stieg nämlich um 6% auf 63,9%, das sind 613.083 Wähler mehr als 2008, aber all diese Wähler landeten praktisch bei den großen Parteien, mehrheitlich bei der CSU.

In Oberbayern sind es bei der Landtagswahl 210.843 Gesamtstimmen mehr (also 65.928 Erststimmen und 144.915 Zweitstimmen mehr als 2008) für die SPD abgegeben worden und die Ebersberger Landtagskandidatin Doris Rauscher hat es gerade so in den Landtag geschafft (in welchem die SPD künftig 42 Sitze stellen wird).
Insgesamt war das SPD-Ergebnis für bayerische Verhältnisse ganz ordentlich – am besten in Mittelfranken mit 24,6% (Danach Oberfranken: 23,3%, Oberbayern: 22,1%, Oberpfalz und Unterfranken: je 19,5%, Schwaben: 17,2%) und am schlechtesten in Niederbayern mit 14,0%. In Niederbayern hat die SPD auch 0,1% verloren (und die Wahlbeteiligung war auch am schwächsten), ansonsten überall in Bayern zugelegt. Ob man daraus einen Trend ablesen kann sei mal dahingestellt, es hat sich aber auf jeden Fall etwas bewegt.

Blicken wir nach Hause
Ein Blick nach Ebersberg (Stimmkreis 113) verrät, daß die SPD hier recht ordentlich zulegen konnte. Doris Rauscher holte 19,9% der Erststimmen, das sind immerhin 3,1% mehr als 2008, die SPD selbst kommt in den Zweistimmen auf 24,0% und schafft damit 5,7% mehr als noch zuvor. Das lässt ein bißchen hoffen bezüglich der Bundestagswahl. Im Gegenzug holt die CSU allerdings auch 3,7% mehr an Erststimmen und sensationelle 9,7% mehr an Zweitstimmen. Thomas Huber zieht als Direktkandidat in den Landtag ein. Naja, die Ebersberger werden ja sehen, was sie davon haben.
Erfreulich ist allerdings, daß die Wahlbeteiligung von 65,8% auf 71,4% gestiegen ist.

Was die Bezirkswahlen angeht, so hat es unsere Kandidatin Bianka Poschenrieder leider nicht ganz geschafft, in den oberbayerischen Bezirkstag einzuziehen. Aber ihr ist ein echter Achtungserfolg gelungen, als nahezu unbekannte Quereinsteigerin gestartet und dann mit 18.228 Stimmen auf Platz 14 der Liste gelandet. Da es der SPD nur gelungen ist, ihre 13 Sitze zu verteidigen (auch weil 1,7% der Stimmen genügten, um in den Bezirkstag einzuziehen, weswegen die Bayernpartei dort 3 Sitze erhält, FdP, ÖDP und Piraten je 2 Sitze und die Linkspartei einen Sitz), reicht das leider nicht – ihr fehlen genau 141 Stimmen für Platz 13 (Martin Eberl), aber sie hat beachtliche 2.253 Stimmen mehr als Platz 15 auf der SPD-Liste.

Insgesamt sieht es im Bezirk bei weitem nicht so rosig aus: Die CSU kommt auf 44,28% der Wählerinnen und Wähler, die SPD auf magere 18,94%, Die Grünen auf 11,35%, die Freien auf 9,48%. Schön finde ich, daß es den Piraten gelungen ist, sowohl Martina Wenta, als auch Dr. Gabriela Berg jeweils einen Sitz zu verschaffen.

Interessant ist es, wenn man die Zweit- und Erststimmenergebnisse von Bezirkstags- und Landtagswahl nur im Bezirk Oberbayern mal nebeneinander legt. Das mache ich, sobald die Zahlen vorliegen, derzeit ist das noch nicht der Fall. Aber das Ergebnis kann ich mal vorneweg nehmen: Es haben weniger Menschen bei den Bezirkswahlen ihre Stimme abgegeben, als bei der Landtagswahl. Das dürfte daran liegen, daß nicht allen klar ist, was die (in Bayern ziemlich einzigartigen) Bezirke eigentlich tun.

Fazit:
Nun, die Wahl müssen wir verloren geben – die Mehrheit hat gesprochen und sie findet, daß es in Bayern weiterhin Mauscheleien, Verwandtenbeschäftigung, Freiheitsberaubung, Lug und Trug geben darf. Die Botschaft der Wahl ist klar: Nimm mit, was geht und erbeute was Du kannst; Scher Dich nicht um Fairness oder Gerechtigkeit. Du wirst belohnt, wenn Du Dir das Land zu Beute machst und Dein Nachbar zählt nicht. Neoliberales Denken ist wohl wirklich in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Damit haben die Parteien links der sogenannten Mitte auch eine klare Aufgabe: Ändert das!


P.S.: Alle Zahlen kann man diesen Seiten entnehmen:

Musterbeispiel: Bayerische Justiz

Vor einigen Monaten kam es an einer Schule in München zu einem ziemlich ungeheurlichen Vorgang: 29 Schülerinnen und Schüler hatten Besuch von der Polizei, die eigentlich ein Seminar zur Gewaltprävention und Zivilcourage abhalten wollte – aber als vermeintlich 5 Euro fehlten, wurden sie einer ziemlich demütigenden Leibesvisitation unterzogen.

Ende November/Anfang Dezember kochte die Geschichte relativ rasch hoch und beschäftigte eine Menge Bürger. Warum hat die Polizei derart überzogen reagiert, warum manche Schüler gezwungen sich komplett nackt auszuziehen und gar den einen oder anderen Blick in eine Unterhose geworfen? Und selbst wenn ein 5 Euro – Schein aufgetaucht wäre, was dann? 1,5 Milliarden davon sind im Umlauf, wie hätte man den zuordnen sollen?

Polizeibeamte haben hier letztendlich eine sexuelle Nötigung Minderjähriger, zum Teil wohl nicht einmal Strafmündiger vorgenommen – eigentlich eine völlig unglaubliche Geschichte. Über Januar und Februar schlief die Geschichte dann ein, immerhin begann die Staatsanwaltschaft wegen Nötigung zu ermitteln und man hatte als Bürger den Eindruck, der Rechtsstaat ist erschrocken und beginnt ein ordentliches Verfahren.

Tja, und nun? Verfahren eingestellt. Und warum? Weil die Staatsanwaltschaft befunden hat, daß eine Leibesvisitation grundsätzlich zulässig sei und weil die Eltern der Kinder keine Anzeige wegen sexueller Nötigung erstattet haben. Ob man sie überhaupt über die Notwendigkeit davon unterrichtet hat?

Bayerns Polizei und Rechtssystem
Es ist schon seltsam in unserem Bayern. Wenn man der Staatsanwaltschaft zur Anzeige bringt, daß eine Bank sich an Steuerbetrug beteiligt, kann man schon mal in der Psychiartrie landen. Einmal unbescholten in eine Drogenermittlung geraten, ohne daß dabei Drogen gefunden werden? Tja, dann ein paar Mal im Jahr bitte einem Beamten Blick auf Vorhaut und Anus gestatten. In Ihrem Haus wohnte irgendwann mal jemand, der jetzt von der Polizei gesucht wird und nicht mehr da ist? Tja, kann Ihnen passieren, daß Sie und Ihre Familie dafür verprügelt werden. Bei einem Volksfest sind Sie Zeuge einer Schlägerei? Tja, unversehrt zur Poizei gehen kann mit ausgeschlagenem Schneidezahn enden, gerade wenn Sie ein 15-jähriger Hauptschüler sind. Ihnen steht ein Transporter im Weg und Sie sind ein behinderter Rentner? Na, das kann auf die Fresse geben – und Anzeige gleich mit. Sie streiten sich mit Ihrem Freund und rufen die Polizei zur Hilfe? Au weia, das kann schon mal mit einem zerschlagenen Gesicht enden. Sie sind blind, haben ein behindertes Kind und plötzlich die Polizei im Haus? Strecken gar den Arm vor, um nicht irgendwo dagegen zu laufen? Na, dann kann es auf die Fresse geben und Sie werden gleich noch ob Ihrer Bedrohlichkeit verurteilt. Nehmen wir das Beispiel Tenessee Eisenberg. Er drohte sich umzubringen, hatte ein Messer in der Hand. Die Regensburger Polizei streckt ihn mit 12 Kugeln, davon 7 in den Rücken (!) wegen „Notwehr“ nieder, der Berufsfachschüler stirbt. Bei einem Lokalderby in München schlägt die Polizei willkürlich auf die Fans ein – die Beamten sind nicht identifizierbar (sind ja vermummt), das Verfahren wird eingestellt. Sie werden als Übersetzerin in eine Polizeidienststelle gerufen? Na, dort laufen Sie sicher freiwillig mehrfach gegen die Wand. Kommen Sie auf den blöden Gedanken, einen Polizisten zu kritisieren? Puh, wenn Sie es da lebend rausschaffen, sind Sie gut dran. Weh wird das trotzdem tun. Sie erkundigen sich nach dem Namen von Polizisten, die bei einer Kontrolle ihren astmathischen Ehemann quälen? Tja, das setzt erstmal Schläge. Echtes Fehlverhalten kann auch unlustige Konsequenzen haben: Neben Schlägen und dergleichen werden Sie am Ende halbnackt und ohne Geld in der Münchner Innenstadt ausgesetzt. Ist aber auch besser so, Sie könnten auch in der Zelle sitzen und vielleicht weil Sie betrunken sind die Notrufglocke dauernd betätigen und damit den Wachhabenden nerven. Dafür gibt es in Bayern erstmal Pefferspray zwischen die Augen.

Es muß aber nicht immer nur Gewalt sein.
Sie ermuntern Bürger dazu, ihr Recht wahrzunehmen und mal eine Ministerin zum Sachstand einer Kontroverse zu befragen? Oha – da gibt’s dann gleich Besuch von der Polizei. Kann Ihnen auch passieren, wenn Sie ein Forum betreiben und dort ein User einen Lokalpolitiker schlipstrittmäßig behelligt.

Einzelfälle
Natürlich sind das mehr oder weniger Einzelfälle, auch wenn bestimmte Reviere schon immer einen gewissen Ruf hatten und nach wie vor haben. Aber es sind vor allem gefährliche Einzelfälle. Denn derartige Vorkommnisse erschweren die Arbeit der Polizei und bringen die Mehrzahl der Beamten, nämlich diejenigen, die ehrlich und aus einem guten Ideal heraus die Bevölkerung eigentlich schützen wollen, in Verruf. Die Polizei besonders in Bayern hat bundesweit einen sehr schlechten Ruf, gilt als gewalttätig und brutal. Da ist sie zwar nicht alleine, die Polizei in Berlin oder Sachsen ist ähnlich beleumdet und in Stuttgart würde ich auch nicht unbedingt einen Uniformierten ansprechen wollen.
Wenig hilfreich ist, daß die prügelnden Beamten sich fast immer aus der Affäre ziehen können (Standardverfahren ist immer eine Gegenanzeige wegen „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ – der Widerstand kann auch darin bestehen, auf die Aufforderung den Ausweis vorzuzeigen „Moment“ zu sagen, weil man ihn erst suchen muß) und sich die Politik in Gestalt unseres Innenministers Herrmann selbstherrlich mit dem Begriff der „Superpolizei“ gar nicht erst einmischen will.

Herr Minister – Ihre Berufsbezeichnung kommt aus dem Lateinischen, von ministrare. Das bedeutet dienen. Sie sind vom Beruf her ein Volksdiener – also benehmen Sie sich endlich entsprechend!

Das Problem, das eigentlich Problem ist nämlich, daß gegen die Beamten die sich schwer falsch verhalten nicht vorgegangen wird – und daher bei der Bevölkerung der Eindruck entsteht, die könnten machen, was sie wollen. Ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Das lässt den Bürger befürchten, daß wir alles, nur keinen Rechtsstaat mehr haben – und das ist der Anfang vom Ende.
Tatsächlich ist die Politik sich auch nicht zu blöd, die Polizei zu politischen Manövern zu mißbrauchen, es werden Zivilbeamte unter Demonstranten gemischt um einen Zwischenfall zu provozieren und eine öffentliche Legitimation dafür zu bekommen, mit Gewalt gegen politische Gegner vorzugehen. Es passiert auch in Deutschland, daß Polizisten von der Politik verheizt werden, nur um politische Gegner aus dem Weg zu räumen.

Das alles hat mit rechtsstaatlicher Ordnung und demokratischer Willensbildung nichts mehr zu tun. Man sollte aber die Tatsache, daß es in Bayern offensichtlich nicht strafbar ist, wenn man als Polizist die Genitalien von Kindern anschauen will, als deutliches Alarmsignal verstehen.

Energiewende auf Bayerisch

Das Magazin Kontraste brachte vergangenen Donnerstag einen hochinteressanten Beitrag über die gespaltene Zunge der CSU zu spaltbarem Material.  Zitat: „Was die bayerische Regierung verschweigt: Sie hat die Atomstrom-Ausweitung in Gundremmingen längst befürwortet. Wie KONTRASTE herausfand schickten die Bayern im Juni 2012 einen Genehmigungsentwurf an das Bundesumweltministerium. Gestützt auf Gutachten des TÜV Süd, die Kontraste vorliegen. Im Anschreiben mahnt das CSU-Ministerium ‚eine zügige Durchführung der bundesaufsichtlichen Prüfungen‘ an.“

Na, das ist dooch mal interessant. Nachzulesen ist die Sendung hier.

Dem kann man fast nur noch die Biermösl Blosn entgegenhalten. Mit Ihrer Neuinterpretation des alten Volksliedes „Sabinchen war ein Frauenzimmer“ haben sie es eigentlich schön auf den Punkt gebracht.

Sabinchen

Sabinchen war ein Frauenzimmer, gar fromm und tugendhaft.
Sie diente seit der Mittleren Reife bei einer Dienstherrschaft.
Da kam aus Gundremmingen ein junger Mann daher,
|: der wollte so gerne Sabinchen besitzen
Und war ein Ingenieur. : |

„Sabinchen“, sprach er, „schönes Mädchen, die Maienluft weht lau.
Kommst du mit mir nach Gundremmingen und wirst du meine Frau?
Ich hab einen sicheren Posten, und einen schlauen Kopf,
|: ich trag untertags einen Sicherheitsanzug
und drück nur den Sicherheitsknopf.“ : |

Nach soviel Sicherheitsversprechen, da wurde Sabinchen weich.
Er schenkte ihr eine Sicherheitsnadel und sie sich ihm sogleich.
Und bald darauf war Hochzeit, mit Hochzeitsmahl und Kerch‘,
|: dann zogen sie beide in seine Wohnung
gleich hinter dem Kernkraftwerk. : |

Doch schon nach drei, vier Monat, oh Schrecken, da wurde Sabinchen krank.
Am ganzen Körper warn rote Flecken und auch der Blutdruck sank.
Die Zähne und die Haare fielen ihr alle aus,
|: und nach nicht einmal ganz zwei Jahren
trug man sie aus dem Haus. : |

Ihr Mädchen und ihr jungen Frauen, dies soll euch zur Lehre sein:
Laßts euch auf einen Kernkraftburschen nur ja, nur ja nicht ein!
Schenkt eure schönen Augen und euren roten Mund
|: doch lieber uns, den Kernkraftgegnern,
dann bleibts ihr wenigstns gsund! : |

Wer CSU wählt, ist eben selber schuld… 😉

Darf ich dazu jetzt was schreiben…?

… oder kommt dann gleich die Münchner Polizei bei mir vorbei und beschlagnahmt meinen PC? Ernsthaft, einer Ärztin aus Sauerlach (CSU-Mitglied!) ist das passiert: Sie hat in einem Tweet vorgeschlagen, daß man die Justizministerin von Bayern, Beate Merk, bei einer Veranstaltung in Hofolding doch fragen könne, wann Gustl Mollath wieder freikommt. Daraufhin bekam sie Besuch von der Polizei.

Die Geschichte stammt nicht aus irgendeiner Bananenrepublik und auch nicht aus einer x-beliebigen Diktatur – sie stammt aus Bayern, das laut Verfassung eigentlich so etwas wie ein Rechtsstaat ist. Der Journalist Richard Gutjahr brachte die Geschichte, wie Frau Prof. Dr. med Dr. med habil Gresser Besuch vom Staat bekam, weil sie einen Tweet schrieb, den die Sicherheitsbeamten der Justizministerin für bedenklich hielten.

Der potentielle Terror-Tweet lautete vermutlich: „Wann Mollath freikommt? Diese Frage könnte man Frau Merk am Mo. 10.06.13 um 19 Uhr im Landgasthof Hofolding stellen.“ Das war alles. Frau Gresser machte als braves CSU-Mitglied letztlich Werbung für eine Wahlkampfveranstaltung und regte bei der Gelegenheit an, über einen aktuellen Justizskandal zu sprechen.

Real? Satire!
Richtig lustig wird das, wenn man sich klar macht, daß das Thema der Veranstaltung „Facebook & Co. – sicher surfen in sozialen Netzwerken, mit Staatsministerin Dr. Beate Merk” lautete. Da fällt einem nur wenig zu sein, aber das ist ja leider alles kein Einzelfall. Drei Beipiele aus der jüngeren Vergangenheit.

  1. Der Fall Mollath ist eine unendliche Geschichte – ein Mann wird mit gefälschten, vom Staat so geforderten Gutachten für Jahre in die Psychartrie eingewiesen, weil er einen Fall von Steuerhinterziehung melden wollte. Mittlerweile beschäftigt sich sogar der Landtag in einem Untersuchungsausschuß mit dem Thema. Und die Details werden immer unappetitlicher: War zuerst noch von einem Verfahrensfehler und Justizirrtum zu lesen, so ist mittlerweile auch klar, das der Richter, der dieses „Verfahren“ leitete, ein Bekannter des neuen Lebensgefährten der Ex-Frau von Mollath war, die ihn hauptsächlich belastet hatte. Seine persönliche Habe – inklusive Berufsabschluß und anderen Zeugnissen! – ist verschwunden. Er wird regelmäßig nachts geweckt, angeblich aus „Fürsorge“. Man bekommt den Eindruck, daß an diesem Fall der Staat einen Menschen systematisch fertigmacht. Eine Sammlung weiterer Links findet man hier, die ganze Geschichte kann man hier nachlesen.
  2. Prügel-Vorwürfe: Die bayerische Polizei wird immer wieder mit ziemlichen Gewaltvorwürfen konfrontiert. Als ob die sinnlose Polizeigewalt zur Verteidigung der CDU in Baden-Württemberg im Rahmen von Stuttgart 21 der Auslöser gewesen ist, kommt es immer wieder zu Meldungen über brutales und rücksichtloses Vorgehen der Polizei. Sei es in Wasserburg oder in Rosenheim oder in München – der Bürger wird eingeschüchtert.
  3. Meinungsfreiheit: Gleich zwei Mal ist die Augsburger Allgemeine zum Zentrum des Demokratieverständnisses der CSU geworden: Im Januar 2013 drohte die Polizei mit einer Durchsuchung der Redaktionsräume, um die persönlichen Daten eines Forenmitgliedes zu erhalten, welcher sich eher polemisch über einen Rechtsreferenten namnes Ullrich geäußert hatte. Der fühlte sich in seiner Ehre gekränkt und die bayerische Justiz mißachtete devot die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes um dem verdienten mann zu „seinem Recht“ zu verhelfen.
    Das ist aber noch nicht alles: Landtagsabgeordneter Bernd Kränzle und der Kreisvorsitzende Rolf von Hohenhau (Beide CSU, was auch sonst?) mahnen eine Rentnerin ab, weil diese, bitte festhalten, in einem Leserbrief die Personalpolitik der beiden Herren kritisiert hatte. Zugegeben, auch das ein wenig polemisch, aber trotzdem, es war eine Meinungsäußerung eines ehemaligen CSU-Mitgliedes, die von der Augsburger Allgemeinen abgedruckt wurde. Ergebnis: Eine Abmahnung mit einer Drohung, 5.000 Euro Strafe von der Rentnerin einzufordern, wenn sie nicht sofort widerriefe und die Meinung der beiden Herren als Leserbrief nachreiche.

Man fragt sich schon, wo wir hier leben – und auch, warum die Mehrzahl der bayerischen Bürgerinnen und Bürger dieses Verhalten der Christlichen Einheitspartei Bayerns für wenig beachtenswert oder gar normal halten. Widerstand gibt es wenig, eine Wechselstimmung wird zwar gehofft, aber nicht gespürt. Solange es die Meinung der Staatsregierung ist darf sie geäußert werden – wenn nicht, dann droht die Staatsmacht mit ihren Mitteln.

Und das wird dann gerne begleitet, indem man mit den Fingern auf andere zeigt. Im Iran, da soll gefälligst Meinungsfreiheit herrschen. In Bayern aber nicht. Selbst Amnesty International muß sich inzwischen mit Deutschland beschäftigen
Einen habe ich noch zum Abschluß: Den Fall der Übersetzerin Elena Schelhas. Der hat es sogar bis ins Magazin Panorama geschafft:

Ich schlage daher ein neues CDU-Wahlplakat vor, das ihren Wahlspruch mal ins angemessene Licht rückt:

CDU_Wahlplakat 01

Scheibenwischersonntag (XIII)

Ein bißchen zur Entspannung am heiligen Sonntag hier eine schöne Folge des Scheibenwischer. Noch aus der Zeit, als die ARD brauchbare Satire produziert hat.

Dies hier ist ein besonderer Scheibenwischer: Der bayerische Rundfunk (namentlich der Fernsehdirektor Helmut Oeller) störte sich an den sehr atomstromkritischen Inhalten und insbesondere an einem Stück namens „Der verstrahlte Großvater“, das Werner Koczwara geschrieben hatte. Im Ergebnis blendete sich der bayerische Rundfunk einfach aus der Sendung aus, so daß dieser Scheibenwischer in Bayern nicht zu empfangen war – das dürfte der meistgesehene Scheibenwischer Bayerns sein, denn in der Folge lief er im Arri-Kino, an den Münchner Kammerspilen und in vielen Gaststätten auf Video – monatelang. Das dürfte die CSU ein wenig irritiert haben…

Heute: 22.5.1989

Stichwahl in Ebersberg: Vom Schwund der Wahlberechtigten

Die Stichwahl ist vorbei und die CSU verteidigt ganz knapp eine Mehrheit: Robert Niedergesäß ist, um mal mit den Sozialdemokraten vor Ort zu sprechen, in Vaterstetten abgewählt worden. Bei der Analyse fielen mir jedoch einige seltsame Angaben auf, die sich besonders auf die Zahl der Wahlberechtigten beziehen.

Die Ergebnisse der Wahlen werden von der zuständigen Behörde, in dem Fall das Landratsamt Ebersberg, auf der Homepage veröffentlicht. Das Procedere ergibt, daß zunächst die Schnellmeldungen (hier vom 14.4.2013 und hier vom 28.4.2013) veröffentlicht werden. Nimmt man diese Daten und betrachtet sie mal vergleichend, ergeben sich allerdings erstaunliche Ergebnisse.

Zum weiteren Verständnis der Analyse empfiehlt es sich, dieses pdf nebenbei zu öffnen.

Das erste, was eigentlich sofort ins Auge sticht, ist die fürchterlich schlechte Wahlbeteiligung. Weit weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten im Landkreis haben überhaupt abgestimmt, was der Legitimität der Politik dann doch in Zweifel zieht; Die vordringliche Aufgabe aller Parteien muß es sein, besonders im Kommunalen Bereich das Interesse und vor allem die Beteiligung der Bürger am politischen Geschehen zu stärken.

Ich habe das pdf noch am Wahlabend erstellt mit Hilfe der oben verlinkten Ergebnisseiten. Dabei fiel mir etwas richtig seltsames auf: Egmating, eine kleine Gemeinde mit gerade einmal 2142 Einwohnern, schien binnen zwei Wochen über 300 wahlberechtigte Einwohner verloren zu haben. Waren es am 14.4.2013 noch 1749 Wahlberechtigte (von denen knapp 720 nur zur Wahl gingen), so schienen es am 28.4.2013 nur noch 1447 zu sein. Sie können die Angaben auch den Screenshots entnehmen:

Schnellmeldung EgmatingSchnellmeldung gesamtDas verblüffte mich dann doch. Eine gewisse Bewegung unter den Wahlberechtigten ist völlig normal (Einwohner sterben oder ziehen weg, andere werden just in der Zeit volljährig oder ziehen zu) und die Bewegungen hier sind im großen und ganzen wohl normal – auch wenn ich mich schon wundere, was so binnen zwei Wochen alleine in Vaterstetten (40 weniger) passiert; Natürlich ist Vaterstetten auch wirklich groß. Geht das eigentlich überhaupt, daß sich die Zahl der Wahlberechtigten binnen zwei Wochen ändert? Dem wollte ich mal nachgehen.

Ich schrieb also das Landratsamt in Ebersberg als zuständige Behörde (das Landratsamt hat die Wahlleitung bei Kommunalwahlen inne – eine Information die man im Netz lange suchen kann…) und auch die Gemeinde Egmating an und fragte nach, ob es hier vielleicht zu einem einfachen Tippfehler gekommen ist: 1447 statt 1749… zugegeben, da muß ganz gut was schiefgegangen sein, aber 4 und 7 liegen im 9er Feld übereinander und so….

Tatsächlich meldeten sich beide Behörden auch gleich am nächsten Morgen bei mir. Die Gemeinde Egmating klärte mich auf:

„Sie haben richtig erkannt, dass  bei der Schnellmeldung statt 1747 Wahlberechtigte nur 1447  vermerkt sind. Dies ist wahrscheinlich bei der telefonischen Übermittlung bzw. als Zahlendreher  bei der ersten Meldung weitergeleitet worden. Jedoch nach Protkollübergabe und Prüfung durch das Landratsamt wurde das richtige Endergebnis vermerkt und bereinigt.
Am Wahlergebnis ergeben sich dadurch keine Änderungen und auch bei der Wahlbeteiligung des Landkreises bleiben die 41,5%. Bei der Gemeinde Egmating ändert sich nur die Statistik der Wahlbeteiligung statt 50 % auf 41,4 %.  Nach Rücksprache mit der Wahlleitung des Landratsamtes gelten immer nur die Endergebnisse, die erst nach Protokollabgabe feststehen. Es gab keine Fehler beim Verschicken der Wahlberechtigungskarten oder beim Wahlaufruf.
Mit freundlichen Grüßen“

Okay, also 1747 Wahlberechtigte; Zwei sind also in diesen zwei Wochen entweder verstorben oder weggezogen. Auch das Landratsamt meldete sich in Form des Wahlleiters persönlich (!) bei mir und klärte mich noch einmal darüber auf, daß natürlich erst die Zahlen des Protokolls wirklich amtlich seien. Auf die müssen wir noch ein bißchen warten. Daraus kann man aber eine Lehre ziehen, die vielleicht auch die Presse mal beherzigen sollte: Die Zahlen am Wahltag sind eben nur vorläufig.

Jeder 1000ste Wahlberechtigte weg

Das macht dann eben 162 Wahlberechtigte weniger binnen dieser zwei Wochen. Und das wiederum macht auch stutzig. Ein Blick in das Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz in Bayern besagt, daß bei einer Kommunalwahl zunächst einmal jeder Unionsbürger, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen ist (z.B. durch eine Straftat; Das regelt Art. 2 des GLkrWG) und seinen Lebensmittelpunkt in der entsprechenden Gemeinde hat, wahlberechtigt ist.
Bei einer Stichwahl liegt das gleiche Wählerverzeichnis zugrunde. Die Gemeinde- und Landkreiswahlordnung (GLKrWO) schreibt vor, daß eine Stichwahl mit der ursprünglichen Wahl rechtlich eine Einheit bilden, das regelt § 78 Abs. 2 GLKrWO. Das bedeutet: Es kann bei der zweiten Wahl (der Stichwahl) nicht mehr Stimmberechtigte geben, als bei der ersten Wahl, wohl aber weniger, weil diejenigen, die durch Wegzug (und rechtzeitige Ummeldung) oder Tod ihren Lebensmittelpunkt (Ja, der Tod verlagert wahlrechtlich den Lebensmittelpunkt… *kicher*) verlagert haben, herausfallen.
Laut § 15 der GLkrWO ist jeder gemeldete und berechtigte Bürger im Wählerverzeichnis, der am 35. Tag vor der Wahl die Voraussetzungen erfüllt hat. Nachträglich kann man sich eintragen lassen, muß man sich aber selbst drum kümmern.

Insgesamt 162 wahlberechtigte Landkreisbürger haben in der Zeit vom 14.4. bis zum 28.4. also den Landkreis verlassen; Sei es durch Tod oder Wegzug. Die meisten in Vaterstetten (40), Grafing (24), Kirchseeon (21) und Markt Schwaben (19). 162 von 100.961 Berechtigten entsprechen einem Anteil von 0,16%, das ist mehr als jeder tausendste. Nicht viel, aber doch bemerkenswert. Mir fehlen noch Vergleichsdaten aber ich ahne, schon wieder ein ziemlich bescheuertes Hobby gefunden zu haben… (Nebenbei – wer an sowas Spaß hat kann sich ja mal die Tabellen zum endgültigen Wahlergebnis der Kommunalwahlen 2008 ansehen.)

Zahlenspielereien

Natürlich werden bei Wahlen immer gerne die günstigeren Zahlen genannt. Das konnte ich mal wunderschön bei der Landtagswahl in Schleswig-.Holstein 2012 aufzeigen: Die FdP hatte hier ihr „zweitbestes Ergebnis der Geschichte!“ verkündet, tatsächlich aber die Hälfte ihrer Stimmen verloren.

Die gesunkene Wahlbeteiligung bei dieser außerplanmäßigen Landratswahl ist natürlich nicht völlig unerklärlich: 2008 fand die Wahl halt parallel zu den allgemeinen Kommunalwahlen statt, während aufgrund der schweren Erkrankung des Landrates nun eine Sonderwahl notwendig wurde, die dann aber auch 7 Jahre gültig ist. Niedergesäß wird – sofern er keine nachweisbare Straftat begeht (hier bitte eine eigene CSU-Polemik einfügen) – also bis zu den übernächsten Kommunalwahl 2020 regieren dürfen.

Generell ist es bei Kommunalwahlen so, daß weniger große Lebens- und Gesellschaftsentwürfe gegeneinander stehen (Der jeweils andere Entwurf wird gern als „Ideologie“ tituliert, das klingt negativer), sondern eher Sachthemen. Das scheint weniger zur Wahl zu reizen, wobei ich das eigentlich nicht wirklich nachvollziehen kann. Muß ein Wahlkampf wirklich wütend, polemisch und ideologisch geführt werden, statt sich sachlich über Ziele und die Wege dahin zu streiten?
Im Kommunalwahlkampf 2008 konnten sich der damalige SPD-Kandidat Ralf Kirchner und der Amtsinhaber Gottlieb Fauth auf den Tod nicht ausstehen. Die hatten schon so manche heftige und z.T. auch ziemlich .. hm… unparlamentarisch formulierte Auseinandersetzung hinter sich. Das hat verschiedentlich auch die Zeitungen beschäftigt (zum Beispiel hier oder hier oder auch hier den Merkur) und natürlich auch die Parteizeitungen (hier auf Seite 9). Insgesamt war es stets ziemlich laut im Landkreis. Gebracht hat das der SPD ein Ergebnis von 20%.

In meinem korrigierten pdf (hier zum Download) habe ich auf der letzte Seite mal die realen Stimmenanteile (also inklusive Nichtwähler) im Vergleich zwischen 2008 und 2013 (wobei ich da nur die erste Wahl, nicht die Stichwahl genutzt habe) ausgerechnet. Auch hier bitte wieder mit dem Vorbehalt, nur vorläufige Zahlen von 2013 zu haben.

Es zeigt sich, daß die niedrige Wahlbeteiligung sowohl der CSU, als auch den Grünen massiv geschadet haben: Die CSU hat praktisch ein Drittel ihrer Wähler eingebüßt, die Grünen sogar gut die Hälfte.

In Realen Prozentanteilen ausgedrückt hat die SPD aber auch nur eine Steigerung von 0,54% geschafft und nicht – wie natürlich verkündet – von 11,68%. Das zeigt auch auf, warum die sensationelle Steigerung von fast 12% mit nur 1.732 zusätzlichen Wählern geschafft worden ist. Umgekehrt haben die Grünen massiv verloren (6.087 Stimmen), was mehr als der Hälfte ihrer Wähler von 2008 darstellt. Mit Fauth hatten die Grünen ein Feindbild, wahrscheinlich ist Niedergesäß dafür einfach zu glatt. Die CSU verlor nach offizieller Angabe beim ersten Wahlgang etwa 4,84% – zwar ein Schock, aber zu verkraften. Bis man mal in die realen Werte guckt: Die bayerische Einheitspartei hat in Wahrheit 12,30% verloren und damit ein volles Drittel ihrer Wähler von 2008. Von 30.892 auf 20.489 Wähler abgesackt – das ist heftig. Wäre die Wahlbeteiligung in etwa gleich hoch gewesen ohne daß die anderen Wähler schwarz angekreuzt hätten, wäre die CSU ziemlich gedrückt worden – wobei das natürlich Unsinn ist. Unter der schlechten Wahlbeteiligung hat die CSU am stärksten gelitten, während es der SPD gelungen ist, trotz sinkender Beteiligung mehr Wähler anzusprechen. Das ist ein voller Erfolg für die nicht gerade mit Erfolg verwöhnten Genossen.

In der Tabelle werden Sie keine Vergleichswerte für die Freien Wähler oder die FdP finden; Das hat damit zu tun daß die FdP aus Existanzmangel diesmal keinen Kandidaten aufgestellt haben, die Freien Wähler 2008 keinen anboten.

Stärken und Schwächen wie Stadt und Land?

Die Unionsparteien haben generell das Problem, eher als Parteien des ländlichen Raumes wahrgenommen zu werden und nicht gerade als Vertreter des urbanen. Das könnte auch mit dem konservativen Anstrich zu tun haben, den sie sich versuchen zu geben und hat natürlich vor allem historische Gründe.

Seit es Wahlen gibt und andere Parteien zugelassen waren als konservative oder liberale gab es zwischen den Arbeiterparteien und den konservativen einen starken Stadt-Land Unterschied. War die SPD als traditionelle Arbeiterpartei in den Arbeitervierteln entsprechend erfolgreich, verknüpften konservative Parteien die Herrscherideologienideale mit bäuerlicher Existenz; Schafften den Spagat zwischen Untertanenexistenz und Eigenverantwortlichem Unternehmensgeist. Nach dem zweiten Weltkrieg verlegten die Konservativen das Thema Untertan völlig ins Religiöse und betonten die Wirtschaft und den Mittelstand als Rückgrat in Kombination mit dem, was sie gerne „traditionelle Werte“ nennen. Im Gegenzug entwickelte die SPD den Sprung von der Arbeiterpartei zu einer Partei für Studenten und Professoren, wurde eine Kombination aus Arbeiter- bzw. Arbeitnehmervertretung und Kämpferin für Bildung und Ausbildung. Beides allerdings sind DInge, die eher in den Zentren zu finden waren – auf dem Dorf waren der Pfarrer und der Dorfschullehrer gerne die einzigen „Studierten“.

Das hat sich längst gewandelt, steckt aber sowohl im Selbstempfinden, als auch in der Wahrnehmung nach wir vor drin. Dennoch erleben wir hier eine gewisse Umbruchphase, die Grünen – einst als radikal alternativer Teil aus der SPD geschieden – entwickelten sich zunächst von einer Umweltbewegung zu einer sozialliberalen Partei, bis sie, erstmals an der Regierung mit der SPD, den Außenminister stellte, der Sodaten in Kriege im Ausland schickte. Heute ist sie oftmals im Bürgerlichen angekommen, insbesondere im Städtischen. Ein Grüner (Fritz Kuhn) wird Oberbürgermeister in Stuttgart – vermutlich wegen dieser Symbolhaftigkeit für das Vordringen der Grünen ins konservative „bürgerliche Milieu“ ist das die Medien landaus, landab diskutiert worden. Daß da parallel die SPD mit tollen Ergebnissen in Saarbrücken, Mainz, Erfurt, Potsdam, Magdeburg oder München jeweils das Amt des Oberbürgermeisters errang oder verteidigte (mit Ergebnissen zwischen 57,5% und 66,8% der jeweils gültigen Stimmen), oder aber der CDU selbiges an anderer Stelle gelang, wie in Düsseldorf oder Dresden,war keine national verbreitete Nachricht wert.

Kurz vor der Themaverfehlung 🙂

Bevor ich jetzt noch weiter abschweife (Vielleicht schreibe ich da morgen mehr dazu), kehren wir wieder in den Landkreis Ebersberg zurück. Der Landkreis hat natürlich keine urbanen Zentren im eigentlich Sinne – er hat insgesamt etwa 130.000 Einwohner und damit gerade ein Zehntel der Einwohnerzahl Münchens – dennoch kann man den Landkreis ganz unterschiedlich einteilen.

Es gibt im Landkreis 2 Städte (Grafing mit 12.940 Einwohnern und Ebersberg mit 11.458 Einwohnern), 3 Marktgemeinden (Markt Schwaben mit 12.122 Einwohnern, Kirchseeon mit 9.833 Einwohnern und Glonn mit 4.455 Einwohnern), sowie 16 Gemeinden. Die größte Gemeinde ist zugleich auch die größte Siedlung: Vaterstetten mit seinen 22.292 Einwohnern, die zweitgrößte Poing mit 13.905 Einwohnern. Die Grenze zwischen Vaterstetten und Haar – und damit der Metropolregion München – ist winzig: bald wird Vaterstetten wohl rein optisch nach München hineinwachsen. Die kleinste Gemeinde im Landkreis ist Bruck mit 1.164 Einwohnern.

Insgesamt wohnen die meisten Wähler im Landkreis in den großen Gemeinden und Städten (inkl. Kirchseeon sind das 82.550), die restlichen 48.268 Einwohner verteilen sich auf 15 kleinere Gemeinden, unter denen Zorneding mit 8.997 Einwohnern schon wieder die größte ist.

Blickt man nun auf die Wahlergebnisse muß man vorher noch zwei Dinge wissen: Robert Niedergesäß von der CSU ist in Vaterstetten bislang Bürgermeister gewesen und dort dementsprechend bekannt (und nicht wenige Kommentatoren bei Merkur-Online sagten ja, daß die Vaterstettener ihren wenig erfolgreichen Bürgermeister abgewählt hätten), und Toni Ried ist zweiter Bürgermeister in Ebersberg und weit über die Politik hinaus im Ort verwurzelt und bekannt. Einen derartigen „Heimvorteil“ hatte Dr. Ernst Böhm ebenfalls – er stammt aus Grafing – allerdings nicht mit einem politischen Hintergrund: Böhm war bis dahin nur als Unternehmer in seiner Heimat bekannt gewesen. Reinhard Oellerer von den Grünen ist Gemeinderat in Anzing und dort entsprechend bekannt – das schlägt sich auch im Ergebnis nieder.

Es ist wenig überraschend, daß die CSU in den kleineren Gemeinden stets sehr stark war. Das beste relative Ergebnis erzielte sie allerdings in Vaterstetten, gefolgt vom sehr ländlichen Baiern. Von den großen Gemeinden ist nur das SPD-geführte Markt Schwaben mit 50,16% noch über der absoluten Mehrheitsgrenze für die CSU.

Die besten Ergebnisse erzielte die SPD in Aßling und Grafing, aber auch im ländlichen Bruck schaffte sie 39,96%. Neben Vaterstetten, das mit 22,70% ziemlich schwach dasteht, mit 1.762 Stimmen aber trotzdem an Dritter Stelle steht, sind Pliening (23,54%), Anzing (24,04%), Forstinning (23,89%), Baiern (25,25%), Hohenlinden (26,06%), Oberpframmern (26,43%) und leider eben auch Markt Schwaben (28,28%), Poing (30,12%) und Kirchseeon (31,20%) unter dem Landkreisdurchschnitt (32,18%) gelandet. Bedenkt man, daß in Glonn (SPD-Bürgermeister) mit einer durchwachsenen Wahlbeteiligung von 41,52% immerhin über 38% für die SPD stimmten, so stimmen die Ergebnisse für Markt Schwaben und Poing nachdenklich – beide werden erfolgreich von einem SPD-Bürgermeister regiert und zumindest Albert Hingerl aus Poing galt als potenzieller Kandidat für den Landrat – und trotzdem haben gerade diese beiden Städte die niedrigste Wahlbeteiligung überhaupt. Wechselstimmung scheint da überhaupt nicht gewachsen zu sein. Das könnte allerdings auch mit der Nord/Süd-Teilung des Landkreises zu tun haben – ich frage mich, ob der Landrat von Ebersberg in den nördlichen, eher Erding zugewandten Gemeinden eigentlich als „ihr“ Landrat wahrgenommen wird.

Neben Ebersberg sind die Freien Wähler interessanter Weise in Hohenlinden, Oberpframmern und Steinhöring über die 10%-Marke geklettert und haben einen beachtlichen Erfolg erreicht, die Grünen haben den relativ größten Erfolg in Anzing (18,9%), Poing (17,75%), Forstinning (15,66%), Markt Schwaben (14,84%) und Poing (14,02%)gehabt. In drei weiteren Gemeinden schafften sie es auch noch über die 10%-marke, das schwächste relative Ergebnis landeten sie in Steinhöring.

Betrachtet man nun die absoluten Zahlen, so findet man für die CSU schnell heraus, daß die meisten Stimmen aus Vaterstetten kamen (4.927), gefolgt von Grafing (1.650), Markt Schwaben (1.612), Zorneding (1.528) und Ebersberg (1.480). Auch in Poing und Kirchseeon holten sie mehr als 1.000 Stimmen
Bei der SPD liest sich die Liste ähnlich: die meisten Stimmen kamen aus Grafing (2.321), Vaterstetten (1.762), Ebersberg (1.691) und Zorneding (1.021). DIe wenigsten SPD-Wähler wohnen in Moosach (168). Die Grünen kommen in keiner einzigen Gemeinde auf 1.000 Stimmen, das beste absolute Ergebnis erziehlen sie mit 626 Wählern in Vaterstetten, gefolgt von Poing (580), Grafing (509), Markt Schwaben (477), Ebersberg (352) und Zorneding (341). DIe freien Wähler haben in Ebersberg mit 1.089 Stimmen ein tolles Ergebnis, ansonsten aber nie mehr als 400 Stimmen gesammelt.

Insgesamt sind also die Ballungszentren auch ohne Stadt zu sein nicht unbedingt im relativen Sinne wichtig, wohl aber im absoluten. Das zweitbeste absolute SPD-Ergebnis ist mit 22,70% trotzdem das schwächste relative gewesen – und jede Stimme zählte. In der Stichwahl zeigte sich das dann überdeutlich: Der SPD fehlten genau 802 Stimmen, um der CSU den Landkreis abzunehmen – es haben aber nur 666 (Was ein Zufall!) Menschen mehr CSU gewählt, während die SPD inklusive der Anhänger der Grünen und der Freien Wähler 6.607 Wähler zusätzlich mobilisieren konnte und als einzige Partei mit Kandidaten 2008 und 2013 einen realen Stimmenzuwachs verzeichnen konnte. Wäre die SPD nicht ausgerechnet in Poing und in Markt Schwaben so krass hinter ihren Möglichkeiten geblieben, hätten die 279 zusätzlichen Vaterstettener, die ihren Bürgermeister bei der Stichwahl weitergelobt haben, den Kohl auch nicht mehr fett gemacht.