„Es ist besser, wenn die FDP nicht regiert!“

So jedenfalls könnte man den Kommentar des FdP-Chefs Christian Lindner verstehen, wenn man ihn richtig liest: „Es ist besser nicht zu regieren, als schlecht zu regieren“ und grundsätzlich ist schlechtes Regieren nie gut. Aber auch keine Katastrophe – 12 Jahre Merkel (Davon 4 mit der FdP) zeigen das ja.
Und nun?

Nun, zunächst einmal ist ja gar nichts passiert. Die Sondierungen – die also noch nicht einmal Koalitionsverhandlungen waren – sind nun eben gescheitert. Selbst die Wirtschaft reagierte gelassen, letztendlich hat eine nationale Regierung angesichts globaler Märkte ohnehin keine Bedeutung – das jedenfalls war im Deutschlandfunk in den Börsennachrichten zu hören. Sauber!

Nun wird der schwarze Peter wieder der SPD zugespielt, die nun dann schuld ist, wenn es Neuwahlen geben sollte. Nicht, dass das so ohne weiteres passiert – vielleicht wäre eine Minderheitenregierung tatsächlich nicht schlecht, denn die Kanzlerin müsste einmal das tun, was sie seit 11 Jahren konsequent vermeidet: Regieren.

Sie müsste überzeugen, im Parlament kämpfen und die CDU müsste tatsächlich um Inhalte werden – und dazu zunächst welche entwickeln. Das würde der Union guttun wenn sie ein Profil entwickelt, dass aus etwas anderem besteht als „Mutti“ und vor allem wäre es gut für unsere Demokratie, weil die seit 11 Jahren andauernde, konsequente Entmachtung des Parlaments wieder rückgängig gemacht werden könnte. Zwar kämen manche Dinge dann nur schleppend voran, aber das macht vielleicht auch gar nichts.

Von einer Medienkampagne

Kampagnen in den Medien sind ja ein Phänomen, das wir schon seit längerer Zeit beobachten dürfen. Nicht zuletzt die Nachdenkseiten schreiben immer mal wieder auf, wie die Medien gemeinsam an einem Strang ziehen, um ein gewünschtes Ergebnis zu fabrizieren. Eine paar Gedanken mit vielen Abschweifungen.

Das klappt nicht immer, aber doch meistens. Schön geklappt hatte die Strategie, die SPD klein zu halten bei der Bundestagswahl – erst hat man Steinbrück zum Kandidaten hochgeschrieben und wirklich alles getan, daß die SPD ihn aufstellt (und offen gestanden ist unser Spitzenpersonal im Umgang mit den Medien irgendwie… hm, sagen wir: ungeschickt), um ihn danach fröhlich in den Keller zu schreiben. Geradezu choreographiert agierten die Medien um sicherzustellen, daß eine ihnen freundlich gesonnene Regierung an der Macht blieb.

Weniger geklappt hat das in letzter Zeit in zwei Fällen: Dem unbedingten Überleben der FdP und im Falle von Guttenberg. Die FdP ist trotz der Rettungsversuche der Springermafia„journalisten“ an der 5%-Hürde gescheitert und Karl-Theodor zu Guttenberg mußte trotz Kampagne seinen nichtvorhandenen Hut nehmen und zurücktreten. Macht aber nichts, zu Guttenberg hat schon ein neues Tätigkeitsfeld gefunden. Ich weiß noch, wie der Kabarettist Urban Priol völlig entsetzt reagierte, daß ausgerechnet die Zeit dem gechassten Minister eine Plattform anbot. Das hängt damit zusammen, daß zu Guttenberg Mitglied der Atlantik-Brücke ist, eine Lobbyorganisation von Politikern, Wirtschaftsvertretern, Medienvertretern und anderen, und der Mitherausgeber der Zeit, Helmut Schmidt, dies ebenfalls ist. Ich empfehle mal die Liste der Mitglieder der Atlantik-Brücke zu lesen, dann versteht man so manche Zusammenhänge. Aber ich schweife schon wieder ab.

Keine Wahl
Egal wie die Abstimmung der SPD-Basis ausgeht: Verlieren wird die SPD so oder so. Stimmen die Mitglieder für eine große Koalition, so wird es heißen, daß die Sozen nur nach Posten streben und es ihnen nur um Macht gehe. Stimmt die Basis gegen die große Koalition, so sind die Sozialdemokraten Vaterlandslose Gesellen, die sich vor der Verantwortung drücken.

Um vorher schön Stimmung zu machen wurde der Druck aufgebaut, daß die SPD-Führung nicht zu halten sei, wenn die Abstimmung nicht in ihrem Sinne verlaufen würde. Zuerst gelesen habe ich das bei der Sueddeutschen Zeitung, aber ich weiß nicht ob sie auch Urheber des Gedankens ist. „[…] heißt es aus Parteikreisen“ kann ja alles Mögliche bedeuten.

Seither wird kräftig Stimmung gemacht. Sei es, weil Gabriel die Ministerposten vorher nicht verraten möchte, sei es, daß die Mitgliederbefragung den Fernsehbürger verärgern soll oder sei es, daß man die Legitimität der Befragung an sich anzweifelt – hauptsache Stimmung. Dazu passt auch das berühmte Gespäch zwischen Gabriel und der ZDF-Journalistin Slomka:

Schön fasst das Handelsblatt zusammen, welchen Effekt die langen Verhandlungen haben und offenbar auch haben sollen: Hauptsache, die kommen endlich mal zu Potte. Das erinnert so ein bißchen an die erste Wahl von George W. Bush in den USA: Die Leute waren am Ende schlicht froh, daß sie einen Präsidenten hatten. Das ewige Gezeter um die Frage nach der Legitimität der Wahl ging den Menschen eher auf die Nerven.

Selbst die Konservativen springen mittlerweile Gabriel bei, zuletzt auch in der Sueddeutschen, ansonsten sind sie brav und still. Amüsant ist es, daß die Konservativen im Moment so stillhalten – zumindest bis man den Koalitionsvertrag gelesen hat und bemerkt, daß eigentlich die CDU die lachende Gewinnerin der Verhandlungen ist.

Verfassungsrechtlich unbedenklich
Was Frau Slomka und auch einige andere Kritiker am Mitgliederentscheid zu konstruieren suchen ist ja die Beeinflussung der Abgeordneten wider ihr Gewissen. Das ist aber – ich habe es gestern schon geschrieben – eher im Koalitionsvertrag drin. Das Mitgliedervotum beauftragt auch nicht die Abgeordneten, Frau Merkel als Kanzlerin zu wählen oder es zu lassen sondern lediglich, ob die Partei das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen trägt oder eben nicht. Unterstützt die Partei die Koalition nicht, so kann die SPD-Parteiführung eben keine Regierung mit der Union bilden, dennoch können die Abgeordneten, wenn sie das für richtig halten, Frau Merkel wählen. Vielleicht für eine Minderheitenregierung?

Normalerweise entscheiden schlicht die Parteioberen und die Delegierten, was mit dem Wahlergebnis zu machen ist, welches das Wahlvolk bei der Bundestagswahl abgegeben hat. Nun hat eine breitere Gruppe halt eben die Chance, mitzureden. In aller Regel läuft eine Wahl doch so ab:

  1. Die Wählerinnen und Wähler der Bundesrepublik Deutschland wählen ein Parlament
  2. Da im Parlament normalerweise keine Partei 50% der Sitze hat, muß eine Koalition gebildet werden. Schon diese entspricht nur bedingt dem Wählerwillen, eine Koalition stellt aber im Idealfall einen Kompromiß aus dem Willen der Mehrheit der Wähler dar.
  3. Nach Verhandlungen der jeweiligen Parteispitzen wird ein Koalitionsvertrag beschlossen.
  4. Der Koalitionsvertrag wird von den Parteitagen abgesegnet (oder abgelehnt), mithin also von den „Parteiparlamenten“. Die Delegierten der Parteitage werden von der Basis gewählt, die direkten Vertreter der Parteibasis stimmen also über den Vertrag ab.

Der einzige Unterschied ist eben nun, daß es kein Parteitag, sondern ein direktes Abstimmen ist. Eben mehr Demokratie, mehr direkte Demokratie. Das Bundesverfassungsgericht stützt das nebenbei auch, der Eilantrag, der da gestellt wurde, wurde abgelehnt. Daß der Union das nicht schmeckt ist klar – Demokratie ist halt lästig. Aber sie ist auch den Medien lästig und suspekt – steht bei einer Partei ein einzelner Kandidat zur Verfügung (kann auch eine Kandidatin sein), so ist das eine „Wahl“, sind es zwei für den gleichen Posten, so schreibt man von einer „Kampfabstimmung“, welche sofort nach Zwietracht klingt und so etwas mag der Deutsche Wähler ja nicht. Wenn Parteien um den richtigen Kurs ringen, diskutieren und mitunter auch recht lebhaft streiten; letztlich Mehrheiten suchen um dann darauf basierend einen Kurs festzulegen, so fallen sie in der Wählergunst sofort deutlich ab. Hm, schon wieder abgeschwiffen…

Ein bißchen Mehr an Demokratie könnte uns nicht schaden, seit einigen Jahren beobachte ich zunehmend beunruhigt, daß die demokratischen Institutionen und Entscheidungspunkte durch eher an feudale Zeiten erinnernde Clubs und Treffen von Entscheidungsträgern ersetzt werden und das Parlament eher zu einer Versammlung von Nicknegern herabgestuft wird. Das mag im Sinne von Angela Merkel sein, aber es liegt sicher nicht im Interesse von uns Bürgern. Da können die Medien, die abhängigen und die vermeintlich nicht so abhängigen (wie carta e.V. zum Beispiel, wie in diesem Beispiel im Grunde sehr lesenswert…) noch so sehr dagegen blasen: Ich werd mich von Euch sicher nicht manipulieren lassen.

Warum ich mit "Nein" gestimmt habe

Gestern habe ich beim Mitgliedervotum der SPD meine Stimme abgegeben. Ich habe eine Weile mit mir gerungen, sowohl den Brief, der beigelegt war und unverhohlen darum bat mit „Ja“ zu stimmen, als auch contra-Argumente gelesen und mich danach mit dem Koalitionsvertrag selbst auseinandergesetzt.

Das 185 Seiten umfassende Dokument ist eine ziemlich seltsame Angelegenheit: Es steht viel schönes drin aber nur dann, wenn man oberflächlich liest. Ein Beispiel:

Die deutsche Wirtschaft braucht eine saubere, sichere und bezahlbare Energieversorgung

Hm, klar. Aber warum nur die Wirtschaft? Im Bereich Energieversorgung (S. 49-61) findet sich zum Thema Kosten auf Seite 53 folgender Schwurbel:

Kosten der Energiewende
Die Energiewende ist nicht zum Nulltarif zu haben. Die Gesamtkosten sind in den letzten Jahren aber schnell und stark gestiegen. Private und gewerbliche Stromkunden müssen erhebliche Lasten tragen. Die EEG-Umlage hat mittlerweile eine Höhe erreicht, die für private Haushalte und weite Teile der Wirtschaft, insbesondere auch mittelständische Unternehmen, zum Problem wird, wenn es nicht gelingt, die Kostendynamik zu entschärfen.
Mit der grundlegenden Reform, auf die wir uns verständigt haben, wollen wir Ausmaß und Geschwindigkeit des Kostenanstiegs spürbar bremsen, indem wir die Vergütungssysteme vereinfachen und die Kosten auf einem vertretbaren Niveau stabilisieren. Dazu brauchen wir neben einem berechenbaren und im Gesetz festgelegten Ausbaukorridor insbesondere mehr Kosteneffizienz durch Abbau von Überförderungen und Degression von Einspeisevergütungen, eine stärker marktwirtschaftlich orientierte Förderung, eine Konzentration der besonderen Ausgleichsregelung auf stromintensive Unternehmen im internationalen Wettbewerb und eine ausgewogene Regelung für die Eigenproduktion von Strom.

Um es mal präzise zu sagen: Die CDU/CSU hat hier ein planwirtschaftliches Modell („im Gesetz festgelegter Ausbaukorridor“, früher hieß das Fünfjahresplan) vorgelegt. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien soll nämlich per Gesetz festgeschrieben und gesteuert werden während zugleich Förderung von Erneuerbaren Energien „marktwirtschaftlich orientiert“ sein soll. Dafür sollen die Netzentgelte „fair verteilt“ werden und die Bürger am Ausbau der Netze beteiligt werden – insbesondere an den Kosten.

Beim Thema Atomenergie fehlt zwar nicht die Standortsuche (ohne konkrete Angaben allerdings), dafür ist die Sache mit dem Rückbau sehr schwammig formluiert:

Wir erwarten, dass die Kosten für den Atommüll und den Rückbau der kerntechnischen Anlagen von den Verursachern getragen werden.Über die Realisierung der rechtlichen Verpflichtungen der Energieversorgungsunternehmungen wird die Bundesregierung mit diesen Gespräche führen.
Aha. Man will „Gespräche führen“ über die Realisierung der rechtlichen Verpflichtungen. Ähm, hallo? Die Energieversorger haben vom Steuerzahler die AKW mehr oder weniger geschenkt bekommen, haben den Strom subventioniert verkauft und dürfen sich jetzt auf Hintertürchen freuen, damit die Entsorgung auch vom Steuerzahler subventioniert wird? Ich glaube nicht.
Des Weiteren fehlt mir in ganz anderen Bereichen eine Menge: Mindestlohn? Naja, eine Art Mindestlohn light, soll aber erst 2017 kommen. Und wenn Tarifverträge drunter liegen bleiben die Löhne sogar schlechter. Na super!
Ganz fürchterlich finde ich die Tatsache, daß die Vorratsdatenspeicherung erhalten bleibt. Das Thema Bürger ausspähen und NSA findet dafür praktisch gar nicht statt. Zwar will die kommende Koalition „Um Vertrauen wieder herzustellen, […] ein rechtlich verbindliches Abkommen zum Schutz vor Spionage verhandeln.„, aber so richtig konkret wird das nicht. Daß unsere Geheimdienste vielleicht verdammt nochmal die Pflicht haben und vor so etwas zu beschützen wird da mal lieber nicht erwähnt. Und welches „Vertrauen“ soll da wiederhergestellt werden?
Ein NPD-Verbot wird nicht einmal erwähnt, dafür aber an deren Plattform „Vertriebenen-Gedenktag“ festgehalten. Finde ich nicht gut.
Noch so ein Punkt: Seit einigen Jahren ist ein Ausbau des BAFöG eigentlich unbedingt notwendig; Daß in den vier Jahren Schwarz-Gelber Stillstand mit Reichenförderung nichts passiert ist verwundert natürlich nicht. Aber auch dieser Koalitionsvertrag kümmert sich nicht im Mindesten um das Thema, statt dessen taucht (auf Seite 29) dieses merkwürdige „Deutschlandstipendium“ der CDU wieder auf.
Die PKW-Maut wird kommen – so will es der Koalitionsvertrag. Zwar plappert Florian Pronold noch vollmundig davon, daß das eh nicht gehen werde, aber ich wette heute schon, daß sie kommt – und zwar für alle. Parallel scheint man sich aber über die Luftverkehrssteuer Gedanken zu machen, das heißt dann so:
„Bei der Einführung von fiskal- oder ordnungspolitischen Maßnahmen im Luftverkehr werden wir auf ein positives Nutzen-Kosten-Verhältnis achten.“

Hm…. heißt das, in dem Bereich wird weiter subventioniert und Steuern abgebaut? Die Schwarz-Gelbe Bundesregierung ist auf die unglaubliche Blödheit gekommen, ausgerechnet Kurzstreckenflüge zu subventionieren – zu Lasten der umweltfreundlichen Bahn. Soll das heißen, das bleibt so? Wird gar verstärkt? Und warum ist bei diesem Thema ständig von „internationaler Wettbewerbsfähigkeit“ die Rede?

Und so geht das weiter. Die Mogelpackung der „Rente mit 63“ führe ich nun gar nicht aus, das hat Wolfgang Lieb schon besser gemacht, als ich es könnte. Die Zustimmung scheint trotz der Medienkampagne zu wackeln – der Dortmunder Bundestagsabgeordnete Marco Bülow will jedenfalls ebenfalls nicht zustimmen.

Ich möchte außerdem eines betonen: Die Kampagne der Medien zu dem Thema ist durchschaubar und sollte die Wahlentscheidung der Mitglieder nicht beeinflussen! Mehr dazu morgen.

Demokratie? Nicht mit Merkel!
Frau Merkel ist ja diese lästige Parlamentiererei in der BRD überaus suspekt, von der Volkskammer her ist sie ja ganz anderes gewohnt. Nun soll diese Große Koalition mit 80% der Mandate nun wirklich über bequeme (und verfassungsändernde!) Mehrheiten verfügen, da liest man auf Seite 184 diese Sätze:

Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.
Ähm… nein? Habt Ihr sie denn noch alle? Wie war das mit der freien Gewissensentscheidung des Abgeordneten? Dem unbedingten Bekenntnis zur Demokratie? Sätze wie diese sind typisch für Merkel-Regierungen, und in Wahrheit ziemlich beklemmend. Ich für meinen Teil kann und werde als überzeugter Demokrat diesem Quatsch nicht zustimmen.
Nein zur Großen Koalition.

Fingerhakeln

Peer Steinbrück zeigt einen Stinkefinger und die Regierung freut sich. Nachdem sich Steinbrück zuletzt in der ARD in der Wahlarena als kompetent, klug und wählbar erwiesen hat und Angela Merkel dagegen üblich schwammig war, und zu allem übel auch noch die SPD bei der Umfrage der Infratest Dimap auf 28% „hochgeschnellt“ ist, mußte ja nochmal was kommen.

Nun also hat Peer Steinbrück in einem Fotointerview (das berühmte „Sagen Sie jetzt nichts“ des SZ-Magazins) auf eine Frage den Stinkefinger gezeigt. Die Frage lautete: „Pannen-Peer, Problem-Peer, Peerlusconi – um nette Spitznamen müssen Sie sich keine Sorgen machen, oder?“.

Quelle: Sueddeutsche.de / SZ-Magazin

Ehrlich gesagt – die Antwort von ihm finde ich witzig.

Das Fotointerview ist eine Sache, die Schauspielerei, Albernheit und ein gewisses Maß an Vordergründigkeit verlangt und ungefähr das hat er da auch gemacht. Niemand muß meine Meinung teilen, ich konnte nur drüber lachen. Daß die Republik das heute so ausgibig diskutiert (und sämtliche Spießbürger fast so sehr erschrocken sind als hätte er sich in Turnschuhen vereidigen lassen) zeigt aber sehr schön, wie die Medien hier wieder einmal arbeiten.

Wenn ein Politiker nicht zu 110% angepasst ist sondern tatsächlich mal ein bißchen von der Norm abweicht, wird er da gleich zerlegt, meistens von den Medien, die auch gerne beklagen, daß Politiker alle so einheitlich langweilig sind. Ich für meinen Teil möchte aber einen Politiker, der unbequem ist, an dem man sich reiben kann, den man gut oder furchtbar finden kann und da bin ich, glaube ich, nicht alleine. Immer wieder höre ich ein fast schon wehleidiges Sehnen nach Figuren wie Strauß, der aufrichtig gehasst werden konnte aber wenigstens auch zu dem stand was er sagte.

Muppets in Maßanzügen sind jedenfalls nicht das, was ich unter meinen Vertretern verstehe. Ich kann damit leben, daß Steinbrück die Wahlsieger in Italien als „Clowns“ tituliert – insbesondere weil der Eine das berufsmäßig ist und der Andere darstellerisch ja auch. und die Italiener stimmten ihm ja da teilweise auch zu. Wenn Steinbrück dem einen oder anderen „Mitglied der Gesellschaft“ gelegentlich den Stinkefinger zeigt, fühle ich mich für meinen Teil jedenfalls tatsächlich vertreten.

Dabei ist die Geste gar nicht aggressiv, wie das zum Beispiel Lorenz Maroldt vom Tagesspiegel meint: „Die Augen verkniffen, offen der Mund: ein Hooligan, kurz davor, dem Gegner mit der hohen Stirn das Nasenbein zu zertrümmern – so springt er alle an, vom Titelbild des ‚SZ-Magazins‘.“ Keine Ahnung, warum sich Herr Maroldt da so eingeschüchtert fühlt, wahrscheinlich fühlt er sich betroffen. Könnte am Umgang der Medien mit ihm, also Steinbrück, liegen. Ist aber nur so ’ne Vermutung. Ich finde die Geste provokant – und eben lustig.

Ganz ehrlich – wie wäre denn die Fotoserie mit Merkel gelaufen? Das hat der Twitter-User Hauke Walden treffend beantwortet:

Merkel_FotointerviewAls Antwort auf die Raute der Kanzlerin (neuerdings ja als einzige Botschaft der CDU in Berlin zu bewundern) ist es jedenfalls eine schöne Geste – und hinsichtlich einer eventuellen großen Koalition lässt sie auch Interporetationsspielraum. Wer wird da wohl wen… naja.

Was wollen sie sagen

Nachtrag, 17:00 uhr: Ich bin wohl doch nciht so alleine. Gysi hat das schon 1994 gemacht, die Hörer des Deutschlandfunks finden die Aktion irgendwie zwischen „okay“ und „super“ und wenigstens ein paar Leute machen sich die Mühe und suchen nach dem Anlaß des Bildes. Aber eines muß ich noch loswerden: Den wirklich witzigen tumbrl-Blog dazu.

Wenn Hype Hyper wird…

Im journalistischen Alltag dieser Republik gab es ein Ereignis, das die „Mächtigen zittern ließ“ – die Veröffentlichung der nächsten Welle Geheimdokumente der US-Regierung. Aber ist das wirklich die Enthüllung des Jahrhunderts? Oder zumindest des Monats?

Wikileaks enthüllte ja vor ein paar Monaten eine ganze Reihe von Geheimdokumenten, die wirklich brisantes enthielten und eine Menge Dinge über den Irak-Feldzug enthüllten, die man sich zwar schon irgendwie gedacht hatte, aber noch nicht schwarz auf weiß belegen konnte. Nun ging das und die USA, einstmals tatsächlich ein wertvoller Freiheitsmotor in der Welt verloren auch den allerletzten Rest ihres angeschlagenen Ansehens.

Nun hat Wikileaks eine neue Reihe veröffentlicht und sie vorab einigen wenigen Medien zur Verfügung gestellt (Nik’s Notizblog berichtete). Allerdings macht sich beim Lesen des Artikels in mancherlei Hinsicht Ernüchterung breit: Die Urteile stammen alle von Mitarbeitern der US-Botschaften und sind schlicht persönliche Kommentare und Anmerkungen zu den betreffenden Politikern und das scheint es zunächt einmal gewesen zu sein.

Nun brauche ich nicht direkt Hilfe von einem Angehörigen der US-Amerikanischen Botschaft um zu merken, daß Merkel im Grunde unkreativ, Westerwelle verblödet aggressiv und Seehofer ahnungslos ist. Darauf wäre ich auch alleine gekommen. Auch daß man so manchem Sarkozy oder Putin nicht viel weiter trauen sollte als man den entsprechenden werfen könnte ist mir auch nicht direkt ein Neues.

Zwei weitere Punkte kommen dazu: Die Diplomaten der USA sind selten ausgebildete Diplomaten sondern gerne Freunde von Wahlkampfspendern der jeweiligen Regierungen oder auch Spender selbst. Im Grunde holen die sich ihre Spende da quasi auf Steuerzahlerkosten zurück. In der Regel sind das Geschäftsleute, also die sind nun nicht völlig verblödet oder unnütz, aber technisch gesehen denken die nur einer bestimmten Richtung und irgendwie merkt man das der US-Diplomatie auch an. Stellen Sie sich einfach vor, ein BWL’er wäre Außenminister.

Der zweite Punkt ist die Frage, ob die internen Ansichten irgendwie wirklich wichtig sind. Ich meine, wen schert das? Wir reden hier über die persönlichen Meinungen von irgendwelchen Leuten über irgendwelche Leute. Kein Mensch würde einen Mitmenschen wie Dirk Niebel über den Status „extrem gewöhnlich“ hinausheben. Eine Null im Amt, das kennt man seit einer langen Reihe von so genannten Bundespräsidenten. Niebel hat (natürlich) bewiesen, daß es noch beschränkter geht und es hat auch nur für die Entwicklungshilfe gereicht.

Im Großen und Ganzen freut man sich als Angehöriger der oppositionellen Mehrheit der Bevölkerung mehr darüber, daß man selbst nicht so ganz alleine ist mit seiner Einschätzung des politischen Spitzenpersonals der Bundesregierung (die mit BuReGier eigentlich ausreichend umschrieben scheint). Vor allem daß die „Profis“ diese Ansicht teilen. Aber davon abgesehen ist eigentlich nicht viel dahinter. Ein paar Leute sind jetzt beleidigt und ein paar noch mehr sauer als vorher aber gebracht hat das Ganze zumindest im Informationsgehalt wenig.

Aber – und da kommt es wieder – es gibt dann doch zwei interessante Informationen: Worauf sich die Presse stürzte und was wirklich interessant ist, ist die Tatsache, daß das überhaupt möglich war – das spricht für ein massives Sicherheitsleck (was ja angeblich ein einfacher GI gewesen sein soll) über das man eigentlich nur noch amüsiert den Kopf schütteln kann angesichts der Datensammelwut der amerikanischen Behörden.

Die für mich aber pikanteste Information ist allerdings die Tatsache, daß die Koalitionsverhandlugen offensichtlich von einem FDP-Mitglied an die Amerikaner verkauft wurden. Von wem?

Sehen wir uns mal die Teilnehmer an:

Die Verhandlungen wurden in verschiedenen Arbeitsgruppen durchgeführt was ja völlig normal ist.

So saßen für die FDP bei den Verhandlungen im Bereich

Diese arbeiteten der Steuerungsgruppe zu die wiederum der großen Koalitionsrunde zuarbeitete. In der großen Runde saßen die Spitzenpolitiker drin sowie weitere Vertreter, von jeder Partei 9. Die FDP schickte den Parteivorsitzenden Westerwelle und acht weitere Vertreter.

Das waren also im einzelnen:

  • Guido Westerwelle
  • Rainer Brüderle
  • Hermann Otto Solms
  • Cornelia Pieper
  • Andreas Pinkwart
  • Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
  • Dirk Niebel
  • Birgit Homburger
  • Philipp Rösler

Ich möchte nun keine Verdächtigungen äußern, vermute aber stark, daß es ein Teilnehmer der Großen Runde gewesen sein muß. Vom Charakter her könnte man es jedem zutrauen, geltungssüchtig und bedeutungslose Persönlichkeiten sind sie ja alle.

Aber ich schlage vor, man beobachtet eventuelle „notwendige“ oder „aus persönlichen Gründen“ stattfindende personelle Veränderungen in der Spitzen-FDP im nächsten halben Jahr.

Es gibt das bekannte Buch „Unter Linken“ von Jan Fleischauer, hervorgegangen aus seinem Blog, das beweisen will, daß die Steigerung von Feind und Erzfeind der Parteifreund ist. Die Regeln in der Spitzenpolitik sind auch ziemlich hart. Aber mal ganz ehrlich: unter Rechten ist das nicht anders, höchstens schlimmer.