Trauer um Ewald Schurer

In der vergangenen Nacht ist „mein“ Bundestagsabgeordneter, Ewald Schurer, ziemlich plötzlich verstorben. Er wurde gerade mal 63 Jahre alt. Von 1998 bis 2002 und dann von 2005 bis zum 2.12.2017 war Ewald der Bundestagsabgeordnete der SPD für die Landkreise Ebersberg und Freising (früher Ebersberg und Altötting).

Ewald war eine unermüdliche Kämpfernatur. Ich lernte ihn kurz nach meinem Parteieintritt kennen, damals war er gerade wiedergewählt worden. Wir Jusos machten in der Wahl 2009 dann mit ihm eine Bergtour auf den „Ebersberg„, eine ziemlich spaßige Sache.

Was Ewald auszeichnete war sein Arbeitseifer und seine Fähigkeit, zuzuhören und anzupacken. Ewald kämpfte unermüdlich für die Bürger seines Wahlkreises, war an zahllosen Aktivitäten beteiligt und konnte – ganz besonders auch für Zorneding – in Verhandlungen mit Bahn, Verkehrsministerium und so weiter eine Menge erreichen. Lärmschutz, Spielplatz, Trassenführung – all die typischen realen Probleme der Bürger waren bei ihm immer gut aufgehoben.

Das letzte Mal sah ich ihn bei einem Wahlstand in Zorneding. Wir standen an einem recht angenehmen Samstag noch vor einer Bäckerei und waren im Begriff, zusammenzupacken, als er noch eben auf einen Sprung vorbeikam, direkt von den Ständen in Markt Schwaben. Ewald sprach eine Weile mit uns und trank einen Kaffee, aber als dann ein Bürger mit einem Anliegen auf ihn zutrat war er sofort da, hörte zu, klärte die Rechtslage (Es ging um Pflege, meine ich) und versprach, sich darum zu kümmern. Der Bürger gab ihm eine Mailadresse und Ewald informierte sein Büro, dass sie ihm die Thematik vorbereiten. So macht man das.

Nun ist er ziemlich plötzlich von uns gegangen. Es wird schwer sein, diese Lücke zu füllen. Meine Gedanken gelten seiner Familie, ich wünsche ihnen viel Kraft.

Pressestimmen:

65 Jahr Grundgesetz – und ein Kniefall.

Völlig untergegangen vor lauter Europa-Wahl ist vermutlich, daß wir dieses Jahr auch 65 Jahre deutsches Grundgesetz feierten. Am 23.5.1949 ist seinerzeit das Grundgesetz als geltendes Gesetz im Verfassungsrange verabschiedet worden.

Dazu hat Dr. Navid Kermani im deutschen Bundestag eine wundervolle Rede gehalten. Ich möchte in den nächsten Tagen darauf noch ein wenig eingehen – und auch wie mit dem Grundgesetz umgegangen wird. Zunächst aber einmal einen weiteren Punkt der deutschen Geschichte, den Dr. Kermani so gut herausgearbeitet hat:

Denn wann und wodurch hat Deutschland, das für seinen Militarismus schon im 19. Jahrhundert beargwöhnte und mit der Ermordung von 6 Millionen Juden vollständig entehrt scheinende Deutschland, wann und wodurch hat es seine Würde wiedergefunden? Wenn ich einen einzelnen Tag, ein einzelnes Ereignis, eine einzige Geste benennen wollte, für die in der deutschen Nachkriegsgeschichte das Wort „Würde“ angezeigt scheint, dann war es ‑ und ich bin sicher, dass eine Mehrheit im Bundestag, eine Mehrheit der Deutschen und erst recht eine Mehrheit dort auf der himmlischen Tribüne mir jetzt zustimmen wird – dann war es der Kniefall von Warschau.
Das ist noch merkwürdiger als das Paradox, mit dem das Grundgesetz beginnt, und wohl beispiellos in der Geschichte der Völker: Dieser Staat hat Würde durch einen Akt der Demut erlangt. Wird nicht das Heroische gewöhnlich mit Stärke assoziiert, mit Männlichkeit und also auch physischer Kraft und am allermeisten mit Stolz? Hier jedoch hatte einer Größe gezeigt, indem er seinen Stolz unterdrückte und Schuld auf sich nahm, noch dazu Schuld, für die er persönlich, als Gegner Hitlers und Exilant, am wenigsten verantwortlich war: Hier hatte einer seine Ehre bewiesen, indem er sich öffentlich schämte. Hier hatte einer seinen Patriotismus so verstanden, dass er vor den Opfern Deutschlands auf die Knie ging.

Ein Pyrrhus-Sieg

Die CDU hat mit einem Zweitstimmenergebnis von 34,1% und einem Erststimmenergebnis von 37,2% Geschichte geschrieben. Künftig kann sie alleine 255 Sitze im Deutschen Bundestag stellen, das hat es noch nie gegeben. Mit der CSU als natürlichem Fortsatz stellt die Union künftig 311 von 630 Abgeordneten – es fehlen also 5 Sitze für die absolute Unionsmehrheit.

Das heißt umgekehrt auch, daß eine Mehrheit der Deutschen Wähler Merkel nicht gewählt hat. Eilfertig haben SPD und Grüne allerdings ein Bündnis oder eine Tolerierung durch die Linke ausgeschlossen – es wird nicht kommen. Damit bleibt, wie Peer Steinbrück es so schön formuliert hat, der Ball in Merkels Feld. Sie muß sich Mehrheiten beschaffen. Damit ist es allerdings auch ein Pyrrhussieg der Union.

Pyrrhus I., König von Epirus (einem wohl seit der Bronzezeit besiedelten Gebiet im heute griechisch-albanischen Grenzland) errang mit der Schlacht von Asculum einen Sieg gegen die Römer, der die Molosser (so hieß das griechische Volk) letztendlich den SIeg im Krieg kostete. Die Verluste waren hoch und der Sieg bei Asculum wird einhellig als Schicksalswende begriffen.

Für Frau Merkel ist es tatsächlich ein Problem, denn die beiden verbliebenen Optionen werden nun schwierig, vor allem seit allen Parteien klar ist, daß eine Koalition mit Frau Merkel das eigene Aus bedeutet.

Schwarz-Rot, also die Große Koalition, will in der SPD eigentlich niemand, auch wenn die Presse seit Wochen nichts anderes schreibt. Im Ergebnis müsste die SPD hart verhandeln und zusehen, daß sie ihre Eigenständigkeit behält – sonst geht das Ganze schief. Ein nochmaliges Wahldebakel kann sich die Partei nicht leisten. Eine Reihe von Elementen würden wohl zusammenpassen, Außenpolitik und Sozialpolitik wären zu machen, allerdings könnte es bei der Familien- und Gleichstellungspolitik zu Schwierigkeiten kommen, wie beim Betreuungsgeld oder der Homo-Ehe. Auch die Sache mit dem Mindestlohn dürfte spannend werden.

Schwarz-Grün wäre interessant, auch weil die Grünen mittlerweile Wählertechnisch im Teich der Union fischen. Tatsächlich sind die Grünen nun die letzte liberale Kraft im Bundestag und haben in Baden-Württemberg gezeigt, daß sie auch Konservativ können. Lediglich in den Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung dürfte es ziemlich knirschen.

Schwarz-Tiefrot ist rechnerisch denkbar, praktisch aber nicht, alleine schon weil Frau Merkel dann plötzlich die Bild-Zeitung gegen sich hätte und sowas macht sie nicht. Der Fall Wulff dürfte ihr nochmal nachdrücklich demonstriert haben, was es bedeutet, gegen den Springer-Verlag zu regieren.

Eine Option bleibt aber und ich hielte diese für die beste für die Parteien links der Mitte: eine CDU-Minderheitenregierung. Hannelore Kraft hat gezeigt, daß man auch erfolgreich mit Minderheiten regieren kann, Frau Merkel müsste sich dann eben für jedes Projekt eine Mehrheit organisieren. Das muß sie aber ohnehin: Im Bundesrat hat Schwarz-Gelb praktisch nichts mehr zu melden. Sachsen ist noch Schwarz-Gelbe Koalition, im Falle Bayerns ist die CSU nun alleine, Hessen ist noch fraglich. Hier hat es die FdP zwar gerade so in den Landtag geschafft, Schwarz-Gelb ist dennoch abgewählt.Technisch könnte es hier zu Rot-Rot-Grün kommen, aber auch zu Schwarz-Grün, was in Frankfurt ja schon recht gut funktioniert. Ansonsten gibt es eine Reihe großer Koalitionen (Thüringen, Sachsen-Anhalt, Mecklemburg-Vorpommern und Berlin) und der Rest sind Rot-Grüne Koalitionen (in Schleswig-Holstein mit dem SSW), in Brandenburg ist es die SPD mit der Linkspartei.

Blickt man mal auf die Aufstellung (hier als pdf) der Bundesratskoalitionen, so liegen 29 Stimmen in der Hand von Rot-Grün, 18 in der Hand großer Koalitionen und 7 entweder alleine in der Hand der SPD oder in der Koalition SPD/Linkspartei. 10 Stimmen sind bei der Union alleine oder mit der FdP. Hessen bringt 5 Stimmen mit – fiele Hessen an Rot-Rot-Grün, hätten die Parteien links der Mitte noch sicherer eine absolute Mehrheit im Bundesrat. Schon jetzt gibt es eine deutliche Mehrheit der SPD/Grünen mit der Linkspartei zusammen: 36 Stimmen.

So oder so – Frau Merkel steht eine interessante Zeit bevor. Ganz im chinesischen Sinne…

Nun ist der ESM durch das Bundesverfassungsgericht legitimiert…

Mit dem ESM will die Europäische Union einen Vertrag zur Transferunion in Kraft setzen. Danach müssen die Menschen aller Staaten für Schulden jedes Mitgliedstaats aufkommen. Die Banken werden gerettet, die Bürger dagegen geschröpft. Die gewöhnlichen Menschen müssen für Banken und Reiche bezahlen und für deren Risiken aufkommen.

Das ist an sich schon eine Sauerei. Aber es soll noch viel schlimmer kommen. Der ESM (euphemistisch Europäischer Stabilitätsmechanismus genannt) soll von einem nicht demokratisch legitimierten Gremium mit quasi diktatorische Vollmachten geführt werden und nicht dem nationalstaatlichen Recht unterliegen. Die noch vorhandenen demokratischen und rechtsstaatlichen Restbestände sollen noch viel weiter ausgehöhlt werden.Wie Heribert Prantl in seinem Kommentar völlig richtig schreibt wird die Summe von 190 Mrd. Euro nicht wirklich gedeckelt. Das Urteil besagt, daß bis 190 Milliarden Euro der Bundestag nicht gefragt werden muß. Außerdem muß er unterrichtet werden, hurrah.

Nun kann das Bundesverfassungsgericht nicht über den ESM entscheiden, sondern es muß die Verfassung beschützen. Der ESM – und das ist die Sorge der Kläger, darunter die Linkspartei und die SPD – hebelt allerdings das Haushaltsrecht des Bundestages ein Stück weit aus. Wenn die vollen Gelder fällig werden kann es passieren, daß Deutschland ziemlich plötzlich eine Menge Geld zahlen muß, das der Bundestag und damit die Volksvertretung nicht im Mindesten abgesegnet haben. Einfach auf Befehl der Regierung Merkel. Prantl drückt das so aus: „Die nationale Demokratie hat, was Europa betrifft, keine Gestaltungskompetenz mehr, sondern nur noch Verweigerungskompetenz; sie kann, wenn sie sich sehr anstrengt, nein sagen zu EU-Großprojekten und Rettungsschirmen.“ (Quelle)

Letztendlich finde ich es nicht schlecht, wenn die parlamentarische Macht nach und nach auf Europa übergeht. Aber an ein Parlament bitteschön! Nicht an eine nicht gewählte Institution, die letztendlich von der Finanzmafia abhängig ist.

Ein kleiner Fehler ist mir nebenbei noch aufgefallen. Richter Voßkuhle soll gesagt haben: „Die Aufgabe des Gerichts ist es, die Verfassung zu schützen“. Das ist nicht so ganz richtig, wenn man Art. 146 ansieht: Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist. Aber das hat ja schon Kohl verhindert.

Also doch…. das Wahlrecht ist ungültig.

Die Linkspartei hat es kaum überrascht, SPD und Grüne sowie der „Verein für mehr Demokratie e.V“ jubeln: Wie mich grad die Eilmeldung der Sueddeutschen in Kenntnis setzt, hat das Bundesverfassungsgericht das von Schwarz-Gelb in panischer Eile gegossene Wahlgesetz wieder kassiert. Nun wird es spannend, weil eigentlich ist nächstes jahr im September Bundestagswahl….

Worum geht es eigentlich? 2008 hat das Bundesverfassungsgericht das bisherige Wahlrecht kassiert wegen der sogenannten „negativen Stimmgewichtung“. Das funktioniert so: Wegen der Mischung aus Personen- und Verhältniswahlrecht kann es passieren, daß eine Partei mehr Sitze erhält, als ihr von den Stimmen her zustünden. Wenn eine Partei mehr direkt gewählte Abgeordnete erhält als Listenabgeordnete durch Zweitstimmen, gibt es Überhangmandate. Dank der Aufsplittung in Landeslisten ist das nun sogar wahrscheinlicher. Denn nun kann auch folgendes passieren:

Eine Partei erhält genauso viele Stimmen wie eine andere, aber mit unterschiedlicher Gewichtung in den einzelnen Ländern. Gewinnt nun diese Partei, sagen wir, 100 Sitze im Bundestag, so werden diese zuerst mit den Direktmandaten besetzt, anschließend auf den jeweiligen landeslisten aufgefüllt. Sagen wir, der Partei ist es gelungen, in jedem der 16 Bundesländer 5 Direktmandate zu erringen (was 80 Sitze ausmacht), die übrigen Sitze werden entsprechend der Anteile an Zweitstimmen nun durch die Landeslisten aufgefüllt. Jetzt kommt aber der Clou: Wenn die Partei weniger Zweitstimmen erhalten hätte, so daß, sagen wir im Bundesland Bayern nur 4 Sitze auf der Landesliste zusammengekommen wären, aber die Gesamtzahl der Stimmen nicht einen (oder mehrere Sitze) gekostet hätte, wären es immer noch 100 Sitze und die Partei bekäme einen zusätzlichen Sitz auf einer anderen Landesliste. Sind aber 5 Direktmandate in Bayern auch durch, so entsteht hier ein Überhangmandat, weil direkt gewählte Abgeordnete immer in den Bundestag einziehen dürfen. Das bedeutet, daß weniger Zweitstimmen in Bayern einen zusätzlichen Sitz einbringen würden – und das nennt man „negatives Stimmgewicht“.
(Schön erklärt am Beispiel der SPD Bremen hat Martin Fehndrich das in Spektrum der Wissenschaft)

Das neue Urteil nun fordert den Bundestag auf, binnen eigentlich eines halben Jahres, besser noch etwas fixer, ein neues Wahlrecht auf die Beine zu stellen. Etwas fixer deswegen, weil es ein wenig kompliziert sein dürfte für die Parteien, ohne eine gültiges Verfahren ihre Kandidatenlisten und dergleichen aufzustellen – das geschieht mittlerweile mit gut einem Jahr Vorlauf. Ein Wahlkampf muß ja vorbereitet sein und wer eigentlich wo kandidiert muß auch legitim und demokratisch bestimmt werden.

Die Opposition freut sich, denn die Regierung braucht ihre Stimmen für die Änderung – das Wahlgesetz zu ändern erfordert in beiden Häusern eine 2/3-Mehrheit. Und da wird es nun spannend, was soll denn gemacht werden?

Ideen und Umsetzung
Bei etwa 600 Sitzen gibt es folgendes Problem: Wenn eine Partei 1/3 oder weniger Zweitstimmen kassiert ( also ca. 200 Sitze), aber mehr als 2/3 der Direktmandate (also 400 Sitze), was soll man da dann machen?

  1. Man wirft direkt gewählte Abgeordnete nach dem Losverfahren raus, weil die Zweitstimmen bei 600 Sitzen nur 200 erlauben. Voila, das Zweitstimmenverhältnis passt.
  2. Man lässt die gewählten Vertreter ins Parlament und lebtmit der Verschiebung der Prozente. So geht das im Augenblick, und das hat das BVG bereits kassiert…
  3. Man schafft Ausgleichsmandate und erhöht die Zahl der Sitze bis das Zweitstimmenverhältnis stimmt. Je mehr kleine Parteien ins Parlament kommen, desto wahrscheinlicher ist die Erhöhung der Mandate. Das Ergebnis sind die berühmten „Klappstuhlparlamentarier“, wie es sie mal in der Linksfraktion gegeben hat. Nebenbei vergrößert sich so das Parlament von derzeit knapp 600 auf eine ziemlich unüberschaubare (und zu bezahlende) Menge von Abgeordneten.
  4. Die letzte Idee wäre, man trennt Direktmandate und Listenplätze. Erststimme = 300 Direktkandidaten, Zweitstimme gleich 300 Listenplätze. Mehr als 600 Abgeordnete würde es so nicht geben. Aber: Das bevorzugt Parteien mit vielen Direktkandidaten (bei der letzten Wahl hätte es CDU/CSU und SPD in Relation zum Wahlergebnis bevorzugt, da sie grundsätzlich viel mehr Direktkandidaten durchbringen als die kleineren Parteien). Jede Partei, die weniger als 50% der Mandate über Direktmandate errungen hat verliert. Interessant ist das Problem Bayern, da die CSU nicht bundesweit, die CDU nicht in Bayern kandidiert und sich von daher bei der Verrechnung der Zweitstimmen plötzlich nicht mehr nützen, sondern gegenseitig schaden würden.
    Allerdings machen da die kleineren Parteien nicht mit: Die Linke hatte 16 Direktkandidaten von 76 Abgeordneten. Die Grünen haben nur einen einzigen Direktkandidaten durchgebracht, die FDP keinen einzigen. Diese Parteien hätten bei halbierten Listenplätzen effektiv nur noch die Hälfte der Abgeordneten.

Das Trennen von Listen- und Direktmandaten hat allerdings auch den Nachteil, daß sich das Zweitstimmenergebnis, also das der Verhältniswahl, nicht mehr vollständig im Parlament widerspiegelt, was gerade die Verfassungrichter noch einmal betont verlangt haben. in der gesamten Bundesrepublik gibt es 299 Wahlkreise für den Bundestag, die Kreise 213-257 (Also 45 Stück) liegen in Bayern. Nun würden also 45 bayerische Abgeordnete gestellt werden, schon stellt sich die Frage: sind das nun 22 direkte und 23 Listenkanditaten oder wie? Nächste Frage: Wenn die CSU hier alle Direktkandidaten holt (was realistisch ist), SPD und Grüne aber im Verhältnis drei Listenabgeordnete stellen – schont oder nützt die CSU dann der gemeinschaftlichen Fraktion mit der CDU? Ist die dann überhaupt zu halten?

Die Änderung des Wahlrechts wird – und das ist gewiß – wenn sie endlich verfassungskonform ist auch eine Menge Änderung in den politischen Verhältnissen im Land bedeuten. Aber das will ja nun kein Politiker, oder?

Die Lüge vom leeren Parlament

Nur wenigen Bürgern ist es ja vergönnt, einmal eine politische Bildungsfahrt in die Hauptstadt zu unternehmen. Gut – nicht jeden Bürger würde das interessieren. Manche aber schon. Und das könnte helfen mit ein paar wirklich unfairen Lügen aufzuräumen, mit deren Hilfe besonders die Medien seit je her versuchen, das demokratische System zu beschädigen.

Ein Beispiel dafür ist das leere Parlament. Nichts zeigen Fernsehsender, Zeitungen oder Online-Medien lieber als ein praktisch unbesetztes Parlament vor dem einer eine Rede hält. Die Botschaft, die übermittelt werden soll ist aber nicht, daß die Arbeit offenbar intransparent in Ausschüssen erledigt wird, die Botschaft lautet „Abgeordnete sind faul“. Das stimmt aber nicht sondern ist eine Lüge, die Mißtrauen und Wut gegen das System schürt und dabei ganz klammheimlich davon ablenkt, welches Problem eigentlich dahinter steckt: absichtsvolle Überlastung.

Die Masse an Beschlüssen die gefasst werden, müssen eigentlich debattiert werden. Das ist aber oftmals nicht zu schaffen daß sämtliche Fraktionen zu jedem einzelnen Gesetz in acht Reden Stellung nehmen, aufeinander eingehen. Die Zeit ist gar nicht da – auch deswegen weil die Abgeordneten neben ihrer Tätigkeit im Bundestag ja auch noch eine Menge Termine wahrnehmen müssen (Ich meine jetzt nicht Nebeneinkünfte, ich beziehe mich auf die „Öffentlichkeitsarbeit“: Ein Abgeordneter, der nie in der Lokalzeitung beim Spatenstich mit dem Bürgermeister abgelichtet wird sondern in Berlin arbeitet wird nicht wiedergewählt weil ihn keiner kennt.)
Zentral werden die politischen Verhandlungen in Ausschüssen erledigt – das ist auch der Grund warum das Parlament so leer ist. Allerdings – und das ist eine gewichtige Sache – finden diese Sitzungen unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Das wiederum führt dazu, daß man als Otto-Normalbürger nicht einmal nachlesen kann, was da eigentlich gelaufen ist. Und das ist intransparent – und widerspricht auch dem Prinzip, daß der Bundestag öffentlich debattieren muß.

Ein anderes, ebenfalls intransparentes Prinzip ist die Aktenlegung von Reden. Man nennt das „Die Rede zu Protokoll geben“, also der Redetext wird einfach beim Bundestagspräsidium eingereicht, die Rede selbst aber nicht gehalten. Technisch gesehen findet man diese Texte dann in den Protokollen des Bundestages wieder. Diese sind frei verfügbar – aber welcher Bürger hat denn die Zeit, sich durch 20.000 Seiten Text zu wühlen um nachzulesen, welche Rede sein Abgeordneter eben nicht gehalten hat? Die lobenswerte Einrichtung des Parlamentsfernsehens, das es dem Bürger ermöglicht bei Debatten zuzusehen wird auf diese Art und Weise ad absurdum geführt.

Das Prinzip ermöglicht zwar letzten Endes, daß das Parlament eine größere Menge an Arbeit erledigt – am 2.7. 2009 hat der Bundestag (Hier gibts das Protokoll dazu) 43 Tagesordnungspunkte in 35 Minuten abgehandelt.  Das sind – ohne Witz jetzt – 48,8 Sekunden pro Tagesordnungspunkt. 48 Sekunden Debatte pro Thema. Transparenz ist was anderes.

Also, liebe Medien: Hört mit der Lügerei auf – und berichtet stattdessen über diesen Sachverhalt. Ihr braucht auch keine Angst haben, daß plötzlich alle Bürger das Echte nachlesen und auf Euch als Vermittler verzichten – die Erfindung der Agnostiker hat die Kirchen ja auch nicht abgeschafft.