Musterbeispiel: Bayerische Justiz

Vor einigen Monaten kam es an einer Schule in München zu einem ziemlich ungeheurlichen Vorgang: 29 Schülerinnen und Schüler hatten Besuch von der Polizei, die eigentlich ein Seminar zur Gewaltprävention und Zivilcourage abhalten wollte – aber als vermeintlich 5 Euro fehlten, wurden sie einer ziemlich demütigenden Leibesvisitation unterzogen.

Ende November/Anfang Dezember kochte die Geschichte relativ rasch hoch und beschäftigte eine Menge Bürger. Warum hat die Polizei derart überzogen reagiert, warum manche Schüler gezwungen sich komplett nackt auszuziehen und gar den einen oder anderen Blick in eine Unterhose geworfen? Und selbst wenn ein 5 Euro – Schein aufgetaucht wäre, was dann? 1,5 Milliarden davon sind im Umlauf, wie hätte man den zuordnen sollen?

Polizeibeamte haben hier letztendlich eine sexuelle Nötigung Minderjähriger, zum Teil wohl nicht einmal Strafmündiger vorgenommen – eigentlich eine völlig unglaubliche Geschichte. Über Januar und Februar schlief die Geschichte dann ein, immerhin begann die Staatsanwaltschaft wegen Nötigung zu ermitteln und man hatte als Bürger den Eindruck, der Rechtsstaat ist erschrocken und beginnt ein ordentliches Verfahren.

Tja, und nun? Verfahren eingestellt. Und warum? Weil die Staatsanwaltschaft befunden hat, daß eine Leibesvisitation grundsätzlich zulässig sei und weil die Eltern der Kinder keine Anzeige wegen sexueller Nötigung erstattet haben. Ob man sie überhaupt über die Notwendigkeit davon unterrichtet hat?

Bayerns Polizei und Rechtssystem
Es ist schon seltsam in unserem Bayern. Wenn man der Staatsanwaltschaft zur Anzeige bringt, daß eine Bank sich an Steuerbetrug beteiligt, kann man schon mal in der Psychiartrie landen. Einmal unbescholten in eine Drogenermittlung geraten, ohne daß dabei Drogen gefunden werden? Tja, dann ein paar Mal im Jahr bitte einem Beamten Blick auf Vorhaut und Anus gestatten. In Ihrem Haus wohnte irgendwann mal jemand, der jetzt von der Polizei gesucht wird und nicht mehr da ist? Tja, kann Ihnen passieren, daß Sie und Ihre Familie dafür verprügelt werden. Bei einem Volksfest sind Sie Zeuge einer Schlägerei? Tja, unversehrt zur Poizei gehen kann mit ausgeschlagenem Schneidezahn enden, gerade wenn Sie ein 15-jähriger Hauptschüler sind. Ihnen steht ein Transporter im Weg und Sie sind ein behinderter Rentner? Na, das kann auf die Fresse geben – und Anzeige gleich mit. Sie streiten sich mit Ihrem Freund und rufen die Polizei zur Hilfe? Au weia, das kann schon mal mit einem zerschlagenen Gesicht enden. Sie sind blind, haben ein behindertes Kind und plötzlich die Polizei im Haus? Strecken gar den Arm vor, um nicht irgendwo dagegen zu laufen? Na, dann kann es auf die Fresse geben und Sie werden gleich noch ob Ihrer Bedrohlichkeit verurteilt. Nehmen wir das Beispiel Tenessee Eisenberg. Er drohte sich umzubringen, hatte ein Messer in der Hand. Die Regensburger Polizei streckt ihn mit 12 Kugeln, davon 7 in den Rücken (!) wegen „Notwehr“ nieder, der Berufsfachschüler stirbt. Bei einem Lokalderby in München schlägt die Polizei willkürlich auf die Fans ein – die Beamten sind nicht identifizierbar (sind ja vermummt), das Verfahren wird eingestellt. Sie werden als Übersetzerin in eine Polizeidienststelle gerufen? Na, dort laufen Sie sicher freiwillig mehrfach gegen die Wand. Kommen Sie auf den blöden Gedanken, einen Polizisten zu kritisieren? Puh, wenn Sie es da lebend rausschaffen, sind Sie gut dran. Weh wird das trotzdem tun. Sie erkundigen sich nach dem Namen von Polizisten, die bei einer Kontrolle ihren astmathischen Ehemann quälen? Tja, das setzt erstmal Schläge. Echtes Fehlverhalten kann auch unlustige Konsequenzen haben: Neben Schlägen und dergleichen werden Sie am Ende halbnackt und ohne Geld in der Münchner Innenstadt ausgesetzt. Ist aber auch besser so, Sie könnten auch in der Zelle sitzen und vielleicht weil Sie betrunken sind die Notrufglocke dauernd betätigen und damit den Wachhabenden nerven. Dafür gibt es in Bayern erstmal Pefferspray zwischen die Augen.

Es muß aber nicht immer nur Gewalt sein.
Sie ermuntern Bürger dazu, ihr Recht wahrzunehmen und mal eine Ministerin zum Sachstand einer Kontroverse zu befragen? Oha – da gibt’s dann gleich Besuch von der Polizei. Kann Ihnen auch passieren, wenn Sie ein Forum betreiben und dort ein User einen Lokalpolitiker schlipstrittmäßig behelligt.

Einzelfälle
Natürlich sind das mehr oder weniger Einzelfälle, auch wenn bestimmte Reviere schon immer einen gewissen Ruf hatten und nach wie vor haben. Aber es sind vor allem gefährliche Einzelfälle. Denn derartige Vorkommnisse erschweren die Arbeit der Polizei und bringen die Mehrzahl der Beamten, nämlich diejenigen, die ehrlich und aus einem guten Ideal heraus die Bevölkerung eigentlich schützen wollen, in Verruf. Die Polizei besonders in Bayern hat bundesweit einen sehr schlechten Ruf, gilt als gewalttätig und brutal. Da ist sie zwar nicht alleine, die Polizei in Berlin oder Sachsen ist ähnlich beleumdet und in Stuttgart würde ich auch nicht unbedingt einen Uniformierten ansprechen wollen.
Wenig hilfreich ist, daß die prügelnden Beamten sich fast immer aus der Affäre ziehen können (Standardverfahren ist immer eine Gegenanzeige wegen „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ – der Widerstand kann auch darin bestehen, auf die Aufforderung den Ausweis vorzuzeigen „Moment“ zu sagen, weil man ihn erst suchen muß) und sich die Politik in Gestalt unseres Innenministers Herrmann selbstherrlich mit dem Begriff der „Superpolizei“ gar nicht erst einmischen will.

Herr Minister – Ihre Berufsbezeichnung kommt aus dem Lateinischen, von ministrare. Das bedeutet dienen. Sie sind vom Beruf her ein Volksdiener – also benehmen Sie sich endlich entsprechend!

Das Problem, das eigentlich Problem ist nämlich, daß gegen die Beamten die sich schwer falsch verhalten nicht vorgegangen wird – und daher bei der Bevölkerung der Eindruck entsteht, die könnten machen, was sie wollen. Ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Das lässt den Bürger befürchten, daß wir alles, nur keinen Rechtsstaat mehr haben – und das ist der Anfang vom Ende.
Tatsächlich ist die Politik sich auch nicht zu blöd, die Polizei zu politischen Manövern zu mißbrauchen, es werden Zivilbeamte unter Demonstranten gemischt um einen Zwischenfall zu provozieren und eine öffentliche Legitimation dafür zu bekommen, mit Gewalt gegen politische Gegner vorzugehen. Es passiert auch in Deutschland, daß Polizisten von der Politik verheizt werden, nur um politische Gegner aus dem Weg zu räumen.

Das alles hat mit rechtsstaatlicher Ordnung und demokratischer Willensbildung nichts mehr zu tun. Man sollte aber die Tatsache, daß es in Bayern offensichtlich nicht strafbar ist, wenn man als Polizist die Genitalien von Kindern anschauen will, als deutliches Alarmsignal verstehen.

Manipuliert am Tatort Guttenberg

In den vergangenen Tagen unserer Republik gab es ein Fernsehereignis über das bereits angefangen wurde reichhaltig zu debattieren und das vor allem durch die Haßpredigten auf allen Seiten erstaunlich negativ auffiel.

Wie bei vielen emotionalen Themen und auch bei vielen nicht-emotionalen die versehentlich dem Boulevard-„Journalismus“ und den angeschlossenen Fernsehanstalten (also alle privaten und manche staatliche) in die Hände fallen, kochte auch hier die Volksseele hoch und ließ sich dumm wie zehn Meter Landstraße in die richtige Richtung lenken. Die Rede ist – natürlich – von dieser einzigartigen Rufmordsendung „Tatort Internet“

Die Freiherrin zu Guttenberg hatte das Thema ja mit angeheizt und sich beim Tittensender RTL II (Big Brother) verkauft um dann vor Kinderschändern zu warnen, per Buch und vor allem mit dieser Sendung.

Nun sei an dieser Stelle einmal glasklar und eindeutig gesagt, daß ich für Kinderschänder absolut nichts übrig habe. Kein Verständnis und keine Milde.

Aber (Das kennen Sie ja nun schon, dieses Aber!) ich weiß nun einmal auch, daß es sich bei Pädophilie um eine wenn auch erschreckende Krankheit handelt. Eine Störung im Sexualtrieb die nebenbei lange Zeit gesellschaftlich für normal gehalten wurde. Im Mittelalter war in Europa eine Eheschließung mit einem 13, 14 oder 15 Jahren alten Kind nicht ungewöhnliches, bei Frauen von Stand waren diese Ehen oftmals schon kurz nach der Geburt geschlossen worden. erst vom 16. bis zum 18. Jahrhundert kann man den Anstieg des Alters bei der Erstheirat von rund 20 auf 25-27 Jahren bei Frauen, von gut 20 auf ca. 30 Jahren bei den Männern beobachten.

Ich will pädophile Taten keinesfalls verteidigen und werde es nicht tun aber ich habe ein Problem damit, daß gerade bei diesem Thema der Rechtsstaatliche Gedanke plötzlich als störend empfunden wird. Einwände gegen Bloßstellung oder die Medienhetze mit der teilweise unschuldige Menschen Opfer werden werden gerne als „Täterschutz“ diffamiert. Rechtsstaatliches Vorgehen, das sich ein bisschen vom „Aug um Auge“ – Gedanken trennt ist „Opferdiskriminierung“, „Täterschutz“ und angeblich rechtfertigendes Blabla.

Nein. Es gibt keine Alternative zum rechtsstaatlichen Vorgehen, auch wenn das heißt, daß ein KiFi ein ordentliches Verfahren bekommt und nicht vom Lynchmob an den nächsten Baum gehängt wird. Man kann immer über härtere Strafen gerade in diesem Bereich diskutieren (eine strafrechtliche Gleichsetzung von Mord und sexueller Nötigung egal gegen wen wäre eine Option über die zu reden ich sehr bereit wäre!) aber das unrechtmäßige Vorgehen eines pseudomoralischen Fernsehsenders, der ansonsten auch mal zur Kindersendezeit Live aus dem Bordell berichten kann, ist weder zu unterstützen, noch kann die diffamierende, beschämende und widerliche Art, mit der Menschen da vom Fernsehen mißhandelt werden gar als glanzvolles Beispiel für das deutsche Rechtssystem Schule sein.

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Zum Schluß möchte ich Sie da auf zwei Aspekte aufmerksam machen:

Sie werden manipuliert. Das Thema ist gerade wegen seiner grauenhaften Inhalte bestens geeignet, um Menschen zu manipulieren. Glauben Sie nicht? Was empfanden Sie bei der Bild-Überschrift: „Erste Sex-Bestie hinter Gittern!“ Klang doch ganz gut, oder?

Es geht bei dem ganzen Thema um Manipulation in zweierlei Hinsicht. Zum Einen sollen Sie, werter Leser, einen Eingriff in den Freiheitsraum Internet emotional befürworten. Sie werden dahingehend manipuliert daß Sie glauben, das Internet sei ein Spielplatz für abnorme Sexualstraftäter (vulgo „Bestien“) und wäre das einzige Umfeld für so etwas. Niemand behauptet das, es wird Ihnen suggeriert, untergeschoben.

Nur um das klarzustellen: Die Täter stammen zu mehr als drei Vierteln aus dem sozialen Umfeld der mißbrauchten Personen, nicht aus dem Internet. Die Oberösterreichische Staatsanwaltschaft geht sogar davon aus, daß 90% der Opfer die Täter gut kennen. Das Internet ist ganz klar ein Bereich in dem sich Kinder nur unter Anleitung und Beistand durch Erwachsene beschäftigen sollten.

Aber, und hier kommt es mal wieder, unter dem Deckmäntelchen des Kinderschutzes versuchen relativ starke Kräfte der Freiheit des Internets Riegel vorzuschieben und (endlich) Zensuren einzuführen. Nur um des Vergleiches Willen: In Nordkorea und China wird die strenge Zensur des Internets mit der Bekämpfung der Pornographie begründet, unangenehme politische Inhalte verschwinden dabei halt zufällig auch mit. Blogs zum Beispiel.

Der zweite Aspekt ist die Manipulation in einer etwas anderen Dimension. Bild, Bunte und RTL II haben es geschafft, den Namen Guttenberg grundsätzlich mit einem positiven „die tut da was aktiv gegen Kinderschänder“ zu verbinden. Nicht nur der Freiherr, sondern auch die Freifrau verstehen es sehr gut mit der Medienmaschinerie zu arbeiten und sie dazu zu mißbrauchen um beim gemeinen Volk eine Stimmung zu schaffen. Angesichts der nicht gerade sehr unauffälligen Medienkampagne, Merkel zu entsorgen und durch Guttenberg zu ersetzen ein interessanter Vorgang.

Guttenberg, der Shooting-Star und an seiner Seite die Frau, die „die erste Sex-Bestie hinter Gitter“ gebracht hat. Da klingelt es doch irgendwie, nicht wahr? Zu Guttenberg und seine Frau brauchen das Thema nicht mehr zu erwähnen. Die entsprechenden Hofberichterstatter werden schon dafür sorgen daß der Wähler das nicht vergisst.

Na hoffentlich vergißt der Wähler auch nicht, daß „Tatort Internet“ keinen einzigen Kinderschänder gezeigt hat. Dafür Frau von Guttenberg, die mit einem Buch zum Thema ein bisschen Geld verdient. Ist eben doch ein anständiges Geschäft bei dem Thema zu machen.