Ein Pyrrhus-Sieg

Die CDU hat mit einem Zweitstimmenergebnis von 34,1% und einem Erststimmenergebnis von 37,2% Geschichte geschrieben. Künftig kann sie alleine 255 Sitze im Deutschen Bundestag stellen, das hat es noch nie gegeben. Mit der CSU als natürlichem Fortsatz stellt die Union künftig 311 von 630 Abgeordneten – es fehlen also 5 Sitze für die absolute Unionsmehrheit.

Das heißt umgekehrt auch, daß eine Mehrheit der Deutschen Wähler Merkel nicht gewählt hat. Eilfertig haben SPD und Grüne allerdings ein Bündnis oder eine Tolerierung durch die Linke ausgeschlossen – es wird nicht kommen. Damit bleibt, wie Peer Steinbrück es so schön formuliert hat, der Ball in Merkels Feld. Sie muß sich Mehrheiten beschaffen. Damit ist es allerdings auch ein Pyrrhussieg der Union.

Pyrrhus I., König von Epirus (einem wohl seit der Bronzezeit besiedelten Gebiet im heute griechisch-albanischen Grenzland) errang mit der Schlacht von Asculum einen Sieg gegen die Römer, der die Molosser (so hieß das griechische Volk) letztendlich den SIeg im Krieg kostete. Die Verluste waren hoch und der Sieg bei Asculum wird einhellig als Schicksalswende begriffen.

Für Frau Merkel ist es tatsächlich ein Problem, denn die beiden verbliebenen Optionen werden nun schwierig, vor allem seit allen Parteien klar ist, daß eine Koalition mit Frau Merkel das eigene Aus bedeutet.

Schwarz-Rot, also die Große Koalition, will in der SPD eigentlich niemand, auch wenn die Presse seit Wochen nichts anderes schreibt. Im Ergebnis müsste die SPD hart verhandeln und zusehen, daß sie ihre Eigenständigkeit behält – sonst geht das Ganze schief. Ein nochmaliges Wahldebakel kann sich die Partei nicht leisten. Eine Reihe von Elementen würden wohl zusammenpassen, Außenpolitik und Sozialpolitik wären zu machen, allerdings könnte es bei der Familien- und Gleichstellungspolitik zu Schwierigkeiten kommen, wie beim Betreuungsgeld oder der Homo-Ehe. Auch die Sache mit dem Mindestlohn dürfte spannend werden.

Schwarz-Grün wäre interessant, auch weil die Grünen mittlerweile Wählertechnisch im Teich der Union fischen. Tatsächlich sind die Grünen nun die letzte liberale Kraft im Bundestag und haben in Baden-Württemberg gezeigt, daß sie auch Konservativ können. Lediglich in den Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung dürfte es ziemlich knirschen.

Schwarz-Tiefrot ist rechnerisch denkbar, praktisch aber nicht, alleine schon weil Frau Merkel dann plötzlich die Bild-Zeitung gegen sich hätte und sowas macht sie nicht. Der Fall Wulff dürfte ihr nochmal nachdrücklich demonstriert haben, was es bedeutet, gegen den Springer-Verlag zu regieren.

Eine Option bleibt aber und ich hielte diese für die beste für die Parteien links der Mitte: eine CDU-Minderheitenregierung. Hannelore Kraft hat gezeigt, daß man auch erfolgreich mit Minderheiten regieren kann, Frau Merkel müsste sich dann eben für jedes Projekt eine Mehrheit organisieren. Das muß sie aber ohnehin: Im Bundesrat hat Schwarz-Gelb praktisch nichts mehr zu melden. Sachsen ist noch Schwarz-Gelbe Koalition, im Falle Bayerns ist die CSU nun alleine, Hessen ist noch fraglich. Hier hat es die FdP zwar gerade so in den Landtag geschafft, Schwarz-Gelb ist dennoch abgewählt.Technisch könnte es hier zu Rot-Rot-Grün kommen, aber auch zu Schwarz-Grün, was in Frankfurt ja schon recht gut funktioniert. Ansonsten gibt es eine Reihe großer Koalitionen (Thüringen, Sachsen-Anhalt, Mecklemburg-Vorpommern und Berlin) und der Rest sind Rot-Grüne Koalitionen (in Schleswig-Holstein mit dem SSW), in Brandenburg ist es die SPD mit der Linkspartei.

Blickt man mal auf die Aufstellung (hier als pdf) der Bundesratskoalitionen, so liegen 29 Stimmen in der Hand von Rot-Grün, 18 in der Hand großer Koalitionen und 7 entweder alleine in der Hand der SPD oder in der Koalition SPD/Linkspartei. 10 Stimmen sind bei der Union alleine oder mit der FdP. Hessen bringt 5 Stimmen mit – fiele Hessen an Rot-Rot-Grün, hätten die Parteien links der Mitte noch sicherer eine absolute Mehrheit im Bundesrat. Schon jetzt gibt es eine deutliche Mehrheit der SPD/Grünen mit der Linkspartei zusammen: 36 Stimmen.

So oder so – Frau Merkel steht eine interessante Zeit bevor. Ganz im chinesischen Sinne…

Wahlaufruf

Eine große Bitte: Gehen Sie am Sonntag wählen. Es stimmt einfach nicht, daß man nichts verändern kann und daß „die da oben“ ohnehin machen, was sie wollen. Gemeinsam können wir alle etwas verändern.

Natürlich würde ich mich freuen, wenn Sie Ihre Kreuze bei der SPD machen würden, aber mir ist es wichtiger, daß die Wahlbeteiligung hoch ist. Wer sich noch über die Programme der Parteien informieren möchte, der kann das hier tun:

Natürlich gibt es weitere Parteien und auch diese verdienen Beachtung. Tagesschau.de hat ein umfangreiches Wahldossier zusammengestellt, auch können Sie mal ohne parteipolitische Brille den Wahl-O-Maten benutzen, um die Partei zu finden, die Ihre Ansichten am ehesten widerspiegelt. So mancher ist da schon überrascht worden – erst kürzlich traf es da eine Freundin von mir, die grundsätzlich schwarz wählt und feststellte, daß bei ihr Grün, SPD, Linkspartei und Frauen deutlich größere Übereinstimmungen mit ihrer eigenen Überzeugung haben als die CDU/CSU.

Man sollte nicht nur grundsätzliche, weltanschauliche Überzeugungen in Erwägung ziehen (wie das vielleicht bei vielen CSU-Wählern besonders der Fall ist), sondern auch aktiv das parteiprogramm ansehen – denn letztendlich wählen Sie das und nicht nur einen Politiker oder eine Politikerin.

Ich wähle SPD – und ich weiß nicht, was meine Frau wählt.
Jens Berger, der Spiegelfechter und Co-Autor der Nachdenkseiten ist überrascht, daß es Ehepaare gibt, die voneinander nicht wissen, was der jeweils andere wählt. Ehrlich gesagt, ich muß das nicht wissen. Ich habe dafür geworben, daß sie SPD wählt, aber was sie dann tatsächlich wählt geht mich schlichtweg nichts an. Das Wahlgeheimnis ist keine Pflicht, es ist ein Recht und wenn sie es wahrnehmen möchte, werde ich alles dafür tun, daß sie es auch kann.

Ich für meinen Teil werde die SPD und Peer Steinbrück wählen, was mit der Zweitstimme schon getan ist – nur bei der Erststimme bin ich mir unsicher. Mein hiesiger SPD-Kandidat ist mir persönlich nicht bekannt und auf den Wahlplakaten sieht er – naja – irgendwie nicht so sympathisch aus. Daß ich den von der CSU wähle ist ausgeschlossen, wer mit der Christlichen Variante von „Ausländer raus!“ (christlich heißt das „PKW-Maut für Ausländer“) wirbt ist für mich nicht wählbar. Über Antidemokraten brauchen wir gar nicht zu reden. Wie der oder die von den Grünen heißt weiß ich zum Beispiel gar nicht, aber die sprechen mich eh nicht an – die werben immer mit „Bayern ist reif – und Du?“, was offensichtlich ja nur Jung- und Erstwähler meint. Bleiben die Linken, die Piraten und eben die SPD.

DIe hiesige Linkspartei enttäuschte mich in der letzten Zeit etwas, zudem dürfte eine Erststimme an einen linken Kandidaten in Bayern buchstäblich verschenkt sein, gleiches Problem habe ich mit Alexander Bock von den Piraten – ich würd ihn gern wählen, aber das wird wahrscheinlich nicht reichen. Mir ist es aber wichtig, daß Angela Merkel abgelöst wird. Mutmaßlich wird es also doch Florian Post werden. Das entscheide ich dann aber am Sonntag.

Unsere Regierung… immer für ein Verbrechen gut.

„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“

Der Meineid unserer Minister. Die Regierungskoalition hat ja entgegen der Anträge von SPD, Grünen und Linkspartei am 28.3.2013 für die Privatisierung der deutschen Wasserversorgung gestimmt.

Man lese und staune: Privatisierung der Wasserversorgung: Der Bundestag hat am 28. Februar Anträge von Bündnis 90/Die Grünen (17/12394), der Linksfraktion (17/12482) und der SPD (17/12519) abgelehnt, die zum Ziel hatten, eine Privatisierung der Wasserversorgung als Folge von Vorgaben der EU zu verhindern. Die Grünen forderten die Bundesregierung auf, den EU-Richtlinienvorschlag zu den Dienstleistungskonzessionen, zur sogenannten Inhouse-Vergabe von Kommunen und zur interkommunalen Zusammenarbeit zu stoppen oder weitreichende Ausnahmen zu erwirken. Ihren Antrag lehnten in namentlicher Abstimmung 291 Abgeordnete ab, 249 stimmten ihm bei acht Enthaltungen zu. Die Linke hatte ebenfalls die Ablehnung des Richtlinienvorschlags verlangt. Auch sollten alle Versuche abgewehrt werden, rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die zu einer Liberalisierung oder Privatisierung der Wasserversorgung führen können. In namentlicher Abstimmung votierten 299 Abgeordnete gegen diesen Antrag, 122 befürworteten ihn, es gab 124 Enthaltungen. Die SPD hatte in ihrem nicht namentlich abgestimmten Antrag die Regierung aufgefordert, sich der Auffassung des Bundesrates anzuschließen, dass es keiner europäischen Rechtsetzung zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen bedürfe und diese abzulehnen sei. Mit einer Dienstleistungskonzession wird eine kommunale Aufgabe von der Kommune vertraglich auf einen „Dritten“ übertragen, zum Beispiel auf ein kommunales Versorgungsunternehmen. Brüssel plant nun eine Ausschreibungspflicht für Dienstleistungskonzessionen, was aus Sicht der SPD eine „weitgehende Umorganisation der kommunalen Wirtschaft“ zur Folge hätte.

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Noch heute die Kampagne unterstützen: Wasser ist ein Menschenrecht!

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Hören Sie sich mal den Staatssekretär (Ministerium für Wirtschaft und Technologie) der FdP Hans-Joachim Otto an. Aber bitte keinen Sprengstoff in Griffweite haben, man könnte Lust bekommen, ihn zu werfen…:


Interessant ist, daß er anscheinend nicht über ein gewisses Mindestmaß von Ahnung verfügt. Mal ein bißchen Nachhilfe von meiner Seite:




Ganz besonders das hier ist ein interessantes Beispiel!



Noch heute die Kampagne unterstützen: Wasser ist ein Menschenrecht!

Von der Medienberichterstattung – und der Realität

Im journalistischen Alltag unserer Republik ist ein gewisser Hype um ein Faktum stets eine Begleiterscheinung, die man nicht vermeiden kann. Ich habe ja schon davon berichtet, wie seltsam die Berichterstattung rund um die Wahl in Schleswig-Holstein ist. Nun machen wir mal noch Nordrhein-Westfalen.

In Schleswig-Holstein wurde die FDP mit der Botschaft, das annähernd beste Ergebnis ihrer Geschichte dort abgeliefert zu haben, begrüßt. Das war gelogen und ist in der Medienberichterstattung seinerzeit auch völlig untergegangen. Die FDP hatte in Wahrheit die Hälfte ihrter Wähler verloren, lediglich die Tatsache, daß kaum noch einer zur Wahl gegangen war hatte dafür gesorgt, daß die Partei über die 5%-Hürde gerutscht ist; Ein weiteres Indiz dafür, daß hohe Wahlbeteiligungen am ehesten radikale Parteien aus den Parlamenten halten.

Alle Zahlen zu Schleswig-Holstein können Sie hier finden.

Nordrhein-Westfalen
Interessanter ist nun der Vorgang in NRW. Die SPD hat dort einen sehr personenzentrierten, aber auch teilweise recht peinlichen Wahlkampf erfolgreich geführt.

Hier ist es ein wenig anders.
Die SPD hat real 309.627 Erststimmen und 374.342 Zweitstimmen hinzugewonnen. Bei einer leicht gestiegenen Wahlbeteiligung (nur noch 59,6% gingen überhaupt hin!) führte das zu einer Anteilssteigerung um 3,8% auf 42,3% bei den Erststimmen und um 4,6% auf 39,1 bei den Zweitstimmen.
Die CDU verliert 437.775 Erst- und 631.067 Zweitstimmen. Das sind Verluste von 5,8% bzw. 8,3% und diese trugen maßgeblich zum Sturz von Röttgen bei, der Angela Merkel vermutlich gar nicht so ungelegen kam.
Die FDP schließlich gewannt bei dieser Wahl real Stimmen hinzu: 8.798 Erststimmen und 147.742 Zweitstimmen (!). Der Anteil liegt damit bei den Zweitstimmen bei 8,6%. Ob das der Lindner-Effekt war oder ein Bonus durch abgewanderte, frustrierte CDU-Wähler, sei mal dahingestellt.

Blickt man in die Wahlergebnisse seit dem zweiten Weltkrieg, so liegt das Ergebnis der FDP im oberen Mittelfeld.

Diese Datei und die Informationen unter dem roten Trennstrich werden aus dem zentralen Medienarchiv Wikimedia Commons eingebunden.

Diese Dateiwird aus dem zentralen Medienarchiv Wikimedia Commons eingebunden.

Im Gegensatz zur Berichterstattung rund um Schleswig-Holstein (siehe unten nochmal) ist also hier tatsächlich eine Steigerung des FDP-Ergebnisses festzustellen.

Das beste realitive Ergebnis haben übrigens die Piraten zu verzeichnen: 547.122 Erststimmen und 487.911 Zweitstimmen haben sie dazugewonnen. Das entspricht einem Anteil von +7% bzw. +6,2%. Verloren haben hingegen vor allem die Linkspartei und nicht so kräftig die Grünen.

All das lässt sich natürlich anhand der Prozente ausdrücken, aber die realen Stimmenzuwächse und -verluste sind es doch, die eigentlich interessant sind. Zudem fehlt auch hier in der Medienberichterstattung komplett der Hinweis darauf, daß die Mehrheit von Rot-Grün zwar durch 50,4% der Wähler, aber nur durch 29,66% aller Wahlberechtigten erreicht wurde. Wenn nicht einmal 30% aller Wahlberechtigten eine Regierung wählen – kann man dann eigentlich wirklich von Demokratie (Mehrheit beherrscht Minderheit) sprechen?

Ich habe oftmals den Eindruck, daß die Parteien im Anschluß an die Wahlanalyse hauptsächlich die Frage stellen, wie man den eigenen Anteil in der Wählerschaft erhöhen kann; egal wieviel kleiner diese Wählerschaft wird. Nur ist es halt nicht mehr sonderlich demokratisch, wenn halt nur noch 20.000 Wähler hingehen und 13 Millionen daheim bleiben. Zumindest solange nicht, solange die Politik die Nichtwähler aus dem Wahlergebnis einfach herausrechnet. Würde man die Zahl der Sitze einfach der Wahlbeteiligung anpassen – bei 60% Wahlbeteiligung gibt’s einfach auch nur noch 60% der Sitze zu verteilen – wären die Mehrheitsverhältnisse gleich, aber die sinkende Wahlbeteiligung würde auffälliger werden und die Politik zum handeln zwingen.

 

Zum Vergleich eine kleine Wiederholung aus meinem oben zitierten Schleswig-Holstein-Artikel:

In Schleswig-Holstein schafft die FDP den Einzug ins Landesparlament, sogar mit dem zweitbesten Ergebnis ihrer Geschichte. Das ist wohl auch nicht verwunderlich, wie Wolfram Müller schreibt, aber man sollte das Ergebnis auch nicht so hoch hängen. Kubicki bläst schon wirklich lange gegen die FDP-Bundesspitze und wird in Medien immer gern als “FDP-Rebell” (Ob bei Spiegel Online, Welt oder Bild) beschrieben, was dem Wähler natürlich gefällt. Ich glaube, daß die Menschen in S.-H. da eher Kucicki als FDP gewählt haben. Auch wenn die Medien wieder kräftig anschieben (Sogar der Deutschlandfunk!) würde ich mal vorsichtig abwarten, ob die Wahl in NRW davon ernsthaft beeinflußt wird.
Mehr Sorgen macht mir – neben dem schwachen Wahlergebnis für SPD und Linkspartei – die mieserable Wahlbeteiligung. Nur 60,1% gingen überhaupt noch zur Wahl. Die SPD konnte immerhin 1.300 Erststimmen mehr als 2009 verbuchen, die CDU verlor praktisch 100.000 Erst- und noch einmal soviele Zweitstimmen. Hier hat die SPD knapp 4.000 Stimmen mehr zu verzeichnen. Die geringe Wahlbeteiligung dürfte Hauptverursacher sein, daß die FDP trotz eines Verlustes von 101.600 Zweitstimmen (!) ihr “Zweitbestes Ergebnis der Geschichte” verzeichnen darf. In Wahrheit hat sie die Hälfte ihrer Wähler verloren.
Blickt man in die realen Zahlen (Alle der Veröffentlichung des Statistikamtes Nord zu entnehmen) so stellt man anhand des Zweitstimmenergebnisses fest, daß die einzigen Parteien, die Stimmen hinzugewonnen haben, die SPD (+3.860) und die Piraten (+79.903) sind. Alle anderen haben Stimmenverluste zu verzeichnen. Das spricht Bände über unser Wahlsystem – und Bände über unsere Politiker, die sich am Wahlabend so ziemlich alle auf die Schultern klopften. Über die Journaille, die das ebenfalls geflissentlich übersieht, sollte man lieber kein Wort verlieren.

Von der mangelnden Konsequenz…

Die CSU ist ja nicht gerade als eine konsequente oder ehrliche Partei bekannt; Wie auch, als christliche Partei ist sie der strukturellen Heuchelei natürlich schwer verpflichtet. Ein guter Christ im öffentlichen Christentum predigt Moral und stubst wenigstens vorher den Ministranten vom Schoß, ein CSU-Politiker wie Dohbrindt fordert das Verbot von demokratischen Parteien weil es fragwürdige Figuren darin gibt.

Wäre er konsequent, müsste er nun auch das Verbot der CSU fordern. Denn nach Medienberichten hat der Müncher Unionsangehörige Detlev Baasch  eine Rede auf einer NPD-Veranstaltung gehalten, weil er mit einem der veranstalter persönlich bekannt sei.

Wenn sich Mitglieder einer Partei in seltsamen Kreisen herumtreiben wie zum Beispiel der „kommunistischen Plattform“, dann stört es mich nicht im Mindesten wenn der Verfassungsschutz da mal nachsieht. Im Grunde ist er ja dafür da. Über die Qualität seiner Arbeit kann man natürlich reden, und gerade die ist in den letzten Wochen zu recht in die Kritik geraten. „Unser“ Verfassungsschutz ist offensichtlich auf dem Rechten Auge nicht nur blind, sondern auch noch hilfsbereit.

Links hingegen offenbar nicht. Und das hilft dem „bürgerlichen Lager“ (Auch so ein Begriff, wer hat sich das eigentlich ausgedacht?) seine konservativen Werte zu vermitteln: Konservativ scheint zu sein, daß man Ängste schürt wenn einem die Argumente ausgehen. Stets wenn das bürgerliche Lager oder sein Lagerwart Dobrindt von irgendwas ablenken muß wird die Angst vor dem Russen bzw. vor dem Kommunisten ausgepackt, während sie zeitgleich durch ihre Politik den Extremisten Zulauf verschaffen. Und trotzdem haben sie es nicht geschafft bislang, eine Linksextreme Szene mit einer ernsthaften Zahl Mitglieder zu erschaffen. Die paar Spinner schafft eine stabile Demokratie locker – im Gegensatz zur anderen Seite.

Links wird beobachtet, Rechts mordet. Und die CSU engagiert sich bei solchen Leuten…?

Das erfordet doch mal einen offenen Brief:

Sehr geehrter Herr Dobrindt,

Dank Ihrer lautstarken Forderung, die Linkspartei zu beobachten und notfalls auch zu verbieten, weil sich einige ihrer Mitglieder in tatsächlich sehr fragwürdigen Kreisen bewegen, möchte ich von Ihnen wissen, ob Sie sich nun auch konseuqnt für ein Verbot der CSU einsetzen möchten.

Das CSU-Mitglied Detlev Baasch hat eine Rede auf einer NPD-Veranstaltung gehalten, ein klares Signal daß sich Mitglieder der Partei offensichtlich in verfassungsfeindlichen Kreisen bewegen. Gemäß der Logik Ihrer Rhetorik müssten Sie nun zumindest die Beobachtung, wenn nicht gar das Verbot der CSU fordern.

Dankenswerter Weise setzt sich die CSU bislang stark für ein Verbotsverfahren gegenüber der NPD ein. Wie konkret soll dieses Verbotsverfahren nun in die Wege geleitet werden wenn da Verbindungen zur CSU auftauchen?

Ich bin gespannt auf die Antwort.

Die Gute Nachricht…

… kommt nach Lukas eigentlich am 24. Dezember aber irgendwie hat sie bis zum 6. Januar gebraucht: Das Jamaika-Bündnis aus CDU, FdP und Grünen im Saarland ist zerbrochen. Die Ministerpräsidentin, Frau Kramp-Karrenbauer kündigte die Koalition mit den beiden liberalen Parteien auf und strebt nun Medienberichten zufolge ein Bündnis mit der SPD an.

Gut beraten könnten SPD und Grüne aber sein, statt sich auf Koalitionsverhandlungen einzulassen Neuwahlen anzustreben. Da die CDU sicher nicht mit der Linken koalieren will bleibt ihr nur die SPD als Alternative. Verweigert die Partei jedoch die Zusammenarbeit könnte es zu vorzeitigen Neuwahlen kommen.

Derzeit sitzen im Saarländischen Landesparlament 20 Abgeordnete der CDU, 13 der SPD, 11 der Linkspartei, 4 der FdP und 3 der Grünen. Bei einer Gesamtzahl von 51 Abgeordneten müssen mindestens 26 für eine stabile Mehrheit zusammenkommen. Es reicht also weder für Schwarz-Gelb, noch für Rot-Grün. Die Grünen dienten daher als Mehrheitsbeschaffer und sie waren teuer: Peter Müller, der Schmied der Koalition, mußte sich beim Ausstieg aus dem Atomausstieg enthalten.

Rechnerisch reicht es derzeit entweder für eine große Koalition oder aber für Rot-Rot-Grün. Und da kommt nun die Frage nach der Taktik ins Spiel: Die FdP würde bei Neuwahlen vollständig unter den Tisch fallen, auch wenn die Umfrage im November sie noch bei 5% gesehen hat. Allerdings schwächelt auch die Linkspartei massiv was wohl auch daran liegt, daß Oskar Lafontaine im Moment keine Landespolitik betreibt. Das könnte Rot-Grün zur Macht verhelfen.
Das Saarland, das schon bei der letzten Wahl interessante Querelen hinter sich hatte (Unter anderem wollte Villeroy&Boch abwandern, falls das Volk nicht so will wie das Unternehmen, also sagte letztlich: „Wenn Ihr die Linke wählt, dann vernichten wir Arbeitsplätze“), dürfte damit ein weiterer Nagel im Sarg der FdP sein. Ausgerechnet während des wichtigen Dreikönigstreffens von dem sich die FdP einen „Neustart“ (Immerhin der erste seit September 2011) erhofft zerbricht eine Landeskoalition wegen ihr: Der Abgeordnete Christian Schmitt verließ nach Personalquerelen die FdP und trat der CDU-Fraktion bei, wenn auch nicht der Partei. Der Abgeordnete Christoph Kühn hat es geschafft, sich ein Ermittlungsverfahren einzufangen und das ausgerechnet wegen einer Dienstwagenaffäre. Ulla Schmidt wird gegluckst haben als sie das las.

Die SPD sollte vorsichtig sein – wenn sie sich auf eine Koalition mit der CDU einlässt dann letztlich so, daß der CDU klar wird daß das ihre einzige Chance wäre – eventuell für sehr lange Zeit.

Gedanke des Tages – Am 13. Freitag.

Schon lange amüsieren sich Kabarettisten darüber, daß das deutsche konservative Lager von einer Frau und einem Homosexuellen angeführt wird. Nun finde ich persönlich das auch in Maßen interessant und lustig und frage mich vor allem immer, was der typische erzkonservatiove Stammwähler eigentlich denkt wenn er mit der CDU/CSU Westerwelle wählt. Andererseits was dachte der Sozialdemokrat als er mit der SPD Frau Merkel wählte?

Tatsächlich ist die Sache mit den Wählergruppen gar nicht mehr so einfach. Durch eine Übung an der LMU zur Geschichte des Herrn Stoiber bin ich auf diese Erkenntnis gestoßen: Es gibt keine Parteien mehr, die zu ihren Wählergruppen passen. Ernsthaft.

Gucken wir uns das Linke Lager an:

  • Sigmar Gabriel führt die SPD an. Wirkt wie ein Wirtschaftsbonze aus dem Comic und neigt zu einer passenden Bräsigkeit die schon Kurt Beck unmöglich machte. Grüße von den Jusos aus Ebersbach.
  • Frank-Walter Steinmeier ist ein Schöngeist und Literaturliebhaber, eine Tatsache die ich nur deswegen weiß weil ich ihn mal kennenlernen durfte. In der Presse wirkt er bis heute dermaßen hölzern und bürokratisch langweilig daß sogar die Beamten gähnen.
  • Gregor Gysi ist Chef der Linken. Ein durchweg kompetenter und unglaublich fähiger Kopf. Und irgendwie wirkt er doch immer so, als hätte er mir die Bonbons klauen wollen. Fragen Sie mich nicht, warum.  Irgendwie macht er einen seltsamen Eindruck.
  • Oskar Lafontaine ist zwar gerade inaktiv aber wie jeder gute Vulkan kann er das locker wieder ändern. Im Grunde aber wirkt er wie eine vergessene Jurassic Park Requisite: Der Dinosaurierer mit Kraft, aber im Grunde ausgestorben.

Im Gegenzug dazu das Liberale Lager:

  • Die Grünen bieten zunächst einmal Jürgen Trittin. Rein von der Persönlichkeit her eine recht unappetitliche Körperöffnung. Der würde jeden verkaufen wür zwanzig Gramm Macht, zumindest vermittelt er gekonnt den Eindruck.
  • Zweite Option bei den Grünen: Claudia Roth. Nein, da was zu schreiben ist auch mir peinlich.
  • Dritte Idee: Renate Künast, die alte Zitrone. Die Dame macht einen derart lebensfrohen Eindruck daß sogar die Dinos um Lafo lebendig werden. Ansonsten gehört sie ja leider zu der Kategorie Mensch, der sein Zeitungsabo kündigt, weil dort stand: „Die Polizisten fassten den Räuber“. Aber ich wette, sie würde das Abo auch kündigen wenn da stünde „Die Polizist_innen fasten die Räuber_innen.“
  • Die FdP wird geführt von einem gewissen Herrn Rösler, einem Spätaussiedler und Fast-Sudetendeutschen aus Vietnam. Derzeit möchte er gerne die x-te Rotation im Kabinett Merkel II veranstalten. Man darf gespannt sein.
  • Außenminister ist unser allseits beliebter Guido Westerwelle. Ein Mensch dessen Denken und Handeln mir so unsympatisch ist daß mir die Worte fehlen und für den ich mittlerweile fast nur noch Mitleid aufbringe. Er ist zudem auch homosexuell, was im Grunde völlig egal ist, aber da er gerne mit Konservativen ins politische Bett steigt, wieder wichtig scheint.

Nun aber das brave konservative Lager.

  • Angela Merkel führt die CDU. Sie regiert sie nicht mehr, sie führt. ziemlich klassisch hat sie alles was an Konkurrenz da war entweder politisch gemeuchelt (Stoiber/Koch) oder hinfortbefördern lassen (Oettinger/Wulff) wo kein Schaden mehr anzurichten ist – oder überhaupt irgendeine Wirkung. Das machen Spinnen auch so.
  • Horst Seehofer, der Mann der die Hirnpirouette erfand (Pispers), und sich vor allem dadurch sein konservatives Profil bewahrte, daß er sich als Mann mit der zweiten Frau etablierte – inklusive Kind.

Nun, bevor das nun hier so rüberkommt, als habe ich mit irgendeiner Lebensführung ein Problem: Nein, habe ich nicht. Ist mir völlig egal. Ich wähle jemanden, den ich für kompetent halte auch dann, wenn er oder sie das vierte Kind in der dritten Ehe hat. Weil ich derartiges nämlich für Privatsache halte. Da bin ich vielleicht allein. Aber rein von den gesellschaftlichen Lebensprinzipien stehen sich nun folgende Zeitgenossen gegenüber:

Volk Liberale Bürger
Sigmar Gabriel, der Bräsige Guido Westerwelle, der Schwule Angela Merkel, die Frau
Gregor Gysi, der Bonbondieb Renate Künast, die Zitronenfalte Horst Seehofer, der Polygamid
Oskar Lafontaine der Dino Claudia Roth, Claudia Roth Georg Schmidt, Frauenheld

Gut, das mit Georg Schmidt ist fies, aber als ich das auf der Homepage des Herrn fand war ich echt einfach amüsiert…. immerhin hatten alle Beteiligten noch die Klamotten an und das Bild ist schon von 2009!

Weiberheld

Ansonsten verleibt doch ernsthaft der Eindruck:
Der Progressive Linke wählt entweder Langweiler, veraltete Gestalten oder seltsame Figuren
Der liberale Lebemann wählt entweder völlig Irre oder Trantüten
und der Konservative wählt eine Frau oder einen Mormonen im Lebensstil.

Bedingt durch den Zwang zur Koalition, der im Augenblick festgezurrt zu sein schein (da keiner mit der Linken will) hat der Bürger also diese Auswahl:

1. Schwarz-Gelb: Konservativ-Liberal zeigt sich dadurch, daß eine Frau, ein Polygamist und ein Schwuler die Republik führen.

2. Rot-Grün: Ein Langweiler, eine Zitronenfalte, Claudia Roth und ein Helmut Kohl

3. Schwarz-Grün: Eine Frau, ein Polygamist, Claudia Roth und die Zitronenfalte

4. Schwarz-Roth: Eine Frau, ein Helmut Kohl, ein Polygamist und ein Langweiler

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so, und nun erklären Sie mal Wählerverdruss…

Quo vadis, "Genosse"?

Im Alltag des sozialdemokratischen Teils unserer Republik gab es ein Ereignis, das die Innenpolitik und die Außenpolitik der SPD im Parteiensystem der Republik maßgeblich bestimmte: Die Abspaltung der Linkspartei. Dabei ist ein nicht unerhebliches Problem im Selbstverständnis der SPD, daß die Linke per se ja gar nicht aus der SPD ausgetreten ist.

Die Linkspartei hat sich aus einer Reihe kleinerer Gruppierungen gebildet, deren größten Anteil sicherlich die ehemalige WASG (Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit) und die PDS stellen, wozu allerdings eine ganze Reihe kleinerer linker Gruppierungen kommen, von denen nicht wenige Altlinke oder aber ganz neue Gruppen waren, die sich im Zuge der Hartz-IV – Reformen bilden mussten.

Nun gehört es zu den Problemen der „alten Tante SPD“, daß sie einige alte Anredeformen und Traditionen hochhält. Beispielsweise duzt man sich untereinander grundsätzlich von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen. Und eine andere Tradition hat man nun mit der Linken gemein: Die Anrede „Genosse“.

Das verursacht mitunter Streit. Manchen ist diese Anrede zu antiquiert, wieder andere möchten nicht weil sie unter anderem auch in kommunistischen Gefilden üblich war. Außenstehende verstehen den Grund dieser Tradition häufig gar nicht und nicht selten wird bei großen und in der Presse übertragenen Reden die Anrede in „Liebe Freundinnen und Freunde“ umgewandelt.

Ich finde das schade. Dr. Hans-Jochen Vogel, ein sehr respektabler Genosse, umschrieb das Phänomen mal mit einem sehr prägnanten Satz: „Liebe Genossinnen und Genossen, ich werde diese Anrede nicht aufgeben weil zu viele Menschen ihr Leben gelassen haben um das sagen zu können und ich finde, das sollte man auch ehren und so gemeinsam hochhalten.“

Und da ist eine Menge dran. Die Anrede stammt aus der Zeit, als sich die SPD überhaupt als Partei und als Vertretung für die Arbeiterklasse entwickelt hatte. Sie war eine Anrede untereinander um sich eben von den abgelehnten bürgerlichen Anredeformen „Herr“ und „Frau“ und dem „Sie“ abzugrenzen. Eine Maßnahme der Stärkung der Moral.

Mißbraucht wurde der Begriff natürlich auch. Die KPdSU verwendete ihn selbstverständlich in der Abwandlung „Volksgenosse“, eine Formulierung, die auch die NSDAP benutze. In der DDR war die Anrede Genosse beim Militär üblich und im Volk nicht ungewöhnlich, aber auch nicht immer unumstritten.

Diesem Mißbrauch zum Trotz aber existiert die Anrede noch – ebenso wie bei vielen Juso-Gliederungen noch das Singen der „Internationalen“. Mag sein, daß manches davon eigentlich überholt ist, aber ich bin schon der Ansicht, daß man untereinander eben Genosse ist und zu einer besonderen Gruppe gehört, und sich das auch nicht von irgendwelchen Verbrechern wegnehmen lässt. Und die Tatsache, daß zumindest in dieser Hinsicht gerade die Jungsozialistinnen und Jungsozialisten ein klein wenig traditionalistisch und konservativ sind…