Musterbeispiel: Bayerische Justiz

Vor einigen Monaten kam es an einer Schule in München zu einem ziemlich ungeheurlichen Vorgang: 29 Schülerinnen und Schüler hatten Besuch von der Polizei, die eigentlich ein Seminar zur Gewaltprävention und Zivilcourage abhalten wollte – aber als vermeintlich 5 Euro fehlten, wurden sie einer ziemlich demütigenden Leibesvisitation unterzogen.

Ende November/Anfang Dezember kochte die Geschichte relativ rasch hoch und beschäftigte eine Menge Bürger. Warum hat die Polizei derart überzogen reagiert, warum manche Schüler gezwungen sich komplett nackt auszuziehen und gar den einen oder anderen Blick in eine Unterhose geworfen? Und selbst wenn ein 5 Euro – Schein aufgetaucht wäre, was dann? 1,5 Milliarden davon sind im Umlauf, wie hätte man den zuordnen sollen?

Polizeibeamte haben hier letztendlich eine sexuelle Nötigung Minderjähriger, zum Teil wohl nicht einmal Strafmündiger vorgenommen – eigentlich eine völlig unglaubliche Geschichte. Über Januar und Februar schlief die Geschichte dann ein, immerhin begann die Staatsanwaltschaft wegen Nötigung zu ermitteln und man hatte als Bürger den Eindruck, der Rechtsstaat ist erschrocken und beginnt ein ordentliches Verfahren.

Tja, und nun? Verfahren eingestellt. Und warum? Weil die Staatsanwaltschaft befunden hat, daß eine Leibesvisitation grundsätzlich zulässig sei und weil die Eltern der Kinder keine Anzeige wegen sexueller Nötigung erstattet haben. Ob man sie überhaupt über die Notwendigkeit davon unterrichtet hat?

Bayerns Polizei und Rechtssystem
Es ist schon seltsam in unserem Bayern. Wenn man der Staatsanwaltschaft zur Anzeige bringt, daß eine Bank sich an Steuerbetrug beteiligt, kann man schon mal in der Psychiartrie landen. Einmal unbescholten in eine Drogenermittlung geraten, ohne daß dabei Drogen gefunden werden? Tja, dann ein paar Mal im Jahr bitte einem Beamten Blick auf Vorhaut und Anus gestatten. In Ihrem Haus wohnte irgendwann mal jemand, der jetzt von der Polizei gesucht wird und nicht mehr da ist? Tja, kann Ihnen passieren, daß Sie und Ihre Familie dafür verprügelt werden. Bei einem Volksfest sind Sie Zeuge einer Schlägerei? Tja, unversehrt zur Poizei gehen kann mit ausgeschlagenem Schneidezahn enden, gerade wenn Sie ein 15-jähriger Hauptschüler sind. Ihnen steht ein Transporter im Weg und Sie sind ein behinderter Rentner? Na, das kann auf die Fresse geben – und Anzeige gleich mit. Sie streiten sich mit Ihrem Freund und rufen die Polizei zur Hilfe? Au weia, das kann schon mal mit einem zerschlagenen Gesicht enden. Sie sind blind, haben ein behindertes Kind und plötzlich die Polizei im Haus? Strecken gar den Arm vor, um nicht irgendwo dagegen zu laufen? Na, dann kann es auf die Fresse geben und Sie werden gleich noch ob Ihrer Bedrohlichkeit verurteilt. Nehmen wir das Beispiel Tenessee Eisenberg. Er drohte sich umzubringen, hatte ein Messer in der Hand. Die Regensburger Polizei streckt ihn mit 12 Kugeln, davon 7 in den Rücken (!) wegen „Notwehr“ nieder, der Berufsfachschüler stirbt. Bei einem Lokalderby in München schlägt die Polizei willkürlich auf die Fans ein – die Beamten sind nicht identifizierbar (sind ja vermummt), das Verfahren wird eingestellt. Sie werden als Übersetzerin in eine Polizeidienststelle gerufen? Na, dort laufen Sie sicher freiwillig mehrfach gegen die Wand. Kommen Sie auf den blöden Gedanken, einen Polizisten zu kritisieren? Puh, wenn Sie es da lebend rausschaffen, sind Sie gut dran. Weh wird das trotzdem tun. Sie erkundigen sich nach dem Namen von Polizisten, die bei einer Kontrolle ihren astmathischen Ehemann quälen? Tja, das setzt erstmal Schläge. Echtes Fehlverhalten kann auch unlustige Konsequenzen haben: Neben Schlägen und dergleichen werden Sie am Ende halbnackt und ohne Geld in der Münchner Innenstadt ausgesetzt. Ist aber auch besser so, Sie könnten auch in der Zelle sitzen und vielleicht weil Sie betrunken sind die Notrufglocke dauernd betätigen und damit den Wachhabenden nerven. Dafür gibt es in Bayern erstmal Pefferspray zwischen die Augen.

Es muß aber nicht immer nur Gewalt sein.
Sie ermuntern Bürger dazu, ihr Recht wahrzunehmen und mal eine Ministerin zum Sachstand einer Kontroverse zu befragen? Oha – da gibt’s dann gleich Besuch von der Polizei. Kann Ihnen auch passieren, wenn Sie ein Forum betreiben und dort ein User einen Lokalpolitiker schlipstrittmäßig behelligt.

Einzelfälle
Natürlich sind das mehr oder weniger Einzelfälle, auch wenn bestimmte Reviere schon immer einen gewissen Ruf hatten und nach wie vor haben. Aber es sind vor allem gefährliche Einzelfälle. Denn derartige Vorkommnisse erschweren die Arbeit der Polizei und bringen die Mehrzahl der Beamten, nämlich diejenigen, die ehrlich und aus einem guten Ideal heraus die Bevölkerung eigentlich schützen wollen, in Verruf. Die Polizei besonders in Bayern hat bundesweit einen sehr schlechten Ruf, gilt als gewalttätig und brutal. Da ist sie zwar nicht alleine, die Polizei in Berlin oder Sachsen ist ähnlich beleumdet und in Stuttgart würde ich auch nicht unbedingt einen Uniformierten ansprechen wollen.
Wenig hilfreich ist, daß die prügelnden Beamten sich fast immer aus der Affäre ziehen können (Standardverfahren ist immer eine Gegenanzeige wegen „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ – der Widerstand kann auch darin bestehen, auf die Aufforderung den Ausweis vorzuzeigen „Moment“ zu sagen, weil man ihn erst suchen muß) und sich die Politik in Gestalt unseres Innenministers Herrmann selbstherrlich mit dem Begriff der „Superpolizei“ gar nicht erst einmischen will.

Herr Minister – Ihre Berufsbezeichnung kommt aus dem Lateinischen, von ministrare. Das bedeutet dienen. Sie sind vom Beruf her ein Volksdiener – also benehmen Sie sich endlich entsprechend!

Das Problem, das eigentlich Problem ist nämlich, daß gegen die Beamten die sich schwer falsch verhalten nicht vorgegangen wird – und daher bei der Bevölkerung der Eindruck entsteht, die könnten machen, was sie wollen. Ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Das lässt den Bürger befürchten, daß wir alles, nur keinen Rechtsstaat mehr haben – und das ist der Anfang vom Ende.
Tatsächlich ist die Politik sich auch nicht zu blöd, die Polizei zu politischen Manövern zu mißbrauchen, es werden Zivilbeamte unter Demonstranten gemischt um einen Zwischenfall zu provozieren und eine öffentliche Legitimation dafür zu bekommen, mit Gewalt gegen politische Gegner vorzugehen. Es passiert auch in Deutschland, daß Polizisten von der Politik verheizt werden, nur um politische Gegner aus dem Weg zu räumen.

Das alles hat mit rechtsstaatlicher Ordnung und demokratischer Willensbildung nichts mehr zu tun. Man sollte aber die Tatsache, daß es in Bayern offensichtlich nicht strafbar ist, wenn man als Polizist die Genitalien von Kindern anschauen will, als deutliches Alarmsignal verstehen.

Darf ich dazu jetzt was schreiben…?

… oder kommt dann gleich die Münchner Polizei bei mir vorbei und beschlagnahmt meinen PC? Ernsthaft, einer Ärztin aus Sauerlach (CSU-Mitglied!) ist das passiert: Sie hat in einem Tweet vorgeschlagen, daß man die Justizministerin von Bayern, Beate Merk, bei einer Veranstaltung in Hofolding doch fragen könne, wann Gustl Mollath wieder freikommt. Daraufhin bekam sie Besuch von der Polizei.

Die Geschichte stammt nicht aus irgendeiner Bananenrepublik und auch nicht aus einer x-beliebigen Diktatur – sie stammt aus Bayern, das laut Verfassung eigentlich so etwas wie ein Rechtsstaat ist. Der Journalist Richard Gutjahr brachte die Geschichte, wie Frau Prof. Dr. med Dr. med habil Gresser Besuch vom Staat bekam, weil sie einen Tweet schrieb, den die Sicherheitsbeamten der Justizministerin für bedenklich hielten.

Der potentielle Terror-Tweet lautete vermutlich: „Wann Mollath freikommt? Diese Frage könnte man Frau Merk am Mo. 10.06.13 um 19 Uhr im Landgasthof Hofolding stellen.“ Das war alles. Frau Gresser machte als braves CSU-Mitglied letztlich Werbung für eine Wahlkampfveranstaltung und regte bei der Gelegenheit an, über einen aktuellen Justizskandal zu sprechen.

Real? Satire!
Richtig lustig wird das, wenn man sich klar macht, daß das Thema der Veranstaltung „Facebook & Co. – sicher surfen in sozialen Netzwerken, mit Staatsministerin Dr. Beate Merk” lautete. Da fällt einem nur wenig zu sein, aber das ist ja leider alles kein Einzelfall. Drei Beipiele aus der jüngeren Vergangenheit.

  1. Der Fall Mollath ist eine unendliche Geschichte – ein Mann wird mit gefälschten, vom Staat so geforderten Gutachten für Jahre in die Psychartrie eingewiesen, weil er einen Fall von Steuerhinterziehung melden wollte. Mittlerweile beschäftigt sich sogar der Landtag in einem Untersuchungsausschuß mit dem Thema. Und die Details werden immer unappetitlicher: War zuerst noch von einem Verfahrensfehler und Justizirrtum zu lesen, so ist mittlerweile auch klar, das der Richter, der dieses „Verfahren“ leitete, ein Bekannter des neuen Lebensgefährten der Ex-Frau von Mollath war, die ihn hauptsächlich belastet hatte. Seine persönliche Habe – inklusive Berufsabschluß und anderen Zeugnissen! – ist verschwunden. Er wird regelmäßig nachts geweckt, angeblich aus „Fürsorge“. Man bekommt den Eindruck, daß an diesem Fall der Staat einen Menschen systematisch fertigmacht. Eine Sammlung weiterer Links findet man hier, die ganze Geschichte kann man hier nachlesen.
  2. Prügel-Vorwürfe: Die bayerische Polizei wird immer wieder mit ziemlichen Gewaltvorwürfen konfrontiert. Als ob die sinnlose Polizeigewalt zur Verteidigung der CDU in Baden-Württemberg im Rahmen von Stuttgart 21 der Auslöser gewesen ist, kommt es immer wieder zu Meldungen über brutales und rücksichtloses Vorgehen der Polizei. Sei es in Wasserburg oder in Rosenheim oder in München – der Bürger wird eingeschüchtert.
  3. Meinungsfreiheit: Gleich zwei Mal ist die Augsburger Allgemeine zum Zentrum des Demokratieverständnisses der CSU geworden: Im Januar 2013 drohte die Polizei mit einer Durchsuchung der Redaktionsräume, um die persönlichen Daten eines Forenmitgliedes zu erhalten, welcher sich eher polemisch über einen Rechtsreferenten namnes Ullrich geäußert hatte. Der fühlte sich in seiner Ehre gekränkt und die bayerische Justiz mißachtete devot die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes um dem verdienten mann zu „seinem Recht“ zu verhelfen.
    Das ist aber noch nicht alles: Landtagsabgeordneter Bernd Kränzle und der Kreisvorsitzende Rolf von Hohenhau (Beide CSU, was auch sonst?) mahnen eine Rentnerin ab, weil diese, bitte festhalten, in einem Leserbrief die Personalpolitik der beiden Herren kritisiert hatte. Zugegeben, auch das ein wenig polemisch, aber trotzdem, es war eine Meinungsäußerung eines ehemaligen CSU-Mitgliedes, die von der Augsburger Allgemeinen abgedruckt wurde. Ergebnis: Eine Abmahnung mit einer Drohung, 5.000 Euro Strafe von der Rentnerin einzufordern, wenn sie nicht sofort widerriefe und die Meinung der beiden Herren als Leserbrief nachreiche.

Man fragt sich schon, wo wir hier leben – und auch, warum die Mehrzahl der bayerischen Bürgerinnen und Bürger dieses Verhalten der Christlichen Einheitspartei Bayerns für wenig beachtenswert oder gar normal halten. Widerstand gibt es wenig, eine Wechselstimmung wird zwar gehofft, aber nicht gespürt. Solange es die Meinung der Staatsregierung ist darf sie geäußert werden – wenn nicht, dann droht die Staatsmacht mit ihren Mitteln.

Und das wird dann gerne begleitet, indem man mit den Fingern auf andere zeigt. Im Iran, da soll gefälligst Meinungsfreiheit herrschen. In Bayern aber nicht. Selbst Amnesty International muß sich inzwischen mit Deutschland beschäftigen
Einen habe ich noch zum Abschluß: Den Fall der Übersetzerin Elena Schelhas. Der hat es sogar bis ins Magazin Panorama geschafft:

Ich schlage daher ein neues CDU-Wahlplakat vor, das ihren Wahlspruch mal ins angemessene Licht rückt:

CDU_Wahlplakat 01

Integrationsprojekt der Türkei arbeitet auf Hochtouren

Die Türkei wünscht sich schon seit langem den Beitritt zur Europäischen Union. Davon verspricht sich das Land wirtschaftliche, aber auch gesellschaftliche Vorteile. Europa steht dem Thema recht skeptisch gegenüber, insbesondere die christlichen Parteien wollen eigentlich nicht, daß ein muslimisch geprägtes Land im Christenclub mitmachen darf.

Erst im Februar war die deutsche Bundeskanzlerin wieder einmal in der Türkei und hat mit Premierminister Erdogan gesprochen. Dabei hat sie ihm, das muß man mal fassen, „ehrliche Verhandlungen“ versprochen – also ist das anscheinend etwas besonderes. „Ergebnisoffen“ kam auch vor, scheint also auch etwas selteneres zu sein.

Erdogan hatte im Gegenzug versprochen, die Türkei umfassend zu modernisieren. Wörtlich sagte er, er bereite „eine ganz andere Türkei“ für die kommenden Generationen vor. Passenderweise wird ihm stets eine antidemokratische Politik vorgeworfen, die Hinwendung zum modernen, postdemokratischen Europa läuft also.

Sicherlich wird sich die Türkei in den letzten Jahren angeschaut haben, wie das moderne, christliche Europa denn so entwickelt ist und wie es mit den Problemen, die Regierungen im Alltag haben, so umgeht. Und dann hat man das sofort und umgehend kopiert. Zum Beispiel mit Meinungsfreiheit, wenn es um Bauprojekte geht. Da blickte man in Istanbul mal über den Bosporus und schaute nach, wie man das unter Christen so regelt mit der Meinungsfreiheit und dem Demonstrationsrecht. Und siehe da, man fand tolle Beispiele in Wackersdorf, Stuttgart oder jetzt auch in Frankfurt und dachte bei sich: Na klar, das können wir auch. Und ganz in christlich-abendländischer Tradition schoß also auch die türkische Polizei auf Bürger, die nicht wollen daß da einer Bäume fällt.

Natürlich quatscht Erdogan nun von radikalen und gefährlichen Spinnern, die da herumstehen und den Fortschritt behindern wollen. Extremisten sind das, sagt er. Klar. Denn sie sind die Verlierer der boomenden Wirtschaftsmacht und werden nun im Tränengasnebel auch noch von der Staatsmacht dafür verprügelt, daß sie ihre Meinung kund tun. Stuttgart ist eben überall.

Der Blog Insanlik Hali dokumentiert auf recht aufrüttelnde Weise, wie sehr sich die Türkei bemüht, in ein marktkonformes CDU-Land zu mutieren. Zwei Menschen wurden von einem Panzer überrollt:

They came from all around Istanbul. They came from all different backgrounds, different ideologies, different religions. They all gathered to prevent the demolition of something bigger than the park:
The right to live as honorable citizens of this country.
They gathered and marched. Police chased them with pepper spray and tear gas and drove their tanks over people who offered the police food in return. Two young people were run over by the panzers and were killed.

Na, das sollte doch für mehr als eine privilegierte Partnerschaft reichen, oder Frau Merkel?

Fundstück der Woche (19. KW): Busreisen

Seit in Deutschland der Reiseverkehr mit Bussen erlaubt ist, hat die Bahn endlich Konkurrenz bekommen. Und das scheint auch nötig, wie diese erschütternde Geschichte zeigt. Davon sollte man sich allerdings nicht den Tag vermiesen lassen. Hier ein paar Buswerbespots, die zum Lachen anregen.

Die Luft wird dünner….

… in Europa. Bei einem Zusammenstoß zwischen Demonstranten und der Polizei in Madrid wurden 33 Polizisten und 43 Demonstranten z.T. schwer verletzt.

Das folgende Video zeigt ein paar Bilder der Demonstration:

Die Quelle ist hier zu finden. Nach dem Bericht gerieten einige Demonstranten in Panik als die Polizei begann, die Menge zu zerstreuen, wie ein pensionierter Bergmann der AP erklärte. Er sagte: „Wir waren friedlich zu Fuß dorthin unterwegs, wo die Gewerkschaftsführer sprachen und sie begannen, wahllos zu feuern. Es gab keine Warnung “
Die Demonstrationen richteten sich gegen den Abbau der Kohlebergbausubventionen in Spanien. Kohle ist ein wichtiger Bestandteil des Energiemarktes in Spanien, die Subventionen sollen um 63% gekürzt werden was laut Gewerkschaften  rund 30.000 Arbeitsplätze bedroht. Die Bergleute waren, die wandern aus dem Norden des Landes in den letzten zwei Wochen gewandert und wurden von Zehntausenden von Spaniern unterstützt, die auch gegen Ministerpräsident Mariano Rajoy protestierten. Der Ministerpräsident kündigte seine Entscheidung an, die Mehrwertsteuer um 3 Prozent zu erhöhen, als Teil des Plans, die öffentlichen Haushalte um  65 Mrd Euro in den nächten zweieinhalb Jahren zu kürzen. Rajoy verkündete außerdem einen 3,5-Milliarden-Euro-Schnitt auf lokale Staatsausgaben.

Der Marsch der Minenarbeiter auf Madrid erfuhr ein mäßiges Echo in den Deutschen Medien. Immerhin findet man dazu etwas auf Spiegel Online und in der Zeit, aber ansonsten ist die Nachrichtenlage eher dünn und es sind in den Berichten fast immer die Demonstranten, die als erste zuschlagen.

Seit Stuttgart 21 glaube ich sowas aber nicht mehr ohne weiteres. Ich war auf vielen Demos und habe auch schon einige erlebt, die aus dem Ruder liefen. Und es stimmt – wenn sich der schwarze Block oder andere Spinner unter die Demonstranten mischen, dann wird es gefährlich. Immer wieder erreichen mich jedoch auch Berichte und Erzählungen, wonach die Polizei gezielt Aggressionen schürt oder sogar selbst Leute unter die Demonstranten mischt um Rabatz anzufangen; Ist erstmal was passiert hat sie nämlich die „Pflicht“ einzugreifen. Das war besonders bei den Zusammenstößen rund um die Antiglobalisierungsdemonstrationen in Genua der Fall, was schließlich einen jungen Mann auch das Leben kostete.

Seit Stuttgart 21 sehe ich solche Vorkommnisse immer zweifelnder. Damals wurden nicht nur friedliche Linke und sogenannte „Chaoten“ (BILD-Jargon), sondern tatsächlich typisch bürgerliche Menschen aktiv, die auch prompt völlig verblüfft waren, wie man mit ihnen umging. Ein pensionierter Polizist berichtete, daß es auch auf der anderen Seite nicht einfach ist, er fühlte sich regelrecht „verheizt“ von der Politik. Der Artikel zitiert einen 30jährigen Polizisten mit folgenden Worten: „Ich weiß, dass wir bei brisanten Großdemos verdeckt agierende Beamte, die als taktische Provokateure, als vermummte Steinewerfer fungieren, unter die Demonstranten schleusen. Sie werfen auf Befehl Steine oder Flaschen in Richtung der Polizei, damit die dann mit der Räumung beginnen kann. Ich jedenfalls bin nicht Polizist geworden, um Demonstranten von irgendwelchen Straßen zu räumen oder von Bäumen runterzuholen. Ich will Gangster hinter Gitter bringen“

Wenn man so etwas liest kommen mehr als nur Zweifel an unserer Staatlichkeit. Ich weigere mich noch immer zu glauben, daß es eine systematische Unterdrückung Andersdenkender gibt, bin mir aber sicher, daß die gezielte Diffamierung ganz besonders von jungen Menschen, die sich für etwas einsetzen, stattfindet. Medien, Politik und wer auch immer die Politik manchmal lenkt. Nach und nach werden da ja immer mehr Dinge, besonders in Baden-Württemberg aufgedeckt, die schlimmeres erahnen lassen.

In welche Welt, in welche Zeit geraten wir, wenn die Verfassungen nicht mehr gelten und alles dem Gewinnstreben, ja schlicht der Habgier untergeordnet wird? Wenn die Polizei nicht mehr als Diener der Gesellschaft, sondern als ihr Unterdrücker agieren muß, als Erfüllungsgehilfe von Politikern, die auch nur als Erfüllungsgehilfen mächtiger Konzerne und Banken für das Volk die Demokratie spielen müssen? Man sehnt sich nach der CDU-Spendenaffäre zurück, als lediglich eine Handvoll krimineller Verfassungsbrecher eine konservative Partei ruinierten, nachdem sie das Ansehen des Landes nach Kräften zu erniedrigen gesucht und die deutsche Einheit mutmaßlich um Jahre verzögert hatten, nachdem die Sowjetunion ziemlich empört auf Kohl reagiert hatte.
Als 1998 Gerhard Schröder und die SPD mit den Grünen zur allgemeinen Verblüffung an die Macht kam überschlug sich die neue Regierung zunächst in dem ernsthaften Bestreben, alles besser zu machen als die Vorgänger. Vor lauter Eile begannen sie allerdings, Murks abzuliefern wie das berühmte Scheinselbstständigen-Gesetz, das manche durchaus normalen Arbeitsverhältnisse plötzlich verunmöglichte.

Dann aber begann das Versagen der europäischen Sozialdemokratie, die Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts ziemlich mehrheitlich die europäischen Regierungschefs stellte (Wobei die Auflistung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt):

Natürlich gab es noch konservative Regierungen, Berlusconi war in Italien immer wieder Ministerpräsident, aber selbst in der Schweiz war mit Ruth Dreifuss von 1999-2002 eine Sozialdemokratin Präsidentin. Im Europäischen Parlament spiegelten sich diese Mehrheiten nicht direkt wider – und tatsächlich machte die gesamte Europäische Sozialdemokratie den Fehler, die Errungenschaft der Arbeiterklasse, die Emanzipation des Arbeiters von der Sache zur Person bis hin zum Menschen, den Verlockungen der vermeintlichen Gewinne der neoliberalen Denkrichtung zu unterwerfen.

Seit 2005 regiert nun bei uns Angela Merkel – eine schwierige Aufgabe in einer Zeit der katastrophalen Wirtschaftskrisen. Spätestens jedoch seit der Entstehung der zweiten Schwarzgelben Koalition 2009 steht die Regierung des Bundes, sowie die meisten Länder unter einem permanenten, und leider nicht unberechtigten Korruptionsverdacht.
Korruption (vom lateinischen „corruptus“; bestochen) ist so ziemlich das schlechteste, gefährlichste und tödlichste, was einer Demokratie passieren kann. Ein korrupter Politiker benutzt die ihm vom Volk gegebene Macht um Einzelne zu begünstigen und das möglichst im Gegensatz zum Gemeinwohl, welches eigentlich seine Hauptaufgabe darstellt. Schon im Mittelalter waren sich große, internationale Organisationen wie die Kirche darüber im klaren, daß ein gewisses Maß an Korruption das Vertrauen in die Organisation als solche nicht nur erschüttern, sondern schwer verwunden kann, siehe Ablaßhandel.

Die Menschen werden ungehalten und in Griechenland wie in Spanien, die von der Korruption mit am stärksten betroffen waren, sollen nun die Leute, die schon unter den bisherigen Ausbeutungen gelitten haben, noch die Zeche dafür bezahlen. Auch bei uns ist das so und beschäftigt auch gerade das Verfassungsgericht, selten aber geht der Deutsche für eine Sache gemeinschaftlich auf die Straße. Das ist in Spanien anders; und wie man manchen Berichten entnehmen kann wurden dort auch Kinder von Gummigeschossen verletzt.

Das ist auch so ein nettes Wort: „Gummigeschosse„. Klingt nach einer harmlosen Spielerei, einem auf-die-Finger-Klopfen seitens der Polizei an gewalttätige Demonstranten, die ja bekanntermaßen mit Molotowcocktails und Steinen werfen. Nur so ist das ganz und gar nicht.
Gummigeschosse werden von Pistolen oder, wie hier in Madrid, von Gewehren abgefeuert und können schwere Verletzungen verursachen. Darum sind Polizisten eigentlich angehalten, solcherlei Geschosse keinesfalls auf Kopf oder Hals oder den Rücken eines Opfers zu richten. Mal abgesehen davon daß sie das trotzdem gerne tun: Wie das folgende Video zeigt feuerte die Polizei in Madrid zum Teil schlicht blind in die Menge oder ballistisch irgendwo hinein – man versuchte offenbar die Demonstranten entweder massiv einzuschüchtern oder aber eine gewalttätige Reaktion herbeizuführen, was in der Berichterstattung die Legitimität des Protestes in Zweifel gezogen hätte.

Was bleibt ist ein weiterer Riß zwischen Regierenden und Regierten. Ein weiteres Steinchen in dem Mosaik der Verzweiflung, an dem demagogische Spinner ebenso eifrig arbeiten wie habgierige Angehörige der Oberschicht und deren Handlanger. Man muß sich mal eben über eine Tatsache wirklich klar werden: Im Europa des 21. Jahrhunderts wird auf Menschen, die ihre Meinung und ihren Unmut ausdrücken, geschossen. Und zwar willkürlich, nicht auf ein paar mögliche extreme Spinner. Nein, auf ganz normale Arbeiter die nichts anderes verlangen als daß man ihnen nicht einfach die Existenzgrundlage wegnimmt, weil irgendeine international agierende Bank grad einen schlechten Tag hat.

Die sogenannte Schuldenkrise ist keine Krise der Staatsschulden, das muß der Öffentlichkeit endlich mal wider den Mainstream deutlich gemacht werden. Eifrig arbeiten die Medien daran, jedem die Logik zu vermitteln, daß Staaten, die ja „über ihre Verhältnisse gelebt haben“ nun in eine Schuldenkrise geraten sind, gerade so wie ein Oniomane. Das Perfide hinter dieser Verknüpfung ist, daß damit alle sozialstaatlichen Errungenschaften, die Europa eigentlich ausmachen und die maßgeblich zum europäischen Frieden der letzten 60 Jahre geführt haben, damit als eigentliche Verursacher der Krise dargestellt werden – und nicht die eigentlichen Verursacher: Finanzjongleure, die auf Lebensmittel wetten und der Rendite wegen kleine Kinder verhungern lassen, maßlose Spieler, die ganze Staaten hopsgehen lassen um eine Wette zu gewinnen und gewissenlose Spekulanten, die sich einen Dreck dafür interessiert haben, wer bei ihren Hochrisikogeschäften eigentlich am Ende die Zeche zahlt.

Überlegen Sie mal: Wenn einer ein Casino aufmacht und die Spieler darin pleite gehen – würden Sie es als Ihre Aufgabe als Steuerzahler sehen, die Spieler wieder mit Geld auszustatten? Jetzt nicht so, wie man es erwartet, als Sozialdemokrat; Nämlich daß man ihnen auf die Füße hilft und ihnen den Weg weist; sondern so, daß die Spieler hinterher das verlorene Geld von Ihnen wiederbekommen – und der Casinobesitzer freundlich lächelt. Klingt doch irgendwie seltsam, nicht?
Genauso funktioniert aber grad die europäische Politik – weil man den Politikern glaubhaft Angst gemacht hat, ansonsten durch zwei, drei Bewertungsänderungen und ein halbes Dutzend Spekulationsgeschäfte gleich mal die ganze Währung, den Euro, und dazu das daran gebundene Staatengebilde zu zerstören.

Letztendlich droht uns die Finanzwirtschaft mit Krieg und die Politik tut alles, um das zu verhindern. Bei Demonstrationen wie der in Stuttgart oder auch nun der in Madrid wird klar, was das bedeutet: Sie lässt notfalls auf das eigene Volk schießen. Ist das noch Demokratie?


Vom schönen Wald

Kannst du den schönen Wald noch sehen
durch all die Bäume dieser Zeit?
Kannst du die Stimme in dir hören
wie sie verstört nach Hilfe schreit?

Kannst du die Bestie in dir spüren
wie sie versucht dich auszuhöhlen
mit Dingen, die dich erst verführen,
doch dann beginnen dich zu quälen?

Kannst du dich noch im Spiegel sehen
durch all den Wahnsinn dieser Welt?
Kannst du noch stolz und aufrecht gehen
und sagen dass dir Alles so gefällt?

Spürst du die Last auf deinen Pfaden,
durch deine Zwänge und Fassaden,
durch all den Scheiß nach dem wir streben
und dabei viel zu oft vergessen… zu leben?

Kannst du den schönen Wald noch sehen
durch all die Bäume dieser Zeit?
Kannst du die Stimme in dir hören
wie sie verstört nach Hilfe schreit?

Kannst du noch durch den Spiegel sehen
durch all den Wahnsinn dieser Welt?
Kannst du noch stolz und aufrecht gehen
und sagen dass dir Alles so gefällt?

Willst du den schönen Wald noch sehen
durch all den Wahnsinn deiner Welt?
Willst du noch stolz und aufrecht gehen
und sagen dass dir nicht Alles so gefällt?