Panama in Zorneding. Gedanken aus dem Exil

Dieser Artikel erschein bereits in der Zornedinger Rundschau 79 (pdf) im Mai 2016

Ähnlich wie ich hier im fernen Hof dürften auch Sie die Nachrichten von den sogenannten „Panama- Papers“ gelesen haben. Und wahrscheinlich verfolgen auch Sie gespannt, wer da noch so alles drin steht.

Große Namen fallen, manchmal auch Präsidenten. Island macht vor, wie man seine Regierung zu behandeln hat. Das ist wirklich gut. Denn es ist klar: Es fallen Menschen, nicht Institutionen. Es fallen Verbrecher und solche, die eigentlich als welche gelten müssten.

Deswegen ist die Demokratie nicht verloren. Sie war es vorher nicht, und sie ist es auch jetzt nicht. Demokratie kann gar nicht verloren gehen, denn sie gehört uns. Uns! Genüsslich schreibt die Journaille vom Ende der Demokratie, das sehe ich sehr wohl, aber sie hat nicht nur nicht recht, sie sägt an ihrem eigenen Ast.

In Zeiten von Spinnern, heißen sie nun IS oder AfD, ist Mut angesagt. Von Menschen, die so denken, darf man sich den Mut nicht ausreden lassen. Die Journaille, die noch nicht so ganz verstanden hat, dass sie mit der Pauschalverurteilungsmasche zwar viele Leser gewinnt, aber wenig für das Land tut und damit letztlich an ihrer eigenen Freiheit sägt, wird sich noch wünschen, die eigenen Regeln einmal gelernt zu haben: Niemals vorschnell schreiben, niemals vorschnell melden und niemals vorschnell urteilen.

Keine Frage: Die „Süddeutsche“, die sich überhaupt mit der Entdeckung verdient gemacht hat und manch staatlicher Sender haben viel für die Republik getan. Aber nun beginnt wieder einmal die Hexenjagd, bei der so manches intellektuell unterprivilegierte Massenmedium ein Geschäft machen will.

Moralisch verwerfliche Politiker hat es schon immer gegeben. Aber Demokratie schafft die Möglichkeit, sie loszuwerden. Ohne Demokratie – wie die AfD das will – müssten wir sie erleiden.

Gehen Sie wählen!

Das Bayernlied – Wie die Reform eines 156 Jahre alten Liedes an der CSU scheiterte.

Der Artikel erschien in der Zornedinger Rundschau Nr. 80 vom Januar 2017

2012 suchte die bayerische Volksstiftung zusammen mit der bayerischen Staatsregierung eine neue dritte Strophe für die Bayernhymne. Der Wettbewerb hieß: „Bayern in Europa“ und forderte Schüler auf, eine zeitgemäße Strophe zu dichten.
Über 1.000 Vorschläge sandten Schüler aus ganz Bayern ein, die Gewinner wurden am 1. Dezember 2016 beim Festakt zum 70. Jahrestag der bayerischen Verfassung von Kultusminister Spaehnle gekürt.
Daraufhin beantragte die SPD im bayerischen Landtag den blumigen Worten auch Taten folgen zu lassen.
Die Reaktion der CSU war aber ernüchternd: „Multi-Kulti-Blabla“, so qualifizierten die Junge Union und der bayerische Innenminister Joachim Herrman die ernsthafte (Auftrags-)Arbeit junger Menschen aus Bad Tölz ab.
Das erfordert jetzt keinen weiteren Kommentar, oder?

Der Text im Wortlaut:
Gott mit uns und allen Völkern,
ganz in Einheit tun wir kund:
In der Vielfalt liegt die Zukunft,
in Europas Staatenbund.
Freie Menschen, freies Leben,
gleiches Recht für Mann und Frau!
Goldne Sterne, blaue Fahne
und der Himmel, weiß und blau.

Dominik Hintze

Wo ist denn die verdammte Richtlinienkompetenz?

Jeden Tag saufen Menschen im Mittelmeer ab. Das hat mittlerweile auch der hinterletzte Konservative begriffen. Konservative haben ökonomische Gründe (bitte mal auf der Zunge zergehen lassen, den Begriff!) vorgeschoben, um das Projekt Mare Norstrum einzustampfen und stattdessen so eine Art Menschenabwehrtruppe aufzustellen. Friedensnobelpreisträger halt.

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Zahl der Suizide im Westen steigt an

Wie die Sueddeutsche berichtet steigt nach Vermutung einiger Forscher die Zahl der Suizide bedingt durch die Wirtschaftskrise an. Ein ziemlich böser Kommentar.

Ich verstehe jetzt das Problem nicht so recht.

Wenn ich die CD/SU und die FdP/AfD richtig verstanden habe, ist es das Ziel jedweden Regierungshandelns im Kapitalismus, die Zahl der Arbeitslosen zu senken. Wenn durch gesellschaftliche Strukturen (kein Arbeitsplatz = kein gesellschaftlicher Wert) und politisches Handeln (Arbeitslos = Schmarotzer, deren Kinder ebenfalls unwerte Existenzen) auf diese Art die Suizide ansteigen und damit die Zahl der unproduktiven Menschen senken, dann kann das doch nur im Sinne der kapitalgesellschaftlichen Wert- und Weltordnung sein. Vielleicht sollte man über staatlich subventionierte Angebote nach dem Stil von Dr. Kusch nachdenken um das Wachstumspotenzial zu verbessern. Würde sogar ein paar Arbeitsplätze schaffen, privatisiert man das könnte man sogar Aktionäre beglücken. Gut, man müsste vorher das Hamburger Verwaltungsgericht abschaffen, das ziemlich sozialistische Einstellungen zu haben scheint (Zitat: „die sozial unwertige Kommerzialisierung des Sterbens durch Beihilfe zum Suizid gegen Entgelt“).

Man könnte sogar – das wäre quasi Flexibilität schaffen – die Maschinen auch für die arbeitende Bevölkerung zur Verfügung stellen, die wegen Überlastung oder noch nicht ganz abgeschaffter Nebenbeschäftigungen (Beziehungen, Familie, Alkohol) ebenfalls das Angebot nutzen wollen. Im Ergebnis könnten Arbeitsplätze neu besetzt werden, die Zahl der nicht Beschäftigten sinkt weiter.
Einziger Nachteil: Die Leute fallen dann als Konsumenten weg. Daher müsste ein Restvermögen quasi als „Schonvermögen“ gerecht auf die produktive (=wertvolle) Bevölkerung aufgeteilt werden, damit es in Konsumgüter umgesetzt werden kann.

Wer den Beitrag für Ironie hält, hat den Herren Westerwelle, Schäuble oder Henkel sowie Frau Merkel noch nie genau zugehört.

Zur Krim-Krise

Russland als Reich des Bösen, Ukrainer im verzweifelten Verteidigungskampf, Putin gegen die Demokratie – die Medien sind im Fressrausch und haben in geradezu choreographierter Form zuerst eine Position bezogen und vermeiden nun jedwede Form von Diskussion. Ein Versuch.

Zunächst einmal: Das Vorgehen Russlands ist höchst zweifelhaft und wer Putin für einen lupenreinen Demokraten hält hat sicherlich nicht alle Latten am Zaun. Umgekehrt aber stellt sich schon auch die Frage, mit welchen Figuren die EU da in der Ukraine zusammenarbeiten möchte und worum es eigentlich geht. Letztendlich tauchte im Rahmen der Berichterstattung rund um die Vorgänge in der Ukraine ziemlich plötzlich eine „Russische Aggression“ auf, die mit einem vermeintlich fadenscheinigen Plebiszit einen Anstrich von Legitimität bekommen sollte. Nur – wer sind denn eigentlich wirklich die beteiligten Akteure? Und woher kommt diese russische Forderung nach Landgewinn auf der Krim?

Will man ein Volk oder ein Land verstehen, hilft es, einen Blick in die Geschichte zu werfen. Was ist eigentlich die Ukraine?

 

Die Ukraine – ein (wirklich kurzer) Historischer Abriß

Slawistik und slawische Geschichte sind nicht ohne Grund ein völlig eigener Zweig der historischen Forschung und der Geschichtsschreibung. Die slawische Geschichte berührt die westeuropäisch – römisch zentrierte Geschichtsschreibung lange Zeit nur sehr peripher.

Das Gebiet, in dem heute im wesentlichen die Ukraine liegt, ist wenigstens seit der Bronzezeit besiedelt. Im Laufe der Jahrhunderte sind durch dieses Gebiet eine Vielzahl von Völkern gewandert, darunter auch gotische Völker (die sogenannten Krimgoten), aber an der Schwarzmeerküste haben sich seinerzeit, also im 5. Jahrhundert vor Christus, sogar Griechen angesiedelt.

Die im Gebiet der heutigen Ukraine ansässigen Völker, zum Beispiel die Alanen, wurden durch den Hunnensturm im vierten Jahrhundert nach Christus vertrieben. Nicht wenige gelangten so nach Westen oder Süden, bis auf den Balkan. Gleichwohl blieben einige dieser Völker quasi ″In der Gegend″

Die Krimgoten wurden zu Beginn des Mittelalters von den Chasaren erobert – ein Turkvolk, welches ein großes Reich in Zentralasien erobert hatten und ein wichtiger Verbündeter des byzantinischen Kaiserreiches war. Im 10. Jahrhundert wurde ihre Macht allerdings von den Kiewer Rusvölkern gebrochen – und schon sind wir in der ukrainischen Geschichte.

Im Mittelalter war nämlich auf dem Gebiet der heutigen Ukraine, Teilen Russlands und Polens das Großreich der Rus entstanden. Die Rus sind ein Volk das möglicherweise – das ist nicht gesichert – von Wikingern abstammte, die das Gebiet im Zuge von Handelsfahrten aus den normannischen Gebieten zum Schwarzen Meer besiedelten. Sie nannten das Gebiet Gardarike, Reich der Städte, denn die ansässigen Slawen hatten hier viele erbaut. Daraus ging das Großreich der Kiewer Rus hervor, das spätestens ab dem 9. Jahrhundert nach Christus bezeugt ist. Das Reich erlebte im 10. Jahrhundert seine Blütezeit und zerbrach an einer Größe und den ständigen Bedrohungen durch beispielsweise die Alanen, bevor es durch die Mongolen im dreizehnten Jahrhundert endgültig zerschlagen wurde.

Das mongolische Großreich – das beinahe ganz Asien umfasste und weit in den Westen und Süden Europas und Vorderasiens vorgedrungen war, beherrschte das Gebiet um die Krim herum noch bis Anfang des sechzehnten Jahrhunderts, auch wenn sich große Gebiete von dem Staat der ″Goldenen Horde″ bis dahin weitestgehend abgespalten hatten – zum Beispiel das Khanat der Krim oder auch das Khanat Kasan.

Das Khanat der Krim war ein ziemlich stabiler Staat der im 16. Jahrhundert die Oberhoheit des osmanischen Reiches anerkannte und somit weitestgehende Autarkie genoß – von hier aus begann auch die Verbreitung des Islam in die nördlichen und östlichen Gebiete. Insbesondere mit den nördlich der Krim lebenden Kosaken verband das Khanat eine wechselvolle Geschichte – die Kosaken, organisiert in einem Fürstentum, dem Hetmanat, lösten sich unter anderem mit Hilfe des Khanats der Krim von dem – weiter im Westen bestehenden und mächtigen polnisch-litauischen Königreich.

Im Gebiet der heutigen Ukraine spielte das Kosakentum inzwischen eine entscheidende Rolle. Weiter östlich hatte sich im 16. Jahrhundert das Zarentum Russland formiert, das seine außenpolitischen Bestrebungen aber vor allem nach Osten richtete um die von den Mongolen beherrschten Gebiete zu erobern. In Westeuropa war das Zarentum kaum bekannt und wenn dann eher durch Berichte aus polnisch-litauischen Händen, denn es war zu weit weg. Die lange Phase des gegenseitigen Desinteresses ermöglichte es den Russen, unter anderem dem berühmt-berüchtigten Iwan dem Schrecklichen, mehr oder weniger ganz Nordasien zu erobern.

Im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert kamen die Russen allerdings mehr und mehr zunächst mit den Osmanen, später auch mit dem Königreich Polen-Litauen in Konflikt. Ab den 1630er Jahren stieg in der zum katholischen Polen gehörenden Ukraine der feudale und religiöse Druck auf die orthodoxe bäuerliche Bevölkerung, was zahlreiche Aufstände der ukrainischen Kosaken zur Folge hatte. Die königlichen polnischen Truppen erlitten in der Ukraine eine Reihe von Niederlagen, dennoch litt auch der Kosakenstaat unter den Kriegen, weil der sporadisch verbündete Krim-Khan ständig die Seiten wechselte, um im fortdauernden Kriegszustand reiche Beute machen zu können. Die Kosaken wandten sich schließlich an den russischen Zaren mit der Bitte um Beistand. Auf der Rada von Perejaslawl leistete der überwiegende Teil der ukrainischen Kosaken-Elite dem Zaren den Treueeid und bekannten sich als seine Untertanen, im Gegenzug erhielt das Hetmanat weitgehende Autonomie. Zwischen Russland und Polen begann 1654 ein neuer Krieg, an dessen Ende der östlich des Dneprs gelegene Teil der Ukraine zusammen mit Kiew bei Russland verblieben.

Jetzt dringen wir wirklich in die Neuzeit vor: 1796 wurden die südlichen und östlichen Gebiete der heutigen Ukraine, die Russland von den Osmanen erobert hatte, zu einem russischen Gouvernement zusammengefasst. Die bisher fast unbewohnten Steppengebiete im Südosten wurden urbar gemacht und größtenteils mit Russen, aber auch mit Deutschen bevölkert. (Beispielsweise fördere Katharina die Große gezielt die Ansiedlung von Ausländern in Russland.)

Die Kern-Ukraine wurde in dieser Zeit auch als „Kleinrussland“ bezeichnet. Die westlichen Gebiete kamen als „Galizien und Lodomerien“ zum Habsburgerreich. Beim Wiener Kongress verhandelten unter anderem die Großmächte über die territoriale Ordnung Europas. (Russland wurde damals von Zar Alexander I. regiert, das Habsburgerreich von Kaiser Franz I.). Russland sicherte sich durch die Anerkennung seiner territorialen Gewinne in Finnland und Bessarabien die stattgefundene Ausweitung nach Westen. Von dem, was Russland bei den drei Teilungen Polens (1772, 1793 und 1795) erlangt hatte, durfte es den größten Teil (das berühmte „Kongresspolen„) behalten.

Anfang des 20. Jahrhunderts formierten sich Kräfte, die eine ukrainische Unabhängigkeit von Russland einforderten – berufen wurde sich dabei vor allem auf die unterschiedlichen historischen Hintergründe der Kosaken und der Rus-Völker. Das Deutsche Reich unterstütze diese Bewegung, nicht aus Herzensgüte sondern um den Feind in Russland während des ersten Weltkrieges abzulenken. Nach der Oktoberrevolution von 1918 entstand aufgrund dieser Bewegung die unabhängige Ukrainische Volksrepublik, die zwar von Russland zunächst besetzt, kurz darauf von den Mittelmächten aber wieder befreit wurde.1918 entstand daraus sogar kurzfristig ein deutsch kontrollierter Klientelstaat, denn im Frieden von Brest-Litowsk musste die russische Führung die Gebiete der Ukraine, Litauen und Polen an das Deutsche Reich übergeben – ein Zustand, der nicht lange anhielt. Nach dem Ende des ersten Weltkrieges zogen die deutschen Truppen wieder ab und den darauf folgenden Bürgerkrieg entschieden die Bolschewiken der Ukraine für sich. Die östliche Ukraine war damit Teil der Sowjetrepublik, ebenso die formal zuerst wieder unabhängige Krim. 1922 fiel Galizien, das bis dahin als Westukraine unabhängig gewesen war, ebenfalls an die Sowjetunion. Der äußerste Südwesten der Ukraine fiel allerdings schon 1919 an die neu gegründete Tschechoslowakei.

Im Zweiten Weltkrieg war die Ukraine eines der Länder, das die Hauptlast des deutschen Holocaustes zu tragen hatte. Die ukrainische Sowjetrepublik wurde von den deutschen Besatzern zum ″Reichskommissariat Ukraine″ erklärt, zwischen 1943 und 1944 allerdings von der Sowjetunion zurückerobert. Nach der Eroberung wurde aus der Ukraine wieder die ″Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik″, die Krim hingegen formierte sich zunächst wieder als ″Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Krim″ bis sie 1954 wieder an die Ukraine angegliedert wurde, allerdings unter autonomer Verwaltung. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 wurde die Halbinsel Krim als „Autonome Republik Krim“ technisch Teil der Ukraine, während die Stadt Sewastopol tatsächlich ukrainischer Verwaltung untersteht.

Tja, und da sind wir nun und haben den Salat.

 

Die Krim heute

Im Zuge der Auflösung der Sowjetunion wurde die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik am 24. August 1991 in den bestehenden Grenzen zum unabhängigen ukrainischen Staat, dessen Teil damit auch die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Krim wurde. Der Oberste Sowjet erklärte am 5. Mai 1992 die Republik Krim für unabhängig, doch bereits die am Folgetag verkündete Verfassung der Republik Krim beschreibt sie als Teil der Ukraine.Am 21. September 1994 wurde die Republik Krim zur Autonomen Republik Krim.

Am 6. Mai 1992 verabschiedeten die Abgeordneten des Parlaments in Simferopol die Verfassung der Republik Krim. Nach Protesten des ukrainischen Parlaments wurde diese Verfassung der ukrainischen Rechtsordnung angepasst. Die Krim verfügte jetzt über ein eigenes Wappen und eine Flagge und strebte Beziehungen zur Ukraine wie zu einem Nachbarstaat an.

Seit dieser Zeit ist die Krim ein Zankapfel zwischen dem prorussischen Block, der eigene Präsidentschaftswahlen anstrebt und letztlich unabhängig oder zu Russland gehören möchte und der ukrainischen Zentralgewalt, welche die Krim nicht aufgeben will.

1995 kommt es zu teilweise recht heftigen Auseinandersetzungen zwischen Russland und der Ukraine, unter anderem auch wegen der Staatszugehörigkeit der Krim. Diese Konflikte wurden 1997 durch ein Freundschaftsabkommen entschärft, bei dem Russland seine Flottenbasis auf der Krim von der Ukraine pachtete.

Die Krim bestand bis vor wenigen Monaten als autonome Republik innerhalb der ukrainischen Republik. Mit dem Referendum vom 16. März 2014 betrachtet das prorussische Parlament der Republik Krim die Entscheidung des Volkes für bindend, sich aus der Ukraine herauszulösen und Teil der russischen Föderation zu werden.

Hierbei gibt es allerdings ein Problem, das auch wir in Deutschland kennen.

Verfassungsfragen

Die ukrainische Verfassung sieht eine Loslösung einer Bevölkerungsgruppe oder eine Staatsgebietes nur dann vor, wenn ein allgemeines Referendum in der ganzen Ukraine abgehalten wird oder wenn das ukrainische Parlament in Kiew einen entsprechenden Beschluss fasst. Eine Loslösung durch ein Referendum vor Ort ist nicht vorgesehen und damit verfassungsrechtlich ungültig. Hinzu kommt, dass die internationale Staatengemeinschaft prinzipiell das Selbstbestimmungsrecht der Völker und Volksgruppen unter die jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorgaben stellt – deswegen haben die Kurden keinen Staat, deswegen bleibt Tibet bei China und deswegen würde die UN auch keine Loslösung Bayerns aus Deutschland, wie beispielsweise von der Bayernpartei gefordert, akzeptieren.

Gerade wir Deutschen haben eine Reihe von Gruppierungen erlebt oder erleben sie noch, die das deutsche Bundesstaatsgebilde wieder zu einem Staatenbund umformen wollen oder sogar komplett unabhängig sein möchten.

Völkerrechtlich ist es extrem umstritten, ob ein Sezessionsrecht für regionale Minderheiten anerkannt werden soll oder nicht. Eine Seite sieht vor allem das Selbstbestimmungsrecht der Menschen als vordringlichste Rechtsnorm, die andere Seite bedenkt jedoch vor allem die Interessen von Staaten, als Ganzes erhalten zu bleiben und somit ihrer Aufgabe als Organisationen der Völker auch nachkommen zu können.

Es gibt eine Reihe von Unabhängigkeitsbewegungen, die aber teilweise auch völlig normal im Rahmen einer Verfassung ablaufen können. So will beispielsweise Grönland bald von Dänemark unabhängig werden, Gruppen von Schotten, Nordiren, und Basken sich ebenfalls von ihren Staaten lösen. Manche dieser Sezessionsbewegungen schlagen in Gewalt um, andere nicht. Sezessionskriege gab es insbesondere zuletzt in Äthiopien und Eritrea sowie im Jemen. Bis heute ist beispielsweise die Lage der türkischen Republik Nordzypern ungeklärt, die UN bewacht einen neutralen Streifen zwischen diesem – nicht anerkannten – Staat und der Republik Zypern.

Russlands Besetzung der Krim während des Referendums lässt zudem Zweifel an der Rechtmäßigkeit und Artikulation des freien Volkswillens aufkommen. Außerdem erschwert die völlig undurchschaubare Situation in der Ukraine selbst jede Form von Verhandlungen. Nicht nur die Krim, auch andere Regionen fordern ihre Unabhängigkeit von der Ukraine während sich die EU unter deutscher Führung und insbesondere im Hinblick auf die Statuten der UN innerhalb der Ukraine mit proukrainischen, nationalistischen und in weiten Teilen völlig antidemokratischen Gruppierungen einlassen, die aber letztlich genauso für die Erhaltung der Souveränität eines Staates Ukraine kämpfen, wie es die EU tun (muss).

Tatsächlich ist es auch aus Sicht der EU verdammt schwierig, die Unabhängigkeit von Teilen der Ostukraine zu legitimieren, weil sich dieses Vorgehen Gruppierungen wie der ETA oder der Sinn Féin Auftrieb geben könnte, was innerhalb West- und Mitteleuropas zu Verwerfungen führen könnte.

Die Umwandlung der Ukraine in einen Föderationsstaat, also zu einem Zusammenschluss unabhängiger Regionalstaaten, widerstrebt der EU und generell dem Westen auch auf Geopolitischer Ebene. Die Ausbreitung der EU nach Osten war, solange die Außenpolitik Russland als Partner einbezog, kein großes Problem. Die Ukraine hingegen ist zerrissen zwischen prowestlichen und prorussischen Gruppen und Denkweisen und Russland möchte seinerseits nicht sämtlichen Einfluss auf die Nachbarn verlieren. Eine ukrainische Föderation würde aber in sich geteilt in einen der EU zugeneigten und einen der Russischen Föderation zugeneigten Teil – und hat damit das Potenzial, sich zu einem Zankapfel zu entwickeln.

Aus russischer Sicht ist das Vorgehen des Westens inkonsistent und verlogen. Der Westen wollte die Ukraine zunächst einmal nicht haben und setzte sich wirtschaftlich zum Teil auch über die Ukraine und auch Polen hinweg (Siehe Pipeline-Bau). Zudem ignorierte ″der Westen″ die Situation in der Ukraine lange Zeit oder betreibt gezielt eine Antirussische Politik, notfalls auch mit Antidemokraten zusammen. Russland hat durchaus ein legitimes Interesse an Einfluss und Beziehungen in der Region, die es immer noch als seinen Vorhof versteht. Wie die Forderung der EU nach mehr Demokratie mit der Zusammenarbeit mit Figuren wie Julija Tymoschenko oder auch der Partei Swoboda zusammenpasst, erschließt sich aus russischer Sicht formal nicht; Praktisch wird dahinter schlichte Großmachtpolitik der EU und der Amerikaner verstanden.

Es ist nicht einfach, hier eine klare Linie zu finden und zu vertreten. Sinnvoll wäre es, das Referendum unter UN-Aufsicht zu wiederholen (Wobei das angesichts der russischen Bevölkerungsmehrheit auf der Krim, ca. 60% der Krimbewohner sind Russen und nur knapp 24% sind Ukrainer, wahrscheinlich wieder so ausgeht) und dann eine diplomatische und verfassungskonforme Lösung zu suchen. Auf jeden Fall hätte der Westen Russland als Partner einbinden und ordentlich behandeln müssen, statt sofort Stimmung zu machen und sich politisch wie propagandistisch wieder auf ″Den Feind im Osten″ einzuschießen. Nachdem unsere Diplomatie insbesondere in östliche Richtung jetzt vier Jahre lang zwischen brachliegen und katastrophal schwankte gibt es aber vielleicht noch eine Chance, das Ansehen der EU und Deutschlands hier zu retten. Wenn Frau Merkel es zulässt.

Warum ich mit "Nein" gestimmt habe

Gestern habe ich beim Mitgliedervotum der SPD meine Stimme abgegeben. Ich habe eine Weile mit mir gerungen, sowohl den Brief, der beigelegt war und unverhohlen darum bat mit „Ja“ zu stimmen, als auch contra-Argumente gelesen und mich danach mit dem Koalitionsvertrag selbst auseinandergesetzt.

Das 185 Seiten umfassende Dokument ist eine ziemlich seltsame Angelegenheit: Es steht viel schönes drin aber nur dann, wenn man oberflächlich liest. Ein Beispiel:

Die deutsche Wirtschaft braucht eine saubere, sichere und bezahlbare Energieversorgung

Hm, klar. Aber warum nur die Wirtschaft? Im Bereich Energieversorgung (S. 49-61) findet sich zum Thema Kosten auf Seite 53 folgender Schwurbel:

Kosten der Energiewende
Die Energiewende ist nicht zum Nulltarif zu haben. Die Gesamtkosten sind in den letzten Jahren aber schnell und stark gestiegen. Private und gewerbliche Stromkunden müssen erhebliche Lasten tragen. Die EEG-Umlage hat mittlerweile eine Höhe erreicht, die für private Haushalte und weite Teile der Wirtschaft, insbesondere auch mittelständische Unternehmen, zum Problem wird, wenn es nicht gelingt, die Kostendynamik zu entschärfen.
Mit der grundlegenden Reform, auf die wir uns verständigt haben, wollen wir Ausmaß und Geschwindigkeit des Kostenanstiegs spürbar bremsen, indem wir die Vergütungssysteme vereinfachen und die Kosten auf einem vertretbaren Niveau stabilisieren. Dazu brauchen wir neben einem berechenbaren und im Gesetz festgelegten Ausbaukorridor insbesondere mehr Kosteneffizienz durch Abbau von Überförderungen und Degression von Einspeisevergütungen, eine stärker marktwirtschaftlich orientierte Förderung, eine Konzentration der besonderen Ausgleichsregelung auf stromintensive Unternehmen im internationalen Wettbewerb und eine ausgewogene Regelung für die Eigenproduktion von Strom.

Um es mal präzise zu sagen: Die CDU/CSU hat hier ein planwirtschaftliches Modell („im Gesetz festgelegter Ausbaukorridor“, früher hieß das Fünfjahresplan) vorgelegt. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien soll nämlich per Gesetz festgeschrieben und gesteuert werden während zugleich Förderung von Erneuerbaren Energien „marktwirtschaftlich orientiert“ sein soll. Dafür sollen die Netzentgelte „fair verteilt“ werden und die Bürger am Ausbau der Netze beteiligt werden – insbesondere an den Kosten.

Beim Thema Atomenergie fehlt zwar nicht die Standortsuche (ohne konkrete Angaben allerdings), dafür ist die Sache mit dem Rückbau sehr schwammig formluiert:

Wir erwarten, dass die Kosten für den Atommüll und den Rückbau der kerntechnischen Anlagen von den Verursachern getragen werden.Über die Realisierung der rechtlichen Verpflichtungen der Energieversorgungsunternehmungen wird die Bundesregierung mit diesen Gespräche führen.
Aha. Man will „Gespräche führen“ über die Realisierung der rechtlichen Verpflichtungen. Ähm, hallo? Die Energieversorger haben vom Steuerzahler die AKW mehr oder weniger geschenkt bekommen, haben den Strom subventioniert verkauft und dürfen sich jetzt auf Hintertürchen freuen, damit die Entsorgung auch vom Steuerzahler subventioniert wird? Ich glaube nicht.
Des Weiteren fehlt mir in ganz anderen Bereichen eine Menge: Mindestlohn? Naja, eine Art Mindestlohn light, soll aber erst 2017 kommen. Und wenn Tarifverträge drunter liegen bleiben die Löhne sogar schlechter. Na super!
Ganz fürchterlich finde ich die Tatsache, daß die Vorratsdatenspeicherung erhalten bleibt. Das Thema Bürger ausspähen und NSA findet dafür praktisch gar nicht statt. Zwar will die kommende Koalition „Um Vertrauen wieder herzustellen, […] ein rechtlich verbindliches Abkommen zum Schutz vor Spionage verhandeln.„, aber so richtig konkret wird das nicht. Daß unsere Geheimdienste vielleicht verdammt nochmal die Pflicht haben und vor so etwas zu beschützen wird da mal lieber nicht erwähnt. Und welches „Vertrauen“ soll da wiederhergestellt werden?
Ein NPD-Verbot wird nicht einmal erwähnt, dafür aber an deren Plattform „Vertriebenen-Gedenktag“ festgehalten. Finde ich nicht gut.
Noch so ein Punkt: Seit einigen Jahren ist ein Ausbau des BAFöG eigentlich unbedingt notwendig; Daß in den vier Jahren Schwarz-Gelber Stillstand mit Reichenförderung nichts passiert ist verwundert natürlich nicht. Aber auch dieser Koalitionsvertrag kümmert sich nicht im Mindesten um das Thema, statt dessen taucht (auf Seite 29) dieses merkwürdige „Deutschlandstipendium“ der CDU wieder auf.
Die PKW-Maut wird kommen – so will es der Koalitionsvertrag. Zwar plappert Florian Pronold noch vollmundig davon, daß das eh nicht gehen werde, aber ich wette heute schon, daß sie kommt – und zwar für alle. Parallel scheint man sich aber über die Luftverkehrssteuer Gedanken zu machen, das heißt dann so:
„Bei der Einführung von fiskal- oder ordnungspolitischen Maßnahmen im Luftverkehr werden wir auf ein positives Nutzen-Kosten-Verhältnis achten.“

Hm…. heißt das, in dem Bereich wird weiter subventioniert und Steuern abgebaut? Die Schwarz-Gelbe Bundesregierung ist auf die unglaubliche Blödheit gekommen, ausgerechnet Kurzstreckenflüge zu subventionieren – zu Lasten der umweltfreundlichen Bahn. Soll das heißen, das bleibt so? Wird gar verstärkt? Und warum ist bei diesem Thema ständig von „internationaler Wettbewerbsfähigkeit“ die Rede?

Und so geht das weiter. Die Mogelpackung der „Rente mit 63“ führe ich nun gar nicht aus, das hat Wolfgang Lieb schon besser gemacht, als ich es könnte. Die Zustimmung scheint trotz der Medienkampagne zu wackeln – der Dortmunder Bundestagsabgeordnete Marco Bülow will jedenfalls ebenfalls nicht zustimmen.

Ich möchte außerdem eines betonen: Die Kampagne der Medien zu dem Thema ist durchschaubar und sollte die Wahlentscheidung der Mitglieder nicht beeinflussen! Mehr dazu morgen.

Demokratie? Nicht mit Merkel!
Frau Merkel ist ja diese lästige Parlamentiererei in der BRD überaus suspekt, von der Volkskammer her ist sie ja ganz anderes gewohnt. Nun soll diese Große Koalition mit 80% der Mandate nun wirklich über bequeme (und verfassungsändernde!) Mehrheiten verfügen, da liest man auf Seite 184 diese Sätze:

Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.
Ähm… nein? Habt Ihr sie denn noch alle? Wie war das mit der freien Gewissensentscheidung des Abgeordneten? Dem unbedingten Bekenntnis zur Demokratie? Sätze wie diese sind typisch für Merkel-Regierungen, und in Wahrheit ziemlich beklemmend. Ich für meinen Teil kann und werde als überzeugter Demokrat diesem Quatsch nicht zustimmen.
Nein zur Großen Koalition.

Bemerkenswert: Zwei Klassen in der Gesellschaft

Ich finde es bemerkenswert wie jetzt – kurz nach der Wahl – plötzlich alle Medien aufjaulen, weil sich der Verdacht der Gewissheit nähert, daß neben rund 80 Millionen unschuldiger Bundesbürger auch Frau Dr. Merkel ins Visier der NSA geraten ist. Aber das ist ja nur ein „Rot-Grünes Sommertheater“ (Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer)

„Die Vorwürfe sind vom Tisch.“, erklärte mir das Pofalla und meinte damit das Abhören deutscher Bürger. Mehr noch, er hat behauptet: „Der Datenschutz wurde zu einhundert Prozent eingehalten.“. Stimmt. Wurde auch. Das wußte keiner. Bis auf alle.

... und die Merkel dachte wirklich, daß sie als einzige nicht abgehört wird...

Quelle: Twitter

Wie dumm muß die CDU-Führung eigentlich sein, wenn sie ernsthaft geglaubt hat, daß nur Otto Normal auf der Straße abgehört wird, nicht aber die Mobiltelefone der Regierung? Noch dazu, wo sich die Kanzlerin bei der Benutzung des „Neulands“ offenbar ein nicht zugelassenes Handy gegönnt hat? Mal ganz ehrlich: Sind die wirklich so blöd?

Wenn nicht, dann haben sie es nämlich willentlich zugelassen – so wie die ganze Unionsbande die Bevölkerung in diesem Zusammenhang belogen hat. Natürlich, Union eben. Hauptsache, Mutti ist da und sagt daß alles gut ist.

Ehrlich gesagt, ich freue mich irgendwie auch so ein bißchen darüber, daß die verlogene Union sich prompt in der eigenen Falle wiederfindet. Nur daß die Medien das so kurz nach der Wahl aufgreifen, ist schon ein bißchen, naja, zufällig. Aber daneben ist es eben auch bemerkenswert.

Vor der Wahl wurde die Affäre für „beendet“ erklärt, der Bürger soll sich keine Sorgen machen und gefälligst das Maul halten, „linke Spinner“ und Verschwörungstheoretiker geben da „amerikafeindliche“ und damit antidemokratische Behauptungen von sich und überhaupt, es geht um Sicherheit und das ist ein „Supergrundrecht“ – nun haben wir eine abgehörte und damit im Grunde erpreßbare Kanzlerin. Ich kann mich da an den Rücktritt eines gewissen Kanzlers wegen so einer Geschichte erinnern…. Guillaume hieß der Verräter, meine ich.

Wir haben zwei Klassen in der Gesellschaft, eher mehr. Und es interessiert niemanden von der herrschenden Klasse, wenn die Niedrigmenschen (Also die Arbeiter, Angestellten und kleinen Unternehmer) ihrer Rechte verlustig gehen. Aber wehe, es trifft auch mal jemand anderes. Dann wird der Botschafter einbestellt. Auxch wenn es eigentlich nichts besonderes ist.

Tatsache ist – die USA verletzten nicht nur Bürger- sondern auch Grundrechte.
Tatsache ist – es interessierte die Union einen Scheißdreck, bis sie selbst betroffen war. Soviel zum Thema „Volkspartei“.

Tatsache ist – Die (alte) Bundesregierung verletzte ihren Amtseid und beging im Grunde einen Verrat an den „Bürgern draußen im Lande“ – und sollte eigentlich vom Verfassungsschutz beobachtet und von der deutschen Justiz verfolgt werden.

Tatsache ist – Unionswählern scheint das alles vollkommen egal zu sein. Sie haben ihre Regierung verdient.

P.S.: Hören wir doch mal, wer wirklich schuld ist:

Wahlaufruf

Eine große Bitte: Gehen Sie am Sonntag wählen. Es stimmt einfach nicht, daß man nichts verändern kann und daß „die da oben“ ohnehin machen, was sie wollen. Gemeinsam können wir alle etwas verändern.

Natürlich würde ich mich freuen, wenn Sie Ihre Kreuze bei der SPD machen würden, aber mir ist es wichtiger, daß die Wahlbeteiligung hoch ist. Wer sich noch über die Programme der Parteien informieren möchte, der kann das hier tun:

Natürlich gibt es weitere Parteien und auch diese verdienen Beachtung. Tagesschau.de hat ein umfangreiches Wahldossier zusammengestellt, auch können Sie mal ohne parteipolitische Brille den Wahl-O-Maten benutzen, um die Partei zu finden, die Ihre Ansichten am ehesten widerspiegelt. So mancher ist da schon überrascht worden – erst kürzlich traf es da eine Freundin von mir, die grundsätzlich schwarz wählt und feststellte, daß bei ihr Grün, SPD, Linkspartei und Frauen deutlich größere Übereinstimmungen mit ihrer eigenen Überzeugung haben als die CDU/CSU.

Man sollte nicht nur grundsätzliche, weltanschauliche Überzeugungen in Erwägung ziehen (wie das vielleicht bei vielen CSU-Wählern besonders der Fall ist), sondern auch aktiv das parteiprogramm ansehen – denn letztendlich wählen Sie das und nicht nur einen Politiker oder eine Politikerin.

Ich wähle SPD – und ich weiß nicht, was meine Frau wählt.
Jens Berger, der Spiegelfechter und Co-Autor der Nachdenkseiten ist überrascht, daß es Ehepaare gibt, die voneinander nicht wissen, was der jeweils andere wählt. Ehrlich gesagt, ich muß das nicht wissen. Ich habe dafür geworben, daß sie SPD wählt, aber was sie dann tatsächlich wählt geht mich schlichtweg nichts an. Das Wahlgeheimnis ist keine Pflicht, es ist ein Recht und wenn sie es wahrnehmen möchte, werde ich alles dafür tun, daß sie es auch kann.

Ich für meinen Teil werde die SPD und Peer Steinbrück wählen, was mit der Zweitstimme schon getan ist – nur bei der Erststimme bin ich mir unsicher. Mein hiesiger SPD-Kandidat ist mir persönlich nicht bekannt und auf den Wahlplakaten sieht er – naja – irgendwie nicht so sympathisch aus. Daß ich den von der CSU wähle ist ausgeschlossen, wer mit der Christlichen Variante von „Ausländer raus!“ (christlich heißt das „PKW-Maut für Ausländer“) wirbt ist für mich nicht wählbar. Über Antidemokraten brauchen wir gar nicht zu reden. Wie der oder die von den Grünen heißt weiß ich zum Beispiel gar nicht, aber die sprechen mich eh nicht an – die werben immer mit „Bayern ist reif – und Du?“, was offensichtlich ja nur Jung- und Erstwähler meint. Bleiben die Linken, die Piraten und eben die SPD.

DIe hiesige Linkspartei enttäuschte mich in der letzten Zeit etwas, zudem dürfte eine Erststimme an einen linken Kandidaten in Bayern buchstäblich verschenkt sein, gleiches Problem habe ich mit Alexander Bock von den Piraten – ich würd ihn gern wählen, aber das wird wahrscheinlich nicht reichen. Mir ist es aber wichtig, daß Angela Merkel abgelöst wird. Mutmaßlich wird es also doch Florian Post werden. Das entscheide ich dann aber am Sonntag.

Fingerhakeln

Peer Steinbrück zeigt einen Stinkefinger und die Regierung freut sich. Nachdem sich Steinbrück zuletzt in der ARD in der Wahlarena als kompetent, klug und wählbar erwiesen hat und Angela Merkel dagegen üblich schwammig war, und zu allem übel auch noch die SPD bei der Umfrage der Infratest Dimap auf 28% „hochgeschnellt“ ist, mußte ja nochmal was kommen.

Nun also hat Peer Steinbrück in einem Fotointerview (das berühmte „Sagen Sie jetzt nichts“ des SZ-Magazins) auf eine Frage den Stinkefinger gezeigt. Die Frage lautete: „Pannen-Peer, Problem-Peer, Peerlusconi – um nette Spitznamen müssen Sie sich keine Sorgen machen, oder?“.

Quelle: Sueddeutsche.de / SZ-Magazin

Ehrlich gesagt – die Antwort von ihm finde ich witzig.

Das Fotointerview ist eine Sache, die Schauspielerei, Albernheit und ein gewisses Maß an Vordergründigkeit verlangt und ungefähr das hat er da auch gemacht. Niemand muß meine Meinung teilen, ich konnte nur drüber lachen. Daß die Republik das heute so ausgibig diskutiert (und sämtliche Spießbürger fast so sehr erschrocken sind als hätte er sich in Turnschuhen vereidigen lassen) zeigt aber sehr schön, wie die Medien hier wieder einmal arbeiten.

Wenn ein Politiker nicht zu 110% angepasst ist sondern tatsächlich mal ein bißchen von der Norm abweicht, wird er da gleich zerlegt, meistens von den Medien, die auch gerne beklagen, daß Politiker alle so einheitlich langweilig sind. Ich für meinen Teil möchte aber einen Politiker, der unbequem ist, an dem man sich reiben kann, den man gut oder furchtbar finden kann und da bin ich, glaube ich, nicht alleine. Immer wieder höre ich ein fast schon wehleidiges Sehnen nach Figuren wie Strauß, der aufrichtig gehasst werden konnte aber wenigstens auch zu dem stand was er sagte.

Muppets in Maßanzügen sind jedenfalls nicht das, was ich unter meinen Vertretern verstehe. Ich kann damit leben, daß Steinbrück die Wahlsieger in Italien als „Clowns“ tituliert – insbesondere weil der Eine das berufsmäßig ist und der Andere darstellerisch ja auch. und die Italiener stimmten ihm ja da teilweise auch zu. Wenn Steinbrück dem einen oder anderen „Mitglied der Gesellschaft“ gelegentlich den Stinkefinger zeigt, fühle ich mich für meinen Teil jedenfalls tatsächlich vertreten.

Dabei ist die Geste gar nicht aggressiv, wie das zum Beispiel Lorenz Maroldt vom Tagesspiegel meint: „Die Augen verkniffen, offen der Mund: ein Hooligan, kurz davor, dem Gegner mit der hohen Stirn das Nasenbein zu zertrümmern – so springt er alle an, vom Titelbild des ‚SZ-Magazins‘.“ Keine Ahnung, warum sich Herr Maroldt da so eingeschüchtert fühlt, wahrscheinlich fühlt er sich betroffen. Könnte am Umgang der Medien mit ihm, also Steinbrück, liegen. Ist aber nur so ’ne Vermutung. Ich finde die Geste provokant – und eben lustig.

Ganz ehrlich – wie wäre denn die Fotoserie mit Merkel gelaufen? Das hat der Twitter-User Hauke Walden treffend beantwortet:

Merkel_FotointerviewAls Antwort auf die Raute der Kanzlerin (neuerdings ja als einzige Botschaft der CDU in Berlin zu bewundern) ist es jedenfalls eine schöne Geste – und hinsichtlich einer eventuellen großen Koalition lässt sie auch Interporetationsspielraum. Wer wird da wohl wen… naja.

Was wollen sie sagen

Nachtrag, 17:00 uhr: Ich bin wohl doch nciht so alleine. Gysi hat das schon 1994 gemacht, die Hörer des Deutschlandfunks finden die Aktion irgendwie zwischen „okay“ und „super“ und wenigstens ein paar Leute machen sich die Mühe und suchen nach dem Anlaß des Bildes. Aber eines muß ich noch loswerden: Den wirklich witzigen tumbrl-Blog dazu.

Musterbeispiel: Bayerische Justiz

Vor einigen Monaten kam es an einer Schule in München zu einem ziemlich ungeheurlichen Vorgang: 29 Schülerinnen und Schüler hatten Besuch von der Polizei, die eigentlich ein Seminar zur Gewaltprävention und Zivilcourage abhalten wollte – aber als vermeintlich 5 Euro fehlten, wurden sie einer ziemlich demütigenden Leibesvisitation unterzogen.

Ende November/Anfang Dezember kochte die Geschichte relativ rasch hoch und beschäftigte eine Menge Bürger. Warum hat die Polizei derart überzogen reagiert, warum manche Schüler gezwungen sich komplett nackt auszuziehen und gar den einen oder anderen Blick in eine Unterhose geworfen? Und selbst wenn ein 5 Euro – Schein aufgetaucht wäre, was dann? 1,5 Milliarden davon sind im Umlauf, wie hätte man den zuordnen sollen?

Polizeibeamte haben hier letztendlich eine sexuelle Nötigung Minderjähriger, zum Teil wohl nicht einmal Strafmündiger vorgenommen – eigentlich eine völlig unglaubliche Geschichte. Über Januar und Februar schlief die Geschichte dann ein, immerhin begann die Staatsanwaltschaft wegen Nötigung zu ermitteln und man hatte als Bürger den Eindruck, der Rechtsstaat ist erschrocken und beginnt ein ordentliches Verfahren.

Tja, und nun? Verfahren eingestellt. Und warum? Weil die Staatsanwaltschaft befunden hat, daß eine Leibesvisitation grundsätzlich zulässig sei und weil die Eltern der Kinder keine Anzeige wegen sexueller Nötigung erstattet haben. Ob man sie überhaupt über die Notwendigkeit davon unterrichtet hat?

Bayerns Polizei und Rechtssystem
Es ist schon seltsam in unserem Bayern. Wenn man der Staatsanwaltschaft zur Anzeige bringt, daß eine Bank sich an Steuerbetrug beteiligt, kann man schon mal in der Psychiartrie landen. Einmal unbescholten in eine Drogenermittlung geraten, ohne daß dabei Drogen gefunden werden? Tja, dann ein paar Mal im Jahr bitte einem Beamten Blick auf Vorhaut und Anus gestatten. In Ihrem Haus wohnte irgendwann mal jemand, der jetzt von der Polizei gesucht wird und nicht mehr da ist? Tja, kann Ihnen passieren, daß Sie und Ihre Familie dafür verprügelt werden. Bei einem Volksfest sind Sie Zeuge einer Schlägerei? Tja, unversehrt zur Poizei gehen kann mit ausgeschlagenem Schneidezahn enden, gerade wenn Sie ein 15-jähriger Hauptschüler sind. Ihnen steht ein Transporter im Weg und Sie sind ein behinderter Rentner? Na, das kann auf die Fresse geben – und Anzeige gleich mit. Sie streiten sich mit Ihrem Freund und rufen die Polizei zur Hilfe? Au weia, das kann schon mal mit einem zerschlagenen Gesicht enden. Sie sind blind, haben ein behindertes Kind und plötzlich die Polizei im Haus? Strecken gar den Arm vor, um nicht irgendwo dagegen zu laufen? Na, dann kann es auf die Fresse geben und Sie werden gleich noch ob Ihrer Bedrohlichkeit verurteilt. Nehmen wir das Beispiel Tenessee Eisenberg. Er drohte sich umzubringen, hatte ein Messer in der Hand. Die Regensburger Polizei streckt ihn mit 12 Kugeln, davon 7 in den Rücken (!) wegen „Notwehr“ nieder, der Berufsfachschüler stirbt. Bei einem Lokalderby in München schlägt die Polizei willkürlich auf die Fans ein – die Beamten sind nicht identifizierbar (sind ja vermummt), das Verfahren wird eingestellt. Sie werden als Übersetzerin in eine Polizeidienststelle gerufen? Na, dort laufen Sie sicher freiwillig mehrfach gegen die Wand. Kommen Sie auf den blöden Gedanken, einen Polizisten zu kritisieren? Puh, wenn Sie es da lebend rausschaffen, sind Sie gut dran. Weh wird das trotzdem tun. Sie erkundigen sich nach dem Namen von Polizisten, die bei einer Kontrolle ihren astmathischen Ehemann quälen? Tja, das setzt erstmal Schläge. Echtes Fehlverhalten kann auch unlustige Konsequenzen haben: Neben Schlägen und dergleichen werden Sie am Ende halbnackt und ohne Geld in der Münchner Innenstadt ausgesetzt. Ist aber auch besser so, Sie könnten auch in der Zelle sitzen und vielleicht weil Sie betrunken sind die Notrufglocke dauernd betätigen und damit den Wachhabenden nerven. Dafür gibt es in Bayern erstmal Pefferspray zwischen die Augen.

Es muß aber nicht immer nur Gewalt sein.
Sie ermuntern Bürger dazu, ihr Recht wahrzunehmen und mal eine Ministerin zum Sachstand einer Kontroverse zu befragen? Oha – da gibt’s dann gleich Besuch von der Polizei. Kann Ihnen auch passieren, wenn Sie ein Forum betreiben und dort ein User einen Lokalpolitiker schlipstrittmäßig behelligt.

Einzelfälle
Natürlich sind das mehr oder weniger Einzelfälle, auch wenn bestimmte Reviere schon immer einen gewissen Ruf hatten und nach wie vor haben. Aber es sind vor allem gefährliche Einzelfälle. Denn derartige Vorkommnisse erschweren die Arbeit der Polizei und bringen die Mehrzahl der Beamten, nämlich diejenigen, die ehrlich und aus einem guten Ideal heraus die Bevölkerung eigentlich schützen wollen, in Verruf. Die Polizei besonders in Bayern hat bundesweit einen sehr schlechten Ruf, gilt als gewalttätig und brutal. Da ist sie zwar nicht alleine, die Polizei in Berlin oder Sachsen ist ähnlich beleumdet und in Stuttgart würde ich auch nicht unbedingt einen Uniformierten ansprechen wollen.
Wenig hilfreich ist, daß die prügelnden Beamten sich fast immer aus der Affäre ziehen können (Standardverfahren ist immer eine Gegenanzeige wegen „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ – der Widerstand kann auch darin bestehen, auf die Aufforderung den Ausweis vorzuzeigen „Moment“ zu sagen, weil man ihn erst suchen muß) und sich die Politik in Gestalt unseres Innenministers Herrmann selbstherrlich mit dem Begriff der „Superpolizei“ gar nicht erst einmischen will.

Herr Minister – Ihre Berufsbezeichnung kommt aus dem Lateinischen, von ministrare. Das bedeutet dienen. Sie sind vom Beruf her ein Volksdiener – also benehmen Sie sich endlich entsprechend!

Das Problem, das eigentlich Problem ist nämlich, daß gegen die Beamten die sich schwer falsch verhalten nicht vorgegangen wird – und daher bei der Bevölkerung der Eindruck entsteht, die könnten machen, was sie wollen. Ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Das lässt den Bürger befürchten, daß wir alles, nur keinen Rechtsstaat mehr haben – und das ist der Anfang vom Ende.
Tatsächlich ist die Politik sich auch nicht zu blöd, die Polizei zu politischen Manövern zu mißbrauchen, es werden Zivilbeamte unter Demonstranten gemischt um einen Zwischenfall zu provozieren und eine öffentliche Legitimation dafür zu bekommen, mit Gewalt gegen politische Gegner vorzugehen. Es passiert auch in Deutschland, daß Polizisten von der Politik verheizt werden, nur um politische Gegner aus dem Weg zu räumen.

Das alles hat mit rechtsstaatlicher Ordnung und demokratischer Willensbildung nichts mehr zu tun. Man sollte aber die Tatsache, daß es in Bayern offensichtlich nicht strafbar ist, wenn man als Polizist die Genitalien von Kindern anschauen will, als deutliches Alarmsignal verstehen.