Eine richtige Entscheidung

Anette Shavan ist zurückgetreten. Das war eine richtige Entscheidung, alleine schon weil so weiterer Schaden vom Amt der Bundesbildungsministerin genommen wird. Der Schaden für die Union und die Kanzlerin allerdings bleiben.

Das zweite Merkel’sche Kabinett hat jetzt, abgesehen von ihr selbst, nur noch wenige Minister, die auf ihrem ursprünglichen Posten sitzen: Schäuble als Finanzminister, Leutheusser-Schnarrenberger als Justizministerin Aigner als Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin Peter Ramsauer als Verkehrsminister und Niebel als Entwicklungshilfeminister. (Naja, und Pofalla als Kanzleramtsminister)

Zwar ist Westerwelle noch immer Außenminister, aber nicht mehr Vizekanzler. Ansonsten sind die Wechsel schon ziemlich massiv: Franz-Josef Jung trat im November 2009 zurück, damit Guttenberg nicht beschädigt wird. Ersetzt wurde der Arbeitsminister durch die bisherige Familienministerin Ursula von der Leyen, deren Nachfolge trat die Extremismusexpertin der Union, Kristina Schröder an. Im März 2011 mußte Guttenberg trotzdem zurücktreten, wegen einer Plagiatsaffäre. Dessen Nachfolge trat der bisherige Innenminister Thomas de Maziére an, der wiederum von Hans-Peter Friedrich beerbt wurde. Im Mai 2011 trat Rainer Brüderle als Wirtschaftsminister zurück (im Zuge von Westerwelles Sturz, der zwar die FdP nicht mehr nach außen vertreten sollte, wohl aber Deutschland) und wurde durch Philip Rösler ersetzt, der das Gesundheitsministerium an Daniel Bahr abgab. Rösler wurde bei der Gelegenheit auch Vizekanzler. Im Mai 2012 chasste Merkel ihren Umweltminister Röttgen, weil dieser die Landtagswahlen in NRW in den Sand gesetzt hatte, ihn ersetzte Peter Altmeier. Nun ist Anette Schavan zurückgetreten, wieder wegen einer Plagiatsaffäre. Sie wird ersetzt durch Johanna Wanka.

Nicht erwähnt habe ich hierbei die Vernichtung gleich zweier Bundespräsidenten, die sind natürlich auch keine Kabinettsmitglieder.

Die Zahl der Kabinettsumbildungen ist zwar nicht ohne Beispiel, aber schon deutlich. Die christliche Union mußte zwei ihrer Minister wegen mutmaßlichen wissenschaftlichen Betruges absägen, die FdP verspielte wegen ihrer menschenverachtenden Grundhaltung jedwedes Ansehen und fiel vor allem durch peinliche Personalpolitik auf. Das Kabinett Merkel steht letztendlich wie ein Haufen werteloser Gesellen da, der nur an Macht und Machterhalt interessiert ist. Dem Ruf des Politikers allgemein und den beteiligten Parteien im Besondern hat das schwer geschadet.

Was bleibt ist eine Regierung, die ihrer mittleren Silbe eindeutig die größte Bedeutung zumisst. Wird mehr als Zeit, sie abzulösen.

Ach ja… es geht bergab

Seit JJ Abrahms aus der Idee einer humanistischen Zukunftsvision sein Star Trek für coole Leute gemacht hat, wird man das Gefühl nicht los einem Symptom für die Abkehr von einem gewissen ideellen Rationalismus in den USA beizuwohnen.

Mag sein… nein, ziemlich sicher interpretiere ich in die Thematik zu viel hinein. Aber irgendwie beschleicht mich ein Gefühl von Unbehagen, seit ich mich dem zweiten Star Trek – Film (Passender Weise mit dem Untertitel „Into the Darkness“) irgendwie doch mal zugewandt habe um wenigsten den Trailer mal anzuschauen. Zugegeben, die Variante, die ich hier für den Blog ausgewählt habe ist ein bißchen lustiger, aber trotzdem:

Seit ich Star Trek für mich entdeckt hatte, ohne je ein wirklicher Trekkie zu werden, mochte ich die Grundidee, die hinter Gene Roddenberrys Vision stand. Die Grundidee ist die einer Gesellschaft die dank Überflußwirtschaft den Kapitalismus und das Geldsystem abgeschafft hat, keinen Hunger und keine Not mehr kennt so wie wir sie tagtäglich auf unserem Planeten erzeugen. In der Zukunftsvision von Roddenberry hungert niemand mehr, bloß weil irgendein geldgieriger Sack hinter seinem Schreibtisch nach mehr Profit giert. Es wird auch niemand mehr für minderwertig gehalten, nur weil er das falsche Geschlecht oder die falsche Hautfarbe hat. Stattdessen gehen die Menschen ihrer Berufung nach und für manche ist dies die Erforschung des Weltalls. Deren Geschichten erzählt Roddenberry.

Nach seinem Tod 1991 bekam die in ihrer Botschaft ziemlich direkte Vorzeigeserie „The next Generation“ eine kleine Wendung: Das Universum wurde einen Hauch kaputter, die Serie actionreicher. Das Grundkonzept des humanistischen Diskurses ethischer Probleme vor dem Hintergrund fremder Welten blieb aber bestehen. Manche dieser Diskurse haben jetzt nicht nur so einen wie mich, sondern sogar Rechtsphilosophen beschäftigt.

Die kurz darauf gestartetet Serie „Deep Space Nine“, die nun nicht mehr die Erforschung des Weltalls, sondern ein Babylon 5 für Star Trek wurde, setzte den Fokus mehr auf dieses schon ein bißchen veränderte Universum. Es gab plötzlich eine größere Zahl von Gefechten und Schlachten zu beobachten, zum Teil wie in „Der Weg des Kriegers“ seltsam nüchtern inszeniert (Kein Vergleich mit der Babylon-5 Folge „Die Strafaktion„, die den Abwehrkampf wesentlich dramatischer, aber auch pathetischer inszeniert), und die Handlung dreht sich letztendlich um drei größere Auseinandersetzungen zwischen der Föderation, den Cardassianern, den Klingonen und dem Dominion.

Schon das ursprüngliche Setting ist irgendwie merkwürdig und bringt mich letztendlich auf das Thema, zu dem ich eigentlich kommen wollte: Deep Space Nine ist eine Raumstation im bajoranischen Sektor. Die Bajoraner waren bis vor kurzem von den Cardassianern besetzt und brutal unterdrückt worden und sind insgesamt eine extrem religiöse Gesellschaft. Sisko, der Föderationscommander von DS9, wird von ihnen für den „Abgesandten“ gehalten und nimmt letztendlich – auch bedingt durch das Serienfinale, wo er quasi zum Himmel fährt (also im Wurmloch verschwindet) eine sehr wichtige Position ein.

Babylon 5 bot das ziemlich genauso an, Sheridan stirbt nach 20 Jahren und fährt auch in die Unendlichkeit (in dem Fall von den Allerersten geholt), allerdings kokettierte J. Michael Straczynski mit der Thematik in einer wunderbaren „Rückschau“-Folge am Ende der vierten Staffel. Aber auch hier wurden religiöse Motive (hier sind es die Mimbari und das Erscheinen der „Allerersten“ Völker, sowie „des Allerersten“ Lorien – ja, die Anspielung auf Lórien ist Absicht!) verarbeitet.

Der große Erfolg der Neuauflage der Serie „Battlestar Galactica“ hat auch so eine seltsame religiöse Nummer. Ich mag die Serie sehr gern, aber spätestens ab der Dritten Staffel bricht die irgendwie ab und es geht hier nur noch um das Erfüllen eines wie auch immer gearteten Schicksals. Am Ende finden die Menschen und die organischen Zylonen die Erde wieder und besiedeln sie gemeinsam – zusammen mit den Urmenschen bilden sie die genetische Basis der heutigen Menschheit. Mal abgesehen von der „Das Leben kommt aus dem All“ – Motivation durchzieht die ganze Serie eine quasimythische Stimmung: Da stehen Leute von den Toten wieder auf und Träume weisen den Weg.

Die neueren Star Trek Filme springen nun ebenfalls auf diesen Zug auf und sind ebenfalls sehr von dem Thema „Bestimmung“ gefesselt. War das bei Star Wars noch eher eine amüsante Randerscheinung, die zu dem leicht märchenhaften und sehr an Fantasy erinnernden Setting passte (nebenbei wird JJ Arbahms auch da künftig Regie führen), so wird Star Trek nun auch lauter, von zukunftsweisenden Schlachten und Bestimmungen einzelner Helden geprägt. Das daran gruselige ist, daß dadurch die Maxime von Vernunft und Logik (passender Weise hat Abrams ja das Logikervolk der Vulkanier schon aus der Gleichung gestrichen) durch religiöse Motive ersetzt werden, die – man sieht es ja an Erfolg und Zuschauerzahlen – offenbar mehr in die Zeit passen und das Publikum eher ansprechen.

Das wiederum lässt einen doch darüber nachdenken, was eigentlich dieses 21. Jahrhundert für eines werden soll. Überall brechen die religiösen Fanatiker aus den Löchern aus, in die sie Aufklärung und Rationalismus mal eingesperrt hatten. Egal welcher Couleur, manche freuen sich sogar schon darauf, gegeneinander den totalen Krieg, das Armageddon zu führen. Im Namen der Verteidigung christlicher Werte wird neuerdings der Jude als Zeuge bestellt um den Muslim abzuwehren und die Kirchen beklagen, systematisch angegriffen zu werden. Mit ein wenig Verspätung kämpfen sie nun mit aller Kraft um ihren Machterhalt.

Dabei verursachen sie dieselbe ideologische Verblendung gleich mit: Ganze Religionsgemeinschaften werden in die weltpolitische Sippenhaft genommen und es scheint einem Kölner Kardinal kein Problem zu bereiten, daß „Muslim“ und „Islamist“ beim weniger intellektuellen Teil der Bevölkerung als Synonym verstanden wird. Das wäre so, als würde man alle Christen für Guantanamo Bay in Sippenhaft nehmen.

Daß das 21. Jahrhundert wieder zunehmend religiös wird – vielleicht als Antwort auf die von uns geschaffene, kompliziertere Welt – stimmt nachdenklich. Vielleicht behalten Gene Roddenberry und Michael J Straczynski ja recht: Beide haben in ihren Welten einen Dritten Weltkrieg im 21 Jahrhundert prognostiziert. In Star Trek war es ein Krieg, der durch eugenische Experimente an Menschen erzeugt worden war (und in den USA ist Eugenik in gewisser Hinsicht längst wieder Realität – auch ein Ergebnis Neoliberalen Denkens), im Babylon.5 Universum ist es ein Ressourcenkonflikt. Vielleicht aber schaffen wir es ja doch, uns ganz mittelalterlich wegen des Namens der Rose die Köpfe einzuschlagen.

Ich mag auch mal….

Verschwörungstheorien machen ja Spaß. Jetzt darf ich mal. Ein nicht ganz bierernster Beitrag.

Es ist Dienstag Abend und ein wenig verwundert nach einem recht fiesen Arbeitstag reibe ich mir die Augen und frage mich, ob ich eigentlich heute schon Nachrichten gehört habe. Ich kann mich nicht entsinnen, irgendein Fettnäpfchen von Peer Steinbrück in den letzten Tagen durch die Medien geistern zu sehen. Nichtmal erwähnt hatten sie eines.

Habe ich wirklich Nachrichten gehört, gelesen und gesehen? Hm… Doch, halt, klar, Antenne Bayern hat  ja halbstündig jubiliert, daß Bayern nun gegen den Ländferfinanzausgleich klagt. und dabei immer Söder zitiert, damit beim Hörer der Eindruck hängen bleibt, daß letztlich Söder gegen Wowereit klagt. Auch Radio Gong macht das so. Naja, gut. Aber sonst?

Oh, ja richtig: Die Bundesregierung profiliert sich mit einer möglichen Absage an die Erhöhung der Kosten von Stuttgart 21. Die gute Union, immer auf der Höhe der Zeit.

Aber ich habe gar nichts mehr davon gelesen, daß er Politiker für unterbezahlt halte. Dabei sagen doch alle, daß er das gesagt habe. In der FAS. Bestimmt. Und nach „zu wenig“ kam bestimmt ein Punkt. Achso, nein. Na, was soll’s. Aber er hat ja unheimliche Nebeneinkünfte gehabt. und die sogar offengelegt. Und die anderen nicht! Naja, auch nicht erwähnenswert mehr.

Alles diese Geschichten. Warum lese ich gar nichts mehr davon? Achso, richtig, letzte Woche hatten wir den Eierlikör und den Besuch beim „unvorbereiteten Bürger“, der zufällig halt eine Genossin war. Stimmt. Das war aber letzte Woche.

Was war denn diese? Komm, da muß doch was sein…. au ja, ich habs: Den Peerblock. Gleich zweimal, also am 4.2. und am 5.2. ereifert sich die Sueddeutsche über den Peerblog und die Tatsache, daß da eine Presseagentur finanziert von fünf Unternehmern (wichtig: Sind ominöse Unternehmer) einen steinbrückfreundlichen (und wer ihn sich anguckt erkennt: auch eher peinlichen bis jämmerlichen Jubel-)Blog betreibt.

Puh, nagottseidank. Eine Woche ohne einen Steinbrückskandal, und ich wäre ausgewandert. Doch halt, lesen wir den Blog mal genauer.

Betrieben wird die ganze Geschichte von einer Agentur namens „steinkuehler-com“, die auch einen Großteil der Autoren stellen. Die Artikel reichen von den üblichen „Der Gegner ist schlecht“ bis hin zu den „Der Kandidat ist toll“ Artikeln aus der ersten Klassse der Journalistenschule. Okay. Ich habe nichts dagegen.
Finanziert wird die Geschichte von fünf Unternehmern (die offenbar nicht die SPD, sondern Peer Steinbrück unterstützen wollen, was zumindest für die Nachdenkseiten sicherlich Munition liefern wird), die nicht genannt werden wollen. Treffer, versenkt. Eine neue schöne Peer-Steinbrück-und-die-Reichen Geschichte, die Presse wird jubeln für dieses Geschenk.
Da stellt man sich doch die Frage, ob dieser hochintelligente Herr Steinbrück eigentlich wirklich eine so durchweg beschissene PR-Beratung hat. Wer bezahlt ihm eigentlich diese Berater? Die CDU?

Noch viel mehr frage ich mich aber, ob da nicht ein paar qualifizierte PR-Fritzen auf die Idee gekommen sind, ein paar Freunden und alten Spendern von CDU und FdP den Tipp zu geben, den Gegner dadurch zu bekämpfen, indem man der Presse neue Munition zuspielt. Eigentlich ein geniales Konzept.

Naja, ist ja nur eine Verschwörungstheorie. Diesmal aber meine. Ganz bestimmt.


Hm, mal im Ernst: Die Idee, eine Variante der amerikanischen PACs im deutschen Wahlkampf zu benutzen gefällt mir überhaupt nicht. Schon bei den Parteispenden läuft es alles andere als transparent ab, aber da jetzt noch mit dieser dubiosen Spendenvariante anzufangen halte ich für gefährlich.

Mal den Ball schön flach halten….

Ohweh und Ach, ein Wettskandal erschüttert die Fußballwelt. Dieser, in Zeiten von Massendoping und sonstigen unsauberen Vorgängen in der Sportwelt eigentlich eher als Randnotiz gedachter Infotainement-Inhalt spiegelt sich in der Tagespresse wider.

Also ehrlich gesagt, bislang bin ich eher mäßig überrascht oder aufgeschreckt. Angenommen, in Deutschland seien wirklich 70 Spiele manipuliert gewesen und dabei seien ernsthaft 2 Millionen Euro Schmiergeld an Schiedrichter, Spieler und so weiter geflossen, dann sind das pro Spiel doch nur ein paar tausend Euro. Angesichts der Gehaltsklassen unserer Sportfunktionäre und Spieler eher lächerliche bis absurd geringe Summen.

Schon die Idee, für 8 Millionen Euro Gewinn 70 Spiele manipulieren zu müssen lässt nicht gerade auf ein gigantisches Verbrechersyndikat schließen, sondern eher auf Kleinkriminelle. Die wären mit Banküberfällen oder Versicherungsbetrug sicherlich erfolgreicher gewesen.

Auch wenn es weltweit mehr als 380 Spieler und Funktionäre sein sollen – irgendwie hätte ich von asiatischen Verbrechersyndikaten, noch dazu mit russischer Beteiligung da mehr erwartet. Nun gut, es ging hierbei wohl eher in Ausnahmefällen um hochdotierte Spiele wie jene in der Champions League oder einige Qualifikationsspiele für EM und WM.

Naja,. immerhin, die Kriminellen manipulieren jetzt Spiele, statt Drogen zu verkaufen. Ist doch auch irgendwie eine gute Nachricht.

Von den aktuellen Debatten

Nein, ich wollte es nicht. Weder bei der Sexismus-Debatte, noch bei der Debatte um die Änderungen in den Texten der Bücher von Otfried Preußler wollte ich mich ernsthaft zu Wort melden, zum Einen weil man als Mann bei der ersten Debatte ohnehin nur verlieren kann und zum Anderen, weil ich das Faß mit den „Gutmenschen-Debatten“ sowas von überhaupt nicht leiden kann, weil es gleich wieder dazu benutzt wird eine vermeintlich „linke Zwangsgesellschaft“ zu konstituieren. Und das geht mir als rational denkendem Menschen einfach auf die Nerven.

Warum ich es nun doch tue hat ein wenig damit zu tun, daß ich heute morgen sehr interessiert der Debatte im Deutschlandfunk gelauscht habe, die bis 11.30 Uhr lief. Diskutiert haben hier mit den Hörern in der Sendung „Journal am Vormittag“ unter dem Titel „Vom Umgang zwischen Männern und Frauen – Ist die Debatte über Sexismus überflüssig?“ die Journalistin Katja Kullmann, die ehemalige Chefredakteurin der TAZ Bascha Mika und Michael Rutz, dem ehemaligen Leiter des Rheinischen Merkurs. Alleine die Auswahl machte das Gespräch interessant, Mika, die eher links und feministisch orientiert ist in Kombination mit dem Konservativen Rutz versprach eine interessante Kontroverse. Vor allem verrät aber auch die Sendung eine Menge über den Umgang miteinander und den Mangel an Respekt, den beide alleine dadurch deutlich machten, daß sie sich selten ausreden ließen.

Ich finde es gut, daß diese Sexismus-Debatte endlich angestoßen wurde und noch mehr, daß unter dem Hashtag #aufschrei sich Frauen auch endlich mal öffentlich dazu äußern. Veränderungen können nur erreicht werden, wenn auch ein Problembewußtsein erzeugt wird. Viele der Beiträge sind wertvoll, auch weil ein zum Teil recht seltsam anmutender Umgang mit dem Thema wiederum thematisiert wird wie beispielsweise der Beitrag des Focus zu dem Thema.

Relativ selten wird erstaunlicher Weise darauf eingegangen, warum Frau Himmelreich eigentlich ein Jahr auf die Veröffentlichung gewartet hat – und warum sie das ausgerechnet im Stern veröffentlicht hat. Der Stern als „Tittenblatt für diejenigen, die sich genieren, einen Playboy zu erwerben“, fiel schon öfter mit sehr … naja, sagen wir mal mit Titelbildern auf, die jetzt die Frau eher in Richtung Sexobjekt darstellen. (Beispiele hier, hier, hier, hier und hier, wobei der Stern da jetzt nun nicht alleine dasteht) Als freministische Frontkämpferin würde ich da nun nicht grad veröffentlichen wollen. (Andererseits: Alice Schwarzer schrieb für Bild…)

Was mich an der Diskussion ein wenig stört ist zum Einen die relativ schnell ins Extreme rangierende Meinungsäußerung – das reicht von denen, die künftig keine Komplimente mehr machen wollen auf der einen, bis zu denen, die jedes Kompliment gleich für eine sexuelle Belästigung halten auf der anderen Seite – und der Mangel an relativ gemäßigten, aber nachdenklichen Stimmen. Eine davon wäre der – bescheuert betitelte, inhaltlich aber recht gelungene – Beitrag von Claudius Seidl in der FAZ. Auch die Debatte im Deutschlandfunk war geprägt von gleich wieder ins Extreme neigenden Ansichten – oder, und das ist das, was mich so ein bißchen nervt, der Unterstellungen von extremen Ansichten, bevor der jeweilige Gesprächspartner (egal welchen Geschlechts) seine Ansicht überhaupt artikuliert hatte.

Wenigstens eines drang bei der Gelegenheit ein wenig durch: Das das eigentlich schlimmste Problem des alltäglichen Sexismus die Tatsache ist, daß Frauen für die gleiche Arbeit ein viertel weniger bezahlt bekommen. Das halte ich für ein deutliches und echtes Problem und nicht die Frage, ob man Goethes Faust künftig „Faust_in“ schreiben muß, damit auch keiner beleidigt ist.

In dem Zusammenhang stoße ich mich ehrlich gesagt auch an der Debatte um die „Modernisierung“ oder Anpassung von Ottfried Preußlers Werken. Der Thienemann-Verlag hatte einige Stellen insbesondere in der „kleinen Hexe“ verändert, konkret hängte sich die Debatte an zwei Begriffen auf: Das eine war der Begriff „Neger(lein)“, das andere das Verb „durchwichsen“.
Beide Fälle haben eine unterschiedliche Bedeutung. Der letztere Fall ist die Anpassung an den heutigen Sprachgebrauch, da das Verb „wichsen“ nun einmal nicht mehr als Verb für „polieren“ oder  – in diesem Fall halt – „schlagen, verprügeln“ verstanden wird, es sei denn, man hat sich über die betreffende Wortentwicklung informiert – was einem Studenten oder Sprachwissenschaftler zuzutrauen ist, einem Kind jedoch eher weniger. Die andere Geschichte ist die mit dem „Neger“, was seinerzeit als normaler Begriff benutzt wurde und nicht abwertend gemeint war, heute aber so verstanden wird.

Nun bin ich selber kein sonderlich großer Freund der politisch überkorrekten Sprache. Ich bin der Überzeugung, daß wir unserer Sprache keinen Gefallen tun, wenn wir sie unlesbar machen (beispielsweise durch angehängte weibliche Formen oder gar durch substantivierte Adjektive wie „Studierende“), außerdem gehöre ich nicht zu den Anhängern der These, daß Sprache prinzipiell unterdrückend ist, wenn sie Menschengruppen eingeschlechtlich anspricht. Im Französischen wird eine Gruppe mit „ils“ definiert, außer, sie besteht nur aus Frauen. Nur in diesem einen Fall wird von „elles“ gesprochen. Deswegen sind Frauen in Frankreich aber keine unterdrückte Spezies.

Sprache kann sehr mächtig sein und Sprache kann zur Unterdrückung und Diskriminierung benutzt werden, daran besteht überhaupt kein Zweifel. Macht man nun das Faß mit dem Geschlechterkampf in der Anrede und der Berufsbezeichnung auf, wird irgendwann ein Schuh daraus: Man kann das weiterspinnen und dann sogar richtig zum Spinnen anfangen, indem man beispielsweise darauf verweist, daß die Quote dunkelhäutiger Feuerwehrleute im Begriff „Feuerwehrleute“ ignoriert wird, daß die hohe Männerquote diskriminiert wird weil der Substantivplural im Deutschen feminin ist und es keinen eigens maskulinen Plural gibt und so weiter…. irgendwann fühlt man sich weit genug getrieben, daß man Projekte wie „Redesign Deutschland“ richtig entspannend findet. Die Hyperparallelisierung, die manche gerne benutzen („jedefrau“), könnte man auch weitertreiben und manche Städte umbenennen („Mann-und-Frauheim! oder auch „Man-and-Woman-Chester“), die Frage darf sich aber stellen, wann da der Gipfel des Schwachsinns im Namen der Vernunft erreicht wurde.

Sprache wird dann diskriminierend, wenn Begriffe benutzt werden, die abwertend verwendet werden. Die Anrede „Sie Schwein“ ist eine Beleidigung und sogar strafrechtlich relevant, gleiches gilt eben auch für Begriffe, die wegen der fortschreitenden Spracherntwicklung heute als diskriminierend verstanden werden. Dazu gehört natürlich der Begriff „Neger“ sowie der noch abwertendere Begriff des „Niggers“, beides sind heute unübliche, und je nach Kontext sogar beleidigende Wörter.

Nun hat „Neger“ aber eine andere sprachliche Entwicklung hinter sich, eine vergleichbare hat der Begriff „Weib“, der heute ebenfalls abwertend verstanden wird. (Wobei auch das wiederum eine hochsprachliche Sache ist, im Dialekt ist das „Weiberl“ beispielsweise nicht zwingend negativ besetzt. Dann gibt es noch Wortungeheuer wie „Mannweiber“, die zwar wenigstens geschlechtsneutral in der Wortsammlung, aber diskriminierend in der Bedeutung verstanden werden können.) Niemand würde heute einen Text schreiben, der sich mit „Mann und Weib“ befasst und ich glaube auch nicht, daß sich dabei irgendwer etwas denkt.

Wenn ich nun mal in die diversen Bibelübersetzungen blicke, dann fällt mir da spontan Epheser 5, Vers 22 ein: „Die Weiber seien untertan ihren Männern als dem HERRN“, so steht es in der Lutherbibel von 1912. Nimmt man hingegen die zweite Revision der Schlachter-Bibel von 1951, so findet sich der Satz hier so: „Die Frauen seien ihren eigenen Männern untertan, als dem Herrn“. Ganz unauffällig hat man in der zweiten Revision ein paar der Begriffe angepasst, um die grundsätzlich ein Geschlecht unterdrückende Botschaft wenigstens sprachlich neutral zu halten.

Nun also werden aus manchen Kinderbüchern vielleicht, ganz sicher halt aus einem, Begriffe wie „Negerlein“ entfernt. Und das ist nicht einmal ein heiliges Buch, sondern nur ein Buch für Kinder, die einen kulturhistorischen Hintergrund eines Wortes, das sie lesen, nicht unbedingt voll erfassen können.
Eine sprachliche Anpassung an gegebene Zielgruppen ist für Texte nichts ungewöhnliches, mein erster Kontakt mit einem Text namens „Parzival“ fand auch nicht mit dem Originaltext statt; Damals war ich nämlich gerade mal acht Jahre alt und wäre sicher nicht in der Lage gewesen, auch nur den Anfang zu verstehen, ja ich habe nicht einmal die durchgereimte, neuhochdeutsche Fassung von Karl Simrock bekommen (auch die hätte einen Achtjährigen überfordert) sondern eine Kinderbuchfassung. Hätte ich sowas lesen sollen:

Sigûne doschesse
hôrte selten messe:
ir leben was doch ein venje gar. (435,25)
ir dicker munt heiz rôt gevar
was dô erblichen unde bleich,
sît werltlîch freude ir gar gesweich.
ez erleit nie magt sô hôhen pîn:
durch klage si muoz al eine sîn.(435,30)

naja, ich wäre wahrscheinlich nicht lange in dem Buch hängen geblieben. Macht ja auch Sinn, ein Kind erst einmal mit einer Ausdruckswelt zu beschäftigen, mit der es auch etwas anfangen kann. Und denjenigen unter den verzweifelten Verteidigern der urspünglichen Druckversion der „Kleinen Hexe“ möchte ich sehen, der seinem Kind etwas auf Mittelhochdeutsch vorträgt.

Ein Kinderbuch um Begriffe wie „Mohr“ oder „Neger“ zu befreien, ohne den eigentlichen Inhalt zu verändern halte ich nicht für schlimm, selbst wenn das manche eigentlich ganz brauchbare Leute auf die albernsten Barrikaden treibt. Auch beim Parzival, dessen Halbbruder Feirefiz ja von einer dunkelhäutigen Prinzessin abstammt, kam der Begriff „Mohr“ meine ich nicht vor – obwohl er im Originaltext durchaus steht. Verloren habe ich dadurch aber nichts.

Die Diskussionen um Sexismus und die um die Änderungen von Preußlers Texten ähneln einander deswegen, weil in beiden Fällen eine vermeintlich angegriffene und kulturbewahrende Minderheit sich mit dem Vorwurf von „Gutmenschentum“ und „linker Gewissensdiktatur“ wehrt – und das ist etwas, was ich überhaupt nicht leiden kann. Neben der schwachsinnigen Begrifflichkeit des „Gutmenschentums“ (Muß ich daraus schließen, daß die betreffenden ein „Schlechtaffentum“ leben?) ist es eigentlich erstaunlich, daß es so etwas wie eine „Gewissensdiktatur“ geben kann: Daß man sich so benimmt, daß man sich nicht schämen muß, kein schlechtes Gewissen hat und niemanden gedankenlos beleidigt wird gleich als Diktatur mißverstanden – das ist nicht nur falsch, sondern einem vernünftigen Diskurs auch abträglich. Ich habe oben dargelegt, daß ich eine Überkorrektheit auch nicht gut finde – insbesondere wo die Umschreibung eines mißliebigen Begriffes irgendwann dazu führt, daß ich jemanden erst recht beleidige oder gar letztendlich die Aussage verkehre – aber ein bißchen darauf achten, wie man daherredet könnte man schon. So viel Erziehung sollte auch liberal denkenden Konservativen in Freiheit zumutbar sein.

Post Scriptum: Mir fiel gerade ein, daß wir ja nicht das einzige Land mit solchen Debatten sind. Siehe dazu die Geschichte rund um einen vermeintlich rassistischen Werbespot von VW in den USA.

14,4% Beeindruckend…

Das Volksbegehren gegen die Studiengebühren ist ein Erfolg, das ist inzwischen klar. Interessant ist der Blick auf die tatsächlichen Zahlen, die das statistische Landesamt nun veröffentlicht hat.

Unter dem Quorum von 10% blieben nur drei Landkreise: Berchtesgadener Land (9,4%),  Aschaffenburg – kreisfreie Stadt (9,9%) und  Neu-Ulm (8,6%). Die höchte Beteiligung hatten Erlangen – kreisfreie Stadt (22,3%), Erlangen-Höchstadt (20%) und Fürth (19,7%). Generell stechen die fränkischen Regierungsbezirke deutlich hervor, während Niederbayern (12,7%) und Schwaben (12,9%) die niedrigste Beteiligung verzeichneten. Nebenbei: Zorneding hat mit 20,4% einen verdammt hohen Anteil zustande gebracht. Gratuliere.

Immerhin – ein Erfolg für die Bündnispartner ist es zweifellos und es wird nun spannend, wie sich die CSU nun verhält. Da Seehofer, der „Erfinder der Hirnpirouette“ (Pispers) durchaus Sorgen hat, ob es der Opposition nicht eventuell gelingt, ihn aus dem Amt zu drängen, könnte sich hier dem Trend anhängen.

Es bleibt auch deswegen spannend, weil die kommenden Landtagswahlen letztendlich auch über das Schicksal der bayerischen FdP entscheiden werden, die sich als einzige gegen den Trend stellen und bei ihrer Ansicht, an den Gebühren festhalten zu wollen, bleiben. Das ist natürlich ihr gutes Recht. Allerdings haben die Befürworter kaum vernünftige Argumente an der Hand und letztendlich ist in einem rohstoffarmen Land wie in unserem die Bildung die einzige Form von Kapital, die wir haben. Blickt man in den Bundeshaushalt, dann lernt man, daß unser Land 33 Milliarden Euro für die Verteidigung ausgibt, aber nur 4,7 Milliarden für Hochschulen. Das ist ein Mißverhältnis. Wenn durch den Wegfall der Gebühren der Staat letztendlich seinen Ausgabenanteil vergrößern muß, stehen wir sicher besser da.

Urteil und Hinrichtung des Hieronymus von Prag auf dem Konzil zu Konstanz im Mai des Jahre 1416

Hieronymus von Prag

„Und als man inn ußhin fuort, do betrott er den Credo, und wenn der uß was, so vieng er an ze singen die letany und dann aber den Credo. Und ward och verbrent an der statt, da der Hus verbrennet ward, und hortt man im och kain bicht, glich wie dem Hussen.“1

So leitet Ulrich von Richental in seiner Chronik den Tod des Hieronymus von Prag ein, den er mit einer recht dramatischen Schilderung des grausamen Endes abschließt: „Und lebt in dem für vast lenger dann der Huss und schrayt vast grülich, dann er was ain va[i]ßter, starker man mit ainem schwartzen diken und großen bart. Und do er verbrennet ward, do ward och die äsch und alles, so da waz, in den Rin gefürt. Und waintend vil gelerter lüt, das er verderben muost, wann er vast gelerter was denn der Huss. Er was worden maister in artibus zuo Prag, in der statt ze Lundus in Engeland, zuo Köln und zuo Erdfurt.“2

Ein Gelehrter, ein Ketzer? Ein stattlicher Mann mit einem großen schwarzen Bart der offenbar viel Eindruck auf seine Mitmenschen machte, so schildert Ulrich Hieronymus, dessen Tod durch die Hinrichtung des Johannes Hus im Rahmen der Konzilsgeschichte untergeordnet scheint, den Zeitgenossen aber offenbar ebenso viel bedeutete.

Wer war dieser Gelehrte? War er ein Kirchenreformer, der im Streit mit anderen Reformern, jenen des Konzils, den Kürzeren gezogen hatte3 oder war er nur ein Radikaler4?

Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, wer dieser Mann im Spiegel sowohl der Zeitgenossen, wie auch der Geschichtsschreibung gewesen ist und ob seine Verurteilung – die durch einen interessanten Prozess entstanden ist – möglicherweise wie bei Johannes Hus ein Justizmord5 war.

  1. Das Leben des Hieronymus von Prag.

1.1. Lebenslauf

Hieronymus von Prag, sein tschechischer Name lautet Jeromŷn Prasžský, wurde zwischen 1365 und 13806 in Prag geboren. Er galt als ein Schüler des etwa 10 Jahre älteren Johannes Hus7, als er in Prag studierte. 1398 reiste Hieronymus nach England8, wo er mit den Schriften des John Wycliff in Kontakt kam, knappe 17 Jahre nach dem Bauernaufstand, der neben seinen sozialen Ursachen auch die Entwicklung des Lollardentums beschleunigte. Anschließend verbrachte er einige Jahre in Jerusalem, dann in Europa. Seine Anwesenheit konnte unter anderem nachgewiesen werden für Paris, Köln, Oxford, Heidelberg und Wien9.

Diese umfangreiche Reisetätigkeit, die vielleicht auch Abenteuerlust gewesen sein mag, scheint vor dem Hintergrund eines zwar längst widerlegten10 statischen Mittelalters, das aber dennoch Grenze und Fremdheit11 kannte und engen Grenzen der Mobilität unterlag, zumindest beachtlich.

Schon die Zeitgenossen waren von der Gelehrsamkeit, sowie der Welt- und Redegewandheit des Hieronymus von Prag sichtlich beeindruckt. So beeindruckt, daß die „hohen Adelskreise“ – wie Brandmüller es formulierte12 – sich mit nachdrücklichen Protestschreiben gegen seine Hinrichtung an das Konzil wandten, was angesichts des Selbstverständnisses des Konzils als letztlich unfehlbare Instanz13 eine bemerkenswerte Tatsache ist.

Hieronymus hat nur wenig Schriften hinterlassen14, er galt hingegen als brillanter Rhetoriker und Prediger, dem wohl eine Schlüsselrolle in den Auseinander-setzungen an der Prager Universität, die im Kuttenberger Dekret 1409 gipfelten, zukam15.

Das Kuttenberger Dekret vom 18. Januar 140916 ordnete die Stimmenzahl der an der Universität in Prag vertretenen Nationes neu an: Hatten bis dahin alle vertretenen Nationes eine Stimme, so bekam die böhmische nun 3 Stimmen während die anderen zusammen lediglich eine Stimme erhielten. Dies sollte das Verhältnis zwischen der Mehrheit der böhmischen Studenten und der Minderheit der Auswärtigen korrigieren, entsprach allerdings nicht den Tatsachen. Wie der Historiker František Šmahel17 nachwies, war nur ein geringer Teil der Studenten tatsächlich böhmischen Ursprungs: „Not only was the answer itself a surprise, but so was its numerical expression. During the period under review, from the winter semestre of 1398 to the end of the winter semestre of 1409, only a fifth of the candidates (19.81 per cent) or the bachelor’s degree, and not quite a third (29,12 per cent) for the master’s degree belonged to the Bohemian nation.18

Dieser Durchschnitt wurde im Zeitraum von 1406-1409 noch einmal deutlich unterboten19. Aus Protest verließen eine Vielzahl von Studenten, vor allem aber ein Großteil des akademischen Personals die Universität und gingen nach Heidelberg, Krakau, Paris oder Bologna20.

Als nationalbewußter Tscheche21 konnte Hieronymus von Prag diese Entwicklung nur begrüßen, war die böhmischen Bevölkerung doch der Bevormundung durch die Deutschen und das Reich gründlich überdrüssig. Auf die Rolle des Magisters und die Auseinandersetzungen zwischen der tschechischen Nationalbewegung, dem Hussitismus und den deutschen Akademikern soll allerdings im Anschluß näher eingegangen werden.

Als Johannes Hus am 28. November 1414 verhaftet wurde – entgegen der Zusicherung des freien Geleits durch König Sigismund22 – reiste Hieronymus von Prag zum Konzil von Konstanz, um seinen Lehrer zu verteidigen. Er kam am 4. April 1415 in Konstanz an, erhielt jedoch keine Gelegenheit, vor dem Konzil zu sprechen23. Da er sich vom Konzil mißtrauisch beäugt, vielleicht sogar verfolgt fühlte, setzte er sich zunächst nach Überlingen ab um über Briefe mit dem Konzil Kontakt aufzunehmen24. Auch dieser Versuch scheiterte und Hieronymus wandte sich anschließend mit Briefen und Anschlägen an Kirchen an die Öffentlichkeit, bevor er fluchtartig versuchte, das Reich zu verlassen.

Auf dem Rückweg jedoch wurde er in Hirsau25 aufgegriffen und inhaftiert. Er blieb zwischen seiner Verhaftung vor dem 17. April 1415 bis zu seiner Auslieferung an das Konzil am 23. Mai 1415 Gefangener des Herzogs Johann von Bayern. In der folgenden Zeit bis zum 23. September 1415 setzte ihm das Konzil mit scharfen Verhören zu, um ihn zur Umkehr zu bewegen. Auch dürfte die Verbrennung des Johannes Hus am 6. Juli 1415 einen deutlichen Eindruck auf dessen Schüler gemacht haben26. Am 23. September widerrief Hieronymus von Prag ausführlich seine bisherigen Lehren27.

Dennoch blieb er weiterhin in Haft, da ihm der Widerruf nicht von allen Konzilsteilnehmern abgenommen wurde und die Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern und den Gegnern des Hieronymus nahmen zu.28

Am 24.2.1416 wurden Jean de la Rochetaillé und Nikolaus von Dinkelsbühl zu Untersuchungsrichtern bestellt, nachdem man den Vorgängern vorwarf, sie wären bestochen worden29. Am 27.4.1416 wurden Hieronymus eine Reihe theologischer und praktischer Anklagepunkte vorgelegt. Mehr als 110 Punkte umfasste die Liste und die Richter kamen zu dem Schluß, der Widerruf sei ein Trick gewesen und er müsse unter Folter erneut abschwören. Dem jedoch gab das Konzil nicht statt.30

Am 23.5.1416 durfte Hieronymus öffentlich Stellung nehmen, allerdings war er nicht bereit unter Eid auszusagen, dagegen hielt er, wohl im sicheren Wissen, daß er verloren war, seine vielbeachtete Verteidigungsrede am 26. Mai 1416 und widerrief seinen Widerruf.31

In der 21. Sessio am 30.5.1416 kam es schließlich es zum Urteil32, wobei sich Hieronymus noch einmal ein Wortgefecht mit Jacopo Balardi Arrigoni, dem Bischof von Lodi, lieferte. Noch am selben Tag wurde er verbrannt, wobei ihm nachgesagt wird, er habe die Ketzermütze aufgesetzt und gerufen: „Christus hat die Dornenkrone getragen!“

1.2. Die Universität von Prag und der Hussitismus – eine nationale Auseinandersetzung?

Dieser Ausspruch, ob wahr oder nicht, sagt eine Menge über darüber aus, welche Wirkung Hieronymus von Prag auf Zeitgenossen und Nachwelt gehabt haben muß, auch wenn Hieronymus „dem Blick der Historiker vieler Generationen entgangen ist“33.

Ein weiterer Aspekt seiner Persönlichkeit neben der oben bereits ausgeführten Reiselust, ist der Laientum, dem er, obwohl studierter Theologe, sein Leben lang folgte. Er empfing niemals die Weihe sondern konzentrierte sich eher auf die philosophischen Aspekte der Theologie34. Daraus leitete er seine praktische Kritik an der Kirche, besonders auch an der mangelhaften Bildung des Klerus ab – was Šmahel dahingehend umdeutet, daß man aus dem Laientum des Hieronymus von Prag einen gewissen Antiklerikalismus erkennen könne35, wenngleich diese Aussage ein wenig gewagt erscheint, da Hieronymus als geweihter Geistlicher wohl einfach nicht die Freiheiten in Reise, Wort und Schrift hätte haben können, die er doch offenbar als essentiell für sich verstand.

Diese Reiselust, dieses Interesse an der Welt mutet jedoch in gewisser Hinsicht seltsam an, betrachtet man seine stark nationalen Ausprägungen die ihn zu einem leidenschaftlichen Kämpfer für die böhmische Sache an der Prager Universität machten.

Hieronymus von Prag verknüpfte die wiclifistische Strömung und Reformationsbewegung eng mit der tschechischen Nationalbewegung36. Trotz der Tatsache, daß sein Aufenthalt in Prag von seinem Wirken an anderen Universitäten ständig unterbrochen wurde, kehrte er nach Prag zurück, also an der dortigen Universität die Auseinandersetzungen zwischen den Nationes37 auf dem Höhepunkt angelangt waren38. Die Verknüpfung der wicliff’schen Strömungen mit den nationalen Strömungen gelang ihm nicht zuletzt, weil er die Existenzangst der tschechischen Studenten besonders an der artistischen Fakultät durch die hohe Zahl nichttschechischer Studenten mit der dadurch auch entstehenden zahlenmäßigen Unterlegenheit der Anhänger der Lehren Wicliffs.39 Damit verbanden sich Reformbewegungen und Nationalbewegungen an der tschechischen Universität was sicherlich einer der Stützpfeiler der hussitischen Bewegung gewesen ist.

Zusammenfassend kann man die Auseinandersetzungen an der Universität von Prag sehr wohl als eine nationale Auseinandersetzung betrachten – doch erst mit Erscheinen und Wirken des Hieronymus von Prag, der dadurch auch Kontakte bis zum Hof des Königs knüpfte40, verband sich der Nationalismus der Tschechen mit den Reformbestrebungen durch Wicliff, Hus und letztlich auch Hieronymus.

  1. Die Reisen nach Konstanz

Lange bleibt Hieronymus jedoch nicht in Prag, wo es ihm gelungen war, sich eine Vielzahl von Feinden zu schaffen die allesamt nun in Europa verstreut waren aber begannen, gegen ihn zu wirken – ein Faktum, daß ihm in Konstanz letztendlich auch das Genick brechen sollte.

Die Auseinandersetzungen zwischen böhmischen und deutschen Studenten und Magistern an der Universität in Prag sowie die unter anderen durch Hieronymus erzeugte Verbindung zwischen nationaler, sozialer und reformistischer Bewegung in Böhmen beschäftigten das Konzil in Konstanz mit Sicherheit41 – keinesfalls konnte es sich der politischen Folgen der eigenen Politik in der Causa Fidei entziehen.

Als Hieronymus von Prag daher am 4. April 1415 in Konstanz erschien um Johannes Hus zu verteidigen tat er dies nicht nur um die Reformbewegung zu unterstützen sondern ebenso, um die Tschechen vor einem Kirchengericht zu verteidigen, das wegen der Gegnerschaft zu vielen Reformbestrebungen sich in Hieronymus Sicht letztendlich auch der Gegnerschaft gegenüber den Böhmen verdächtig machte.

Sein Handeln ist jedoch besonders für seine – meist lautstarke42 – Vorgehensweise bemerkenswert unspektakulär. Er versucht eine Audienz beim Konzil zu erwirken und scheitert nach mehreren Anläufen, woraufhin er sich aus Konstanz zunächst wieder zurückzieht.

Dieser Weg nach Konstanz hinein und wieder hinaus nach Überlingen wird sowohl von Brandmüller43, als auch von Šmahel44 als Versuch gedeutet, sich zwar kundzutun aber potentiellen Nachstellungen durch das Konzil zu entziehen. Šmahel nennt das sogar das „Wiener Manöver“45.

Tatsächlich scheint Hieronymus von Prag sich der potentiellen Gefahr durchaus bewußt gewesen zu sein, dennoch versucht er mit Hilfe von Anschlägen an Kirchen und Klöstern seine Verteidigungsschriften unter die Leute zu bringen, bevor er sich vollständig zur Flucht wandte.

Für Hieronymus schien klar gewesen zu sein, daß er für Hus nichts in Konstanz erreichen konnte und stattdessen den Kampf besser in Böhmen fortsetzen sollte – wobei nicht ganz klar ist ob er wirklich nach Böhmen reisen wollte. Brandmüller beschreibt, daß Hieronymus „die Heimreise“ antrat, dann aber in Hirsau aufgegriffen worden sei46. Ein Blick auf die Karte und die Strecke47 zeigt jedoch, daß sich Hieronymus zunächst einmal nach Norden Richtung Karlsruhe gewandt haben soll und ganz und gar nicht Richtung Böhmen wanderte. Wollte er die bayerischen Gebiete der Wittelsbacher umgehen?

Interessant ist hingegen, wenn man diese Darstellungen mit jeder des Ulrich von Richental vergleicht. Schon die Darstellung der ersten Ankunft des Hieronymus von Ulrich lässt wenig Zweifel an seiner Sicht vom Charakter des Hieronymus: „(152) Darnach uff mentag an dem hailgen tag ze ostran, do kam Jeronimus haimlich mit ainem schuoler gen Constanz, und wißt es nieman von manigfaltigkait des volks, und schluog ainen brief an: Er wissoti anders nit, dan daz maister Hanns Huss recht geleret und gepredigott hett. Doch so wärind im ettlich artikel zu gezogen von findschaft wegen. War sach, das er die hielt da vor künd nit schirmen. Und als bald er den brieff angeschlagen hett, do lüff er glich hinweg.48

Hieronymus habe also – ganz anders als es Brandmüller oder auch Šmahel beschreiben – heimlich einen Brief angeschlagen und sei sofort wieder davongelaufen. Interessanter Weise sei er bis zum Böhmerwald gekommen: „Und kam also an den Behemer wald und wolt da ruowen.“49, wo er sich dann in einem Gelehrtendisput verraten habe und nach Konstanz zurückgebracht worden sei50.

Rein aus der geographischen Orientierung heraus ergibt die Darstellung der Quelle mehr Sinn, als die späte Zusammenfassung Brandmüllers, der die Verhaftung noch dazu nicht mit einer Quelle belegt. Tatsächlich kann man hier davon ausgehen, daß er einen Tippfehler beging und in Wahrheit Hirschau in der Nähe von Sulzbach-Rosenberg meint, eine Tatsache, die auch durch eine Quelle gestützt ist51. Und in Anbetracht der von alles Quellen genannten Vorführung des Hieronymus vor den Herzog von Bayern in Sulzbach Sinn ergibt.

Letztlich ist der Weg der zweiten – und zweifellos unfreiwilligen – Reise des Hieronymus von Prag nach Konstanz somit vollständig rekonstruiert.

  1. Auf dem Konstanzer Konzil

    3.1 Die Darstellung des Prozesses gegen Hieronymus bei Poggius Florentinus und Ulrich von Riechenthal.

Blickt man nun auf die Prozesse gegen Hieronymus von Prag, so gibt es eine Reihe von Quellen dazu, aus denen für die folgende Betrachtung zwei erzählende Quellen ausgewählt werden: Die des Poggius Florentinus52 und jene von Ulrich von Riechental.

Die Darstellung in den offiziellen Quellen wie dem Urteil des Konzils geben nicht ausreichend Aufschluß über die Wirkung dieses Urteils auf die Zeitgenossen wohingegen die Darstellung des Urteils in den Chroniken oder eben den Sendbriefen des Poggius dies sehr wohl vermögen.

Poggius Florentinus Sendbrief wurde von Niclas von Weyl „aus dem Latein ins nachfolgende Deutsche gebracht“53, welche er für Graf Eberhart von Württemberg vor 1536 anfertigte. Poggius wiederum schrieb als Zeuge des Konzils an seinen Freund Leonardo Arentino54.

Poggius Florentinus (oder auch Poggio Braccolini) wurde 1380 in Terranuova Bracciolini geboren und gilt als einer der bedeutenden Humanisten der italienischen Renaissance. Während des Konstanzer Konzils war er als Sekretär beim Kardinal von Bari angestellt und benutze den Aufenthalt nördlich der Alpen vorwiegend dazu, antike Handschriften zu suchen, was ihm auch gelang. Bis zu seinem Tode 1459 veröffentlichte er eine Vielzahl humanistischer Schriften und Bearbeitungen antiker Quellen.55

Poggius bewunderte offensichtlich Hieronymus von Prag zum Einen für dessen große Gelehrsamkeit56, seinem guten Gedächtnis57 und seiner Redekunst58, andererseits aber auch für dessen Keckheit und Mut59.

Dem gegenüber zeichnet er ein eher düsteres Bild von seinen Anklägern. Sie unterbrechen Seine Rede oftmals mit großem Geschrei und Gemurmel60, versuchen den Angeklagten in Streitgespräche zu verwickeln um ihn vor den Augen des Konzils negativ erscheinen zu lassen61 und begehen letztendlich ein falsches Urteil wider einen „lobswürdig[en]“62 Mann aus „Haß und freventlicher Verachtung der andern“63.

Die hohe Redekunst, der Poggius einen ganzen Absatz widmet64, wird auch maßgeblich dafür verantwortlich sein wie sich die Menschen mit dem letztlichen Urteil auseinandersetzten: „Großes Leid war aller umstehenden Menschen, wo ein rechts Gemüt an sich genommen haben wollte“65.

Schließlich, bei der Vollstreckung des Urteils, habe Hieronymus darum gebeten, das Entzünden des Scheiterhaufens selbst zu sehen: „‚Gehe hierfür‘, sprach er, ‚und zünd mir das Feuer vornan unter Augen. Denn hätt ich das gefürchtet, so wär ich wohl an die Statt nit kommen, weil mir die Macht geben war, das zu fliehen.'“66

Im Gegensatz zu Poggius Florentinus hatte Ulrich von Richental wohl eher ein kaufmännisches Interesse am Konzil von Konstanz, war er doch im Gegensatz zu Poggius auch ein Einheimischer. Er ist um 1365 geboren und hatte niedere geistliche Weihen empfangen, allerdings kam seine Karriere durch den Tod Bischof Mangolds von Konstanz 1385 und dem darauffolgenden Schenk des Bistums auf die römische Linie im Schisma zum Erliegen, woraufhin er sich möglicherweise dem Beruf des Kaufmanns widmete67.

Seine Darstellungen der Urteile und Hinrichtungen von Hus und Hieronymus sind eher oberflächlicher Natur was mit der Natur einer Chronik zusammenhängt; Ulrich ging es eher um die Darstellung des gesamten Konzils während Poggius in seine Sendbriefen jene beiden als Ketzer angeklagten Persönlichkeiten herausgriff und umfassend darzustellen versuchte.

Ulrich von Richental schätze Hieronymus von Prag offensichtlich nicht besonders, was seiner Darstellung der ersten Ankunft des Hieronymus in Konstanz leicht zu entnehmen ist68. Entsprechend kurz ist auch seine Abhandlung über den Kampf vor Gericht, mit dem Hieronymus von Prag versuchte das Konzil von dem Wahrheitsgehalt seiner Lehren zu überzeugen. Hieronymus habe nach der Kunst eines Meisters aus England gepredigt69, also die Lehren Wycliffs verbreitet, weshalb man ihn der weltlichen Gerichtsbarkeit übergab.

Erstaunlich ist dabei die Passage der Verbrennung des Hieronymus: „Und lebt in dem für vast lenger dann der Huss und schrayt vast grülich, dann er was ain va[i]ßter, starker man mit ainem schwartzen diken und großen bart. Und do er verbrennet ward, do ward och die äsch und alles, so da waz, in den Rin gefürt.“70 Hieronymus soll also ein sehr feister Mann gewesen sein, ein Umstand der angesichts der Kritik sowohl von Wycliff und Hus, also auch von Hieronymus am Umgang der Kirchenprälaten mit den Reichtümern der Kirche sicherlich augenfällig ist. Zudem schreibt ihm Ulrich keineswegs ein fast schon edelmütiges, ja heldenhaftes Ende zu, im Gegenteil: Eher unrühmlich und grausam andauernd geht es mit Hieronymus zu Ende, nicht ein Wort von ihm wird hier überliefert sondern nur die Todesqualen.

In einem Punkte jedoch bleibt Ulrich mit seinem Urteil dem des Poggius bemerkenswert ähnlich: „Und waintend vil gelerter lüt, das er verderben muost, wann er vast gelerter was denn der Huss. Er was worden maister in artibus zuo Prag, in der statt ze Lundus in Engeland, zuo Köln und zuo Erdfurt.“71

3.2  Die Auswirkungen der Hinrichtung des Hieronymus von Prag

Es würde der Zeit und den Umständen des Konstanzer Konzils nicht gerecht, würde man eine sofortige Reaktion der hussitischen Bewegung nach dem Urteil des Konzils unterstellen. Natürlich war die hussitische Bewegung zunächst schockiert und alsbald willens, sich weiter auszubreiten. Beschirmt von der bömischen Königin und einem eher tatenlosen König Wenzel72 breitete sich die Lehre des Magisters Hus den Urteilen zum Trotz (oder vielleicht gerade wegen ihnen?) in Böhmen aus.

Die Hussiten, besonders der Prediger Jakobellus von Mies, benutzen jedoch die Hinrichtung des Hieronymus von Prag um die Massen gegen den etablierten katholischen Klerus zu mobilisieren.73 Darauf reagierte das Konzil und ersann eine Reihe von Gegenmaßnahmen, die Böhmen isolieren und letztlich eine katholische Koalition gegen die Hussiten und die hussitischen Adeligen schmieden sollte. Zwar kam es noch zu einer Reihe von thologischen Diskussionen und schriftlichen Auseinandersetzungen um Laienkelch und Kirchenreform, doch spätestens mit dem Prager Fenstersturz von 1419 brachen die Hussitenkriege aus, die mit einigen unruhigen Pausen74 bis 1434 dauern sollten und die luxemburgische Herrschaft über das Reich bedrohten.

Die Verurteilung von Hus und jene des Hieronymus verschärften die Lage für die Luxemburger massiv. Zwar bemühte sich Wenzel IV immer wieder um Ausgleich75, doch König Sigismund mußte bereits 1418 klar gewesen sein, daß eine friedliche Beilegung der Auseinandersetzungen nicht mehr möglich gewesen war76. Dennoch unterschätzte wohl auch er die massive Macht der böhmischen Bevölkerung, die sich „als Gottestreiter empfanden“77 und Techniken der modernsten Kriegsführung verwendeten.

Der letztliche Kompromiss der Basler bzw. Prager Kompaktaten78, der den böhmischen Adel stärkte, stärkte auch das tschechische Nationalbewußtsein; was mit der Hinrichtung von hus und Hieronymus begann wurde eine zunehmende politische, religiöse und gesellschaftliche Spaltung im Reich, was im Sinne des Reichsfriedens sicherlich kein Vorhaben König Sigismunds gewesen sein dürfte.

War die Hinrichtung des Hieronymus von Prag ein Justizmord?

Den Begriff „Justizmord“, den die böhmischen Adeligen verwendeten um die Vorgänge rund um Hus und Hieronymus anzuprangern79, ist ein sehr gewagter Ausdruck. Ein Justizmord ist die Verhängung der Todesstrafe durch entweder einen Justizirrtum oder aber durch eine Rechtsbeugung.

Fand durch das Konstanzer Konzil eine Rechtsbeugung statt? Mitnichten. Das Konzil von Konstanz verurteilte die Lehren von Wycliff und Hus als häretisch was automatisch auf jene ausgedehnt werden mußte, die sich zu Hus oder Wycliff bekannten80. Brandmüller hat jedoch vollkommen Recht damit, daß die Verurteilungen von Hus und Hieronymus hauptsächlich der politischen Lage geschuldet waren81 – und zwar sowohl der kirchenpolitischen als auch der weltlichen.

Zu den wichtigsten Aufgaben des Konzils gehörte die causa unionis, also die Wiederherstellung der Einigkeit der Kirche und die Abschaffung des Schismas. Eine sich abspaltende Bewegung wie sie sich in der Zeit des Konzils zuerst nur abzeichnete, ohne bereits soweit zu sein, stellte jedoch eine Gefahr für dieses Ziel dar – mithin das einzige Ziel von dem man behaupten kann, daß es das Konstanzer Konzil mit der Wahl Martins V. auch tatsächlich erreicht hatte. Die causa fidei, zu der auch die Frage des Umgang mit dem Hussitentum gehörte, sollte das Basler Konzil noch weiter beschäftigen.

Aus weltlicher Sicht war die Entwicklung der zunächst religiösen Laienkelch – Bewegung hin zu einer tschechischen Nationalbewegung sogar eine noch direktere Bedrohung für das Luxemburgische Königtum, fand diese Bewegung doch ausgerechnet in den Stammlanden des König statt. Sigismund hatte gar keine andere Wahl als Unabhängigkeitsbestrebungen, wie sie Teile der Hussitischen Bewegung im Laufe des Krieges formulierten, so rasch wie möglich zu unterbinden.

Beide, König und Konzil unterschätzten jedoch die Wirkung der Hinrichtungen der beiden Väter der Bewegung. Aus der Sicht beider jedoch mußte die Zerschlagung des Hussitentums letztendlich mit der Zerschlagung der Ideen beginnen und die Hinrichtung des als Redner geachteten „Propagandisten“82 Hieronymus von Prag war dazu sicherlich ein probates Mittel.

Wenn jedoch ein Gerichtsurteil zu politischen Zwecken mißbraucht wird – und das scheint zumindest das weitere Vorgehen nahezulegen – so könnte man in der Tat von einem Justizmord sprechen, zumindest aber ist Hieronymus von Prag als Opfer der politischen Umstände seiner Zeit einzuordnen.

Literatur:

  • Betzold, Friedrich: König Sigismund und die Reichskriege gegen die Hussiten. Zweite Abteilung, in: Betzold, Friedrich: König Sigismund und die Reichskriege gegen die Hussiten. München, 1875.
  • Brandmüller, Walter: Das Konzil von Konstanz 1414-1418. Band II bis zum Konzilsende. Paderborn u.a. 1997.
  • Buck, Thomas Martin: Die Chronik des Konstanzer Konzils 1414-1418 von Ulrich Richental. Ostfildern 2010.
  • Bujnoch, Josef: Die Hussiten. Graz/Wien/Köln, 1988.
  • Erfen, Irene/Spieß, Karl-Heinz: Fremdheit und Reisen im Mittelalter. Stuttgart 1997.
  • Fehn, Klaus: Räume der Geschichte – Geschichte des Raumes. In: Siedlungsforschung 4 (1986), S. 255-263.
  • Franzen, August: Das Konzil der Einheit, in: Franzen/Müller (Hgg): Das Konzil von Konstanz. Beiträge zu seiner Geschichte und Theologie. Freiburg/Basel/Wien 1964.
  • Hoensch, Jörg: Die Luxemburger. Eine spätmittelalterliche Dynastie gesamteuropäischer Bedeutung. Stuttgart, 2000.
  • Miethke, Jürgen: Die Prozesse in Konstanz gegen Jan Hus und Hieronymus von Prag – ein Konflikt unter Krichenreformern? In: Šmahel, František (Hg): Häresie und vorzeitige Reformation im Spätmittelalter. München 1998, S. 147-167.
  • Moraw, Peter: Reisen im europäischen Spätmittelalter im Licht der neueren historischen Forschung. In: von Ertzdorff, Xenia / Neukirch, Dieter (Hgg): Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und der frühen Neuzeit, Amsterdam/Atlanta 1992.
  • Ohler, Norbert: Mittelalterliche Reisende vernetzen das Abendland in: Anshof, Claus (Hg): Reisen und Wallfahrten im Hohen Mittelalter. Göppingen 1999. S. 10-37.
  • Prietzel, Malte: Das heilige römische Reich im Spätmittelalter, Darmstadt, 2004.
  • Reichert, Folker: Erfahrung der Welt. Reisen und Kulturbegegnung im späten Mittelalter, Stuttgart 2001.
  • Schulz, Kurt: Deutsche Handwerker in Italien in: de Rachewiltz, Siegfried / Riedmann, Josef (Hgg): Kommunikation und Mobilität im Mittelalter. Begegnungen zwischen dem Süden und der Mitte Europas (11.-14. Jahrhundert). Sigmaringen 1995. S. 115-134.
  • Sieben, Josef: Traktate und Theorien zum Konzil. Vom Beginn des großen Schismas bis zum Vorabend der Reformation (1378-1521). Frankfurt am Main, 1983.
  • Šmahel, František: Jeroným Pražský, Prag 1966.
    auch:
    Šmahel, František: Leben und Werk des Magisters Hieronymus von Prag. Forschung ohne Probleme und Perspektiven? In: Historica (XIII), Prag 1966.
  • Šmahel, František: The Kuttenberg Decree and the Withdrawl of the German Students from Prague in 1409. a Discussion. In: History of Universities 4 (1984), S. 111-128.
    auch:
    Šmahel, František: The Kuttenberg Decree and the Withdrawl of the German Students from Prague in 1409. a Discussion. In: Šmahel, František: Die Prager Universität im Mittelalter. Gesammelte Aufsätze, Leiden/Boston 2007.
  • Šmahel, František: Die Prager Universität und der Hussitismus, in: Ders.: Die Prager Universität im Mittelalter. Leiden/Boston 2007. S. 172-195.

Quellen:

  • Bartoš, František Michálek / Spunar, Pavel (Hgg.):Soupispramenů k literární činnosti mistra Jana Husa a mistra Jeronýma Pražského [Inventar der Quellen zur literarischen Tätigkeit des Magisters Johannes Hus und des Magisters Hieronymus von Prag]. Catalogus fontium M. Iohannis Hus et M. Hieronymi Pragensis opera exhibentium, Prag 1965.
  • Das Kuttenberger Dekret: http://www.ceskaliteratura.cz/dok/dekret.htm (Zuletzt abgerufen am 3.10.2011)
  • Sententis qua condemnatus Hieronymus Pragensis, in: Jedin, Huberto: Conciliorum Oecumenicorum Decreta, Rom u.a. 1962, S. 409f.
  • Poggio Bracciolini , Gian Francesco: Todesgeschichte des Johannes Huss und des Hieronymus von Prag. Beide um ihres Glaubens willen verbrannt zu Konstanz am 6. Juli 1415 und am 30. März 1416. Konstanz, 1957

Internet:

1Zitiert nach Buck, Thomas Martin: Die Chronik des Konstanzer Konzils 1414-1418 von Ulrich Richental. Ostfildern 2010, S. 68.

2Buck, Chronik, S. 68.

3Siehe dazu den Aufsatz von Miethke, Jürgen: Die Prozesse in Konstanz gegen Jan Hus und Hieronymus von Prag – ein Konflikt unter Krichenreformern? In: Šmahel, František (Hg): Häresie und vorzeitige Reformation im Spätmittelalter. München 1998, S. 147-167.

4Siehe dazu den Kommentar von Franzen, August: Das Konzil der Einheit, in: Franzen/Müller (Hgg): Das Konzil von Konstanz. Beiträge zu seiner Geschichte und Theologie. Freiburg/Basel/Wien 1964, S. 106.

5Was die gegen die Hinrichtung des Hieronymus von Prag protestierenden Adeligen in einem Protestschreiben behaupteten, siehe dazu Brandmüller, Walter: Das Konzil von Konstanz 1414-1418. Band II bis zum Konzilsende. Paderborn u.a. 1997, S. 116.

6So schreibt František Šmahel: Die Geburt Hieronymus‘ sei 1365 (Jeroným Pražský, Prag 1966), Walter Brandmüller (Das Konzil von Konstanz 1414-1418. Band II) setzt Hieronymus‘ Geburtsdatum „nach 1370“, Olaf Barth und Katrin Bock gehen in Ihrem Geschichtsbeitrag für Radio Tschechien (http://www.radio.cz/de/rubrik/geschichte/hieronymus-von-prag, zuletzt abgerufen am 15.08.2011) sogar noch einen Schritt weiter und setzten die Geburt „um 1380“ an. Ein genaues Datum scheint nicht überliefert zu sein.

7Wobei genau hier nun die Problematik mit dem Geburtsjahr des Hieronymus zum Tragen kommt. Wenn 1365 stimmen sollte wäre Hieronymus sogar 4 Jahre älter als der 1369 geborene Johannes Hus gewesen.

8Brandmüller, Walter: Das Konzil von Konstanz 1414-1418. Band II bis zum Konzilsende. Paderborn u.a. 1997. S. 118.

9Brandmüller, Das Konzil von Konstanz, S. 118, auch Šmahel, S. 92.

10Die Vorstellung einer mehr oder weniger immobilen mittelalterlichen Gesellschaft ist schon lange widerlegt. Siehe hierzu: Schulz, Kurt: Deutsche Handwerker in Italien in: de Rachewiltz, Siegfried / Riedmann, Josef (Hgg): Kommunikation und Mobilität im Mittelalter. Begegnungen zwischen dem Süden und der Mitte Europas (11.-14. Jahrhundert). Sigmaringen 1995. S. 115-134, Fehn, Klaus: Räume der Geschichte – Geschichte des Raumes. In: Siedlungsforschung 4 (1986), S. 255-263, oder auch Moraw, Peter: Reisen im europäischen Spätmittelalter im Licht der neueren historischen Forschung. In: von Ertzdorff, Xenia / Neukirch, Dieter (Hgg): Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und der frühen Neuzeit, Amsterdam/Atlanta 1992. Hervorzuheben sind allerdings Ohler, Norbert: Mittelalterliche Reisende vernetzen das Abendland in: Anshof, Claus (Hg): Reisen und Wallfahrten im Hohen Mittelalter. Göppingen 1999. S. 10-37 und Reichert, Folker: Erfahrung der Welt. Reisen und Kulturbegegnung im späten Mittelalter, Stuttgart 2001.

11Siehe dazu Erfen, Irene/Spieß, Karl-Heinz: Fremdheit und Reisen im Mittelalter. Stuttgart 1997.

12Brandmüller, Das Konzil von Konstanz, S. 116.

13Sieben, Josef: Traktate und Theorien zum Konzil. Vom Beginn des großen Schismas bis zum Vorabend der Reformation (1378-1521). Frankfurt am Main, 1983. S. 159.

14Eine ziemlich vollständige Sammlung der Schriften des Hieronymus findet man bei Bartoš, František Michálek / Spunar, Pavel (Hgg.):Soupispramenů k literární činnosti mistra Jana Husa a mistra Jeronýma Pražského [Inventar der Quellen zur literarischen Tätigkeit des Magisters Johannes Hus und des Magisters Hieronymus von Prag]. Catalogus fontium M. Iohannis Hus et M. Hieronymi Pragensis opera exhibentium, Prag 1965.

15Brandmüller, Das Konzil von Konstanz, S. 119.

16Der genaue Wortlaut ist hier zu finden: http://www.ceskaliteratura.cz/dok/dekret.htm (Zuletzt abgerufen am 3.10.2011).

17Šmahel, František: The Kuttenberg Decree and the Withdrawl of the German Students from Prague in 1409. a Discussion. In: History of Universities 4 (1984), S. 111-128.

18Šmahel, František: The Kuttenberg Decree and the Withdrawl of the German Students from Prague in 1409. a Discussion. In: Šmahel, František: Die Prager Universität im Mittelalter. Gesammelte Aufsätze, Leiden/Boston 2007, S. 161.

19Šmahel, The Kuttenberg Decree, S. 161f.

20Šmahel, The Kuttenberg Decree, S. 165.

21Brandmüller, Das Konzil von Konstanz, S. 119

22Die auch Ulrich von Richental erwähnt, was insofern bemerkenswert ist, weil somit deutlich wird, daß auch die Zeitgenossen diesen Vorgang als aktiven Rechtsbruch verstanden hatten.

23Brandmüller, Das Konzil von Konstanz, S. 119.

24Brandmüller, Das Konzil von Konstanz, S. 119f.

25Was Brandmüller, Das Konzil von Konstanz, S. 119 behauptet, indes hege ich an dieser nicht belegten Darstellung meine Zweifel, wie ich unter Punkt 2 erläutere.

26Alle Vorgänge zitiert nach Brandmüller, S. 119ff.

27Den genauen Widerruf findet man bei Brandmüller, Das Konzil von Konstanz, S. 122f aufgeschlüsselt.

28Brandmüller, Das Konzil von Konstanz, S. 125.

29Brandmüller, Das Konzil von Konstanz, S, 126.

30Brandmüller, Das Konzil von Konstanz, S, 128f.

31Brandmüller, Das Konzil von Konstanz, S, 129-135.

32Nachzulesen im Dekret Sententis qua condemnatus Hieronymus Pragensis, in: Jedin, Huberto: Conciliorum Oecumenicorum Decreta, Rom u.a. 1962, S. 409f.

33Šmahel, František: Leben und Werk des Magisters Hieronymus von Prag. Forschung ohne Probleme und Perspektiven? In: Historica (XIII), Prag 1966, S. 82.

34Šmahel, Leben und Werk des Magisters, S. 94.

35Šmahel, Leben und Werk des Magisters, S. 96.

36Šmahel, Leben und Werk des Magisters, S. 100

37Zu den Auseinandersetzungen siehe auch: Šmahel, František: Die Prager Universität und der Hussitismus, in: Ders.: Die Prager Universität im Mittelalter. Leiden/Boston 2007. S. 172-195, besonders S. 177ff.

38Šmahel, Leben und Werk des Magisters, S. 105.

39Šmahel, Leben und Werk des Magisters, S. 105f.

40Šmahel, Leben und Werk des Magisters, S. 106.

41Brandmüller, Das Konzil von Konstanz, S. 116.

42Šmahel, Leben und Werk des Magisters, S. 108.

43Brandmüller, Das Konzil von Konstanz, S. 119.

44Šmahel, Leben und Werk des Magisters, S. 110.

45Šmahel, Leben und Werk des Magisters, S. 110.

46Brandmüller, Das Konzil von Konstanz, S. 119.

47http://g.co/maps/89ky2 (Zuletzt aufgerufen am 3.9.2011). Der Einfachheit halber kann diese Google-Karte recht anschaulich den Streckenverlauf zeigen und insbesondere die Tatsache, daß Hieronymus eine andere Richtung als nach Prag eingeschlagen haben muß, wenn Brandmüller recht hätte.

48Zitiert nach Buck, Thomas Martin: Die Chronik des Konstanzer Konzils 1414-1418 von Ulrich Richental. Ostfildern 2010, S. 62.

49Buck, Chronik, S. 62.

50Buck, Chronik, S. 63.

51Siehe dazu die Chronik des Laurentius von Březová in: Bujnoch, Josef: Die Hussiten. Graz/Wien/Köln, 1988, S. 42.

52die hier verwendete Übersetzung folgt Niclasens von Weyls Translationen oder Deütschungen, Augsburg 1536.

53Poggio Bracciolini , Gian Francesco: Todesgeschichte des Johannes Huss und des Hieronymus von Prag. Beide um ihres Glaubens willen verbrannt zu Konstanz am 6. Juli 1415 und am 30. März 1416. Konstanz, 1957, S. 129.

54Poggio Bracciolini, Todesgeschichte, S. 130.

55Zu Poggio Braccolini siehe auch das Lexikon des Mittelalters, Band VII, Sp. 38 und das Biographisch-Bibliographische Kirchenlexikon, Band 7, Sp. 478ff.

56Poggio Bracciolini, Todesgeschichte, S. 140f.

57Poggio Bracciolini, Todesgeschichte, S. 141.

58Poggio Bracciolini, Todesgeschichte, S. 130, S. 141 & und S. 143.

59Poggio Bracciolini, Todesgeschichte, S. 130 und S. 141ff.

60Poggio Bracciolini, Todesgeschichte, S. 133 und S. 135.

61Poggio Bracciolini, Todesgeschichte, S. 135.

62Poggio Bracciolini, Todesgeschichte, S. 142.

63Poggio Bracciolini, Todesgeschichte, S. 143.

64Poggio Bracciolini, Todesgeschichte, S. 141.

65Poggio Bracciolini, Todesgeschichte, S. 139.

66Poggio Bracciolini, Todesgeschichte, S. 142.

67Zu Ulrich von Richental siehe das Verfasserlexikon. Deutsche Literatur des Mittelalters. Band 8, Sp. 55ff.

68Buck, Chronik, S. 62, sowie die Darstellung und Bewertung unter 2. in dieser Arbeit.

69Buck, Chronik, S. 67.

70Buck, Chronik, S. 68.

71Buck, Chronik, S. 68.

72Brandmüller, Das Konzil von Konstanz, S. 139.

73Brandmüller, Das Konzil von Konstanz, S. 139f.

74Von Betzold, Friedrich: König Sigismund und die Reichskriege gegen die Hussiten. Zweite Abteilung, in: Betzold, Friedrich: König Sigismund und die Reichskriege gegen die Hussiten. München, 1875, S. 1.

75Hoensch, Jörg: Die Luxemburger. Eine spätmittelalterliche Dynastie gesamteuropäischer Bedeutung. Stuttgart, 2000, S. 266.

76Hoensch, Luxemburger, S. 266.

77Hoensch, Luxemburger, S. 267.

78Siehe hierzu die kurze Zusammenfassung von Prietzel, Malte: Das heilige römische Reich im Spätmittelalter, Darmstadt, 2004, S. 111.

79Siehe dazu Brandmüller, Das Konzil von Konstanz, S. 116.

80Brandmüller, Das Konzil von Konstanz, S. 137.

81Brandmüller, Das Konzil von Konstanz, S. 137ff.

82So nennt ihn Brandmüller, Das Konzil von Konstanz, S. 137.

Endspurt

Nun geht es in den Endspurt, liebe Leserinnen und Leser: Das Volksbegehren gegen Studiengebühren endet morgen. Wer noch nicht im Rathaus war, sollte es nun unbedingt tun.

Bayernweit fehlten nämlich gestern noch knapp 2,5%, damit die erforderlichen 10%  erreicht werden. Und das ist ja im Grunde auch nur der erste Schritt.

Das Volksbegehren ist die erste Stufe eines Verfahrens, das zum Volksentscheid führen kann. Erst der Volksentscheid ist dann die eigentliche Wahl, bei der die Bürgerinnen und Bürger sich eben entscheiden können, ob sie Studiengebühren wollen oder nicht. Damit dieses basisdemokratische Verfahren aber überhaupt in Gang kommt, müssen zunächst genügend Bürgerinnen und Bürger ihr Interesse bekunden…

Sollten morgen die 10% erreicht werden wird der Gesetzentwurf in den bayerischen Landtag eingereicht. Nun ist es so, daß der Landtag dem Ganzen einfach zustimmen kann, dann braucht es keinen Volksentscheid. die FdP hat schon angekündigt, den Entwurf abzulehnen, die CSU wirkt unschlüssig, auch weil die FDP mit dem Bruch der Koalition droht. Sollte der Landtag den Gesetzentwurf ablehnen, dann hätten binnen drei Monaten die Bürger tatsächlich eine Wahl – und könnten dafür oder dagegen stimmen.

Von daher – und alleine schon, weil Mitbestimmung ohnehin viel zu selten ist – könnte sich vielleicht auch der eine oder andere Gebührenbefürworter vielleicht zur Eintragungsstelle schleppen. In München – bislang ein recht mieses Ergebnis, am Montag waren es knapp 8% – läuft das auch super einfach: Zum Rathaus und dort gleich in die Informationsstelle. Kaum Anstehen, einfach schnell rein und die Unterschrift leisten. Alternativ suchen Sie Ihre Eintragungsstelle hier.

Nebenbei – meine Heimatgemeinde Zorneding hat bis jetzt über 13% geschafft.

Zu Erinnerung:

Eintragungsberechtigt sind Personen,

  • die Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 Grundgesetz sind,
  • das 18. Lebensjahr am letzten Tag der Eintragungsfrist (30. Januar) vollendet haben und
  • seit mindestens drei Monaten (also seit 30. Oktober 2012) in Bayern ihre Wohnung, bei mehreren Wohnungen ihre Hauptwohnung, haben.

Nicht eintragungsberechtigt sind Personen,

  • die ihre melderechtliche Hauptwohnung außerhalb Bayerns haben,
  • die infolge Richterspruchs das Stimmrecht nicht besitzen,
  • für die zur Besorgung aller ihrer Angelegenheiten eine Betreuerin/ein Betreuer nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt ist, oder
  • die sich aufgrund einer Anordnung nach § 63 i.V.m. § 20 des Strafgesetzbuchs in einem psychiatrischen Krankenhaus befinden.

Eintragungsberechtigung in den Münchner Eintragungsstellen
In den Münchner Eintragungsstellen kann sich nur eintragen, wer in einem Wählerverzeichnis der Landeshauptstadt München eingetragen ist oder einen Eintragungsschein besitzt.

  • Stimmberechtigte, die am 13. Dezember 2012 in München mit Hauptwohnung gemeldet waren, wurden automatisch in das Wählerverzeichnis eingetragen.
  • Stimmberechtigte, die ihre melderechtliche Hauptwohnung in einer anderen bayerischen Gemeinde haben und dort im Wählerverzeichnis eingetragen sind, müssen in Ihrer Heimatgemeinde vorher einen Eintragungsschein beantragen, um sich in einem Münchner Eintragungsraum für das Volksbegehren eintragen zu können.

Affe 1 – Bankster 0

Ich liebe ja den Deutschlandfunk. Information aus allen Bereichen von Politik bis Kultur und dazu eine große Mediathek, in der man wirklich in aller Seelenruhe zum Beispiel Abends nachhören kann. Nicht wie bei der ARD, die einen zwingt, schnell zu reagieren, wenn man es live nicht hinkriegt (oder wie ich keinen Fernseher hat).

Nun hat Forschung aktuell kürzlich von einem interessanten Experiment berichtet (hier zum nachhören): Es fing um Fairness unter Schimpansen. 2007 hieß es noch, daß es derartiges nicht gebe, das Experiment hier zeigte aber, daß die Schimpansen, wenn sie zusammenarbeiten, recht großzügig sein können und durchaus am Fairplay interessiert sind.

„Wir schließen aus den Ergebnissen, dass Schimpansen und Menschen einen ähnlichen Sinn für Fairness besitzen. Und dass die evolutionäre Geschichte der Fairness mindestens zurückreicht bis zu den gemeinsamen Vorfahren von Menschen und Schimpansen.“, sagte Darby Proctor

Tatsächlich ist man sich da aber nicht so richtig einig. Sicherlich akzeptieren Schimpansen ein wenig pragmatischer als Menschen auch eine unfaire Verteilung. Aber daß sie zu Fairness und Großzügigkeit fähig sind hebt sie immerhin über eine andere Spezies dieses Planeten: Die mit Stehkragen in Vorstandsetagen großer Banken, die zum Wohle von sich selbst auch gerne weiterhin mit Lebensmitteln spekulieren und Menschen verhungern lassen. Die sich mit Steuergeldern haben retten lassen und nun munter weiter gegen die Menschheit spekulieren.

Da ist der gemeine Affe schon weiter entwickelt.