Linktipp: Europa-Mythen

Es ist interessant wie sich in Zeiten von Europa-Skepsis und Euro-Feindlichkeit (Immerhin, mit der AfD ist eine 3% Partei dafür entstanden!) immer wieder die ermüdenden Skandale häufen. Sei es die Mär vom ewigen Finanzmoloch, bei dem arme, geplagte Deutsche tonnenweise faule Südländer finanzieren müssen oder die Geschichte mit der Gurkenkrümmung: Brüssel ist schuld und die EU ist wider die natürliche Ordnung.

Tja. Und dann kam der Sozialdemokrat Pavel Poc aus Tschechien, der ein Europaabgeordneter ist, und sich wunderte, woher eigentlich diese ganzen Euromythen so stammen. Und siehe da: Aus dem Boulevard, meist sogar aus dem britischen Boulevard. Der ist jetzt nicht gerade als besonders Europafreundlich verschrieen, aber das zeigt uns auch, auf welchem Niveau mittlerweile Debatten und Argumente ausgetauscht werden.

Armes Europa. Du hast Deine Bewohner eigentlich nicht verdient….

Wie der "schwarze Filz" tickt…

Das Beste an der Demokratie ist der gelegentliche Wechsel der Regierungsmehrheiten. Das führt dazu, daß nicht eine Gruppe alleine ihren Einfluß auf die Verwaltung, die Justiz und manchmal sogar die Medien ausübt, sondern daß es da gelegentlich zu einem Wechsel kommt.

Nun ist es in Bayern ja geradezu ein offenes Geheimnis, daß eine Verwaltungskarriere eine bestimmte Stufe nicht erreichen wird, wenn man nicht über das richtige Parteibuch verfügt. Hier ist es längst in Teilen zu einem „Filz“ gekommen, der eigentlich dringend durchbrochen werden muß, der Skandal um den Augsburger Staatsanwalt Winfried Maier, der wegen seiner Ermittlungen gegen Max Straß strafversetzt wurde, zeigte das überdeutlich. Geändert hat die Geschichte aber nichts.

Trotzdem begehren immer wieder einzelne Mitglieder der Gesellschaft auf. So auch der Journalist Peter Welchering, der über seine Heimatstadt Kornwestheim berichtet und das auf der Ebene von Blog und Twitter. Er beschreibt einen kleinen Finanzierungsskandal in Pattonville, wird daraufhin von den Lokalmedien (welche die Lufthoheit über den Stammtischen bislang genießen durften) bedroht und letztendlich sogar von Seiten der Kommunalen Politik bedrängt. Als Reaktion darauf beschreiben andere Journalisten offenbar auch derartige Erfahrungen, geradezu bedroht werden sie manchmal aus den Reihen der kommunalen Behörden.

Hallo, wo sind wir hier?

Man hat langsam wirklich das Gefühl, in einer Bananenrepublik gelandet zu sein.

Kurzer Nachtrag:
Auch wenn ich jetzt hier zwei Beispiele aus dem schwarzen Filz herausgegriffen habe, sollte ich alleine schon der Gerechtigkeit halber betonen, daß es umgekehrt auch nicht gut ist, wenn die andere Seite zu lange ununterbrochen regiert, siehe Kölner Klüngel. Wie gesagt, ein Wechsel ist demokratisch.
Interessant ist in dem Zusammenhang aber, daß man bei schwarzen Korruptionsfällen oftmals nur mit den Schultern zuckt, während die Bevölkerung Korruption bei der SPD immer besonders kritisch betrachtet. Das bringt einen zu einer interessanten Erkenntnis: Anscheinend hat man an die Sozialdemokratie nicht nur den höheren Anspruch was Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Sauberkeit angeht, sondern es gibt scheinbar auch noch einen gewissen Rest von gutem Ruf. Sonst wäre im anderen Fall die Enttäuschung auch nicht so groß…

Infotainment – au weia.

Mehr durch Zufall stolperte ich kürzlich im Portal GMX auf diese Seite, welche die „spektakulärsten Verschwörungstheorien“ zu versammeln verspricht. Beginnen soll das Ganze mit dem Brand des Reichstags 1933 – und da geht auch schon einiges los.

Die Überschrift „Nazis zündeten den Reichstag selbst an“ ist keine Verschwörungstheorie, sondern eine historische Theorie, die keine zwei Stunden nach dem Brand wohl erstmals von Willi Frischauer, Berichterstatter der Wiener Allgemeinen Zeitung, an seine Zeitung geschickt worden war.

In den 60er Jahren schließlich kam es zu einer Kontroverse der „streitenden Zunft“, also unter den Historikern, wobei letztendlich drei Täterschafttheorien in Frage kommen:

  1. Marinus van der Lubbe war ein Einzeltäter
  2. Die Täter sind aus den Reihen der NSDAP gekommen, um die nachfolgende „Reichstagsbrandverordnung“ zu ermöglichen
  3. Marinus van der Lubbe befand sich in Begleitung einiger kommunistischer Aktivisten, die tatsächlich die von den Nazis öffentlich vermutete Revolution starten wollten.

Es ist gar nicht so einfach, hier eine Position zu beziehen. Als gesichert gilt, daß van der Lubbe vor Gericht ziemlich seltsam auftrat, psychisch neben sich stehend, quasi wie unter Drogen gesetzt. Dennoch wird erbittert um die Schuldfrage gefochten und bis heute streiten sich Historiker um die Tatherrschaft. Die neueste Veröffentlichung von Hermann Graml (Zur Debatte über den Reichstagsbrand. In: Dieter Deiseroth (Hg.): Der Reichstagsbrand und der Prozess vor dem Reichsgericht. Berlin 2006) zweifelt sowohl die Mittäterschaft der Nazis, als auch die Alleintäterthese (die mehrheitlich unter Historikern vertreten wird) an.

Empfehlen möchte ich in dem Zusammenhang das Buch von Alexander Bahar und Wilfried Kugel: Der Reichstagsbrand. Wie Geschichte gemacht wird. Berlin 2001. Eine Tatsache allerdings bleibt bestehen: Dank der Reichstagsbrandverordnung konnten die Nazis verhindern, daß neben der SPD wenigstens auch die Kommunisten das Ermächtigungsgesetz am 23.3.1933 ablehnten.

Lady Di ermordet – und natürlich wurde auch die Mondlandung gefälscht.

Daß der Unfall von Lady Di und Dodi Al-Fayed für Schlagzeilen sorgte war klar, auch daß sich Verschwörungstheorien darum ranken, die lustiger kaum sein könnten. Ich hätte auch eine anzubieten: Bei der Hetzjagd hat sich die Presse einer besonderen Mittäterschaft schuldig gemacht – Lady Di und ihr Freund flohen schließlich vor den Paparazzis der englischen Boulevardpresse. Mit Verschwörungstheorien über ein Mordkomplott kann man davon aber munter ablenken…

Natürlich werden auch ganz wichtige Theorien bezüglich des 9/11 – Terroranschlages erwähnt, wobei ich mir da kein Urteil erlauben will weil bislang noch gar nichts endgültig erwiesen ist. Paul McCartney sei tot, die Titannic nicht untergegangen, Bin Laden noch am Leben…. ich verlor schon fast die Hoffnung, aber wenigstens kam der Quatsch mit der Mondlandung dann doch. Dem kann man viel entgegenhalten, aber das beste Argument lautet eigentlich: Warum haben die Russen bzw. die Sowjets, die ja live mithören konnten, denn nicht nachgewiesen, daß die Kommunikation nicht zwischen Houston und einer Raumfähre, sondern zwischen Houston und einem Filmstudio stattgefunden hat? Möglicher Weise weil sie eben doch zwischen Mond und Erde stattfand. Neben vielen anderen Klarstellungen

Tja, beim Rest (Kennedy-Attentat, HIV vom CIA und Bill Gates als Antichrist… *gäähn* ) ist immerhin noch ein Leckerbissen für mich dabei: Herbert Illig und das erfundene Mittelalter. Sein Büchlein habe ich im Studium mal gelesen… und auch die gigantischen Lücken seiner Argumentationskette gefunden. So behauptet er beispielsweise, daß es für die Zeit zwischen 700 und 1000 praktisch keine Urkunden gäbe…. Nun arbeite ich in einem Archiv und kann sagen: Ich hatte eine Urkunde Karls des Großen schon in der Hand. Sorry, das ist einfach Quatsch. Auch die Idee, daß es kaum archäologische Funde gibt ist Unsinn, es sei denn, man beschränkt sich auf das Pöringer Heimatmuseum bei der Suche. Dennoch hat die Chronologiekritik eine Menge Auftrieb durch diese Geschichte erfahren. Ich darf Ihen aber versichern: Das ist Unsinn.

Man fragt sich, warum das bald 700 Leute zu Meinungsäußerungen treibt. Was ist daran so bedeutsam wichtig – oder was veranlaßt Leute dazu, sich die Zeit zu nehmen und drunter zu schreiben, daß sie der Artikel nicht interessiert? Max Uthoff stellte in seinem Programm „oben bleiben“ süffisant fest, daß wir in einer Zeit Leben in der Menschen 49 cent dafür ausgeben, bei einer Ted-Umfrage „Weiß nicht“ oder „ist mir egal“ auszusagen. Da darf ich mir eine Frage erlauben: Warum schreib ich dann ’nen Artikel dazu?

Naja, ich interessiere mich für Geschichte. Dementsprechend klicke ich recht gern auf solche Links, die einen Artikel versprechen, der sich mit historischen Zusammenhängen befasst. Und naja, manchmal überkommt mich der Wunsch, die dann auch zu kommentieren. Immerhin habe ich so nun die MIttagspause rumgebracht, ohne meinen Bauch weiter zu mästen. VOn daher ist das gut für meine „Figur“.

Von den aktuellen Debatten

Nein, ich wollte es nicht. Weder bei der Sexismus-Debatte, noch bei der Debatte um die Änderungen in den Texten der Bücher von Otfried Preußler wollte ich mich ernsthaft zu Wort melden, zum Einen weil man als Mann bei der ersten Debatte ohnehin nur verlieren kann und zum Anderen, weil ich das Faß mit den „Gutmenschen-Debatten“ sowas von überhaupt nicht leiden kann, weil es gleich wieder dazu benutzt wird eine vermeintlich „linke Zwangsgesellschaft“ zu konstituieren. Und das geht mir als rational denkendem Menschen einfach auf die Nerven.

Warum ich es nun doch tue hat ein wenig damit zu tun, daß ich heute morgen sehr interessiert der Debatte im Deutschlandfunk gelauscht habe, die bis 11.30 Uhr lief. Diskutiert haben hier mit den Hörern in der Sendung „Journal am Vormittag“ unter dem Titel „Vom Umgang zwischen Männern und Frauen – Ist die Debatte über Sexismus überflüssig?“ die Journalistin Katja Kullmann, die ehemalige Chefredakteurin der TAZ Bascha Mika und Michael Rutz, dem ehemaligen Leiter des Rheinischen Merkurs. Alleine die Auswahl machte das Gespräch interessant, Mika, die eher links und feministisch orientiert ist in Kombination mit dem Konservativen Rutz versprach eine interessante Kontroverse. Vor allem verrät aber auch die Sendung eine Menge über den Umgang miteinander und den Mangel an Respekt, den beide alleine dadurch deutlich machten, daß sie sich selten ausreden ließen.

Ich finde es gut, daß diese Sexismus-Debatte endlich angestoßen wurde und noch mehr, daß unter dem Hashtag #aufschrei sich Frauen auch endlich mal öffentlich dazu äußern. Veränderungen können nur erreicht werden, wenn auch ein Problembewußtsein erzeugt wird. Viele der Beiträge sind wertvoll, auch weil ein zum Teil recht seltsam anmutender Umgang mit dem Thema wiederum thematisiert wird wie beispielsweise der Beitrag des Focus zu dem Thema.

Relativ selten wird erstaunlicher Weise darauf eingegangen, warum Frau Himmelreich eigentlich ein Jahr auf die Veröffentlichung gewartet hat – und warum sie das ausgerechnet im Stern veröffentlicht hat. Der Stern als „Tittenblatt für diejenigen, die sich genieren, einen Playboy zu erwerben“, fiel schon öfter mit sehr … naja, sagen wir mal mit Titelbildern auf, die jetzt die Frau eher in Richtung Sexobjekt darstellen. (Beispiele hier, hier, hier, hier und hier, wobei der Stern da jetzt nun nicht alleine dasteht) Als freministische Frontkämpferin würde ich da nun nicht grad veröffentlichen wollen. (Andererseits: Alice Schwarzer schrieb für Bild…)

Was mich an der Diskussion ein wenig stört ist zum Einen die relativ schnell ins Extreme rangierende Meinungsäußerung – das reicht von denen, die künftig keine Komplimente mehr machen wollen auf der einen, bis zu denen, die jedes Kompliment gleich für eine sexuelle Belästigung halten auf der anderen Seite – und der Mangel an relativ gemäßigten, aber nachdenklichen Stimmen. Eine davon wäre der – bescheuert betitelte, inhaltlich aber recht gelungene – Beitrag von Claudius Seidl in der FAZ. Auch die Debatte im Deutschlandfunk war geprägt von gleich wieder ins Extreme neigenden Ansichten – oder, und das ist das, was mich so ein bißchen nervt, der Unterstellungen von extremen Ansichten, bevor der jeweilige Gesprächspartner (egal welchen Geschlechts) seine Ansicht überhaupt artikuliert hatte.

Wenigstens eines drang bei der Gelegenheit ein wenig durch: Das das eigentlich schlimmste Problem des alltäglichen Sexismus die Tatsache ist, daß Frauen für die gleiche Arbeit ein viertel weniger bezahlt bekommen. Das halte ich für ein deutliches und echtes Problem und nicht die Frage, ob man Goethes Faust künftig „Faust_in“ schreiben muß, damit auch keiner beleidigt ist.

In dem Zusammenhang stoße ich mich ehrlich gesagt auch an der Debatte um die „Modernisierung“ oder Anpassung von Ottfried Preußlers Werken. Der Thienemann-Verlag hatte einige Stellen insbesondere in der „kleinen Hexe“ verändert, konkret hängte sich die Debatte an zwei Begriffen auf: Das eine war der Begriff „Neger(lein)“, das andere das Verb „durchwichsen“.
Beide Fälle haben eine unterschiedliche Bedeutung. Der letztere Fall ist die Anpassung an den heutigen Sprachgebrauch, da das Verb „wichsen“ nun einmal nicht mehr als Verb für „polieren“ oder  – in diesem Fall halt – „schlagen, verprügeln“ verstanden wird, es sei denn, man hat sich über die betreffende Wortentwicklung informiert – was einem Studenten oder Sprachwissenschaftler zuzutrauen ist, einem Kind jedoch eher weniger. Die andere Geschichte ist die mit dem „Neger“, was seinerzeit als normaler Begriff benutzt wurde und nicht abwertend gemeint war, heute aber so verstanden wird.

Nun bin ich selber kein sonderlich großer Freund der politisch überkorrekten Sprache. Ich bin der Überzeugung, daß wir unserer Sprache keinen Gefallen tun, wenn wir sie unlesbar machen (beispielsweise durch angehängte weibliche Formen oder gar durch substantivierte Adjektive wie „Studierende“), außerdem gehöre ich nicht zu den Anhängern der These, daß Sprache prinzipiell unterdrückend ist, wenn sie Menschengruppen eingeschlechtlich anspricht. Im Französischen wird eine Gruppe mit „ils“ definiert, außer, sie besteht nur aus Frauen. Nur in diesem einen Fall wird von „elles“ gesprochen. Deswegen sind Frauen in Frankreich aber keine unterdrückte Spezies.

Sprache kann sehr mächtig sein und Sprache kann zur Unterdrückung und Diskriminierung benutzt werden, daran besteht überhaupt kein Zweifel. Macht man nun das Faß mit dem Geschlechterkampf in der Anrede und der Berufsbezeichnung auf, wird irgendwann ein Schuh daraus: Man kann das weiterspinnen und dann sogar richtig zum Spinnen anfangen, indem man beispielsweise darauf verweist, daß die Quote dunkelhäutiger Feuerwehrleute im Begriff „Feuerwehrleute“ ignoriert wird, daß die hohe Männerquote diskriminiert wird weil der Substantivplural im Deutschen feminin ist und es keinen eigens maskulinen Plural gibt und so weiter…. irgendwann fühlt man sich weit genug getrieben, daß man Projekte wie „Redesign Deutschland“ richtig entspannend findet. Die Hyperparallelisierung, die manche gerne benutzen („jedefrau“), könnte man auch weitertreiben und manche Städte umbenennen („Mann-und-Frauheim! oder auch „Man-and-Woman-Chester“), die Frage darf sich aber stellen, wann da der Gipfel des Schwachsinns im Namen der Vernunft erreicht wurde.

Sprache wird dann diskriminierend, wenn Begriffe benutzt werden, die abwertend verwendet werden. Die Anrede „Sie Schwein“ ist eine Beleidigung und sogar strafrechtlich relevant, gleiches gilt eben auch für Begriffe, die wegen der fortschreitenden Spracherntwicklung heute als diskriminierend verstanden werden. Dazu gehört natürlich der Begriff „Neger“ sowie der noch abwertendere Begriff des „Niggers“, beides sind heute unübliche, und je nach Kontext sogar beleidigende Wörter.

Nun hat „Neger“ aber eine andere sprachliche Entwicklung hinter sich, eine vergleichbare hat der Begriff „Weib“, der heute ebenfalls abwertend verstanden wird. (Wobei auch das wiederum eine hochsprachliche Sache ist, im Dialekt ist das „Weiberl“ beispielsweise nicht zwingend negativ besetzt. Dann gibt es noch Wortungeheuer wie „Mannweiber“, die zwar wenigstens geschlechtsneutral in der Wortsammlung, aber diskriminierend in der Bedeutung verstanden werden können.) Niemand würde heute einen Text schreiben, der sich mit „Mann und Weib“ befasst und ich glaube auch nicht, daß sich dabei irgendwer etwas denkt.

Wenn ich nun mal in die diversen Bibelübersetzungen blicke, dann fällt mir da spontan Epheser 5, Vers 22 ein: „Die Weiber seien untertan ihren Männern als dem HERRN“, so steht es in der Lutherbibel von 1912. Nimmt man hingegen die zweite Revision der Schlachter-Bibel von 1951, so findet sich der Satz hier so: „Die Frauen seien ihren eigenen Männern untertan, als dem Herrn“. Ganz unauffällig hat man in der zweiten Revision ein paar der Begriffe angepasst, um die grundsätzlich ein Geschlecht unterdrückende Botschaft wenigstens sprachlich neutral zu halten.

Nun also werden aus manchen Kinderbüchern vielleicht, ganz sicher halt aus einem, Begriffe wie „Negerlein“ entfernt. Und das ist nicht einmal ein heiliges Buch, sondern nur ein Buch für Kinder, die einen kulturhistorischen Hintergrund eines Wortes, das sie lesen, nicht unbedingt voll erfassen können.
Eine sprachliche Anpassung an gegebene Zielgruppen ist für Texte nichts ungewöhnliches, mein erster Kontakt mit einem Text namens „Parzival“ fand auch nicht mit dem Originaltext statt; Damals war ich nämlich gerade mal acht Jahre alt und wäre sicher nicht in der Lage gewesen, auch nur den Anfang zu verstehen, ja ich habe nicht einmal die durchgereimte, neuhochdeutsche Fassung von Karl Simrock bekommen (auch die hätte einen Achtjährigen überfordert) sondern eine Kinderbuchfassung. Hätte ich sowas lesen sollen:

Sigûne doschesse
hôrte selten messe:
ir leben was doch ein venje gar. (435,25)
ir dicker munt heiz rôt gevar
was dô erblichen unde bleich,
sît werltlîch freude ir gar gesweich.
ez erleit nie magt sô hôhen pîn:
durch klage si muoz al eine sîn.(435,30)

naja, ich wäre wahrscheinlich nicht lange in dem Buch hängen geblieben. Macht ja auch Sinn, ein Kind erst einmal mit einer Ausdruckswelt zu beschäftigen, mit der es auch etwas anfangen kann. Und denjenigen unter den verzweifelten Verteidigern der urspünglichen Druckversion der „Kleinen Hexe“ möchte ich sehen, der seinem Kind etwas auf Mittelhochdeutsch vorträgt.

Ein Kinderbuch um Begriffe wie „Mohr“ oder „Neger“ zu befreien, ohne den eigentlichen Inhalt zu verändern halte ich nicht für schlimm, selbst wenn das manche eigentlich ganz brauchbare Leute auf die albernsten Barrikaden treibt. Auch beim Parzival, dessen Halbbruder Feirefiz ja von einer dunkelhäutigen Prinzessin abstammt, kam der Begriff „Mohr“ meine ich nicht vor – obwohl er im Originaltext durchaus steht. Verloren habe ich dadurch aber nichts.

Die Diskussionen um Sexismus und die um die Änderungen von Preußlers Texten ähneln einander deswegen, weil in beiden Fällen eine vermeintlich angegriffene und kulturbewahrende Minderheit sich mit dem Vorwurf von „Gutmenschentum“ und „linker Gewissensdiktatur“ wehrt – und das ist etwas, was ich überhaupt nicht leiden kann. Neben der schwachsinnigen Begrifflichkeit des „Gutmenschentums“ (Muß ich daraus schließen, daß die betreffenden ein „Schlechtaffentum“ leben?) ist es eigentlich erstaunlich, daß es so etwas wie eine „Gewissensdiktatur“ geben kann: Daß man sich so benimmt, daß man sich nicht schämen muß, kein schlechtes Gewissen hat und niemanden gedankenlos beleidigt wird gleich als Diktatur mißverstanden – das ist nicht nur falsch, sondern einem vernünftigen Diskurs auch abträglich. Ich habe oben dargelegt, daß ich eine Überkorrektheit auch nicht gut finde – insbesondere wo die Umschreibung eines mißliebigen Begriffes irgendwann dazu führt, daß ich jemanden erst recht beleidige oder gar letztendlich die Aussage verkehre – aber ein bißchen darauf achten, wie man daherredet könnte man schon. So viel Erziehung sollte auch liberal denkenden Konservativen in Freiheit zumutbar sein.

Post Scriptum: Mir fiel gerade ein, daß wir ja nicht das einzige Land mit solchen Debatten sind. Siehe dazu die Geschichte rund um einen vermeintlich rassistischen Werbespot von VW in den USA.

Aus der Reihe Kopfkino…

Aus der Reihe „Dinge, die ich nicht wissen will, weil mein Kopfkino dafür viel zu aktiv ist“ möchte ich heute folgendes vorstellen: Vorwurf der sekuellen Belästigung an Rainer Brüderle. (Abgesehen davon hat die SZ es in bemerkenswert dämlicher Weise geschafft, Sexismus und sexuelle Belästigung durcheinander zu schmeißen. Deppen. Sueddeutsche halt, oder?)

Was mich ein bißchen erstaunt ist die Dummheit der Sueddeutschen, was diese Begrifflichkeiten angeht. Sexismus ist in aller Regel die Annahme eines Vorurteils aufgrund von Geschlecht, also daß Frauen gute Sekretärinnen, aber schlechte Polizistinnen sind, zum Beispiel. Typischer Unsinn, der aus konservativen Kreisen kommt, nicht selten aus der religiösen Ecke.

Sexuelle Belästigung ist jener Vorwurf, den die Stern-Autorin da erhebt – und der nicht ohne ist. Einer Frau ein Kompliment zu machen (oder einem Mann) dürfte nicht darunter fallen. Ungefragt jemanden, der das nicht will, zu küssen oder (etwas intimer) zu berühren, schon. Das ist eine etwas schwammige Sache, aber eine Journalistin ziemlich blöd (so die Geschichte so stimmt) derart anzumachen, könnte unter die entsprechenden Paragraphen fallen.

Was ich viel spannender finde ist der zufällige Zufall, daß diese Geschichte im Bertelsmann-Blatt Stern (der ja der CDU sehr nahe steht – also der Verlag, der Stern nicht zwingend aber auch da wird es Abhängigkeiten geben…) just ein paar Tage nach der Wahl in Niedersachsen erscheint. War das nun Rache für den Stimmenverlust der CDU oder kluges Schweigen vor der Wahl für den Koalitionspartner? Hm…. Verschwörungstheoretiker, melden Sie sich bitte.

Hallo Welt! Eine Presseschau.

Oh Wunder, die Welt steht noch. Morgen beleuchte ich ausführlich, ob es in der esoterischen Szene irgendeine Reaktion gab, heute fangen wir einfach mal mit der deutschen Presse an. Eine Auswahl.

Seltsam…. wir sind noch da… und auch die Abendzeitung, leider. Denn die fragt ganz scheinheilig, ob man heute noch was vorhat und ist auch online nicht gerade kreativ bzw. verbreitet auch dort den selben Unsinn. Die Sueddeutsche macht es immerhin besser und beleuchtet zum Einen die Tatsache, daß das hauptsächlich zum Geldscheffeln gedacht ist und zum Anderen wird das als netter Aufhänger für diverse Artikel genutzt.

Die Frankfurter allgemeine Zeitung bot zunächst einen musikalischen Final Countdown (interessant sind die Verlinkungen zu youtube-Musikvideos hinsichtlich der Position der Zeitung zum Leistungsschutzrecht, aber wir wollen mal nicht kleinlich sein…) gefolgt von einer recht bösen Kolumne, warum der Weltuntergang keine schlechte Idee gewesen wäre. Die Titanic bietet Powersätze für den Weltuntergang und die Frankfurter Rundschau bot gleich einen Live-Ticker sowie einen recht vernünftigen Bericht. Die TZ München ist gleich massiv in dem Thema vertreten und hat sowohl aufklärerisches als auch humorvolles zu bieten – wenn es nicht grad ein bescheuerter Aufhänger ist. Und natürlich einen Live-Ticker. Einen Liveticker bietet nebenbei auch der hoch verehrte Florian Freistätter, wenn auch mehr als Live-Blog, bei dem er auch zum Teil skurrile Radio-Interviews geben muß.

Die Welt ist dem Thema „Welt-Untergang“ endgültig verfallen, der meistgelesene Artikel ist immerhin ein halbherziger Versuch, auch wenn er den Unsinn mit der Vorhersage des Kalenders wiederholt. Lustiger ist es da schon, dem eher spöttischen Live-Ticker auf Spiegel-Online zu folgen.

Dem stehen die schlimmeren Boulevard-Medien gegenüber. Die Berliner Zeitung zum Beispiel gibt sich erleichtert, unabhängig davon daß ein Weltuntergang durchaus schön gewesen wäre um die endlich nicht mehr zu haben. Den Vogel aber schießt – natürlich – die Bild-Zeitung ab:

Bild.deund quakt irgendwas vom Maya-Geddon. Immerhin, humorvoll garniert mit Maya-Garnix. Am lustigsten aber ist es, wenn man auf den Link draufklickt:

Bild.de02

Tja… da ist dann wohl bei Springer wenigstens die Welt untergegangen und Alien-Cookies haben die Seite befallen. Schatz, hol den Champagner.

Das Radio-Gewinnspiel von Antenne Bayern – Eine Analyse

Die Dritte Runde des Gewinnspiels ″Wir zahlen Ihre Rechnung″ ist vorbei – und wieder einmal gab es dabei einige bemerkenswerte Geschichten zu erzählen sowie eine Menge Leute, die, weil nicht gezogen worden, sofort den Modus unter Verdacht hatten. Ich möchte auf der folgenden Seite ein paar Informationen zusammentragen und analysieren.

Statistik
Ein beliebter Vorwurf, der immer wieder kam, war die Behauptung, daß bestimmte Regierungsbezirke bevorzugt worden wären oder daß bestimmte Beträge nicht überschritten würden. Tatsächlich kann man durch konsequentes Mitschreiben eine Statistik aufstellen und so schlicht überprüfen, ob das zutrifft. Eine Auswahl:

Gut, wann immer irgendwo was zu holen ist werden die nicht gezogenen fuchsig, das ist normal. Aber manchmal zweifelt man schon ein bißchen am Verstand mancher Beteiligter…

Blicken wir also in die Statistik (bzw. in meine eigene) und sehen uns mal die Regierungsbezirke an.

Dieses Mal wurde, ebenso wie beim letzten Mal, Oberbayern am häufigsten gezogen (insgesamt 61 mal, also im Schnitt fast einmal täglich), seltener um 7, am häufigsten um 12 Uhr. Niederbayern und Schwaben teilen sich den zweiten Platz mit je 37 Treffern (Und als Schwabe kann man ab 12:07 im Grunde das Radio abstellen, da man um 15 Uhr nur sehr selten gezogen wird), gefolgt von Mittelfranken (34), Oberpfalz (23) und Oberfranken (22). Das Schlußlicht bildet – wie auch zuletzt – Unterfranken mit nur insgesamt 18 Treffern.
Das ist interessant, denn die Reihenfolge der Größe der Regierungsbezirke sieht geringfügig anders aus: Oberbayern liegt klar vorne (4.430.706 Einwohner), gefolgt von Schwaben (1.789.794 Einwohner) und M ittelfranken (1.719.494 Einwohner), und dann folgen mit einem großen Abstand Unterfranken (1.314.910), Niederbayern (1.192.543), Oberpfalz (1.081.536) und Oberfranken (1.067.408).

Aus diesen daten kann man gewisse Rückschlüsse auf die Dichte der Antenne-Bayern Hörer ziehen, wohlgemerkt unter der Voraussetzung, daß sich unter den Hörer überall ein gleich großer Anteil an Mitspielern befindet, wovon ich nciht ausgehen würde. Trotzdem würde es mich nicht wundern, wenn aus Unterfranken auch bedeutend weniger Rechnungen eingeschickt worden sind – was auf weniger unterfränkische Antenne-Fans schließen lässt.

Dauer des Gewinnspiels
Interessant ist, daß Antenne Bayern vorher nicht die Dauer des Gewinnspiels angibt, sondern bis kurz vor Ziehungsende weiter dazu auffordert, Rechnungen einzusenden. Blickt man aber kurz auf die jeweilige Dauer der Runden, so ist das eigentlich jedesmal recht gut abschätzbar gewesen:

  1. Runde: 05.09.2011 bis 28.11.2011 (= 61 Ziehungstage), die höchste Rechnung betrug 13.600.- Euro, die niedrigste 3.- Euro. Insgesamt bezahlt wurden 202.001,51 Euro.
  2. Runde: 09.01.2012 bis 30.03.2012 (= 60 Ziehungstage), die höchste Rechnung betrug 9.000.- Euro, die niedrigste 9,99 Euro. Insgesamt bezahlt wurden 190.167,73 Euro.
  3. Runde: 03.09.2012 bis 01.12.2012 (=65  Ziehungstage), die höchste Rechnung betrug 7.893.- Euro, die niedrigste 1,63 Euro. Insgesamt bezahlt wurden 153.556,44 Euro.

Hier stellt man eine signifikante Abnahme der Summe fest, die gezogen werden. Daraus einen Trend abzuleiten halte ich aber noch für verfrüht – Antenne Bayern hat die nächste Spielrunde für Januar angekündigt und man wird sehen, was dann passiert.

Besondere Geschichten
Die erste Ziehungsrunde dieser Art hatte schon einen Skandal hervorgerufen: Im Oktober 2011 hatte eine ″Herren″ – Reisegruppe aus dem Allgäu einen Sexurlaub eingereicht – im Wert von 2350 Euro. Das hat der Moderator Wolfgang Leikermoser sich zu zahlen geweigert, auch wenn das den AGB widersprochen hat. „Wenn ich die Rechnung jetzt noch einmal ausrufe, dann mach ich mich der Beihilfe zum Menschenhandel strafbar“, schrieb er damals auf der Internetseite von Antenne und hatte auch zweifellos recht. Das Gewinnspiel wurde kurzzeitig unterbrochen, dann lief es aber weiter.

Interessant in dem Zusammenhang ist, daß ein ziemlich ähnlicher Fall sich zwei Wochen zuvor bei 89.0 RTL in Halle ereignet hatte – hier ging es um eine Rechnung für eine Abtreibung infolge eines One-Night-Stands – und daß das ziemlich rasch mißtrauische Geister auf den Plan rief, inwieweit es sich bei diesen skandalisierten Geschichten um echte Geschichten handelt.

Diese Ziehungsrunde gab es auch zwei, drei ziemlich mitreißende Geschichten:
Katrin F. aus S. legte eine Rechnung über 3.800 Euro in den Topf und wurde am 7.11.2012 um 7 Uhr gezogen – Sie hatte im Sommer ihren jungen Mann beerdigen müssen und lebte seither mit ihren beiden Kindern auf der Baustelle des geplanten gemeinsamen Hauses. Diese Geschichte rührte die Zuhörer derart, daß der nächste Gewinner, Lutz M. aus München seine Rechnung über 1600 € für einen Umzug an Katrin F. und ihre zwei Kinder weitergab. Unzählige Hörer riefen an und boten ihre Hilfe an – Handwerker beispielsweise, die zum Selbstkostenpreis oder kostenlos am Haus mithelfen wollten und dergleichen.

Die zweite Geschichte bot Antenne Bayern eine gewisse Chance auf eine Diskussion mit den Hörern: Christiane T. aus Nürnberg erhielt 3.128,66 Euro für Fremdsamen aus einer Samenbank. Die Dame wohnte mit ihrer Lebensgefährtin zusammen und bis dahin habe ich auch nicht gewußt daß es für unverheiratete Frauen in Deutschland praktisch unmöglich ist, eine Samenspende zu bekommen – man muß auf ausländische ausweichen und einen Frauenarzt finden, der den ambulanten Eingriff auf eigene Verantwortung hin durchführt. Dagegen protestiert der LSVD massiv aber bislang erfolglos. Vielleicht ändert sich die Situation, wenn sich die ″Christliche″ Union mal irgendwann zum 21. Jahrhundert durchringt oder vom BVG dazu gezwungen wird.
Auch hier gab es eine Hörerdiskussion bei der sich die Hörer auch zu Wort melden konnten und dabei zum Teil recht absonderliches äußerten. Eine Dame rief beispielsweise an und meinte, daß sie es für unverantwortlich halte, wenn eine Frau ohne ″die finanzielle Absicherung durch einen Mann″ ein Kind bekäme. Herr, schmeiß Hirn vom Himmel!

Eine dritte, recht interessante Geschichte ist die von Sabine H. aus G., die sich 2100 Euro zurückbezahlen ließ. Diese hat sie dafür verbraucht, mittels einer Privatdetektei ihren Freund zu überwachen, ob er ihr untreu sei. War er nicht. Dafür hat er sie allerdings nach Bekanntwerden (via Radio!) der Geschichte verlassen, wobei man an dieser Stelle sich noch nicht so ganz im Klaren darüber ist, ob das nun eher zum Lachen oder zum Weinen gedacht ist.

Derartige Geschichten tragen natürlich zum Bekanntheitsgrad der Gewinnspiele und damit der Radiosender bei, aber deswegen von einem fingierten Gewinner auszugehen ist ein ziemlich heftiger Vorwurf. Eine kurze Recherche meinerseits ergab, daß es die betreffende Frau F. tatsächlich gibt (u.a. hat sie sich sogar via Facebook bei Antenne und den anderen bedankt) – allerdings möchte ich aus Pietätsgründen in dem Zusammenhang nicht weiter nachbohren.

Antenne spielt ganz sicher fair – ich werde versuchen zu dem Zweck ein kurzes Interview mit Herrn Leikermoser zu bekommen. Ist das nun verwerflich? Ich denke, nein. Es ist ganz einfach eine unterhaltsame Werbemasche.

Zahlmeister Europas?

Immer wieder liest man, der arme deutsche Steuerzahler wäre der „Zahlmeister Europas„, da Deutschland ja der größte Nettozahler der Europäischen Union ist. Wenn sich ein Politiker aus einem Umfragetief befreien will, wettert er dagegen. Das blöde ist nur: Es stimmt einfach nicht.

Deutschland zahlt zwar tatsächlich den größten Betrag ein, gemessen an den Ausgaben pro Kopf beziehungsweise am Bruttoinlandsprodukt liegt Deutschland allerdings eher im Mittelfeld. Der Guardian hat den neuesten Bericht der EU-Kommission (hier als xls) kommentiert und natürlich vor allem hinsichtlich der Interessen des UK aufgeschlüsselt. Letztendlich hat sich im Vergleich zu 2010 (hier als pdf) nicht viel getan; Letztendlich gibt es 2011 insgesamt 9 Geberländer (also Nettozahler) und 18 Nehmerländer (Also Nettoempfänger).

Die Zahlen sind aber nur eine Seite der Medaille: Sieht man sich die Zahlen bezüglich der Geber- und Nehmerländer mal in der Kopfstärke an, gewinnt der Begriff der europäischen Solidarität gleich eine ganz andere Bedeutung. Blicken wir erstmal auf die nackten Zahlen (die des Guardian), denn Zahlen lügen nicht – nur die Art, wie sie interpretiert werden: (Hier als pdf downloaden )

Hier zeigt uns der erste Blick schon, daß Deutschland mit einem Anteil von 0,75% des BIP tatsächlich deutlich weniger als der Durchschnitt bezahlt (0,87% des BIP). Pro Kopf gesehen bezahlt Deutschland allerdings mehr als der Durchschnitt. Pro Kopf am meisten erhält interessanter Weise Luxemburg, am wenigsten Großbritannien. (Kroatien steht zwar dabei, wird aber erst im Juli 2013 der EU beitreten)

Interessant ist auch die Tabelle, wenn man mal die Einwohnerzahlen nebeneinander hält. Dann stellt man nämlich fest, daß im Gegensatz zu der Behauptung, eine Minderheit müsse eine Mehrheit finanzieren (wie es sich aus der Länderverteilung ergeben würde), eher eine große Mehrheit eine Minderheit mitfinanziert.

Geberländer Einwohner
Dänemark 5.580.729
Deutschland 81.903.000
Finnland 5.404.956
Frankreich 65.447.374
Italien 60.626.442
Niederlande 16.680.000
Österreich 8.460.390
Schweden 9.514.406
Vereinigtes Königreich 61.792.000
Insgesamt 315.409.297
Nehmerländer Einwohner
Belgien 10.951.266
Bulgarien 7.364.570
Estland 1.340.021
Griechenland 9.903.268
Irland 4.581.269
Lettland 2.074.605
Litauen 2.988.381
Luxemburg 524.853
Malta 417.608
Polen 38.501.000
Portugal 10.602.000
Rumänien 19.042.936
Slowakei 5.404.322
Slowenien 2.057.660
Spanien 47.212.990
Tschechische Republik 10.526.685
Ungarn 10.005.000
Zypern 1.120.489
Insgesamt 184.618.923
Summe aller EU-Bürger 500.028.220

Also von wegen Minderheit bezahlt eine Mehrheit oder so ein Quatsch. 315 Millionen finanzieren 184 Millionen mit, das ist ein Verhältnis von 1,68:1; Anders formuliert: 37,4% der EU Bürger müssen von 62,6% unterstützt werden. Jeder Bürger aus den Nehmerländern wird von fast zwei Bürgern aus den Geberländern unterstützt.

Die EU ist auch eine Solidargemeinschaft. Das bedeutet, daß die Reichen die Armen unterstützen und das muß ja nicht gleich komplett altruistisch sein – durch die wachsende Wirtschaft am Ziel haben wir ja letztendlich auch Handelsvorteile.

Eines noch zum Schluß: Deutschland zahlt übereinstimmenden Presseberichten zufolge etwa 9 Milliarden Euro pro Jahr in die EU mehr ein, als es herausbekommt. Das sind 109,88€ pro Bürger und Jahr, 9,15€ im Monat und 30 Cent am Tag. Soviel könnten uns doch 60 Jahre Frieden und Freiheit wert sein, oder?

Marktforschung – Deine Stimme zählt?

Seit einiger Zeit fallen mir Radiowerbespots auf, die von den deutschen Marktforschern geschaltet werden. Motto: „Sag Ja zu Deutschlands Markt- und Sozialforschung.“ Das spricht Bände über eine Branche, die völlig zu Recht als eher zweifelhaft gelten dürfte.

Marktforscher arbeiten für Unternehmen, die ihre Produkte möglichst effektiv auf dem Markt unterbringen möchten. Das ist ja so weit erstmal ein halbwegs ehrenhaftes Motiv. Marktforschungsunternehmen erstellen zudem politische Umfragen und versuchen die Stimmungslage in der Gesellschaft zu messen und wiederzugeben. Sie befragen statistisch ausgewählte Bürger nach ihrer Meinung zu politischen Entscheidungen und dem Geschmack von Zahnpasta – es gibt praktisch nichts, was nicht auf die Art gemessen werden kann.

Das Ergebnis ist ein relativ stromlinienförmiges Produktangebot – können Sie sich noch an Zeiten erinnern, als man richtige Autos baute? Heutzutage sehen die Dinger alle gleich aus und scheinen auch nur noch in den selben sechs Farben ausgeliefert zu werden. Wenn die Marke nicht draufstünde wäre es schwierig zu entscheiden, ob man da einen BMW, einen Audi oder einen Mercedes vor sich hat. Zahnpasta schmeckt mehr oder weniger gleich, egal wie das Produkt heißt; Gleiches gilt für die meisten Erfrischungsgetränke. Individualismus ist auf dem Markt eben manchmal eine gefährliche Sache, das ist auch der Grund warum die Filmbranche oder auch die der Computerspiele lieber auf „bewährte“ Marken setzen und Serienweise immer dasselbe neu abliefern, statt sich ernsthaft etwas neues auszudenken. Im Gegenzug führt das dazu, daß selbige Marken immer ausgelutschter werden.

Daß dies das Ziel der Marktforscher ist, kommt auch in dem einen oder anderen Spot zu Geltung: „Fernseher ohne Fernbedienung. Haargel mit Zement. iPods ohne Kopfhörer. Zeitschriften im Din A 47 – Format? Gibt es nicht. Weil es Marktforschung gibt.“ Gut, kein Mensch würde einen mp3-Player ohne Kopfhörer kaufen… außer natürlich, sein alter Player ist kaputt, aber die Kopfhörer tun eigentlich noch. Warum dann also noch einen Satz Kopfhörer dazukaufen müssen und die anderen in den Müll werfen? Weil es Marktforschung gibt.

Ich gestehe, daß ich diesem System wahnsinnig gerne Sand ins Getriebe streue. Immer mal wieder ruft einer von denen an und will von mir irgendwas wissen und getreu dem Motto „Ihre Meinung ist uns wichtig“ äußere ich dann auch brav eine Meinung. Egal welche, gerne irgendeinen Unsinn. Letztens ging es um Fleischverpackungen und ob ich den Anblick von rohem Fleisch in der Verpackung eigentlich appetitanregend finde oder ob mir eine Rundumverpackung lieber ist, bei der ich das Produkt nicht sehen kann, dafür aber ein Foto des zubereiteten Produktes. Also eine Fertigessen-Verpackung. Natürlich habe ich die Geschichte mit dem Fertigessen brav erzählt und irgendwas über ekliges Blut und so erwähnt – und kaufe trotzdem weiterhein richtiges Fleisch. Ihr könnt mich mal.

Eine Variante sind die Umfragen, für die man sogar Geld bekommt: Globaltestmarket ist da der Vorreiter. Ich hab da auch einen Account und mag das sogar recht gern. Man sammelt Punkte, jeder Punkt ist genau 0,5 (amerikanische) Cent wert. Eine etwa 20 Minuten andauernde Umfrage bringt so um die 35-50 Punkte ein, also knapp einen halben Dollar. Hat man 1000 Punkte gesammelt, gibt’s einen Scheck über 50 Dollar. Das funktioniert tatsächlich.

Gemein ist daran allerdings, daß die vorher genau wissen wollen, in welche statistische Gruppe man gehört weil die eigentliche Umfrage erst nach Erfassen dieser Daten beginnt. Also geht es um Alter, Wohnort, Einkommen und so weiter und passt man nicht in die relevante Gruppe gibt’s keine Umfrage – und damit auch kein Geld. Also muß man vorher ein wenig flunkern und dem System weismachen, daß man zur Statistik passt und das ist nicht ganz so einfach: Da man nicht weiß worum es geht ist nicht sicher, ob man eher der Armer-Schlucker- oder der Krösusfraktion zugehörig sein sollte oder ob man für die Umfrage Single oder Clansoberhaupt sein muß. Ein bißchen herantasten ist also notwendig.

Als Faustregel kann man sich merken, daß Personen zwischen 30 und 40 Jahren gesucht werden mit einem überdurchschnittlichen Haushaltseinkommen (3000 Euro und mehr) und einer Vorliebe für allerlei technische Geräte. Sie sollten stets angeben, Hauptverdiener zu sein und alle Aktivitäten auch selbst zu machen. Auch sind in aller Regel vermeintliche Kinder nicht schlecht geeignet, um die Auswahlkriterien zu überstehen. Ganz wichtig ist, daß man so gut wie nie in einer der vorgeschlagenen Branchen tätig sein sollte. Sind sie erstmal drin, können Sie alles behaupten was sie wollen, es muß nicht einmal logisch sein. Wenn Sie gefragt werden, welches Gerät Sie normalerweise beim Duschen benutzen, warum nicht Dampfkocher angeben, wenn die Auswahl schon dasteht? Vielleicht gibt es dann bald Dampfdruckkochtopfduschen. Weil es Marktforschung gibt.

Was habe ich zuhause schonmal getan? Das Licht ausgeschaltet und dann entfeuchtet?

Ein schönes Beispiel. Ein anderes (aus der gleichen Umfrage) ist das hier:

Bitte, ich will das Fitnesstraining künftig per Fernbedienung haben…!

Es ist schwer, bei sowas ernst zu bleiben. Das Schöne ist, daß diese Umfragemaschinen annähernd jeden Unsinn schlucken. Und das Schönste daran ist: Während ich diesen Artikel geschrieben habe, habe ich die Umfrage auch gemacht. Das hat – zugegebener Maßen – beinahe eine Stunde gedauert. Aber für das Vergnügen, denen zu erklären, daß ich die Aktivität „sms empfangen“ grundsätzlich nur nachts zwischen 2 und 3 Uhr morgens mit Hilfe eines Staubsaugers und nur im Hobbykeller mache, haben die mir doch glatt 5 Dollar bezahlt. Ich bin gespannt auf die Produktpalette 2013.

Von der Desinformation

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung zieht eine negative Bilanz zum Dosenpfand – und erklärt Rot-Grün dafür und für das Gesetz verantwortlich. Was sie irgendwie vergißt zu erwähnen: Das Gesetz ist gar nicht von Rot-Grün.

Bilanz nach zehn Jahren: Prestigeobjekt Dosenpfand“ verkündet die FAZ und schreibt darunter: „Fast genau zehn Jahre später fällt die Bilanz des Prestigeobjektes der rot-grünen Bundesregierung ernüchternd aus“. Das ist, so auch der Tenor in den meisten Kommentaren zum Artikel, ja das Grundübel des Dosenpfandes: Ein linker Zeitgeist habe die armen Getränkehersteller gezwungen, die Getränkepreise zu erhöhen für ein „Zwangspfand“, das natürlich nur den Bürger ausnimmt und nichts bringt.

Tatsächlich hatte das „Dosenpfand“, wie das „Einwegpfand“ in der Presse genannt wird, das Ziel, die zunehmende Vermüllung der Landschaft einzudämmen und dem entgegenzuwirken und diese Intention ist zunächst mal gar nicht schlecht. Man muß nur nach Südeuropa fahren – oder nach Frankreich, was das betrifft – um sich anzuschauen wie es auch aussehen könnte. Rebelliert gegen das Gesetz hatten gar nicht so sehr die Getränkehersteller sondern vor allem die Supermärkte und Discounter, die es sich nicht nehmen ließen, mit Hinweisschildern zu den „Annahmestellen für das Zwangspfand“ auch in den eigenen Geschäften massiv Stimmung gegen das Gesetz zu machen.

Bei so manchem eher einfachen Geist verfing die Masche auch – beim Großteil der Bevölkerung nicht. Scheinbar zählt zu diesen einfachen Geistern auch ein gewisser Johannes Pennekamp, der als freier Mitarbeiter bei der Zeit und als Weitwinkel-Reporter seit dem 1.4.2012 auch für die FAZ schreibt. Denn ein gewisses Minimum an Recherche, und sei es auch nur nach dem Wikipedia-Prinzip, hätte ihm verraten können, daß er da ein Merkelgesetz angreift.

Diese Kurzsichtigkeit verwundert bei einem offensichtlich intelligenten Mann wie Pennekamp dann doch – es sei denn, das sorgfältig choreographierte Orchester des konservativen Medienwahlkampfes beginnt nun zu spielen. Auftakt war sicherlich die Steinbrück-Geschichte, dann kam dazu die lancierte Story rund um die „antisemitische SPD„, das Dosenpfand… ich bin gespannt, was da noch alles kommt. Die nächsten Wochen empfiehlt es sich sicherlich, den Brechreiz zu unterdrücken und Bunte, Bild und Focus zuzuschauen, wie sie das aufziehen. Dabei wird man viel über unsere Medienwelt lernen können.

Also nochmal
Es ist doch relativ einfach: Im Jahre 1991 beschloß der damalige Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) eine neue Verpackungsverordnung für Deutschland. Seine Nachfolgerin, „Kohls MädchenAngela Merkel (CDU) novellierte die Gesetzesvorlage 1998. Da es 1998 einen Regierungswechsel gab, trat das Gesetz eben unter Rot-Grün 2003 in Kraft (weil die Voraussetzung dafür, nämlich die Tatsache, daß die Menge der Mehrweg-Getränkeverpackungen unter einen Anteil von 72% gefallen war, erfüllt wurde) und mußte 2006 noch einmal angepasst werden, damit es der EU-Rechtsnorm entsprach.

Es ist ein CDU-Gesetz, und dafür auch ein ziemlich gutes.

Die Akzeptanz wäre sicherlich höher gewesen wenn man zum Einen nicht diesen ganzen Ausnahmeblödsinn eingeführt hätte (Mit Kohlensäure = Pfand; Ohne Kohlensäure = kein Pfand was die tollen Getränke mit „verbesserter Rezeptur“ zur Folge hatte: Limos ohne Kohlensäure, bah!), und wenn zum Anderen die Discounter und Supermärkte sich nicht auf diese Kampagne eingelassen hätten.

Der Artikel hat sachlich recht
In einem Punkt muß ich aber ganz deutlich eine Lanze brechen für Herrn Pennekamp: Von den Fakten aus betrachtet hat der Artikel voll und ganz recht: Der Anteil an Mehrweg ist sogar zurückgegangen. Man kann darüber streiten ob das gut ist, auf jeden Fall hat ein Umdenken in der Gesellschaft stattgefunden: Man schmeißt die Dose nicht mehr einfach in die Wildnis, auf die Straße oder ins Gleis, man bringt sie zurück.

Und das ist schließlich der Beweis, daß das Gesetz Erfolg hatte; und zwar da wo es den auch haben mußte.