Die Luft wird dünner….

… in Europa. Bei einem Zusammenstoß zwischen Demonstranten und der Polizei in Madrid wurden 33 Polizisten und 43 Demonstranten z.T. schwer verletzt.

Das folgende Video zeigt ein paar Bilder der Demonstration:

Die Quelle ist hier zu finden. Nach dem Bericht gerieten einige Demonstranten in Panik als die Polizei begann, die Menge zu zerstreuen, wie ein pensionierter Bergmann der AP erklärte. Er sagte: „Wir waren friedlich zu Fuß dorthin unterwegs, wo die Gewerkschaftsführer sprachen und sie begannen, wahllos zu feuern. Es gab keine Warnung “
Die Demonstrationen richteten sich gegen den Abbau der Kohlebergbausubventionen in Spanien. Kohle ist ein wichtiger Bestandteil des Energiemarktes in Spanien, die Subventionen sollen um 63% gekürzt werden was laut Gewerkschaften  rund 30.000 Arbeitsplätze bedroht. Die Bergleute waren, die wandern aus dem Norden des Landes in den letzten zwei Wochen gewandert und wurden von Zehntausenden von Spaniern unterstützt, die auch gegen Ministerpräsident Mariano Rajoy protestierten. Der Ministerpräsident kündigte seine Entscheidung an, die Mehrwertsteuer um 3 Prozent zu erhöhen, als Teil des Plans, die öffentlichen Haushalte um  65 Mrd Euro in den nächten zweieinhalb Jahren zu kürzen. Rajoy verkündete außerdem einen 3,5-Milliarden-Euro-Schnitt auf lokale Staatsausgaben.

Der Marsch der Minenarbeiter auf Madrid erfuhr ein mäßiges Echo in den Deutschen Medien. Immerhin findet man dazu etwas auf Spiegel Online und in der Zeit, aber ansonsten ist die Nachrichtenlage eher dünn und es sind in den Berichten fast immer die Demonstranten, die als erste zuschlagen.

Seit Stuttgart 21 glaube ich sowas aber nicht mehr ohne weiteres. Ich war auf vielen Demos und habe auch schon einige erlebt, die aus dem Ruder liefen. Und es stimmt – wenn sich der schwarze Block oder andere Spinner unter die Demonstranten mischen, dann wird es gefährlich. Immer wieder erreichen mich jedoch auch Berichte und Erzählungen, wonach die Polizei gezielt Aggressionen schürt oder sogar selbst Leute unter die Demonstranten mischt um Rabatz anzufangen; Ist erstmal was passiert hat sie nämlich die „Pflicht“ einzugreifen. Das war besonders bei den Zusammenstößen rund um die Antiglobalisierungsdemonstrationen in Genua der Fall, was schließlich einen jungen Mann auch das Leben kostete.

Seit Stuttgart 21 sehe ich solche Vorkommnisse immer zweifelnder. Damals wurden nicht nur friedliche Linke und sogenannte „Chaoten“ (BILD-Jargon), sondern tatsächlich typisch bürgerliche Menschen aktiv, die auch prompt völlig verblüfft waren, wie man mit ihnen umging. Ein pensionierter Polizist berichtete, daß es auch auf der anderen Seite nicht einfach ist, er fühlte sich regelrecht „verheizt“ von der Politik. Der Artikel zitiert einen 30jährigen Polizisten mit folgenden Worten: „Ich weiß, dass wir bei brisanten Großdemos verdeckt agierende Beamte, die als taktische Provokateure, als vermummte Steinewerfer fungieren, unter die Demonstranten schleusen. Sie werfen auf Befehl Steine oder Flaschen in Richtung der Polizei, damit die dann mit der Räumung beginnen kann. Ich jedenfalls bin nicht Polizist geworden, um Demonstranten von irgendwelchen Straßen zu räumen oder von Bäumen runterzuholen. Ich will Gangster hinter Gitter bringen“

Wenn man so etwas liest kommen mehr als nur Zweifel an unserer Staatlichkeit. Ich weigere mich noch immer zu glauben, daß es eine systematische Unterdrückung Andersdenkender gibt, bin mir aber sicher, daß die gezielte Diffamierung ganz besonders von jungen Menschen, die sich für etwas einsetzen, stattfindet. Medien, Politik und wer auch immer die Politik manchmal lenkt. Nach und nach werden da ja immer mehr Dinge, besonders in Baden-Württemberg aufgedeckt, die schlimmeres erahnen lassen.

In welche Welt, in welche Zeit geraten wir, wenn die Verfassungen nicht mehr gelten und alles dem Gewinnstreben, ja schlicht der Habgier untergeordnet wird? Wenn die Polizei nicht mehr als Diener der Gesellschaft, sondern als ihr Unterdrücker agieren muß, als Erfüllungsgehilfe von Politikern, die auch nur als Erfüllungsgehilfen mächtiger Konzerne und Banken für das Volk die Demokratie spielen müssen? Man sehnt sich nach der CDU-Spendenaffäre zurück, als lediglich eine Handvoll krimineller Verfassungsbrecher eine konservative Partei ruinierten, nachdem sie das Ansehen des Landes nach Kräften zu erniedrigen gesucht und die deutsche Einheit mutmaßlich um Jahre verzögert hatten, nachdem die Sowjetunion ziemlich empört auf Kohl reagiert hatte.
Als 1998 Gerhard Schröder und die SPD mit den Grünen zur allgemeinen Verblüffung an die Macht kam überschlug sich die neue Regierung zunächst in dem ernsthaften Bestreben, alles besser zu machen als die Vorgänger. Vor lauter Eile begannen sie allerdings, Murks abzuliefern wie das berühmte Scheinselbstständigen-Gesetz, das manche durchaus normalen Arbeitsverhältnisse plötzlich verunmöglichte.

Dann aber begann das Versagen der europäischen Sozialdemokratie, die Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts ziemlich mehrheitlich die europäischen Regierungschefs stellte (Wobei die Auflistung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt):

Natürlich gab es noch konservative Regierungen, Berlusconi war in Italien immer wieder Ministerpräsident, aber selbst in der Schweiz war mit Ruth Dreifuss von 1999-2002 eine Sozialdemokratin Präsidentin. Im Europäischen Parlament spiegelten sich diese Mehrheiten nicht direkt wider – und tatsächlich machte die gesamte Europäische Sozialdemokratie den Fehler, die Errungenschaft der Arbeiterklasse, die Emanzipation des Arbeiters von der Sache zur Person bis hin zum Menschen, den Verlockungen der vermeintlichen Gewinne der neoliberalen Denkrichtung zu unterwerfen.

Seit 2005 regiert nun bei uns Angela Merkel – eine schwierige Aufgabe in einer Zeit der katastrophalen Wirtschaftskrisen. Spätestens jedoch seit der Entstehung der zweiten Schwarzgelben Koalition 2009 steht die Regierung des Bundes, sowie die meisten Länder unter einem permanenten, und leider nicht unberechtigten Korruptionsverdacht.
Korruption (vom lateinischen „corruptus“; bestochen) ist so ziemlich das schlechteste, gefährlichste und tödlichste, was einer Demokratie passieren kann. Ein korrupter Politiker benutzt die ihm vom Volk gegebene Macht um Einzelne zu begünstigen und das möglichst im Gegensatz zum Gemeinwohl, welches eigentlich seine Hauptaufgabe darstellt. Schon im Mittelalter waren sich große, internationale Organisationen wie die Kirche darüber im klaren, daß ein gewisses Maß an Korruption das Vertrauen in die Organisation als solche nicht nur erschüttern, sondern schwer verwunden kann, siehe Ablaßhandel.

Die Menschen werden ungehalten und in Griechenland wie in Spanien, die von der Korruption mit am stärksten betroffen waren, sollen nun die Leute, die schon unter den bisherigen Ausbeutungen gelitten haben, noch die Zeche dafür bezahlen. Auch bei uns ist das so und beschäftigt auch gerade das Verfassungsgericht, selten aber geht der Deutsche für eine Sache gemeinschaftlich auf die Straße. Das ist in Spanien anders; und wie man manchen Berichten entnehmen kann wurden dort auch Kinder von Gummigeschossen verletzt.

Das ist auch so ein nettes Wort: „Gummigeschosse„. Klingt nach einer harmlosen Spielerei, einem auf-die-Finger-Klopfen seitens der Polizei an gewalttätige Demonstranten, die ja bekanntermaßen mit Molotowcocktails und Steinen werfen. Nur so ist das ganz und gar nicht.
Gummigeschosse werden von Pistolen oder, wie hier in Madrid, von Gewehren abgefeuert und können schwere Verletzungen verursachen. Darum sind Polizisten eigentlich angehalten, solcherlei Geschosse keinesfalls auf Kopf oder Hals oder den Rücken eines Opfers zu richten. Mal abgesehen davon daß sie das trotzdem gerne tun: Wie das folgende Video zeigt feuerte die Polizei in Madrid zum Teil schlicht blind in die Menge oder ballistisch irgendwo hinein – man versuchte offenbar die Demonstranten entweder massiv einzuschüchtern oder aber eine gewalttätige Reaktion herbeizuführen, was in der Berichterstattung die Legitimität des Protestes in Zweifel gezogen hätte.

Was bleibt ist ein weiterer Riß zwischen Regierenden und Regierten. Ein weiteres Steinchen in dem Mosaik der Verzweiflung, an dem demagogische Spinner ebenso eifrig arbeiten wie habgierige Angehörige der Oberschicht und deren Handlanger. Man muß sich mal eben über eine Tatsache wirklich klar werden: Im Europa des 21. Jahrhunderts wird auf Menschen, die ihre Meinung und ihren Unmut ausdrücken, geschossen. Und zwar willkürlich, nicht auf ein paar mögliche extreme Spinner. Nein, auf ganz normale Arbeiter die nichts anderes verlangen als daß man ihnen nicht einfach die Existenzgrundlage wegnimmt, weil irgendeine international agierende Bank grad einen schlechten Tag hat.

Die sogenannte Schuldenkrise ist keine Krise der Staatsschulden, das muß der Öffentlichkeit endlich mal wider den Mainstream deutlich gemacht werden. Eifrig arbeiten die Medien daran, jedem die Logik zu vermitteln, daß Staaten, die ja „über ihre Verhältnisse gelebt haben“ nun in eine Schuldenkrise geraten sind, gerade so wie ein Oniomane. Das Perfide hinter dieser Verknüpfung ist, daß damit alle sozialstaatlichen Errungenschaften, die Europa eigentlich ausmachen und die maßgeblich zum europäischen Frieden der letzten 60 Jahre geführt haben, damit als eigentliche Verursacher der Krise dargestellt werden – und nicht die eigentlichen Verursacher: Finanzjongleure, die auf Lebensmittel wetten und der Rendite wegen kleine Kinder verhungern lassen, maßlose Spieler, die ganze Staaten hopsgehen lassen um eine Wette zu gewinnen und gewissenlose Spekulanten, die sich einen Dreck dafür interessiert haben, wer bei ihren Hochrisikogeschäften eigentlich am Ende die Zeche zahlt.

Überlegen Sie mal: Wenn einer ein Casino aufmacht und die Spieler darin pleite gehen – würden Sie es als Ihre Aufgabe als Steuerzahler sehen, die Spieler wieder mit Geld auszustatten? Jetzt nicht so, wie man es erwartet, als Sozialdemokrat; Nämlich daß man ihnen auf die Füße hilft und ihnen den Weg weist; sondern so, daß die Spieler hinterher das verlorene Geld von Ihnen wiederbekommen – und der Casinobesitzer freundlich lächelt. Klingt doch irgendwie seltsam, nicht?
Genauso funktioniert aber grad die europäische Politik – weil man den Politikern glaubhaft Angst gemacht hat, ansonsten durch zwei, drei Bewertungsänderungen und ein halbes Dutzend Spekulationsgeschäfte gleich mal die ganze Währung, den Euro, und dazu das daran gebundene Staatengebilde zu zerstören.

Letztendlich droht uns die Finanzwirtschaft mit Krieg und die Politik tut alles, um das zu verhindern. Bei Demonstrationen wie der in Stuttgart oder auch nun der in Madrid wird klar, was das bedeutet: Sie lässt notfalls auf das eigene Volk schießen. Ist das noch Demokratie?


Vom schönen Wald

Kannst du den schönen Wald noch sehen
durch all die Bäume dieser Zeit?
Kannst du die Stimme in dir hören
wie sie verstört nach Hilfe schreit?

Kannst du die Bestie in dir spüren
wie sie versucht dich auszuhöhlen
mit Dingen, die dich erst verführen,
doch dann beginnen dich zu quälen?

Kannst du dich noch im Spiegel sehen
durch all den Wahnsinn dieser Welt?
Kannst du noch stolz und aufrecht gehen
und sagen dass dir Alles so gefällt?

Spürst du die Last auf deinen Pfaden,
durch deine Zwänge und Fassaden,
durch all den Scheiß nach dem wir streben
und dabei viel zu oft vergessen… zu leben?

Kannst du den schönen Wald noch sehen
durch all die Bäume dieser Zeit?
Kannst du die Stimme in dir hören
wie sie verstört nach Hilfe schreit?

Kannst du noch durch den Spiegel sehen
durch all den Wahnsinn dieser Welt?
Kannst du noch stolz und aufrecht gehen
und sagen dass dir Alles so gefällt?

Willst du den schönen Wald noch sehen
durch all den Wahnsinn deiner Welt?
Willst du noch stolz und aufrecht gehen
und sagen dass dir nicht Alles so gefällt?

Lastknightniks Woche (27/2012)

Wie (fast) jeden Freitag eine kurze Nachschau über die fünf m.E. nach wichtigsten oder interessantesten Geschichten der Woche zur Nachlese.

Eigene Artikel:

Ansonsten:

Die Vereinigten Staaten von Europa. Ein Traum.

Manchmal wünsche ich mir, die Vereinigten Staaten von Europa wären bereits Wirklichkeit. Das wäre schön. Manches Hindernis wäre endlich weg und vor allem dieses alberne Provinzdenken, das dazu führt, daß jeder Dorfbürgermeister erst noch seine eigenen Schäfchen ins Trockene bringen kann, wäre dann endlich vorbei.

Was ist eigentlich Europa? Was ist die EU? In vielen Köpfen ist die EU mittlerweile eine Bedrohung geworden; Was vormals vor allem eine stockkonservative Ansicht war, nähmlich daß die EU letztlich die Aufgabe nationaler Identität sei, ist mittlerweile im Zuge der Schulden-, die ja eine Bankenkrise ist, ins linke Lager eingerückt. Von den Befürwortern werden stets ähnliche Argumente gebracht: Daß uns die EU eine einheitliche Währung (derzeit schlecht ein Pro-Argument), Zoll- und Grenzfreiheit (Yep, aber die Zölle in die EU rein sind z.T. astronomisch!) und vor allem, und das ist für mich das einzige, wirklich zählende Argument, daß uns der Weg hin zur EU 60 Jahre Frieden, Freiheit und Wohlstand beschert hat. Und das stimmt auch.

Von Jean-Claude Juncker, dem Vorsitzenden der Euro-Gruppe und Premierminister von Luxemburg, stammt ein wirklich gutes Zitat: „Wer an der Idee Europas zweifelt, der sollte Soldatenfriedhöfe besuchen.“

Allerdings ist die EU leider mehr. Den meisten Bürgern ist sie zuallererst unheimlich, was viel damit zu tun hat, daß es zur erfolgreichsten Strategie von Politik und Medien gehört, Europa, die EU/EG oder „Brüssel“ für irgendeinen Mißstand verantwortlich zu machen. Als ich 2009 bei einer Wahlkampfveranstaltung „meines“ CSU-Bundestagsabgeordneten Max Lehmer darauf hinwies, daß er in seiner Rede sechs „Vergehen der EU“ aufgelistet habe, die seine Partei alle samt uns sonders im europäischen Parlament in Straßburg bzw. im Rat der Europäischen Union mitbeschlossen habe, hat man mir – von Seiten des CSU-Wahlvolkes! – „Kleinlichkeit“ vorgeworfen. Ähnlich erging es mir, als ich ihn bei einer Debatte nach dem extakten Sinn seiner Worthülsen fragte, auch das kam bei den Anhängern, naja, mäßig an.
Dennoch ist das „böse Europa“ ein beliebtes Mittel unter Politikern, da die meisten Bürger nicht verstehen – und nicht verstehen sollen (!) – wie Europa eigentlich funktioniert. Auch die Presse hat da entweder gewollt oder ungewollt ernstzunehmend Probleme; Schon die Unterscheidung zwischen der EU und dem davon völlig unabhängigen Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte scheint immer wieder für Probleme zu sorgen.

Die EU, das ist vielen Bürgern nach und nach klargeworden, scheint mehr oder weniger in der Hand mächtiger Lobbyvertreter zu sein. Eines der mächtigsten Konglomerate diesbezüglich ist die Agrarlobby, der man nicht nur die Gurkenkrümmung (siehe Rahmentext) sondern auch die mächtige Zollbehörde verdankt, die Agrarprodukte der EU vor billigen Produkten aus dem Ausland schützt, indem z.B. amerikanischer Weizen künstlich so verteuert wird, daß er hierzulande nicht erschwinglich ist.

Die sogenannte Gurkenkrümmungsverordnung war eine von der Europäischen Union auf Anraten der Uno-Wirtschaftskommission für Europa eingeführte Verodnung, die besonders im Interesse der Gemüsegroßhändler war. Dieses „Symbol der Bürokratie“ war im Grunde nichts anderes als eine Umsetzung einer direkten Forderung aus der Wirtschaft.
Hintergrund dieser Forderung war vor allem eine Normierung, die den Transport erleichtert und damit verbilligt und außerdem eine gewisse Qualitätssicherung darstellt. Bis heute ist die Norm (die 2009 abgeschafft wurde) in vielen nationalen Gesetzgebungen weiterhin in Kraft bzw. wird sogar vom Großhandel intern weiterhin umgesetzt.
Ein Nebeneffekt dieser Regelung war aber auch, daß bei vielen krumwachsenden Gurken manche Kleinbauern durch die Verluste in den Ruin getrieben werden konnten – während die Großindustrie die Verluste leicht abschreiben konnte.
Weiteres dazu findet man in der Wikipedia und hier.

Dank der Krise haben die Bürger nun aber immer mehr gesehen, daß insbesondere die Finanzlobby mehr oder weniger machen kann, was sie will. Sie kontrolliert durch einige wenige Politiker mehr oder weniger die Europäische Union, Bankengesetze werden keinesfalls verschärft und das muntere Verschleudern und Wetten zu Lasten des Steuerzahlers geht fröhlich weiter. Die EU, die als übergeordnete Institution den Bürger eigentlich schützen sollte, hat sich in den Augen vieler längst zum eigentlichen Verbrecher gewandelt.

Die Vereinigten Staaten von Europa

In allererster Linie fühle ich mich als Europäer, erst in zweiter Linie als Deutscher. Das hat auch etwas damit zu tun, daß Ich als 1982er Jahrgang die EU als selbstverständlich erlebt habe, sobald ich groß genug war um mich überhaupt für sowas wie Politik zu interessieren. Ich habe mit meinen Eltern die Fahrt nach Österreich gemacht, wo wir erstmalig nicht mehr an der Grenze anhalten mußten und mein Vater hat mir erklärt, warum. Als ich alt genug war, um selber reisen zu können gehörte die Reisefreiheit für mich einfach dazu. Erstmalig kamn ich mit den Verhältnissen „von früher“ in Kontakt, als ich nach Rußland gefahren bin: Visum, Ausreisenachweis, Aufenthaltsbescheinigung – fürchterlich. Als würde ich da illegal einwandern wollen – was zugegebener Maßen manchmal seinen Reiz hat.

Ich kann mich an einen Text aus der Schule erinnern, da haben wir gerade die Deutsche Einigungsbestrebung (1848-1871) behandelt; der Autor des Textes ist mir nicht mehr geläufig und leider finde ich auch das Heft nicht mehr in das ich den damals eingeklebt habe. Auswendig kann ich ihn dennoch:

„Sohn, sag, was bist Du?“
„Vater, ich bin ein Deutscher.“
„Ein Deutscher? Was soll das sein? Du kannst sein ein Sachse oder ein Bayer, vermagst Tiroler sein mit Wurzeln in Mailand. Doch ein Deutscher kannst Du nicht sein – das gibt es nicht.“
„Vater, ich bin ebenso ein Deutscher wie ein Sachse. Meine Nation ist das Deutsche, meine Heimat der Sachse.“

Letztendlich spiegelt das wider, wie damals die ältere Generation über die seltsamen Träumereien der Jugend dachte, die in Turnvereinen und Burschenschaften über ein geeinigtes Deutsches Reich nachdachte und das mit der Revolution 1848 auch durchzusetzen versuchte. Wir Deutschen sind, wie man so schön sagt, eine „Kulturnation“ – und damit eigentlich ein Vielvölkerstaat.
Warum soll so etwas nicht auch auf europäischer Ebene gehen? Wenn man mal das Provinzdenken beiseite schiebt sind die kulturellen Unterschiede zwischen Münchnern und Parisern nicht sonderlich größer als zwischen Münchnern und Berlinern. Das eine ist aber eine „fremde“ Nation, das andere nicht.

Von den grundsätzlichen Dingen
Manche Dinge müssen allerdings vorher grundsätzlich hinhauen: Um einen Staatenbund in einen Bundesstaat umzubauen benötigt man einiges. Blickt man in die USA, die (sehr grob gesprochen!) die Unterteilung: „Bund macht Außenpolitik, die Staaten machen Innenpolitik“ haben, so wäre ein Beispiel gegeben, das allerdings nicht wirklich in die Europäische Denkweise passt. Die Auseinandersetzungen rund um die Gesundheitsreform von Obama („Obamacare“) kann man nur dann verstehen, wenn man sich darüber klar wird, das hier die US-Regierung eigentlich in die Zuständigkeiten der Staaten, in deren innere Autonomie eingreift. Das regt die Wahnsinnigen rund um die Tea-Party so auf.

Europa benötigt dreierlei Dinge zunächst: Eine gemeinsame Verfassung, die eine funktionelle, demokratische Staatlichkeit ordnet (i.e. Unter Kontrolle des europäichen Parlamentes, das direkt von der Bevölkerung gewählt wird!). Eine europäische Regierung, die sich nicht mehr aus den Regierungen der Länder bzw. irgendwelchen abgeschobenen schwäbischen Maultaschen zusammensetzt; Am besten auch diese direkt gewählt. Und Drittens eine einheitliche Steuer- und Abgabengesetzgebung, damit endlich Schluß ist daß sich Länder in Europa auf Kosten ihrer Nachbarn bereichern.

Daneben gibt es eine Reihe Dinge, die zu tun wären: Wir brauchen eine Wehrreform, die ein Europäisches Verteidigungsheer vorsieht, das nur innerhalb europäischer Grenzen arbeiten darf, es sei denn, es erfüllt einen humanitären (!) Auftrag. (Es wäre Schwachsinn, wenn die Grenzsoldaten zugucken wie vier Meter hinter der Grenze ein Kind ertrinkt) Ob diese europäische Armee dann Teil der NATO ist oder nicht sollten schlicht die Bürger entscheiden dürfen.
Außerdem sollte es die Möglichkeit von europäischen Bürgerentscheiden geben, natürlich mit Quorum aber nicht mit nationalem Quorum mehr; Das ist zwar irgendwo ungerecht für kleinere Gruppen, aber es sollte dann jenen eben die Aufgabe gestellt werden, Mehrheiten zu finden. Die EU krankt daran, daß Straßburg und die Bürger entmachtet und Brüssel der alleinige Machtfaktor ist; Wäre es umgekehrt wäre mancher Kelch an uns vorbeigegangen. Derzeit steuert die Kommission Europa und Merkel die Kommission. Und manchmal fragt man sich, wer Merkel steuert.
Demokratie heißt aber letztendlich die Diktatur der Mehrheit über eine Minderheit – zeitbegrenzt. Daß die Diktatur einer Minderheit keine gute Idee ist, auch wenn es zeitbegrenz ist, sieht man derzeit sehr schön in Deutschland. Oder, was das betrifft, in Spanien, Griechenland, Portugal.

Das sind jetzt nur die ersten, eher spontanen Gedanken. Aber ich persönlich fühle mich in erster Linie als Europäer, in zweiter als Deutscher, in Dritter als Bayer und eigentlich bin ich Pöringer… 😉

Vom neuen Meldegesetz

Normalerweise liest man derartiges in der Süddeutschen oder sogar bei der FAZ; Ausgerechnet Chip.de machte mich heute auf eine neue Frechheit unserer sogenannten Bundesregierung aufmerksam: Ein neues Meldegesetz.

Derartige Artikel sucht man normalerweise nicht bei einem Computermagazin. Dennoch hat Chip.de darauf hingewiesen, wie das neue Meldegesetz funktioniert und das ist wirklich erstaunlich. Das Meldegesetz ist eine historische Regelung des Staates: Der Staat führt eine Art gigantische Adresskartei und versucht über die Meldepflicht damit Schritt zu halten, diese Adressdaten auch auf dem aktuellen Stand zu halten. Diese daten können abgefragt werden, beispielsweise wenn ein Schuldner versucht, sich abzusetzen, aber so ganz einfach war das bislang nicht. Insbesondere Unternehmen, die Daten gerne für Werbezwecke verwenden (Adresskarteien zum Beispiel die über Ihre Käufe Daten führen und mit Unternehmen wie Quelle oder Neckermann zusammenarbeiten so daß ein Käuferprofil inkl. Zahlungsmoral aufgebaut werden kann.), hatten da bislang keine Chance. Das Neue Gesetz hingegen ist dahingehend besonders perfide: Das Unternehmen darf einen (kostenpflichtigen) Datenabgleich durchführen.

Das heißt auf gut Deutsch, daß die Unternehmen nur irgendwelche Daten über Sie haben müssen und schon dürfen sie sich auf den aktuellen Stand bringen. Ihr Widerspruch bringt da nichts. Und die Daten kann man sich schnell holen – von der nächsten Telefonbuch-CD zum Beispiel.

Nun könnte man sich fragen, ob das Ganze eigentlich die Aufregung wert ist. Was soll’s, Adressdaten stehen auch im Telefenbuch, oder? Naja. Beschlossen wurde die Chose am 28.6., also genau am Tag des Deutschlandspiels (Halbfinale) der Fußball-EM. Ganz zufällig. Übrigens von ca. 30 Abgeordneten, auch das nur mal so am Rande… Alleine diese Methodik ist schlichtweg perfide. Das nächste ist, daß die Datensammelei von Privatunternehmen eine wirklich gruselige Sache ist; Jede Payback-, Punkte-, Kunden- oder Cash-Karte sammelt nicht nur Daten für den Kunden (also wieviel er in den Laden investiert hat und dementsprechend welche Ansprüche er hat) sondern auch für das Unternehmen (Ah, Frau Meier kauft gerne blaue Seidenunterhosen. Da können wir sie in diese Kategorie tun und sie bekommt künftig verstärkt Seidenunterwäschewerbung).

Diese Daten nun werden auch wiederum gerne von Adresskarteien gekauft und weiterverkauft. Somit entsteht ein gläserner Bürger den auch Orwell sich in seinen schlimmsten Alpträumen nicht hätte ausmalen können. Wenn nun die Unternehmen noch dazu die Möglichkeit erhalten, die Daten der Bürger, die der Staat so sammelt, zu erwerben, dann ist da ein großer Schritt getan. Ich frage mich, welche Lobby mit welchem Spendenversprechen die Regierung diesmal gek… ich meine, gemietet hat.

Nachtrag, 9. Juli: Mittlerweile haben sie es doch gemerkt. Kleine Lektüresammlung:

Süddeutsche Zeitung
7.7.2012
7.7.2012
9.7.2012 (Kommentar)
9.7.2012

Frankfurter Allgemeine Zeitung:
7.7.2012
9.7.2012

Frankfurter Rundschau:
7.7.2012
9.7.2012 01
9.7.2012 02
9.7.2012 03
9.7.2012 04

Na, immerhin tut sich nun endlich was. Chip war am 4.7. trotzdem schneller als die anderen.

Schönes und Unschönes auf dem Heimweg

Als ich heute von der Arbeit nach hause kam begegneten mir gleich dreierlei Dinge, die irgendwie nachdenklich stimmen. Eine Begegnung zwischen zwei Menschen, ein Bettler und eine bettelnde Rentnerin.

Im Münchner Studentenviertel zwischen Maxvorstadt und Schwabing begegnen einem zwischen Frühling und herbst stets eine Gruppe von Gestalten, die um eine kleine Spende bitten. Sie sind meist südländischer Herkunft, gehen samt und sonders mit einer Krücke umher und – ganz wichtig – sie haben die Straßen offenbar deutlich nach Bezirken unter sich aufgeteilt.

Das wäre soweit ja ein ganz normales Verhalten in einer Großstadt allerding sind diese Jungs offensichtlich ziemlich gut organisiert – sobald ich mal einen freien Abend habe finde ich mal heraus woher die eigentlich kommen und vor allem wo die wohnen. Ich habe nicht das geringste dagegen, daß sie Hilfe benötigen und würde ihnen auch gerne helfen. Allerdings glaube ich in dem Zusammenhang nicht an echte Armut, sondern eher an eine straff durchorganisierte Geschichte bei der vielleicht ein Dritter mitverdient.

Es gibt hier im Viertel einen oder zwei Obdachlose die gelegentlich nach Geld fragen – oder sich auch mal einen Kaffee spendieren lassen. Die kennt man und das sind ziemlich liebe Kerle, einer von ihnen ist ein hochgebildeter Mann der mir mal erklärt hat, seine selbstgewählte (und eigentlich in Deutschland nicht zwingend notwendige) Lebensweise sei seine Art, das System zu ignorieren. Er ignoriert das System und das System ignoriert ihn meistens auch. Naja, warum denn nicht, das ist ein freies Land. Bei den Studentenprotesten vor ein paar Jahren konnte man ihn stets antreffen – ob das allerdings etwas mit einer politischen Haltung zu tun hatte oder doch eher mit der Volksküche bleibt mal dahingestellt.

So ganz einfach ist dieses Leben sicher auch nicht – vergangenen Winter erfror ein Obdachloser nahe der U-Bahnstation Universität.

Das zweite, was mir begegnete war eine Rentnerin. Sie stellte sich als Luise vor und bat um zwei Euro, weil ihre Rente ihr nicht reiche, um in München Wohnung und Leben zu finanzieren. Im Winter könne sie nicht heizen und im Sommer selten duschen, weil die Nebenkosten zusätzlich zur Miete einfach zuviel sind. Kinder hat sie keine, leben tut sie, nach eigener Aussage, in einem kleinen Ein-Zimmer-Appartment nahe der Münchner Freiheit.

Ich habe nun keine Möglichkeit, jedenfalls keine, die ich derzeit realisieren möchte, um diese Aussagen zu überprüfen aber die zwei Euro bekam sie dennoch. Warum? Naja, ich beobachte seit einigen Jahren daß nicht nur sichtlich besonders arme Schlucker in den Müllkörben und -tonnen der Bahnhöfe nach Pfandflaschen graben sondern zunehmend Senioren, die mitunter auch nicht gerade einen armen Eindruck machen. Ein bißchen einen Schrecken versetzte es mir, als ich mir vor ein paar Wochen bewußt wurde, daß ich am Ostbahnhof einen Senioren (ich würde sagen so um die 70) im tadellosen Anzug dabei beobachtete, wie er Cola- und Bierflaschen aus einem Papierkorb fischte. Quer hatte vor einigen Monaten einmal über eine Seniorin berichtet, die in ihrer eigenen Wohnung fror weil die Rente die Heizkosten der ungedämmten Wohnung nicht mehr deckt. Parallel (Mitte Februar) sind mal wieder Rekordgewinne verkündet worden (beispielsweise bei Daimler). Schöne, neue Welt.

Allerdings gibt es auch etwas positives. Münchens Politessen haben allgemein einen recht schlechten Ruf, sie gelten als harsch, unfreundlich und vor allem als rechthaberisch. Es kann einem durchaus passieren, daß man das Knöllchen kassiert, während man schon wieder im Wagen sitzt und fünf Minuten über der Zeit ist.

Nun hatte ein junger Mann bei mir um die Ecke sein Fahrrad so blöd hingestellt, daß sowohl der begehrte Münchner Parkplatz, als auch der Bürgersteig unbenutzbar waren, da dort auch noch ein Baugerüst stand. Madame Politesse, eine sehr junge und wirklich bemerkenswert schöne Frau, wartete auch gleich beim Fahrrad wohl in der Hoffnung, den Delinquenten zu erwischen. Schrieb sogar, mein Eindruck, am Strafzettel.
Wieviel schöner dann die Szene, als er wieder herauskam. Sie unterhielten sich kurz, dann schob sie ihm ihren Block und den Stift zu. Sie tauschten Telefonnummern, keine Strafzettel. Mein München, irgendwie…

Von der Ausbeutung

Wie die Sueddeutsche Zeitung schreibt, ist es doch tatsächlich inzwischen sogar den Gewerkschaften aufgefallen, daß nicht nur im Rahmen von sogenannter „Leiharbeit“, also mit Zeitarbeitsverträgen eine Aushebelung der Arbeitnehmerrechte in Deutschland stattfindet, sondern auch mit Hilfe von Werkverträgen. Sinn und Zweck ist es, die Löhne nach Möglichkeit zu drücken, manchmal findet dabei nicht einmal eine echte Einsparung statt. Nur…

… was überrascht denn bitte daran? „Arbeit“ im Sinne eines Arbeitsplatzes ist eine gesellschaftlich verlangte Minimalforderung, um menschenwürdige Behandlung durch die Öffentlichkeit zu erfahren (Stichwort „Schmarotzer“). Dementsprechend gilt es als zumutbar, wenn ein Arbeitsloser eine 500km von seinem Wohnort entfernte Arbeitsstelle angeboten bekommt und witrd bestraft, wenn er sie nicht annimmt. Egal ob sich ein Umzug dann finanzierbar gestaltet oder der Partner vielleicht 420km in die andere Richtung muß.

Ausgehend von dieser Geisteshaltung ist es nur folgerichtig, daß die Gesellschaft es toleriert, wenn Menschen ausgebeutet, erniedrigt und durch Knebelverträge ihrer Würde beraubt werden, alles andere wäre, Westerwelle zufolge ja, Sozialismus. Beim Schlecker bei mir am Ort gab es eine Angestellte, die alleine, um zu ihrer Arbeitsstätte zu fahren, 65% ihres Lohnes ausgeben mußte für die Spritkosten. Aber sie mußte die Stelle annehmen (und in der Regel auch mehr als 10 Stunden alleine im Laden arbeiten) weil das Amt sich sonst „im Sinne der hart arbeitenden Steuerzahler“ geweigert hätte, ihr weiterhin die Stütze zu zahlen. Gelebt haben sie, ihr Mann und das Kind von den beiden Reinigungsjobs des Mannes.

Das ist die schöne Neue Welt die mit dem Kampfbegriff „neoliberal“ umschrieben wird – es ist schlicht ein Verbrechen an der Menschenwürde, nichts weiter. Und das tragen die gleichgeschalteten Medien und Parteien gleichermaßen vor sich her. Es wäre schön, wenn sich Politik und Gesellschaft mal überlegen würden, was diese „Makrodenke“ tatsächlich im Einzelfall anrichtet – nur dann kann ein vernünftiger Arbeitsmarkt geschaffen werden. Wirtschaft und Markt sind von Menschen gemachte Dinge für Menschen – es ist eben nicht so, daß Menschen für den Markt gemacht werden. Das scheint aber die herrschende Ansicht zu sein (Stichwort „marktkonforme Demokratie“)…

Von der Moral…

Eine Erzieherin arbeitet für die katholische Kirche. Nach 12 Jahren allerdings gestattet sie sich ihr Coming-Out und gesteht ihrem Arbeitgeber, daß sie lesbisch sei. Pikanter Weise befindet sie sich zu diesem Zeitpunkt – man liest es leicht verblüfft – im Mutterschutz. Dennoch kündigt ihr Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis weil es sich dabei um eine „schwerwiegende Loyalitätspflichtverletzung im Sinne der kirchlichen Grundordnung“ handeln soll. Aha.

Wie die Sueddeutsche Zeitung berichtete, hat die junge, lesbische Dame wohl zumindest die erste Instanz gewonnen. Entschieden ist aber in Wahrheit noch gar nichts, denn die Kirche prüft, ob sie gegen das Urteil Berufung einlegt und vor allem ändert sich ja nichts an der Situation; Sobald sie aus dem Mutterschutz kommt wird sie von der Kirche entlassen. Sie könnte sicherheitshalber vielleicht noch eine Maultasche essen, aber vermutlich braucht sie das nicht. Auf der Homepage der Sueddeutschen findet sich der komplette gerichtliche Vorgang, den ich auch eigentlich unkommentiert lassen möchte.

Deutlich faszinierter bin ich zum Einen von der kirchlichen Doppelmoral, die sich hier wieder einmal offenbart: Einerseits betreibt die Kirche ein reges Verschleiern der sexuellen Neigungen und Vorlieben ihrer (geweihten) Bediensteten, bezahlt für die illegitimen Kinder und schaut bei homosexuellen Priestern weg, andererseits werden nicht geweihte Angestellte bei Bedarf entlassen. Ich kann mich gut an die ganzen Regeln erinnern, die mir eine Komilitonin, die das katholische Religionslehramt studierte, erläuterte. Sie mußte unter anderem zur Schutzbehauptung greifen, weder bei ihrem Freund, noch bei einem anderen, nicht verwandten Vertreter des anderen Geschechtes zu leben, also auch nicht in einer gemischten WG. Lustig, wenn sie eine Lesbe gewesen wäre…
Die katholische Sexualmoral ist in ihrer propagierten Art ein wenig altmodisch, in der praktizierten Art verlogen. Die Liebe wird als Machtinstrument verstanden und wohlweißlich reglementiert, der Fortpflanzungstrieb kann dem Gläubigen eigentlich nur unter kirchlicher Erlaubnis befriedigt werden ( = „Sakrament der Ehe“) mit den entsprechend bitteren Ergebnissen. Und das Verhalten der Kirche im Rahmen der systematischen sexuellen Ausbeutung von Kindern („Dienst am Hirten“) durch ihre Bischöfe, Pfarrer und Erzieher, da wollen wir lieber nicht von anfangen. Das meine ich mit verlogen.

Was mir aber zweitens viel mehr aufstößt, um nicht zu sagen, wirklich ankotzt ist die Tatsache, daß irgendeine Religionsgemeinschaft, völlig wurscht welche das ist, sich anmaßen kann, die Besetzung eines Arbeitsplatzes an einen persönlichen GLauben oder eine bestimmte Sexualpraktik zu knüpfen. Daß so etwas arbeitsrechtlich überhaupt möglich ist (Was der Richter ja schön lapidar mit  den Worten „Wer für die Kirche arbeitet, ist selber schuld.“ kommentiert.)
Regeln hat jeder Arbeitgeber. Manche verlangen einen gewissen Dress, ein bestimmtes Auftreten, keine Piercings oder extremen Frisuren, gewisse Fähigkeiten und Fertigkeiten werden immer vorausgesetzt. Das ist völlig normal. Aber wir sind schon beim Besetzen von Stellen nach Geschlecht oft am Rand der Diskriminierung weil es keinen Grund für eine Geschlechterspezifische Besetzung gibt: Weder sind Männer automatisch die besseren Chefs noch per se die schlechteren Kellner. Natürlich gibt es Männer, die bessere Chefs als Kellner sind aber das gilt auch umgekehrt.
Ein kirchlicher Arbeitgeber darf mich aber nach meiner Religionszugehörigkeit befragen und mir Vorschriften über meine Partnerwahl im Schlafzimmer machen. Ich zitiere mal in Auszügen eine Stellenausschreibung der evangelischen Landeskirche:

„Stellenausschreibung des Landeskirchlichen Archivs der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern
[…]
Ihr Profil:
[…]
– Mitgliedschaft in einer evangelischen Kirche (vorzugsweise der evangelischlutherischen)“

Was hat die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die eine bestimmte Weltanschauung pflegt, mit den Diensten und Fähigkeiten eines Archivars zu tun? Warum muß man religiös sein, um eine Hilfsarbeit für Historiker verrichten zu dürfen?

Religion ist Privatsache. Was wer glaubt interessiert mich nicht. Wenn einer meint, er müsse bei Vollmond um Mitternacht einen Ochsen melken so soll er es tun – er und der Ochse werden schon sehen was sie davon haben. Weder den Staat, noch meinen Arbeitgeber oder sonst jemanden geht mein persönlicher Glaube etwas an. Das ist eine Sache zwischen Gott (oder den Göttern) und mir. Eine Weltanschauung als Grundvoraussetzung für eine Arbeitsstelle…. man darf nur hoffen, daß andere nicht auf die Idee kommen, diesem Beispiel zu folgen. Das gab es schon mal – war der sogenannte „konservative Lösungsansatz der sozialen Frage“ in der Zeit des Kaiserreiches. Ein gewisser Herr Krupp baute Arbeitersiedlungen und Schulen und verlangte im Gegenzug von seinen Arbeitern, bei den Reichstagswahlen in seinem Sinne abzustimmen. Käme heute irgendwie auch nicht gut an in der Öffentlichkeit, oder? Aber die Kirche(n), die darf alles.

Nachträglicher Einwurf am Rande: Wo bleibt eigentlich eine Sarrazineske Auslassung des Islamophoben Mobs darüber, daß vermutlich auch islamische Einrichtungen streng auf die religiöse Orientierung ihrer Putzkräfte achten? Einfach, weil in Deutschland die Religionsfreiheit von manchen als Narrenfreiheit verstanden wird und man als „Kirche“ schlicht machen darf was man will?

Liebe Münchner….

…. Bitte, BITTE stimmt am heutigen Sonntag gegen das Vorzeigeprojekt Eures Bürgermeisters und damit gegen die SPD in München. Als Wahlmünchner habe ich leider keine Stimmberechtigung, sonst würde ich es selber ebenfalls tun.

Es kann nicht sein daß wir uns als Bürger immer und immer wieder der Großmannssucht einiger weniger ergeben die dann ihre gigantischen Betonwüsten errichten um ihren eigenen Reichtum, aber ganz gewiß nicht den Euren zu mehren. München wird praktisch nichts von der Dritten Startbahn haben.


Nachtrag, 18.6.2012:
Wow, klasse. 54%..! Wir sind das Volk!

Aktion Klehranlage

Manchmal ist die Medienwelt eine besonders abstruse – besonders dann wenn seltsame Gestalten mithilfe von Juristen anfangen, gefährliche Eingriffe in die Meinungsfreiheit zu veranstalten.

Vor kurzen wurde, wie die Welt Online berichtete, in Hamburg der Medienrechtblogger Kompa verurteilt, weil er ein Video, das auf Youtube upgeloadet wurde, verlinkt hatte und der Inhalt des Videos (ein Beitrag des ZDF-Magazins WISO) Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung ist. Wie der Internet-Law – Blog sehr interessant dazu schreibt ist das Urteil als solches zumindest tendenziös und widerspricht in Teilen der bisherigen Rechtsprechung in Deutschland. Um die eben genannte Seite zu zitieren:

Das Urteil des Landgerichts Hamburg stellt letztlich eine netz- und blogtypische Art des Verweises auf Filmbeiträge in Frage. Denn das Haftungsrisiko des Bloggers ist enorm, wenn man bereits das Wissen ausreichen lässt, dass gegen einen Filmbeitrag juristisch vorgegangen wird.

Das darf eigentlich nicht sein, denn das wäre letztendlich der Tod der unabhängigen Blogging-Welt was wiederum eine mögliche Interpretation der letztendlich Absicht hinter der nicht selten seltsamen Rechtssprechung der 24. Zivilkammer des Hamburger Landesgerichts sein könnte, mit der sich das Bundesverfassungsgericht auch nicht selten beschäftigen muß. Darüber mag ich gar nicht erst spekulieren.

Das Urteil fichtet der Anwalt Kompa allerdings an und benötigt dafür Unterstützung, um die ich meine Leser hiermit bitten möchte. Auf dieser Seite findet man die Informationen um die Klage vor dem Bundesgerichtshof finanziell zu unterstützen.

 

 

Wahlsonntag

Nordrhein-Westphalen hat gewählt, und die Ergebnisse machen nicht nur Mut. Natürlich ist es schön, daß Rot-Grün gewonnen hat, aber das FdP-Ergebnis erschreckt dann doch. Die mieserable Wahlbeteiligung hat meiner Einschätzung nach wohl wieder hauptsächlich den Marktradikalen genutzt.

Ähnlich wie bereits in Schleswig-Holstein werde ich auch hier die absoluten Wählerzahlen wieder vergleichen um deutlich zu machen, wie es sich denn wirklich entwickelt hat. Derzeit liegen noch keine Zahlen vor, was wegen der größeren Zahl der auszuzählenden Stimmen auch noch eine Weile dauern wird.

Daher bitte ich SIe, werte Leser, um ein wenig Geduld – ich bin mal gespannt ob die massive Medienkampagne der FdP wirklich so viel geholfen hat, wie Albrecht Müller der Nachdenkseiten sicher mutmaßen wird.

Neben dem Sieg von Rot-Grün freut mich auch das Ergebnis der Piraten – nach und nach werden sich die Piraten so etablieren können und tatsächlich frischen Wind in die Politik bringen. Die Niederlage der Linkspartei hingegen stimmt ein wenig nachdenklich – könnte das tatsächlich durch den Versuch der Medien, die Partei totzuschweigen, erzeugt worden sein? Wenn ja sollte man über die Medien deutlich noch mehr nachdenken…