Friedensnobelpreis für die EU? Na dann…

Wie es das Känguru sagen würde: „Der Comedypreis aus Stockholm ist dieses Jahr wohl an die EU gegangen.“ Das ist so ein bißchen wie mit dem Axel-Springer-Preis für Journalismus, in sich ein Witz. Tatsächlich fragt man sich schon was genau das Komitee damit sagen will.

Als 2009 Barack Obama kurz nach seiner Wahl ausgezeichnet wurde war die Empörung besonders bei Konservativen groß: Ausgerechnet ein „sozialistischer Neger“ soll einen Preis bekommen, der doch eigentlich Helmut Kohl zustünde. Tatsächlich hatte das Komitee mit dieser leicht überraschenden Entscheidung wohl vor allem Dankbarkeit dafür ausgedrückt, daß die acht Jahre Bush endlich vorbei waren. Denn die offizielle Begründung dafür, „für seine außergewöhnlichen Bemühungen, die internationale Diplomatie und die Zusammenarbeit zwischen den Völkern zu stärken“, konnte zu diesem Zeitpunkt kaum zutreffen. Das klingt eher nach der Belohnung für ein Lebenswerk, so war es eine frühe Wahlkampfspende.

Gibt es das eigentlich? Den Friedensnobelpreis für eine Organisation statt eine Person?
Natürlich. 1904 zum Beispiel wurde das „Institut de Droit international“ gewürdigt, 1910 das „Bureau International Permanent de la Paix“, dann, während der Pause von 1914 bis 1918 wurde 1916 das Internationales Komitee vom Roten Kreuz ebenfallsmit dem Preis bedacht. Es folgten 1938 das „Office international Nansen pour les réfugiés“, also das Nansen-Büro für Flüchtlinge in der Schweiz, 1939-1945 wurde wieder kein Preis verliehen mit Ausnahme 1944 noch einmal das Internationales Komitee vom Roten Kreuz, was während eines Weltkrieges damit schon fast Tradition wurde, es folgten 1947 die Quäker mit dem britischen Quaker Peace and Social Witness und dem amerikanischen American Friends Service Committee. 1955 wurde das UN-Flüchtlingskommissariat, das United Nations High Commissioner for Refugees ausgezeichnet, 1963 zur Abwechslung mal wieder das Rote Kreuz und auch die Liga der Rotkreuz-Gesellschaften, 1965 das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) und 1969 die Internationale Arbeitsorganisation (IAO).
1977 folgte dann endlich Amnesty International, 1981 dann zum zweiten Mal das United Nations High Commissioner for Refugees, also das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen. 1985 die Ärzte gegen nukleare Kriege (International Physicians for the Prevention of Nuclear War), 1988 bekam ihn dann die erste militärische Vereinigung, die Friedenstruppen der Vereinten Nationen. 1995 folgten die erste Gruppe Naturwissenschaftler, die sich mit der Frage nach dem „ob“ beschäftigten, die Pugwash Conferences on Science and World Affairs, 1997 folgte die Internationale Kampagne für das Verbot von Landminen. 1999 wurde das Komitee auch endlich auf die Ärzte ohne Grenzen aufmerksam. 2001 erhielten Kofi Annan und die UNO gemeinsam den Preis, 2005 dann die IAEO, also die Internationale Atomenergie-Organisation. 2007 im Zeichen des Klimawandels erhielten ihn Al Gore und der Weltklimarat, sas Intergovernmental Panel on Climate Change. Und nun, 2012, eben die EU. Eine Sonderstellung hat sie damit aber: Zusammen mit der UNO ist es das zweite Mal, daß ein Staatenbund ausgezeichnet wurde.

Es ist also nicht ungewöhnlich und man darf sich fragen, ob nun jeder EU-Bürger einen Teil des Preisgeldes erhält. Bei etwa 500.000.000 EU-Bürgern sind das immerhin 0,2 Cent. Oder wie das sonst verteilt wird. Vielleicht fließt es ja in die Agrarsubventionen für die Lufthansa, die sie dafür kassiert, wenn die Gumnmisemmeln im Flieger Europäischen Luftraum verlassen. Oder in eine Verordnung über das Tragen von Schutzbrillen für Maulwürfe.

Ist die EU denn das wert?
Treue Leser meines Blogs wissen natürlich, daß ich die EU für eine der grundsätzlich großartigsten Erfindungen halte, die uns hier in Europa passieren konnte, allen Unkenrufen in Richtung Bürokratie zum Trotz. Der Preis zielt mit seiner Begründung in die gleiche Richtung wie es Jean-Claude Juncker, dem Vorsitzenden der Euro-Gruppe und Premierminister von Luxemburg, tat: “Wer an der Idee Europas zweifelt, der sollte Soldatenfriedhöfe besuchen.”
Nur: Die EU führte in ihrer Geschichte mehrfach Krieg und daß Frieden innerhalb Europas herrscht hat auch was damit zu tun, daß man Nationen, die sich im Krieg befinden nicht aufnehmen möchte. Der Einsatz im ehemaligen Jugoslawien war eine ebenso politische, wie humanitäre Notwendigkeit, so verabscheuungswürdig das auch im ersten Moment klingen mag. Aber meiner Ansicht nach wäre es ein viel größeres Verbrechen gewesen nichts zu tun und einfach zuzusehen, wie sich vor unserer Haustüre einige Völker gegenseitig auszurotten versuchen. Tatsache ist nebenbei, daß der „ehrenbürger Europas“, Helmut Kohl, den 10-Tage-Krieg in Slowenien (1991), den Kroatienkrieg (1991–1995) und den Bosnienkrieg (1992–1995) schlichtweg ignoriert hat und sich darum nur dann scherte, als er es innenpolitisch zur Abschaffung des deutschen Asylrechts benutzen konnte. Eine der widerlichsten und schlimmsten Sünden, die unser Land nach dem Krieg begangen hat. Dafür, daß die EU zuerst zehn Jahre zusah und dann mit militärischer Intervention unter Führung der NATO eingriff ist ein Friedensnbobelpreis… naja, fraglich.
Ein anderer Krieg ist der Afghanistan-Konflikt, der zwar offiziell weder Krieg heißt noch von der EU geführt wird, wohl aber von einigen Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland. Bislang sind dabei mindestens 12.500 Zivilisten und alleine auf der Seite der Koalitionstruppen 14.449 Soldaten ums Leben gekommen. Alleine aus der EU sind 32.518 Soldaten in Afghanistan stationiert, eine Tatsache die immer wieder als Völkerrechtswidrig verstanden wird. Gut, Obama führte da ebenfalls Krieg und tut es noch und erhielt den Friedensnobelpreis trotzdem. Ehrlich gesagt, angesichts der Geschichte kommt gerade mir als Münchner die Verleihung an Jassir Arafat noch viel seltsamer vor. Ist der Friedensnobelpreis überhaupt etwas wert?

Vielleicht.

Der Preis geht an die EU dafür, daß es seit ihrer Gründung wenigstens innerhalb der EU keine militärischen Kriege mehr gegeben hat. Das Einzige, was ich daran wirklich gut finde, hat ein Twitteruser schön ausgedrückt: „Die EU hat den Nobelpreis gewonnen, weil sie die Europäer 60 Jahre lange davon abgehalten hat, gegeneinander zu kämpfen. Etwas, das der Nahe Osten auch versuchen sollte.“

Freizeit? Nö.

Florian Freistetter hat in seinem Blog auf die Tatsache verwiesen, daß es in der Wissenschaft und in wissenschaftlichen Berufen immer mehr üblich ist, exorbitante Arbeitszeiten zu leisten und die eigene Freizeit immer weiter einzuschränken. Das beklagt er – zu Recht – als einen im Grunde unhaltbaren Zustand. Dabei ist das im privatwirtschaftlichen Bereich schon länger normal.

Immer mehr meiner ehemaligen Kommilitoninnen und Kommilitonen sind inzwischen in ihren Berufen unterwegs – manche noch in der letzten Ausbildungsphase, genannt Referendariat, manche schon seit einigen Jahren im Beruf selbst. Nicht viele davon haben den Sprung in eine wissenschaftliche Karriere gewagt oder geschafft, alleine schon wegen der zum Teil geradezu unterirdisch schlechten Bezahlung und der letztendlich prekären Verhältnisse. Hinzu kommt, daß Deutschland im Vergleich zu den meisten anderen Ländern mit am wenigsten für unbefristete Stellen ausgibt – wir liegen da nun wirklich am untersten Rand.

Viele erzählen mir, daß Überstunden ganz normal sind und auch vom Arbeitgenber in aller Regel gefordert werden. Normalerweise müssen sie irgendwann abgebummelt werden weil der Arbeitgeber kein Interesse daran hat, sie zusätzlich zu bezahlen – nicht selten wird damit dann zum Beispiel der Jahresurlaub verlängert opder so. Dagegen gibt es auch gar nichts zu sagen. Andere Fälle gibt es aber auch: Eine Bekannte von mir hat ganz klassisch eine Banklehre gemacht und arbeitet seither in einem größeren Geldinstitut; mittlerweile im Bereich Investment und dort irgendwo in der Kundenbetreuung. Die Arbeitszeit beträgt regulär 42 Stunden in der Woche, das sind erst rinmal die normalen 8,5 Stunden von Montag bis Donnerstag und acht Stunden am Freitag. Nun aber geht es los: Viele Kunden sind nicht aus Deutschland, daher ist die Betreuung wenn nicht per Mail dann nur telefonisch in den Abendstunden zu amchen. Bis sie die zehn Stunden voll hat bekommt sie die Überstunden angerechnet, danach nicht mehr.

In der freien Wirtschaft wie auch in der Wissenschaft gelten nämlich in Deutschland eigentlich bestimmte Regeln. In § 3 S. 2 ArbZG (Arbeitszeitgesetz) wird festgelegt, daß ein Arbeitnehmer im, Regelfall maximal 10 Stunden am Tag arbeiten darf; Ausnahmen hiervon sind Notfälle (Wäre schon blöd wenn der Feuerwehrmann mit nem freundlichen Gruß aus dem brennenden Gebäude in den Feierabend geht) und leitende Angestellte, für die andere Zeiten gelten. Tatsächlich sammeln sich in Deutschland irrwitzige Summen an Überstunden an, der bis 2009 mit dem Tiefststand rückläufige Trend geht derzeit wieder steil nach oben:

Überstunden der Arbeitnehmer in Deutschland bis 2011
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

2011 hatten die Deutschen also eine Gesamtmenge von 1.393.300.000 Überstunden zusammengesammelt. Ja, das sind knapp 1,4 Milliarden. Fleißig sind sie, diese Deutschen… Bezahlt werden diese Überstunden wenig; Laut Financial Times Deutschland erhalten 55% der deutschen Arbeitnehmer keinen finanziellen Ausgleich, 30% werden mit zusätzlichem Urlaub abgegolten. Der Rest?

Es gibt immer mehr Arbeitsverträge, die eine Mehrarbeit ohne Ausgleich ausdrücklich mit einschließen. Und selbst wenn es nicht im Arbeitsvertrag steht: Die eben erwähnte Dame in der Bank hat da noch einen ganz anderen Druckpunkt dahinter. Jedes Jahr werden die Gewinne der einzelnen Abteilungen gemessen und die Leistungssteigerung gegenüber der erwarteten Steigerung gesetzt. Leistet eine Abteilung nicht genug, so sind Entlassungen die Folge, damit die Bilanz der entsprechenden Abteilung stimmt. Wer sich also nicht freiwillig mißbrauchen lässt, den erwischt die nächste Kündigung. Begründet werden muß das ja nur aus betriebswirtschaftlicher Maxime, wehren kann sich der Angestellte kaum.

Ein weiteres Phänomen sind die modernen Geräte: Jedes Mobiltelefon kann heutzutage eine durchschnittliche Office-Anwendung, kaum einer hat zuhause keinen Computer oder Laptop. Damit kann der Arbeitnehmer nun „Arbeit mit nach Hause nehmen“, was weder aufgezeichnet, noch vergütet wird. Die Familie kann in solchen Umständen kaum noch stattfinden, gesund ist das Ganze ohnehin nicht mehr. Das ist nicht in allen Berufen möglich, aber überall dort wo Büroarbeit zu tun ist kann mit Hilfe von Heimarbeit Büroarbeit auch außerhalb der vom Gesetzgeber festgelegten Grenzen stattfinden.

Überstunden in der Wissenschaft sind deswegen ein interessantes Phänomen, weil der Wissenschaftler primär mit dem Kopf arbeitet und dieser durch längere Zeiten auch nicht produktiver ist. Im Gegenteil: Die nachts um halb elf noch immer im Büro sitzen leisten mutmaßlich gar nichts für Firma, Forschung und Karriere sondern sitzen nur im Büro. Der Fetisch, daß längere Arbeitszeiten gut sind (sollen sogar Arbeitsplätze schaffen! Was für ein Witz..!) und man deswegen durch Mehrarbeit seine Bereitschaft, statt Privatleben sich lieber dem Geschwätz eines Hans-Werner Sinn unterzuordnen, darstellen muß, sollte endlich einmal beendet werden.

Ach herrjeh!

T-Online ist ja nun auch nicht gerade ein bedeutendes Nachrichtenportal. Eher durch Zufall bin ich dort auf ein Video gestoßen, daß zeigt wie ein großer Betonbrocken von einer Bücke abbricht. Dramatisch verkündet der Sprecher, daß dabei wie durch ein Wunder niemand verletzt wurde. Wie auch – das sind Abrißarbeiten!

Effekthascherei ist nun nichts ungewöhnliches und die Unwahrheit zu verbreiten ist bei „Nachrichten“portalen schon lange das zentrale Geschäftsmodell. Eine bestimmte Form von vielgekauften Medien – gern Boulevard genannt – macht es ja vor.

Dieses Video hier zeigt nun also wie ein Brückenteil in die Tiefe stürzt. Kommentiert wird das Ganze so:

„Mit einem gewaltigen Krachen stürzt der dicke Brocken in die Tiefe. Das ganze Drama spielte sich bei Bauarbeiten an einer Brücke in Los Angeles ab. Nur durch Zufall wurde dabei niemand verletzt. Die Arbeiter konnten sich gerade so vor der herabstürzenden Todesfalle retten“

Blick man sich allerdings das Video mal kurz genau an, so stellt man fest, daß es sich hierbei sichtlich um Abbrucharbeiten handelt. Die sind zwar beliebt, aber nichts ungewöhnliches, wie zahlreiche Videos des Umbaus der I-405 zeigen, manche davon sind richtig gut gemacht.
Es ist also mal wieder… nichts passiert. Aber das verkauft sich halt schlechter als eine Beinahe-Katastrophe. Daß nichts los war sieht man schön an diesem Video von der anderen Seite:


Forscht man ein wenig herum, stellt man schnell fest, daß der angebliche Unfall Teil der Abriß- und Neubauarbeiten an der Mulhollend-Bridge sind. Davon gibt es eine Reihe von Videos, die gut zeigen, wie das voranschreitet:




Geklaut ist das Video nebenbei wohl von denen hier:

Carmageddon II Mostly Underwhelming Despite… von NewsyVideos

Ich bin mal gespannt auf die Reaktion meiner Frage bei T-Online.

Also doch Peer…

So richtig überraschend ist es nicht: Peer Steinbrück soll nach dem Willen der SPD-Spitze der Kanzlerkandidat der Partei 2013 werden. Gefragt hatte keiner – eine Urabstimmung wie bei den Grünen ist diesbezüglich nicht vorgesehen, was aber nicht weiter verwundert, wenn man sich das Drama dort ansieht. Allerdings wird Steinbrück natürlich auf einem Parteitag noch gewählt werden müssen. Bleibt die Frage: Kann er es?

Ich mag Peer Steinbrück irgendwie. Ich war 2007 in Berlin und er war auch nochmal in Markt Schwaben (im Januar 2008) bei den Schwabener Sonntagsbegegnungen, wo ich ihm jeweils begegnet bin, und ich war durchaus recht beeindruckt von seiner Art und seinem recht umfassenden Wissen. Steinbrück ist zwar ein weiterer SPD-Konservativer, der damit auch für eine SPD steht, die sich der Spaltung der Gesellschaft durch ihre Politik nicht wirklich bewußt geworden ist, aber die Parteilinke hat tatsächlich niemanden im Angebot derzeit, der sich Angela Merkel entgegenstemmen könnte.

Das Phänomen Merkel, deren Beliebtheit der Kabarettist Urban Priol nur damit erklären kann, daß „man sie mit Politik nicht in Verbindung bringt„, ist ohnehin ein seltsames: Innerparteilich ist sie unumstritten weil sie nach und nach sämtliche potentiellen Konkurrenten ausgeschaltet hat, in der Bevölkerung gilt sie als beliebt, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung ihre Politik ablehnt.

Die SPD hat seit der Bundestagswahl 2009 ein wenig wieder aufgeholt, beim aktuellen Deutschlandtrend liegt sie bei etwa 30%, sieht man sich allerdings den derzeitigen Umfragestand an (28.9.2012), so schwankt die SPD zwischen 26 und 30%, die CDU hingegen zwischen 34% und 38%.

Umfragensammlung von Wahlrecht.de

Umfragensammlung von Wahlrecht.de vom 28. September 2012. Die Quelle ist http://www.wahlrecht.de/umfragen/index.htm.

Ich bin sehr gespannt, ob sich daran in den nächsten Tagen etwas ändern wird. Im Direkten Vergleich jedenfalls schneidet bislang keiner der Troika entsprechend besser ab als Merkel, wie selbst der Donaukurier bemerkt. Das könnte sich allerdings mit der Fokussierung auf Steinbrück ändern.

Unabhängig von den Machtoptionen ist es allerdings für eine Bundesregierung dringend notwendig, in Sachen Krise aktiv zu werden und nicht vor lauter Nicht-Entscheidungen interessante Vorgänge hinter den Kulissen ablaufen zu lassen. Die derzeitige Bundesregierung wird vor allem durch Uneinigkeit (Betreuungsgeld zum Beispiel), Unfähigkeit (Die Krise holt endlich Deutschland ein) und fragwürdige Selbstbedienungspolitik (Mövenpick oder Niebels Dreckiges Dutzend) auffällig, Regierungsarbeit ist das keine. Kein Wunder, daß die Kanzlerin lieber „Europa moderiert“.

Ob Peer Steinbrück angesichts einer zum Teil recht fragwürdigen Verbandelung mit Lobbyisten wirklich in der Lage ist, sich als eine Alternative zu Merkel zuverkaufen wird man sehen müssen. Zumindest die deutsche Presse wird sich, nach gefühlt drei Steinbrück-Artikeln pro Tag, sicherlich dafür zur Verfügung stellen.

Nachtrag:
Steinbrück war es, der mich auf einen interessanten Punkt 2008 gebracht hatte und der gerade wieder aktuell geworden ist: Die Chinesen sind ein sehr geduldiges Volk. Nach und nach kauften die Chinesen amerikansiche Staatsanleihen auf, im Dezember 2011 schuldeten die Amerikaner China 1,16 Billionen Dollar. Das sind 1.116.000.000.000$! Das ist deswegen spannend weil damit die letzte verbliebene kommunistische Supermacht der Welt die größte kapitalistische Supermacht der Welt beinahe kontrollieren kann. Parallel kauft China derzeit in unbescheidenen Mengen nicht nur Rohstoffquellen in Afrika, sondern auch eine ganze Menge mehr. Und nun fährt Merkel nach China und bittet die Chinesen um Hilfe bei der Euro-Rettung, was diese auch versprechen. Allerdings gehen damit auch Forderungen einher und nun wird es pikant: Was genau würde eigentlich passieren, wenn die USA und die EU mehr oder weniger von den CHinesen finanziell abhängig sind?

Ein Vorgang, dem sich eine Regierung bewußt sein sollte. Mal sehen, ob es die Regierung Merkel noch merkt. Steinbrück weiß das bereits.

Ach, der Broder mal wieder…

Wenn irgendwo auf der Welt ein Muslim niest, kapituliert ein gewisser Henryk M. Broder sofort. Gibt es richtigen Ärger, dann ist es schlimmer: Der einstmals linke Autor einer Pornozeitschrift kriegt es gar nicht mehr auf die Reihe, daß Muslime in Deutschland und anderswo existieren. Nun meldet er sich mit einem Kommentar in der Welt.

Der Kommentar heißt „Die Schuld der Muslime“ und ist in gewohnter Polemik formuliert wogegen es zunächst ja auch gar nichts zu sagen gibt. Im Gegenteil: Broder zielt sehr treffend darauf ab, daß es absolut keinen Grund dafür gibt, Menschen zu ermorden. Gibt es auch nicht. Aber der Rest…

Wäre er beim letzten Absatz geblieben, dann wäre das eine gute Idee gewesen. Darin zitiert er völlig zurecht eher verdatterte Syrer, die es nicht mehr verstehen können daß weltweit gegen einen miesen amerikanischen Streifen protestiert wird während bei ihnen Zuhause zu immer mehr Massakern kommt, offenbar von beiden Seiten verursacht. Leider leitet er es anders ein und da beginnt die Vorurteilswelle gleich über den ganzen Text zu schwappen.

Kinder von Alleinerziehenden sind grundsätzlich schlecht erzogen, weil die Eltern vor den Kindern kapitulieren und nichts zu sagen trauen, weil es sonst noch schlimmer werde. Darum lehne er Einladungen ab, bei denen sich solcherlei Mitmenschentum aufhalte. Wieder einmal kapituliert Broder bzw. wirft das den Eltern vor.

Diese Kernaussage nun münzt er um auf die randalierenden Muslime in Ägypten oder Lybien, die ihm ähnlich infantil, arbeitslos und von NGOs abhängig vorkommen. Kein Wort darüber, daß hier eine bewußte Fremdsteuerung am Werk ist und die Demonstranten von sich aus gar nicht auf die Idee kämen, das zu tun sondern aufgestachelt und gehetzt werden von Leuten, die sich der Macht über Meinung und Wissen sicher sind. Also Leute, die ähnlich wie Broder agieren und ähnlich wie er ziemlich sauer sind, wenn sich die Menschen wegen eines Hauchs von Bildung nicht gleich von ihm vor irgendwelche Karren spannen zu lassen. Bei Broder ist jeder Antisemit, der sich nicht unbedingt damit anfreunden kann, wie manchmal Israel vorgeht und das ebenso anprangert wie Terroranschläge von Palästinensern, gar Parallelen zieht zwischen Anschlägen auf Schulbusse und Hubschrauberangriffe auf Schulen.

Die Tatsache, daß es mit dem Humor bei radikalen Muslimen eher wenig weit her ist, kontert er mit der Reaktion des Vatikans auf das Titanic-Titelblatt und erklärt uns, daß diese Reaktion (Sprich: den rechtlichen Weg wählen) eher die Regel denn die Ausnahme sei. Dazu schreibt er: „Dennoch hat kein katholischer Dschihadist zum Heiligen Krieg gegen die Ungläubigen aufgerufen.“ Hm… naja, nicht so wirklich.

Broder beklagt, daß zweierlei Maß angelegt wird und nennt das letztendlich rassistisch. Das ist auch im ersten Moment gar nicht so falsch; Die Behauptung „die sind noch nicht so weit“ ist tatsächlich in Ansätzen Rassismus. Allerdings muß man tatsächlich die Zielgruppe für einen Angriff ein wenig unterscheiden: Wenn ein deutsches Magazin die katholische Kirche angreift hat das eine andere Qualität als wenn es eine fremde Glaubensgemeinschaft angreift, noch dazu wo sich nun einmal das Verständnis unterscheidet. Es gibt Satire auch in der islamischen Welt, die sich sehr wohl mit dem Islam und der Lebenswelt kritisch und teilweise urkomisch auseinandersetzt. So beispielsweise die Geschichten des Nasreddin Hodscha, die ein bißchen an die Schildbürger erinnern.

Der Gebetsruf
Gerade als vom Minarett der Ruf zum Gebet erklang, beobachteten die Leute, dass der Hodscha von der Moschee wegeilte. Jemand rief ihm hinterher: „Wohin läufst du, Hodscha?“
Der Hodscha rief zurück: „Das war der lauteste und durchdringendste Ruf, den ich je gehört habe. Ich gehe jetzt so weit von der Moschee weg, bis ich herausfinde, aus welcher Entfernung der Gebetsruf noch gehört werden kann!“

Ein herrliches Stück, das auch bei uns im Rahmen der Auseinandersetzungen um zu laute Kirchen stattfinden könnte. Es ist letztlich immer eine Frage wer was warum sagt – und ich betone immer wieder gerne, daß sich bis auf diese dämlichen Imame Ahmad Abu Laban und Ahmed Akkari sich buchstäblich kein dänischer Muslim aufgeregt hatte – Man kannte einfach die dänische Presse und wußte, daß es dort einfach relativ freigeistig zugeht. Regt sich irgendein deutscher Muslim wirklich über die Titanic auf? Natürlich nicht.

Die Demonstranten haben den Film mehrheitlich nicht gesehen, da lege ich meine Hand für ins Feuer. Die Mehrheit wird von ihren religiösen Führern gesteuert so ein bißchen wie im niederbayerischen Dörfchen und regt sich auf Befehl auf. Und auf diesem Umstand gilt es tatsächlich Rücksicht zu nehmen.

Das würde aber erfordern, daß zum Einen man nicht die Demokratie und unser Wertesystem in den Nahen Osten bombt und dabei über zwei Millionen Muslime in den letzten 13 Jahren tötet sondern stattdessen Bildung exportiert und zum Anderen, daß man sich bewußt um Dialog bemüht. Das ist aber anstrengend und für den Stammtisch nicht vermittelbar. Mutmaßlich weil die nicht wüßten, was man da exportieren soll.

Stattdessen redet Broder lieber denen nach, die ihren Haß als zivilisatorische Errungenschaft feiern.

Gratuliere!

Werbemaschine "Trendsetting"

Es ist ja ein bekanntes Element guter Werbung, daß sie sich irgendwann verselbstständigt. Das kann entweder so laufen, daß der Werbespruch zum geflügelten Wort wird (à la „die Freiheit neh’m ich mir“), daß der Produktname gleich zur Produktbezeichnung mutiert („Tempo“ oder „Rollerblades“), oder daß ein Produkt immer wieder auch in der neutralen Berichterstattung auftaucht und durch Omnipräsenz zum Trendsetter erklärt wird.

Um sich die dritte Methode zunutze zu machen bezahlen manche Firmen viel Geld um zu erreichen, daß Print- und Online-Medien keine signifikaten Trennung zwischen Werbung und redaktionellem Inhalt schaffen. Das führt zwar zur Kollision mit den Richtlinien des Presserates, aber das ist weder bindend, noch interessiert es die Zeitungen wirklich, sofern nicht die Konkurrenz betroffen ist.

Die Firma Apple, von der ich auch ein Produkt besitze, erfreut sich besonders der permanenten Befeuerung der Aufmerksamkeit ihrer Produktpalette und „Qualitätsmedien“ wie die Sueddeutsche Zeitung lassen sich entweder willfährig zum Handlanger machen oder aber kassieren eine Menge Geld dafür, die Produkte ausführlich verschleiert zu bewerben. Letzteres ist nur eine Vermutung.

Eine Auswahl (Thema iPhone):
Neues Smartphone – Apple-Chef Cook präsentiert das iPhone 5 (12.09.2012, 21:16) (Video Reuters)
Reaktionen auf iPhone 5 – Schlichtweg erstaunlich – und völlig langweilig (13. September 2012, 10:44) (Bildstrecke, Presseschau)
Präsentation des iPhone 5 Dünner, schneller und größer
(13.09.2012, 09:43) (Video dpa-rufa)
Neues Smartphone Was kann das iPhone 5
? (13.09.2012, 07:53) (Video dapd)
Apples iPhone-Revolution ist vorerst vorbei (12.09.2012, 22:33) (Bericht)
Apple schrumpft sein iPhone groß (12.09.2012, 20:28) (Live-Ticker)
So sieht das neue iPhone aus(12.09.2012, 20:27) (Bildstrecke)
Hipster und das iPhone Von Apple veräppelt
(12.09.2012, 12:21) (Stilkritik)
Neues Apple-Handy – Zehn Dinge, die man über das iPhone wissen sollte (12. September 2012, 08:09) (Bildstrecke)
Großbank JPMorgan Chase – Neues iPhone erhöht US-Bruttoinlandsprodukt (12.09.2012, 06:51) (Video dapd)
Apple-Hype – Das iPhone 5! Kommt! Jetzt! Garantiert! (11. September 2012, 19:03) (SZ-Blog)
Gerüchte über Apples iPhone 5 – So soll es aussehen (11.09.2012, 18:09) (Video dapd)
Gerüchte um Apple-Smartphone – Das ist das neue iPhone 5 – oder nicht? (11. September 2012, 16:26) (Bildstrecke)
iPhone 5 steigert Bruttoinlandsprodukt in den USA (11.09.2012, 15:40) (Bericht)

Skurrile Schutzhüllen fürs Apple-Handy – Pimp my iPhone (14. August 2012, 18:59) (Bildstrecke)
Neues iPhone kommt auf den Markt – Im September ist es soweit (01.08.2012, 09:24) (Video dapd)
Teheran – Apple-Hype auch im Iran angekommen (28.07.2012, 08:36) (Video dapd)
Spekulieren, bis das iPhone kommt (27.07.2012, 15:18) (Bericht)
Mein Ich ist ein iPhone (29. Juni 2012, 10:03) (SZ-Blog)
Fünf Jahre iPhone – Wischen statt tippen (26.06.2012, 20:51) (Video dapd)
Nächstes iPhone soll größeres Display erhalten (16.05.2012, 17:32) (Bericht)

Und so weiter. Ich hab jetzt nur die rausgegriffen, die tatsächlich keinen oder nur einen geringen Nachrichtenwert haben, Artikel über die rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen Apple, Motorola oder Samsung sind m.E. nach schon eine Nachricht wert. Daß die Firma Apple ein eigenes Thema, also eine Kategorie bei der Sueddeutschen unter „Digital“ ist, finde ich aber bemerkenswert. Microsoft steckt beispielsweise unter Wirtschaft.

Natürlich ist das nicht der einzige Fall – im gegenteil. Das Thema Nokia feiert ähnliche Blüten aber man fragt sich halt schon, was so alles Thema ist. Bundesliga ist zum Beispiel ein schönes Thema, Audi auch? Oder wäre das „Auto“? Warum der Markenname? Auch schön sind die Reise-Themen oder auch die Veranstaltungstipps für Clubs beispielsweise, die so ein bißchen wie ein Restaurantführer arbeiten.

Bleibt die Frage, was das alles so mit seriösem Journalismus zu tun hat…

Nachtrag zum Artikel….

Was für ein billiger Scheiß„: Wie ich inzwischen der Zeit entnommen habe, ist der Film nicht so wirklich amerikanischen Ursprungs – jedenfalls deuten die Spuren darauf hin. Der Autor tippt in eine ähnliche Richtung was die Motivation des Filmes angeht, wie ich auch: Hier versuchen einige Schwachköpfe mit religiösen Motiven die Endschlacht zwischen Christen und Muslimen herbeizuführen, auf daß die Erde untergehe in einem reinigenden Feuer. Glauben Sie nicht?

Das gibt es schon lange. Die Welt könnte, ausgerechnet im 21. Jahrhundert, kaum dreihundert Jahre nach der Aufklärung in einen Weltkrieg aus religiösen Motiven heraus schlittern. Und daran arbeiten viele eifrig mit, nicht nur die Religiösen selbst die den Tag geradezu herbeisehnen, sondern auch die ganzen willfährigen Handlanger, die eher politische Motive haben und sich vor der vermeintlichen „Invasion“ des Islams in Europa zu schützen versuchen.

Aufklärung? Nixda. Um eine vermeintlich unfreie Religion wie den Islam zu bekämpfen werfen wir alle Werte über Bord, die in dreihundert blutigen Jahren mühsam der Kirche abgerungen wurden. Letztendlich ist das für meine Begriffe der eher stattfindende Untergang des Abendlandes: Der Untergang der Freiheit im Namen der Freiheit.

Wir lassen uns da genauso vor den Karren spannen wie die armen Ziegenhirten in Ägypten, die von ihren Anführern mit Lügen aufgestachelt werden um dann Scheiben einzuschlagen und sogar Menschen zu töten. Ich weiß noch, wie bei den Karikaturen-Protesten 2005 einer im Fernsehen sagte, der zerstöre hier Teile der Botschaft weil er gehört habe, daß man in Dänemark auf den Koran uriniert. Als man ihn darüber aufklärte, daß das Quatsch ist, wurde er wenigstens nachdenklich. Die Menschen sind uninformiert, weiter nichts.
Hierzulande schaffen unsere Politiker mit Hilfe der Angst vor dem Islam ein Freiheitsrecht nach dem anderen ab und lassen sich dabei auch von vom rechten Pöbel wie den „Pro-“ und „Freiheit-“ Bewegungen auch noch beim Angstschüren helfen. Man klagt über mangelnde Integrationswilligkeit, streicht aber Gelder für Sprachkurse zusammen. Die Mär vom „bösen Türken“ geht um, die Menschen verbinden bewußt diffuse Meinungen über Faulheit, Schmarotzertum und Arbeitsplatz-wegnehmen mit religiösen und Freiheitsmotiven. Die wenigsten haben eine Ahnung, wie es sich eigentlich lebt in islamisch geprägten Ländern weil sie diese höchstens mal als Pauschaltouristen besuchen. Das Kopftuch wird herangezogen als Beweis für die Unterdrückung der Frau – weist man darauf hin, daß das Kopftuch auch was mit Stolz und Identität zu tun hat wird empört weggehört.

Stattdessen liest man sowas: „Es reicht der Blick in die nähere Umgebung. Badezeiten in Schwimmbädern ausschließlich für Frauen, Schulkantinen, die ausdrücklich nur nach Halal-Richtlinien arbeiten, Schulen, die es akzeptieren, das muslimische Eltern ihre Töchter aus dem Sportunterricht abmelden, ihre Kinder nicht auf Klassenfahrt gehen lassen, wo es Streit gibt, ob Kinder aus dem Bio-Unterricht abgemeldet werden, weil dort Darwin gelehrt wird, Streit um Gebetsräume in Schulen und sonstigen Gebäuden. Fragen Sie mal LehrerInnen aus Klassen, in denen muslimische männliche Jugendliche in der Mehrheit sind, was da abgeht.“ Das schreibt ein User im Forum der SZ.

Daß da auch eine gewisse Angstschürerei schon Erfolg hatte, ist nicht zu übersehen. Was ist an Frauenbadetagen auszusetzen? Ist ja kein islamischer Badetag sondern einfach eine Ladies Night… Halal ist eine bestimmte Art auszudrücken, daß Fleisch von geschlachteten Tieren kommen muß und nicht von in der Wüste liegenden Kadavern, das ist eigentlich alles. Hierzulande wird Halal noch eher selten explizit angeboten, in Großbritannien ist das völlig normal. Und ganz ehrlich: Wir nehmen doch auch Rücksicht auf Vegetarier in Schulkantinen, oder? Recht hat er, und das finde ich auch nicht gut, wenn Kinder nicht am Unterricht teilnehmen dürfen aus religiösen Motiven, ein für Christen natürlich völlig unvorstellbarer Zustand, gell? Und daß Muslime Gebetsräume wollen – na und? Bei uns hängt überall ungefragt ein Kreuz und das ist immerhin eine dargestellte Hinrichtung womit Schulräume eigentlich nur ab 12 Jahren in Begleitung Erwachsener zu betreten sind, oder?

Wenn Muslimische Jugendliche eine Schulklasse dominieren ist das an manchen Hauptschulen tatsächlich ein großes Problem – das hat aber weniger mit der Religion zu tun sondern viel mehr mit Perspektive und Wirklichkeit. Wenn man den Kindern einredet, aus ihnen werde eh nichts und sie dazu noch nicht voll akzeptiert weil sie die falsche Hautfarbe und Religion haben, dann nimmt es nicht wunder daß sie an der Stelle, wo sie mal die Macht haben sich auch entsprechend vetrhalten. Wird ihnen ja vorgelebt.

Aber wir lassen uns vor den Karrren spannen und konsumieren genüßlich die Berichte im Schrott-TV über böswillige Muslime voller Haß – und ebenso die Konsequenz wenn mal wieder Häuser brennen. Und ganz heimlich, still und leise lassen wir uns alles wegnehmen, was wirklich wichtig ist: Zuerst die Bildung, dann die Freiheit, und am Ende die Liebe.

Nachtrag zum Nachtrag: Mittlerweile haben auch die Süddeutsche, die FAZ,  die Frankfurter Rundschau und sogar Spiegel Online gemerkt, daß Sam Bacile offenbar kein einfacher Ami ist.

Laut FAZ sind mittlerweile auch deutsche und britische Botschaften angegriffen worden. Deutschland schloß einige Botschaften.