Zur Landtags- und Bezirkswahl in Bayern 2013

Leider hat es ja nicht geklappt, die CSU vom Thron zu schütteln, im Gegenteil. Bislang pflege ich jenen, die (z.T. auch schadenfroh) fragen, was ich zu Wahl zu sagen habe, mitzuteilen, daß es eine gute und eine schlechte Nachricht gibt. Die Gute Nachricht: Die FdP ist draußen. Die schlechte Nachricht: Die CSU ist noch drinnen.

So ganz ernstgemeint ist das zwar nicht, aber trotzdem ist es schade, daß es den drei Oppositionsparteien nicht gelungen ist, die CSU mal in die selbige zu schicken – tatsächlich ist es angesichts der ganzen Skandale, welche die CSU in der letzten Zeit produziert hat, nahezu unverständlich, daß sie dennoch derart zugelegt hat. Ein Beispiel: Frau Merk hat im Fall Gustl Mollath mehrfach gelogen und sich dermaßen ungeschickt, geradezu rechthaberisch verhalten – ein Sozialdemokrat wäre längst gesteinigt worden – daß es gleich für 47,06% der Erststimmen in ihrem Wahlkreis gereicht hat. Man greift sich an den Kopf. Bei 56,76% Wahlbeteiligung sind das zwar nur 26,04% der Wahlberechtigten, aber warum wählt ein Viertel der Ulmer Bayern noch immer eine solche Person und wofür?

Blickt man über ganz Bayern hinweg, so ist es zwar erfreulich, daß die SPD in Maßen zugelegt hat, 464.078 Gesamtstimmen mehr (also 191.516 Erststimmen und 272.562 Zweitstimmen mehr) als 2008 erringen konnte, aber da die CSU sowohl aus der FdP, als auch aus anderen Parteien schöpfen konnte und insgesamt 1.028.312 Gesamtstimmen (485.684 Erst- und 542.628 Zweitstimmen) mehr erringen konnte als bei der vorherigen Wahl, ist das Ergebnis trotzdem enttäuschend.
Daß die FdP viel verloren hat ist deutlich, interessant finde ich das Ergebnis bei Grünen und Freien Wählern: Die Freien Wähler erringen 12.957 mehr Erststimmen als 2008 (Was aber wegen der gestiegenen Wahlbeteiligung noch immer -0,8% ausmacht) und verlieren bei den Zweitstimmen 36.609 gegenüber 2008, also 1,6%. An Gesamtstimmen macht das also einen Verlust von 23.652 Stimmen, das sind 1,2%.
Die Grünen hingegen erleben ein sehr interessantes Ergebnis: Sie gewinnen 38.075 Erststimmen (macht aber -0,3%!) und verlieren 18.534 Zweitstimmen (-1,3%) gegenüber 2008. Das macht einen Gesamtstimmenzuwachs von 19.541 Stimmen – was aber einen Prozentverlust von 0,8% ergibt. Das ist interessant, denn die Grünen erleiden Verluste obwohl sie Gewinne haben und das ist ein schöner Beleg dafür, was die Wahlbeteiligung ausmacht. Die stieg nämlich um 6% auf 63,9%, das sind 613.083 Wähler mehr als 2008, aber all diese Wähler landeten praktisch bei den großen Parteien, mehrheitlich bei der CSU.

In Oberbayern sind es bei der Landtagswahl 210.843 Gesamtstimmen mehr (also 65.928 Erststimmen und 144.915 Zweitstimmen mehr als 2008) für die SPD abgegeben worden und die Ebersberger Landtagskandidatin Doris Rauscher hat es gerade so in den Landtag geschafft (in welchem die SPD künftig 42 Sitze stellen wird).
Insgesamt war das SPD-Ergebnis für bayerische Verhältnisse ganz ordentlich – am besten in Mittelfranken mit 24,6% (Danach Oberfranken: 23,3%, Oberbayern: 22,1%, Oberpfalz und Unterfranken: je 19,5%, Schwaben: 17,2%) und am schlechtesten in Niederbayern mit 14,0%. In Niederbayern hat die SPD auch 0,1% verloren (und die Wahlbeteiligung war auch am schwächsten), ansonsten überall in Bayern zugelegt. Ob man daraus einen Trend ablesen kann sei mal dahingestellt, es hat sich aber auf jeden Fall etwas bewegt.

Blicken wir nach Hause
Ein Blick nach Ebersberg (Stimmkreis 113) verrät, daß die SPD hier recht ordentlich zulegen konnte. Doris Rauscher holte 19,9% der Erststimmen, das sind immerhin 3,1% mehr als 2008, die SPD selbst kommt in den Zweistimmen auf 24,0% und schafft damit 5,7% mehr als noch zuvor. Das lässt ein bißchen hoffen bezüglich der Bundestagswahl. Im Gegenzug holt die CSU allerdings auch 3,7% mehr an Erststimmen und sensationelle 9,7% mehr an Zweitstimmen. Thomas Huber zieht als Direktkandidat in den Landtag ein. Naja, die Ebersberger werden ja sehen, was sie davon haben.
Erfreulich ist allerdings, daß die Wahlbeteiligung von 65,8% auf 71,4% gestiegen ist.

Was die Bezirkswahlen angeht, so hat es unsere Kandidatin Bianka Poschenrieder leider nicht ganz geschafft, in den oberbayerischen Bezirkstag einzuziehen. Aber ihr ist ein echter Achtungserfolg gelungen, als nahezu unbekannte Quereinsteigerin gestartet und dann mit 18.228 Stimmen auf Platz 14 der Liste gelandet. Da es der SPD nur gelungen ist, ihre 13 Sitze zu verteidigen (auch weil 1,7% der Stimmen genügten, um in den Bezirkstag einzuziehen, weswegen die Bayernpartei dort 3 Sitze erhält, FdP, ÖDP und Piraten je 2 Sitze und die Linkspartei einen Sitz), reicht das leider nicht – ihr fehlen genau 141 Stimmen für Platz 13 (Martin Eberl), aber sie hat beachtliche 2.253 Stimmen mehr als Platz 15 auf der SPD-Liste.

Insgesamt sieht es im Bezirk bei weitem nicht so rosig aus: Die CSU kommt auf 44,28% der Wählerinnen und Wähler, die SPD auf magere 18,94%, Die Grünen auf 11,35%, die Freien auf 9,48%. Schön finde ich, daß es den Piraten gelungen ist, sowohl Martina Wenta, als auch Dr. Gabriela Berg jeweils einen Sitz zu verschaffen.

Interessant ist es, wenn man die Zweit- und Erststimmenergebnisse von Bezirkstags- und Landtagswahl nur im Bezirk Oberbayern mal nebeneinander legt. Das mache ich, sobald die Zahlen vorliegen, derzeit ist das noch nicht der Fall. Aber das Ergebnis kann ich mal vorneweg nehmen: Es haben weniger Menschen bei den Bezirkswahlen ihre Stimme abgegeben, als bei der Landtagswahl. Das dürfte daran liegen, daß nicht allen klar ist, was die (in Bayern ziemlich einzigartigen) Bezirke eigentlich tun.

Fazit:
Nun, die Wahl müssen wir verloren geben – die Mehrheit hat gesprochen und sie findet, daß es in Bayern weiterhin Mauscheleien, Verwandtenbeschäftigung, Freiheitsberaubung, Lug und Trug geben darf. Die Botschaft der Wahl ist klar: Nimm mit, was geht und erbeute was Du kannst; Scher Dich nicht um Fairness oder Gerechtigkeit. Du wirst belohnt, wenn Du Dir das Land zu Beute machst und Dein Nachbar zählt nicht. Neoliberales Denken ist wohl wirklich in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Damit haben die Parteien links der sogenannten Mitte auch eine klare Aufgabe: Ändert das!


P.S.: Alle Zahlen kann man diesen Seiten entnehmen:

Integrationsprojekt der Türkei arbeitet auf Hochtouren

Die Türkei wünscht sich schon seit langem den Beitritt zur Europäischen Union. Davon verspricht sich das Land wirtschaftliche, aber auch gesellschaftliche Vorteile. Europa steht dem Thema recht skeptisch gegenüber, insbesondere die christlichen Parteien wollen eigentlich nicht, daß ein muslimisch geprägtes Land im Christenclub mitmachen darf.

Erst im Februar war die deutsche Bundeskanzlerin wieder einmal in der Türkei und hat mit Premierminister Erdogan gesprochen. Dabei hat sie ihm, das muß man mal fassen, „ehrliche Verhandlungen“ versprochen – also ist das anscheinend etwas besonderes. „Ergebnisoffen“ kam auch vor, scheint also auch etwas selteneres zu sein.

Erdogan hatte im Gegenzug versprochen, die Türkei umfassend zu modernisieren. Wörtlich sagte er, er bereite „eine ganz andere Türkei“ für die kommenden Generationen vor. Passenderweise wird ihm stets eine antidemokratische Politik vorgeworfen, die Hinwendung zum modernen, postdemokratischen Europa läuft also.

Sicherlich wird sich die Türkei in den letzten Jahren angeschaut haben, wie das moderne, christliche Europa denn so entwickelt ist und wie es mit den Problemen, die Regierungen im Alltag haben, so umgeht. Und dann hat man das sofort und umgehend kopiert. Zum Beispiel mit Meinungsfreiheit, wenn es um Bauprojekte geht. Da blickte man in Istanbul mal über den Bosporus und schaute nach, wie man das unter Christen so regelt mit der Meinungsfreiheit und dem Demonstrationsrecht. Und siehe da, man fand tolle Beispiele in Wackersdorf, Stuttgart oder jetzt auch in Frankfurt und dachte bei sich: Na klar, das können wir auch. Und ganz in christlich-abendländischer Tradition schoß also auch die türkische Polizei auf Bürger, die nicht wollen daß da einer Bäume fällt.

Natürlich quatscht Erdogan nun von radikalen und gefährlichen Spinnern, die da herumstehen und den Fortschritt behindern wollen. Extremisten sind das, sagt er. Klar. Denn sie sind die Verlierer der boomenden Wirtschaftsmacht und werden nun im Tränengasnebel auch noch von der Staatsmacht dafür verprügelt, daß sie ihre Meinung kund tun. Stuttgart ist eben überall.

Der Blog Insanlik Hali dokumentiert auf recht aufrüttelnde Weise, wie sehr sich die Türkei bemüht, in ein marktkonformes CDU-Land zu mutieren. Zwei Menschen wurden von einem Panzer überrollt:

They came from all around Istanbul. They came from all different backgrounds, different ideologies, different religions. They all gathered to prevent the demolition of something bigger than the park:
The right to live as honorable citizens of this country.
They gathered and marched. Police chased them with pepper spray and tear gas and drove their tanks over people who offered the police food in return. Two young people were run over by the panzers and were killed.

Na, das sollte doch für mehr als eine privilegierte Partnerschaft reichen, oder Frau Merkel?

Tacheles (1): Reden wir mal über das Ehegattensplitting

Ein großer Streit in der Gesellschaft, der gerade in Frankreich an die Grenze zur Gewaltbereitschaft geht, ist die Frage der Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften mit der heterosexuell orientierten Ehe sowie in Deutschland besonders die Frage nach dem Ehegattensplitting.

Erstaunlicherweise redet aber niemand – kein Politiker irgendeiner Partei, noch irgendein Vertreter der sich eifrig in die Diskussion stürzenden Lobbygruppen – über die Idee und die Hintergründe, warum wir sowas eigentlich haben. Ich möchte einmal zwei Antworten geben.

Die Gesellschaftliche Antwort
Ein Volk, eine Gesellschaft, egal wie sie sich definiert, ist seit den Urzeiten der Menschheit in Ihrem Bestehen davon abhängig, daß genügend Nachwuchs da ist. In den frühesten Zeiten, als die Kindersterblichkeit noch sehr hoch war, war es eine grundsätzliche Antwort der Menschen auf die Gefahren der Natur, viele Kinder zu zeugen.

Eine wohlplatzierte Seuche wie beispielsweise der schwarze Tod im Mittelalter konnte ganze Landstriche ausrotten. Die Gefahren waren aber auch ohne Seuche vielfältig: Wilde Tiere und feindliche Nachbarn, Hungersnöte und Naturkatastrophen bedrohten den Fortbestand der Menschen. Bei einer derartigen Gefahrenlage fragt man sich natürlich sofort, ob es dann eigentlich klug ist, seine Kinder einer derartigen Welt auszusetzen.
Nun ist der Mensch von drei grundsätzlichen Trieben gesteuert: Selbsterhaltung, Nahrungsaufnahme und Fortpflanzung. Alle gesellschaftlichen Regeln – auch praktisch jedes Verhalten, das wir im Tier- oder Pflanzenreich beobachten können, lässt sich auf diese grundsätzlichen Triebe herunterreduzieren. DIe Vermehrung als Weitergabe des eigenen Genmaterials ist auch ein Teil der Selbsterhaltung, etwas von einem selbst wird weiterleben, um es mal philosophisch auszudrücken.
Eine unkontrollierte Vermehrung ist aber bei ungesicherter Ressourcenlage eine ziemlich schlechte Idee – zumindest auf das Individuum heruntergerechnet. Man betrachte die Wanderheuschrecke: Viele Tiere fressen zwar zunächst alles, aber irgendwann gehen ihnen die Rohstoffe aus und sie müssen elendig verhungern. Der ständige Wechsel in der Anzahl bestimmter Tierarten und der daraufhin erfolgenden Vermehrung der Räuber – gefolgt vom selteren Auftreten der Tiere und damit auch einer Reduzierung der Zahl der Raubtiere – ist ein natürliches auf und ab, das die Evolution als bestes Ergebnis präsentieren kann, um eine Art Überleben zu lassen. Das funktioniert auch, solange der Mensch nicht eingreift.
Der Nachteil dieser Geschichte ist, daß das sehr grausam gegenüber dem Individuum ist: Zwar bleibt die Art als Ganzes erhalten, aber für das Einzelindividuum ist, gerade wenn es schwach ist, der Hungerwinter grausam und ungerecht.

Dem setzt der Mensch eine gewisse Kontrolle bei der Vermehrung entgegen. Durch die Vorstellung einer begrenzten Paarung (zum Beispiel ein Mann, eine Frau; Häufiger ein Mann und mehrere Frauen) wird die Zahl der potentiellen Kinder auch begrenzt. Eine solche Regel läuft aber dem Sexualtrieb des Menschen zuwider, also braucht er eine ihm übergeordnete, überlegene Macht, die ihn zwingt, bestimmte Verhaltensmuster anzunehmen.
Natürlich können auch Tiere auf diese Idee kommen und als Paar bis zum Ende ihres Lebens zusammenbleiben. Das ist aber höchst selten (weswegen der Schwan ja so viele Menschen inspiriert), aber der Mensch als Selbstbewußtes Individuum benötigt nun einmal jemanden, der ihm notfalls ein paar Regeln aufzwingt.

Mangels Staatlichkeit kamen unsere Vorfahren daher auf die glorreiche Idee, die Religion als Erzwinger von gesellschaftlichen Regeln zu benutzen. Die Religion schrieb vor wann man wen töten durfte und wann nicht, sie setzte Speisegesetze in Kraft die in Wahrheit eher der Gesundheit der Menschen dienten als irgendeinem Gott (Was genau macht Gott so froh darüber, wenn die Leute Freitags Fisch essen – und warum stört er sich nicht daran, daß man dann eben Schweine ertränkt hat, weil sie dadurch theologisch Fisch wurden und man sie essen durfte?).
Und die Religion schrieb – und möchte es gern weiter – eben auch vor, wer mit wem schlafen darf.

Natürlich steckt dahinter nicht eine Weltverschwörung weiser alter Graubärte und Graubärtinnen, sondern das Ganze hat auch praktische Aspekte (Überlegen Sie mal, wie groß die Macht einer Institution ist, die den Menschen vorschreiben darf, was sie wann essen und mit wem sich wer paaren darf – natürlich ist das Interesse der Kirchen zentral die Macht über Menschen), dennoch ist das Ergebnis dieser Entwicklung eine relativ kontrollierte Zahl an Geburten, die sich einigermaßen der vorhandenen Nahrungsmenge anpasst. In Gegenden, in denen das Nahrungsangebot reichhaltiger ist war die Monogamie ziemlich selten, man schließt heute, daß etwa 80% der menschlichen Stammesgesellschaften polygam lebten (siehe hierzu: David P. Barash und Judith E. Lipton: The Myth of Monogamy. Fidelity and infidelity in animals and people, 2002, S. 147). Auch zeigen Untersuchungen, daß die Zahl der Männer in der frühen menschlichen Geschichte erst mit der Erfindung des Ackerbaus zunahm – vorher gab es deutlich mehr Frauen als Männer. Mit dem Ackerbau stand aber auch mehr Nahrung zur Verfügung, die Zahl der Männer nahm zu und die Entwicklung hin zur Monogamie nahm ihren Lauf.

Als Überbau benutzte die Religion die „göttlichen“ Regeln, daß zum Einen Vater und Mutter zu ehren seien und zum Anderen den Aufruf „Seid fruchtbar und vermehret Euch!“. Daraus wird heute von religiös geprägten Menschen oftmals die „Natürlichkeit“ von heterosexueller, monogamer Ehe abgeleitet. Ein Trugschluß.

Dennoch hat auch der moderne Staat ein gewisses Interesse an der Ehe (und darum geht es in dem Artikel eigentlich, schon vergessen? 😉 ). Er möchte, daß sich das Volk vermehrt oder wenigstens seinen Bestand erhält. Eine Reihe von Mechanismen sind nämlich auf diesem Prinzip aufgesetzt. Der Generationenvertrag zum Beispiel. Er kann nur dann funktionieren, wenn es genügend Kinder und damit künftige Beitragszahler gibt. Auch ist die staatliche Ordnung davon abhängig, daß genügend Leute da sind damit sie sich verwalten und versorgen können – je höher der Grad an Spezialisierung derer, die einer Tätigkeit nachgehen, desto größer ist die notwendige Zahl derer, die ihren verschiedenen Professionen nachgehen. Man kann kein Land, keine Gesellschaft am Leben erhalten, wenn 90% der Menschen darin Bäume fällen und 10% Tische daraus bauen. Menschen brauchen Nahrung, Unterhaltung und so weiter – der Staat und damit die Gesellschaft braucht also zum Erhalt der eigenen Existenz Nachwuchs.

Eine heterosexuelle Ehe enthält zumindest das potentielle Versprechen auf Nachwuchs. Die Gesellschaft kann ja schlecht in Form der Staatsmacht zwei Menschen dazu zwingen, sich zu vermehren. Also wird die Ehe mit Hilfe des Ehegattensplittings steuerlich gefördert und aufgrund der inneren Logik dieses Gedankengangs eben bisher nur die heterosexuelle Ehe.
Das ist allerdings ein bißchen sehr veraltet: eine kinderlose Ehe erfüllt ihren Teil des Generationenvertrages nicht und trägt auch nicht zum Staat (im SInne der Notwendigkeit von Nachwuchs) bei – warum wird sie also gefördert? Und warum wird eine Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren, die aber Kinder haben (ob aus einer früheren Partnerschaft oder durch Adoption) nicht gefördert, obwohl genau diese den Vertrag und den staatlichen (und damit gesellschaftlichen) Willen erfüllen?
Auch bei auseinandergebrochenen Partnerschaften ist die staatliche Förderung überschaubar, zwar vorhanden und besser also noch vor ein paar Jahrzehnten, aber verbesserungsfähig. Alleinerziehende haben es nicht leicht.

Tatsächlich wäre es auf der Basis des Nachwuchsinteresses des Staates also an der Zeit, das Ehegattensplitting neu aufzurollen. Ich für meinen Teil würde junge Ehepaar bis, sagen wir, zum dreißigsten Lebensjahr mit dem Splitting belohnen (Damit der Berufseinstieg und letztendlich die Sicherung der Lebensumstände erleichtert wird) und es ihnen weiter gönnen, wenn sie Kinder haben. Entscheiden sie sich gegen Kinder ist das kein Problem – nur die steuerliche Familienförderung fällt dann halt eben flach. Die gleichen Regeln sollen für alle Arten von eingetragenen Lebensgemeinschaften gelten, gerne auch für diese – rechtlich eh sehr schwammigen – „eheähnlichen Verhältnisse“, aus denen der Staat gewisse Verpflichtungen ableitet, aber keine Vergünstigungen anbietet.

Die ökonomische Antwort
Man kann das mit der Ehe auch auf der Basis des Eigeninteresses sehen. Was für ein Interesse könnte der Staat denn haben, auch kinderlose Ehepaare steuerlich zu fördern? Nun ja, ein ganz einfaches, ein ökonomisches.

Wenn bei Ehepaaren ein Teil zu einem Pflegefall wird, dann ist zunächst einmal der Ehepartner in der Pflicht. Das gilt auch bei Trennungen für den finanzstärkeren Teil – eine Ehe ist in gewisser Hinsicht tatsächlich noch immer eine Bindung auf Lebenszeit. Was aber wenn kein Partner zur Verfügung steht und die Finanzmittel des Pflegepatienten nicht ausreichen? Dann muß der Staat einspringen, zumindest mit einer gewissen Grundversorgung. Um das irgendwie zu vermeiden hat er sogar die „eheähnlichen Verhältnisse“ eingeführt, um langjährige Beziehungen in ähnliche Pflichten zu zwingen.

Schon aus Eigennutz hat der Staat also ein Interesse an einer Ehe – es macht für ihn ökonomisch Sinn. Auch im Falle der Kinder gilt das: Gibt es keine Eltern, so ist der Staat gefragt. Das ist natürlich teuer, Eltern mit steuerlichen Sonderrechten kommen den Staat da einfach billiger – die versorgen nämlich das Kind und zahlen trotzdem Steuern.
Ökonomisch betrachtet macht also eine Verwehrung der Ehe für homosexuelle Paare überhaupt keinen Sinn mehr – das dürfte auch der Grund sein, warum die FdP eher dafür ist und die CSU strikt dagegen.

Es gibt auch eine Reihe Ordnungspolitischer Gründe, warum der Staat ein Interesse an der Ehe hat. Tatsächlich wachsen Kinder, die in Familien heranreifen, im Schnitt besser auf als in Heimen. Das funktioniert nicht immer ideal und auch nicht immer gut, dennoch ist eine starke Familie im Hintergrund diversen Studien zufolge eine gute Voraussetzung für eine einigermaßen gesellschaftsverträgliche Entwicklung. Regeln lernt man eben am besten in kleinen Gruppen (Ein Argument, das in diesem Zusammenhang Konservativen auch immer einfällt. Seltsamer Weise nicht mehr, wenn es um Klassengrößen und damit um die Frage, mehr Lehrer zu bezahlen, geht.)

Auch die ökonomische Antwort hat historische Gründe. Wer sprang denn im Mittelalter ein, wenn Kinder keine Eltern hatten? Oftmals leider niemand, aber wenn dann die Institution, die sich per Lehre einer gewissen Mildtätigkeit verschrieben hatte: Die Kirche. Allerdings kosten Suppenküchen für Arme und  Kinder, welche von Klöstern aufgenommen werden, Geld, schmälern also den Reichtum der Institution. Auch wenn diese Kinder manchmal zum Kirchennachwuchs wurden, erfordern sie dennoch eine Menge und stören außerdem den klösterlichen Lebensablauf.

Also reden wir mal Tacheles
Kein Politiker und kein Vertreter von Kirchen oder von anderen Organisationen redet über die schlichten ökonomischen oder gesellschaftlichen Gründe für die staatliche Förderung der Ehe. Egal ob pro oder contra, ständig wird das Thema mit emotionalem und ideologischen Sermon überschüttet, sei es aus der Gleichstellungsecke („Es ist einfach ungerecht!“) oder aus der Ecke der Konservativen („Besonderer Schutz der Familie!“), die sich auch nicht entblödet, hin und wieder das dumme, weil nachweislich falsche Wort „widernatürlich“ in dem Zusammenhang zu gebrauchen.

Der Staat hat als Ordnungsinstanz für die Gesellschaft ein Interesse daran, Ehen und Nachwuchs zu fördern. Wenn sein Interesse aber besteht – warum kann man das dann nicht einfach sagen? Warum lässt man Kirchenvertreter oder Neuchristen munter die Haßtrommel rühren (Ganz witzig die Seite „Schwert-Bischof.com“, eine „freie, katholische Kirche“), warum lässt man christliche Parteien den Sermon vom „besonderen Schutz der Familie“ absondern, obwohl sie damit eigentlich gar nicht wie Staatmänner reden? Warum dürfen auch die sich in Haßtiraden ergehen, statt einfach mal sachlich zu diskutieren? Schaffen übrigens die Freunde der Toleranz auch nicht. Zeige ich Ihnen:

Unsere Regierung… immer für ein Verbrechen gut.

„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“

Der Meineid unserer Minister. Die Regierungskoalition hat ja entgegen der Anträge von SPD, Grünen und Linkspartei am 28.3.2013 für die Privatisierung der deutschen Wasserversorgung gestimmt.

Man lese und staune: Privatisierung der Wasserversorgung: Der Bundestag hat am 28. Februar Anträge von Bündnis 90/Die Grünen (17/12394), der Linksfraktion (17/12482) und der SPD (17/12519) abgelehnt, die zum Ziel hatten, eine Privatisierung der Wasserversorgung als Folge von Vorgaben der EU zu verhindern. Die Grünen forderten die Bundesregierung auf, den EU-Richtlinienvorschlag zu den Dienstleistungskonzessionen, zur sogenannten Inhouse-Vergabe von Kommunen und zur interkommunalen Zusammenarbeit zu stoppen oder weitreichende Ausnahmen zu erwirken. Ihren Antrag lehnten in namentlicher Abstimmung 291 Abgeordnete ab, 249 stimmten ihm bei acht Enthaltungen zu. Die Linke hatte ebenfalls die Ablehnung des Richtlinienvorschlags verlangt. Auch sollten alle Versuche abgewehrt werden, rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die zu einer Liberalisierung oder Privatisierung der Wasserversorgung führen können. In namentlicher Abstimmung votierten 299 Abgeordnete gegen diesen Antrag, 122 befürworteten ihn, es gab 124 Enthaltungen. Die SPD hatte in ihrem nicht namentlich abgestimmten Antrag die Regierung aufgefordert, sich der Auffassung des Bundesrates anzuschließen, dass es keiner europäischen Rechtsetzung zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen bedürfe und diese abzulehnen sei. Mit einer Dienstleistungskonzession wird eine kommunale Aufgabe von der Kommune vertraglich auf einen „Dritten“ übertragen, zum Beispiel auf ein kommunales Versorgungsunternehmen. Brüssel plant nun eine Ausschreibungspflicht für Dienstleistungskonzessionen, was aus Sicht der SPD eine „weitgehende Umorganisation der kommunalen Wirtschaft“ zur Folge hätte.

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Noch heute die Kampagne unterstützen: Wasser ist ein Menschenrecht!

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Hören Sie sich mal den Staatssekretär (Ministerium für Wirtschaft und Technologie) der FdP Hans-Joachim Otto an. Aber bitte keinen Sprengstoff in Griffweite haben, man könnte Lust bekommen, ihn zu werfen…:


Interessant ist, daß er anscheinend nicht über ein gewisses Mindestmaß von Ahnung verfügt. Mal ein bißchen Nachhilfe von meiner Seite:




Ganz besonders das hier ist ein interessantes Beispiel!



Noch heute die Kampagne unterstützen: Wasser ist ein Menschenrecht!

Wie der "schwarze Filz" tickt…

Das Beste an der Demokratie ist der gelegentliche Wechsel der Regierungsmehrheiten. Das führt dazu, daß nicht eine Gruppe alleine ihren Einfluß auf die Verwaltung, die Justiz und manchmal sogar die Medien ausübt, sondern daß es da gelegentlich zu einem Wechsel kommt.

Nun ist es in Bayern ja geradezu ein offenes Geheimnis, daß eine Verwaltungskarriere eine bestimmte Stufe nicht erreichen wird, wenn man nicht über das richtige Parteibuch verfügt. Hier ist es längst in Teilen zu einem „Filz“ gekommen, der eigentlich dringend durchbrochen werden muß, der Skandal um den Augsburger Staatsanwalt Winfried Maier, der wegen seiner Ermittlungen gegen Max Straß strafversetzt wurde, zeigte das überdeutlich. Geändert hat die Geschichte aber nichts.

Trotzdem begehren immer wieder einzelne Mitglieder der Gesellschaft auf. So auch der Journalist Peter Welchering, der über seine Heimatstadt Kornwestheim berichtet und das auf der Ebene von Blog und Twitter. Er beschreibt einen kleinen Finanzierungsskandal in Pattonville, wird daraufhin von den Lokalmedien (welche die Lufthoheit über den Stammtischen bislang genießen durften) bedroht und letztendlich sogar von Seiten der Kommunalen Politik bedrängt. Als Reaktion darauf beschreiben andere Journalisten offenbar auch derartige Erfahrungen, geradezu bedroht werden sie manchmal aus den Reihen der kommunalen Behörden.

Hallo, wo sind wir hier?

Man hat langsam wirklich das Gefühl, in einer Bananenrepublik gelandet zu sein.

Kurzer Nachtrag:
Auch wenn ich jetzt hier zwei Beispiele aus dem schwarzen Filz herausgegriffen habe, sollte ich alleine schon der Gerechtigkeit halber betonen, daß es umgekehrt auch nicht gut ist, wenn die andere Seite zu lange ununterbrochen regiert, siehe Kölner Klüngel. Wie gesagt, ein Wechsel ist demokratisch.
Interessant ist in dem Zusammenhang aber, daß man bei schwarzen Korruptionsfällen oftmals nur mit den Schultern zuckt, während die Bevölkerung Korruption bei der SPD immer besonders kritisch betrachtet. Das bringt einen zu einer interessanten Erkenntnis: Anscheinend hat man an die Sozialdemokratie nicht nur den höheren Anspruch was Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Sauberkeit angeht, sondern es gibt scheinbar auch noch einen gewissen Rest von gutem Ruf. Sonst wäre im anderen Fall die Enttäuschung auch nicht so groß…

Eine richtige Entscheidung

Anette Shavan ist zurückgetreten. Das war eine richtige Entscheidung, alleine schon weil so weiterer Schaden vom Amt der Bundesbildungsministerin genommen wird. Der Schaden für die Union und die Kanzlerin allerdings bleiben.

Das zweite Merkel’sche Kabinett hat jetzt, abgesehen von ihr selbst, nur noch wenige Minister, die auf ihrem ursprünglichen Posten sitzen: Schäuble als Finanzminister, Leutheusser-Schnarrenberger als Justizministerin Aigner als Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin Peter Ramsauer als Verkehrsminister und Niebel als Entwicklungshilfeminister. (Naja, und Pofalla als Kanzleramtsminister)

Zwar ist Westerwelle noch immer Außenminister, aber nicht mehr Vizekanzler. Ansonsten sind die Wechsel schon ziemlich massiv: Franz-Josef Jung trat im November 2009 zurück, damit Guttenberg nicht beschädigt wird. Ersetzt wurde der Arbeitsminister durch die bisherige Familienministerin Ursula von der Leyen, deren Nachfolge trat die Extremismusexpertin der Union, Kristina Schröder an. Im März 2011 mußte Guttenberg trotzdem zurücktreten, wegen einer Plagiatsaffäre. Dessen Nachfolge trat der bisherige Innenminister Thomas de Maziére an, der wiederum von Hans-Peter Friedrich beerbt wurde. Im Mai 2011 trat Rainer Brüderle als Wirtschaftsminister zurück (im Zuge von Westerwelles Sturz, der zwar die FdP nicht mehr nach außen vertreten sollte, wohl aber Deutschland) und wurde durch Philip Rösler ersetzt, der das Gesundheitsministerium an Daniel Bahr abgab. Rösler wurde bei der Gelegenheit auch Vizekanzler. Im Mai 2012 chasste Merkel ihren Umweltminister Röttgen, weil dieser die Landtagswahlen in NRW in den Sand gesetzt hatte, ihn ersetzte Peter Altmeier. Nun ist Anette Schavan zurückgetreten, wieder wegen einer Plagiatsaffäre. Sie wird ersetzt durch Johanna Wanka.

Nicht erwähnt habe ich hierbei die Vernichtung gleich zweier Bundespräsidenten, die sind natürlich auch keine Kabinettsmitglieder.

Die Zahl der Kabinettsumbildungen ist zwar nicht ohne Beispiel, aber schon deutlich. Die christliche Union mußte zwei ihrer Minister wegen mutmaßlichen wissenschaftlichen Betruges absägen, die FdP verspielte wegen ihrer menschenverachtenden Grundhaltung jedwedes Ansehen und fiel vor allem durch peinliche Personalpolitik auf. Das Kabinett Merkel steht letztendlich wie ein Haufen werteloser Gesellen da, der nur an Macht und Machterhalt interessiert ist. Dem Ruf des Politikers allgemein und den beteiligten Parteien im Besondern hat das schwer geschadet.

Was bleibt ist eine Regierung, die ihrer mittleren Silbe eindeutig die größte Bedeutung zumisst. Wird mehr als Zeit, sie abzulösen.

Affe 1 – Bankster 0

Ich liebe ja den Deutschlandfunk. Information aus allen Bereichen von Politik bis Kultur und dazu eine große Mediathek, in der man wirklich in aller Seelenruhe zum Beispiel Abends nachhören kann. Nicht wie bei der ARD, die einen zwingt, schnell zu reagieren, wenn man es live nicht hinkriegt (oder wie ich keinen Fernseher hat).

Nun hat Forschung aktuell kürzlich von einem interessanten Experiment berichtet (hier zum nachhören): Es fing um Fairness unter Schimpansen. 2007 hieß es noch, daß es derartiges nicht gebe, das Experiment hier zeigte aber, daß die Schimpansen, wenn sie zusammenarbeiten, recht großzügig sein können und durchaus am Fairplay interessiert sind.

„Wir schließen aus den Ergebnissen, dass Schimpansen und Menschen einen ähnlichen Sinn für Fairness besitzen. Und dass die evolutionäre Geschichte der Fairness mindestens zurückreicht bis zu den gemeinsamen Vorfahren von Menschen und Schimpansen.“, sagte Darby Proctor

Tatsächlich ist man sich da aber nicht so richtig einig. Sicherlich akzeptieren Schimpansen ein wenig pragmatischer als Menschen auch eine unfaire Verteilung. Aber daß sie zu Fairness und Großzügigkeit fähig sind hebt sie immerhin über eine andere Spezies dieses Planeten: Die mit Stehkragen in Vorstandsetagen großer Banken, die zum Wohle von sich selbst auch gerne weiterhin mit Lebensmitteln spekulieren und Menschen verhungern lassen. Die sich mit Steuergeldern haben retten lassen und nun munter weiter gegen die Menschheit spekulieren.

Da ist der gemeine Affe schon weiter entwickelt.

Aus der Reihe Kopfkino…

Aus der Reihe „Dinge, die ich nicht wissen will, weil mein Kopfkino dafür viel zu aktiv ist“ möchte ich heute folgendes vorstellen: Vorwurf der sekuellen Belästigung an Rainer Brüderle. (Abgesehen davon hat die SZ es in bemerkenswert dämlicher Weise geschafft, Sexismus und sexuelle Belästigung durcheinander zu schmeißen. Deppen. Sueddeutsche halt, oder?)

Was mich ein bißchen erstaunt ist die Dummheit der Sueddeutschen, was diese Begrifflichkeiten angeht. Sexismus ist in aller Regel die Annahme eines Vorurteils aufgrund von Geschlecht, also daß Frauen gute Sekretärinnen, aber schlechte Polizistinnen sind, zum Beispiel. Typischer Unsinn, der aus konservativen Kreisen kommt, nicht selten aus der religiösen Ecke.

Sexuelle Belästigung ist jener Vorwurf, den die Stern-Autorin da erhebt – und der nicht ohne ist. Einer Frau ein Kompliment zu machen (oder einem Mann) dürfte nicht darunter fallen. Ungefragt jemanden, der das nicht will, zu küssen oder (etwas intimer) zu berühren, schon. Das ist eine etwas schwammige Sache, aber eine Journalistin ziemlich blöd (so die Geschichte so stimmt) derart anzumachen, könnte unter die entsprechenden Paragraphen fallen.

Was ich viel spannender finde ist der zufällige Zufall, daß diese Geschichte im Bertelsmann-Blatt Stern (der ja der CDU sehr nahe steht – also der Verlag, der Stern nicht zwingend aber auch da wird es Abhängigkeiten geben…) just ein paar Tage nach der Wahl in Niedersachsen erscheint. War das nun Rache für den Stimmenverlust der CDU oder kluges Schweigen vor der Wahl für den Koalitionspartner? Hm…. Verschwörungstheoretiker, melden Sie sich bitte.

Der erste Schock des Wahlabends – und das glückliche Ende

Um 18 Uhr macht die Bibliothek zu – um 18:10 Uhr beginne ich Deutschlandradio zu hören. Und da traf es mich wie ein Schock: FdP bei 10%? Hoppla, was ist denn da passiert?

Ein Liveblog während ich erstmal was trinken gehe…

19:11 Uhr:
Die ersten Hochrechnungen sind ziemlich gruselig:

  • CDU 36,4%
  • SPD 32,6%
  • Grüne 13,4%
  • FDP 9,9%
  • Linke 3,3%
  • Piraten 1,8%
  • Sonstige 2,6%

Ersten Analysen zufolge ist das Ergebnis vor allem den Leihstimmen zu verdanken. Die CDU hat ziemlich heftig verloren (etwa 6%) und die FdP ein wenig gewonnen. Bin mal gespannt auf die realen Stimmen gewinne und -verluste.

19:15 Uhr
Hm…. die krachenden Verlierer sind definitiv die Piraten und die Linkspartei. SPD/Grüne und CDU/FdP sind annähernd gleichauf. Das wird ein spannender Abend…

19:20 Uhr:
Ein schönes hat das Ganze ja…. die Demoskopen sind mal so richtig auf die Nase gefallen. Reiner Brüderle auch. Schön fand ich die erste Aussage von Stefan Weil, der sich für den fairen Wahlkampf bedankte und hervorhob, daß die Wahlbeteiligung gestiegen ist. Mit knapp über 60% ist sie aber trotzdem erschreckend niedrig.
Peer Steinbrück hat sich recht einsichtig geäußert… vielleicht findet er endlich ein bißchen Rückenwind gegen die Kampagne, die da gegen ihn läuft. Vielleicht wird sich da ja doch noch was ändern.
Gabriel hat auch einen schönen Satz gesagt: Die FdP existiert eigentlich nicht mehr – nur noch über Leihstimmen. Naja, rein rechnerisch kann das wohl kaum stimmen….

19:45 Uhr:
Warum darf in der Berliner Runde eigentlich die CSU immer ihren Senf dazugeben? Warum nicht die Piraten?

20:10 Uhr:
Wird spannend: Das Rotgrüne Lager ist genauso stark wie das bürgerliche. Es wird um ein paar hundert Stimmen gehen. Ehrlich gesagt, ich finde das Lagedenken schrecklich, aber jetzt hat sich das irgendwie endgültig durchgesetzt…

20:24 Uhr:
taktische Wähler; Das gleiche wie bei der Bundestagswahl 2009: Im Grunde keine Zustimmung zur FdP sondern mehr eine Ablehnung von SPD und Grünen. Und das, wo die Grünen in so vielem der FdP ähnlich sind..

21:55 Uhr:
Aktuelle Hochrechnung:

  • CDU: 36,1%
  • SPD: 32,3%
  • Grüne: 13,7%
  • FdP: 10,1%
  • Linke: 3,2%
  • Piraten: 2,0%
  • Sonstige: 2,6%

Koalitionen? Hm…. Infratest Dimap geht derzeit von 142 Sitzen aus. Daher würde das bei dem Ergebnis heißen:

  • Schwarzgelb: 71 Sitze
  • Rotgrün: 71 Sitze
  • Schwarzrot: 106 Sitze

Damit bliebe nur eine große Koalition, die aber wahrscheinlich keiner will.

22:05 Uhr:
Niedersachsen ist spannend, weil es wohl letztendlich auf ein Wettrennen mit den Überhang- und Ausgleichsmandaten hinausläuft. Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei über die Erststimmen in den 87 Wahlkreisen mehr Mandate direkt gewinnt, als ihr nach der Zahl der Zweitstimmen prozentual zustehen – und das passiert öfter. Im Bund ist dies Gegenstand der großen Kontroverse um unser Wahlrecht.
In Niedersachsen ist es nun aber so, daß die anderen Parteien dann Ausgleichsmandate erhalten, damit das Zweitstimmenergebnis sich im Parlament wiederspiegelt. Damit kommt es auf jede Stimme an.

22:15 Uhr:
„Hat das Ergebnis irgendwelche Auswirkungen auf Angela Merkel?“, fragen viele Medien. Vielleicht sollten wir erstmal ein Ergebnis haben, Freunde, es sind gerade mal die Hälfte der Stimmbezirke ausgezählt…
Nach den Hochrechnungen hat das Rotgrüne Lager knapp 8% gewonnen, das Schwarzgelbe („bürgerliche“) Lager hat gute 5% verloren. Das könnte man als Stimmungsumschwung interpretieren, aber das ist eine Landtagswahl – Bundestrends spielen natürlich eine Rolle, aber keine entscheidende. Jedenfalls wäre das zu hoffen.

22:23 Uhr:
Seltsam….. Herr Rösler hat eine sehr seltsame Satzbetonung im Gespräch mit den Tagesthemen… das klingt so ein bißchen wie damals bei der Knoff-Hoff Show und Joachim Bublath… was seinerseits Bully noch schön parodiert hatte…. irgendwie erinnert das Interview mehr an die Parodie…

22:30 Uhr:
Gucke grad das Heute-Journal, das für die Ergebnisse um 21:44 eine andere Hochrechnung bietet. Interessant ist der Unterschied schon:

  • CDU: 36,5% (ARD, 21:45 Uhr: 36,1%)
  • SPD: 32,7% (ARD, 21:45 Uhr: 32,3%)
  • Grüne: 13,6% (ARD, 21:45 Uhr:13,7%)
  • FdP: 9,6% (ARD, 21:45 Uhr:10,1%)
  • Linke: 3,1% (ARD, 21:45 Uhr: 3,2%)
  • Piraten: keine Angabe, ca 2% wird gesagt (ARD, 21:45 Uhr: 2,0%)
  • Sonstige: 4,5% (ARD, 21:45 Uhr: 2,6%)

Die Forschungsgruppe Wahlen geht derzeit von 140 Sitzen (ARD, 21:45 Uhr: 142) aus. Daher würde das bei dem Ergebnis heißen:

  • Schwarzgelb: 70 Sitze (56+14)
  • Rotgrün: 70 Sitze (50+20)
  • Schwarzrot: 106 Sitze

Damit bliebe auch hier nur eine große Koalition, die aber wahrscheinlich keiner will.

22:40 Uhr:
Endlich mal neue Zahlen…. 🙂

  • CDU: 36,0%
  • SPD: 32,7%
  • Grüne: 13,6%
  • FdP: 10,0%
  • Linke: 3,1%
  • Piraten: 2,1%
  • Sonstige: 2,5%

Quelle ist hier wieder die Infratest Dimap, Stand ist 22:19 Uhr.

22:39 Uhr:
Die Sitzverteilung nach diesen neueren Hochrechnungen ist auch interessant.

  • CDU: 53
  • SPD: 48
  • Grüne: 20
  • FdP: 14
  • insgesamt 135 Sitze

Das würde bedeuten 67:68 Sitze, Hauchdünner Vorsprung für Rot-Grün. Dummerweise gibt es auch eine alternative Sitzverteilung.

  • CDU: 54
  • SPD: 49
  • Grüne: 20
  • FdP: 15
  • insgesamt 138 Sitze

Da würde es 69:69 Sitze stehen. Also immer noch Kopf- an-Kopf. Mittlerweile ist es aber schon einigermaßen eindeutig, was die Erststimmenergebnisse angeht: Die Karte zeigt, daß nur noch ein Wahlkreis fehlt, nämlich Hameln/Rinteln.

22:52 Uhr:
Gemein! Das Tagesthemen-Livestream geht derzeit nicht… Verdammt!

22:57 Uhr:
Jetzt geht’s. Endlich.

23:00 Uhr:
Hm… die Forschungsgruppe Wahlen (ZDF) hat neue Zahlen vor ein paar Minuten gebracht, die von der ARD muß ich nachgucken weil der Livestream grad nicht ging.

  • CDU: 36,2% (ARD, 22:47 Uhr: 36,0%)
  • SPD: 32,7% (ARD, 22:47 Uhr: 32,6%)
  • Grüne: 13,6% (ARD, 22:47 Uhr: 13,76%)
  • FdP: 9,9% (ARD, 22:47 Uhr: 9,9%)
  • Linke: 3,1% (ARD, 22:47 Uhr: 3,2%)
  • Piraten: keine Angabe (ARD, 22:47 Uhr: 2,1%)
  • Sonstige: 3,1%

Interessant ist, daß es jetzt nicht mehr für CDU/FdP reicht, wenn man der ARD glaubt, nach dem ZDF könnte es noch gehen. Egal wie, es würde nur eine Stimme Mehrheit sein – das erfordert Regierungskunst.

23:05 Uhr:
Langsam gehen mir die Leute auf den Keks. „Wie oft, Stefan Weil, haben Sie im Wahlkampf gedacht: ‚Peer Steinbrück, Hätten Sie doch mal den Mund gehalten‘ “ Was soll diese Steinbrückdrescherei andauernd? Könnten sich die Medien mal auf ihre Aufgabe besinnen?

23:16 Uhr:
Stefan Belz‘ Kommentar in den Tagesthemen ist ja wohl mal bescheuert: „Das Land steuert auf einen Lagerwahlkampf zu. Der heutige Tag war gut für die Demokratie.“
Sonst geht’s ihm aber schon noch gut, oder?

23:20 Uhr:
So, ich mag nicht mehr. Mittlerweile war es ein bißchen viel Whiskey (natürlich schottischer Single Malt) und jetzt kommt eh der Sportteil, also verabschiede auch ich mich vom Liveblog und freue mich mit Euch allen auf das amtliche Endergebnis – das bei aller Behauptung der Tagesthemen noch immer nicht wirklich klar ist. Immerhin, das vorläufige amtliche sieht es nun bei 69:68 Sitzen für Rot-Grün. Gute Nacht Euch allen und lasst Euch nicht unterkriegen. Kämpft weiter für die Gute Sache.
Für unser Land.

Von den Mitgliederzahlen…

Es gehört immer wieder zu den interessanten Meldungen, wenn sich Parteien oder Vereine über ihre Mitgliederzahlen freuen, weil man den politischen Sprech darin am einfachsten decodieren kann. Der politische Sprech macht aus steigenden Schulden ein „negatives Wachstum“ und aus Arbeitslosen „totes Humankapital“. Manchmal auch aus Handlungsunfähigkeit „Alternativlosigkeit“.

Die SPD erfreute sich vor einiger Zeit über die Meldung, daß sie wieder die Mitgliederstärkste Partei im Land ist. Das war im April noch ein bißchen anders, wenn auch nicht viel:

Mitgliederzahlen der politischen Parteien in Deutschland 2012
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Wie man sieht sind CDU und SPD annähernd gleich stark gewesen, das Verhältnis hat sich nur ein bißchen umgedreht. Dabei sollte die SPD-Spitze sich mehr Gedanken darüber machen, was die sinkende Mitgliederzahl eigentlich zu bedeuten hat, die in den letzten 34 Jahren insbesondere die beiden Volksparteien SPD und CDU getroffen hat:

Mitgliederentwicklung der SPD bis 2011
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Interessant ist bei der Kurve der SPD, daß der wirklich radikale Niedergang mit der Agenda-Politik Schröders zusammentrifft, aber ein ganz anderer Effekt ist, wie ich finde, daß der Niedergang schon vorher begonnen hat und der Trend lediglich durch die Wiedervereinigung kurzfristig und scheinbar aufgehalten wurde. Mittlerweile ist die SPD 483.226 Mitglieder stark – und hat damit 275 Mitglieder mehr als die CDU (482.951), was jetzt nicht gerade ein großer Vorspung ist.

Mitgliederentwicklung der CDU bis 2011
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Nun ist es natürlich auch so, daß die Parteien generell rückläufige Mitgliederentwicklungen haben. Das ist mit der vermeintlichen „Politikverdrossenheit“, die mehr und mehr eine Staatsverdrossenheit ist, durchaus zu erklären. Blickt man in die Bevölkerungsstatistik, so sieht man das noch viel mehr bestätigt: Waren 1981 noch 2,118% der Bevölkerung nur in diesen Parteien aktiv, waren es 1990 nur noch 2,007%.

Auch das führt zu einer immer geringeren Akzeptanz von Staat und Parteiendemokratie in diesem Land – und das wird von Seiten der Politik und der sie beherrschenden Lobbyvertretung auch tatsächlich als Wohltat empfunden. Weil die geringe Beteiligung am demokratischen Willensbildungsprozeß sie letztendlich machen lässt, was sie wollen.

Im Ergebnis haben wir eine gewollte Armut, an der kaum ein Bürger glaubt, noch etwas ändern zu können. Die Politik müsste aber diese Problematik effektiv bekämpfen – weil sie die einzige Waffe der Bürger ist. Da sie es nicht tut sondern sich gefühlt in der Hand der Wirtschaft befindet, wenden sich die Bürger ab – und damit auch vom System. Das wird – eher früher als später – wirklich üble Folgen haben. Die Proteste in Spanien und Griechenland waren schlimm; Stuttgart 21, eigentlich nur ein Aufhänger, hat aber gezeigt, daß so etwas bei uns auch passieren kann. Ein Staat, der von seinen Bürgern nicht mehr unterstützt und geachtet wird wandelt sich entweder in eine Diktatur oder geht unter. Beides kann nicht im Sinne parlamentarischer Parteien sein.

Gerade die SPD sollte sich vielleicht nun zwischen den Jahren im Hinblick auf die Bundestagswahlen eines klar machen: Selbst wenn der Regierungswechsel klappt, einen Vertrauenvorsprung haben die Sozialdemokraten nicht mehr im Volk. Sie müssten einiges wiedergutmachen. Würden sie sich das aber zu Herzen nehmen, dann gäbe es vielleicht eine Chance den Menschen auch das System selbst wieder ein bißchen Vertrauen erweckender zu gestalten. Es ist eine monumentale Aufgabe, die sich hier stellt, und eine, die unser Staatsgefüge retten müsste. Eine Aufgabe, die den meisten Parteien herzlich egal ist. Eine Aufgabe für die SPD.