Zur Landtags- und Bezirkswahl in Bayern 2013

Leider hat es ja nicht geklappt, die CSU vom Thron zu schütteln, im Gegenteil. Bislang pflege ich jenen, die (z.T. auch schadenfroh) fragen, was ich zu Wahl zu sagen habe, mitzuteilen, daß es eine gute und eine schlechte Nachricht gibt. Die Gute Nachricht: Die FdP ist draußen. Die schlechte Nachricht: Die CSU ist noch drinnen.

So ganz ernstgemeint ist das zwar nicht, aber trotzdem ist es schade, daß es den drei Oppositionsparteien nicht gelungen ist, die CSU mal in die selbige zu schicken – tatsächlich ist es angesichts der ganzen Skandale, welche die CSU in der letzten Zeit produziert hat, nahezu unverständlich, daß sie dennoch derart zugelegt hat. Ein Beispiel: Frau Merk hat im Fall Gustl Mollath mehrfach gelogen und sich dermaßen ungeschickt, geradezu rechthaberisch verhalten – ein Sozialdemokrat wäre längst gesteinigt worden – daß es gleich für 47,06% der Erststimmen in ihrem Wahlkreis gereicht hat. Man greift sich an den Kopf. Bei 56,76% Wahlbeteiligung sind das zwar nur 26,04% der Wahlberechtigten, aber warum wählt ein Viertel der Ulmer Bayern noch immer eine solche Person und wofür?

Blickt man über ganz Bayern hinweg, so ist es zwar erfreulich, daß die SPD in Maßen zugelegt hat, 464.078 Gesamtstimmen mehr (also 191.516 Erststimmen und 272.562 Zweitstimmen mehr) als 2008 erringen konnte, aber da die CSU sowohl aus der FdP, als auch aus anderen Parteien schöpfen konnte und insgesamt 1.028.312 Gesamtstimmen (485.684 Erst- und 542.628 Zweitstimmen) mehr erringen konnte als bei der vorherigen Wahl, ist das Ergebnis trotzdem enttäuschend.
Daß die FdP viel verloren hat ist deutlich, interessant finde ich das Ergebnis bei Grünen und Freien Wählern: Die Freien Wähler erringen 12.957 mehr Erststimmen als 2008 (Was aber wegen der gestiegenen Wahlbeteiligung noch immer -0,8% ausmacht) und verlieren bei den Zweitstimmen 36.609 gegenüber 2008, also 1,6%. An Gesamtstimmen macht das also einen Verlust von 23.652 Stimmen, das sind 1,2%.
Die Grünen hingegen erleben ein sehr interessantes Ergebnis: Sie gewinnen 38.075 Erststimmen (macht aber -0,3%!) und verlieren 18.534 Zweitstimmen (-1,3%) gegenüber 2008. Das macht einen Gesamtstimmenzuwachs von 19.541 Stimmen – was aber einen Prozentverlust von 0,8% ergibt. Das ist interessant, denn die Grünen erleiden Verluste obwohl sie Gewinne haben und das ist ein schöner Beleg dafür, was die Wahlbeteiligung ausmacht. Die stieg nämlich um 6% auf 63,9%, das sind 613.083 Wähler mehr als 2008, aber all diese Wähler landeten praktisch bei den großen Parteien, mehrheitlich bei der CSU.

In Oberbayern sind es bei der Landtagswahl 210.843 Gesamtstimmen mehr (also 65.928 Erststimmen und 144.915 Zweitstimmen mehr als 2008) für die SPD abgegeben worden und die Ebersberger Landtagskandidatin Doris Rauscher hat es gerade so in den Landtag geschafft (in welchem die SPD künftig 42 Sitze stellen wird).
Insgesamt war das SPD-Ergebnis für bayerische Verhältnisse ganz ordentlich – am besten in Mittelfranken mit 24,6% (Danach Oberfranken: 23,3%, Oberbayern: 22,1%, Oberpfalz und Unterfranken: je 19,5%, Schwaben: 17,2%) und am schlechtesten in Niederbayern mit 14,0%. In Niederbayern hat die SPD auch 0,1% verloren (und die Wahlbeteiligung war auch am schwächsten), ansonsten überall in Bayern zugelegt. Ob man daraus einen Trend ablesen kann sei mal dahingestellt, es hat sich aber auf jeden Fall etwas bewegt.

Blicken wir nach Hause
Ein Blick nach Ebersberg (Stimmkreis 113) verrät, daß die SPD hier recht ordentlich zulegen konnte. Doris Rauscher holte 19,9% der Erststimmen, das sind immerhin 3,1% mehr als 2008, die SPD selbst kommt in den Zweistimmen auf 24,0% und schafft damit 5,7% mehr als noch zuvor. Das lässt ein bißchen hoffen bezüglich der Bundestagswahl. Im Gegenzug holt die CSU allerdings auch 3,7% mehr an Erststimmen und sensationelle 9,7% mehr an Zweitstimmen. Thomas Huber zieht als Direktkandidat in den Landtag ein. Naja, die Ebersberger werden ja sehen, was sie davon haben.
Erfreulich ist allerdings, daß die Wahlbeteiligung von 65,8% auf 71,4% gestiegen ist.

Was die Bezirkswahlen angeht, so hat es unsere Kandidatin Bianka Poschenrieder leider nicht ganz geschafft, in den oberbayerischen Bezirkstag einzuziehen. Aber ihr ist ein echter Achtungserfolg gelungen, als nahezu unbekannte Quereinsteigerin gestartet und dann mit 18.228 Stimmen auf Platz 14 der Liste gelandet. Da es der SPD nur gelungen ist, ihre 13 Sitze zu verteidigen (auch weil 1,7% der Stimmen genügten, um in den Bezirkstag einzuziehen, weswegen die Bayernpartei dort 3 Sitze erhält, FdP, ÖDP und Piraten je 2 Sitze und die Linkspartei einen Sitz), reicht das leider nicht – ihr fehlen genau 141 Stimmen für Platz 13 (Martin Eberl), aber sie hat beachtliche 2.253 Stimmen mehr als Platz 15 auf der SPD-Liste.

Insgesamt sieht es im Bezirk bei weitem nicht so rosig aus: Die CSU kommt auf 44,28% der Wählerinnen und Wähler, die SPD auf magere 18,94%, Die Grünen auf 11,35%, die Freien auf 9,48%. Schön finde ich, daß es den Piraten gelungen ist, sowohl Martina Wenta, als auch Dr. Gabriela Berg jeweils einen Sitz zu verschaffen.

Interessant ist es, wenn man die Zweit- und Erststimmenergebnisse von Bezirkstags- und Landtagswahl nur im Bezirk Oberbayern mal nebeneinander legt. Das mache ich, sobald die Zahlen vorliegen, derzeit ist das noch nicht der Fall. Aber das Ergebnis kann ich mal vorneweg nehmen: Es haben weniger Menschen bei den Bezirkswahlen ihre Stimme abgegeben, als bei der Landtagswahl. Das dürfte daran liegen, daß nicht allen klar ist, was die (in Bayern ziemlich einzigartigen) Bezirke eigentlich tun.

Fazit:
Nun, die Wahl müssen wir verloren geben – die Mehrheit hat gesprochen und sie findet, daß es in Bayern weiterhin Mauscheleien, Verwandtenbeschäftigung, Freiheitsberaubung, Lug und Trug geben darf. Die Botschaft der Wahl ist klar: Nimm mit, was geht und erbeute was Du kannst; Scher Dich nicht um Fairness oder Gerechtigkeit. Du wirst belohnt, wenn Du Dir das Land zu Beute machst und Dein Nachbar zählt nicht. Neoliberales Denken ist wohl wirklich in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Damit haben die Parteien links der sogenannten Mitte auch eine klare Aufgabe: Ändert das!


P.S.: Alle Zahlen kann man diesen Seiten entnehmen:

Fingerhakeln

Peer Steinbrück zeigt einen Stinkefinger und die Regierung freut sich. Nachdem sich Steinbrück zuletzt in der ARD in der Wahlarena als kompetent, klug und wählbar erwiesen hat und Angela Merkel dagegen üblich schwammig war, und zu allem übel auch noch die SPD bei der Umfrage der Infratest Dimap auf 28% „hochgeschnellt“ ist, mußte ja nochmal was kommen.

Nun also hat Peer Steinbrück in einem Fotointerview (das berühmte „Sagen Sie jetzt nichts“ des SZ-Magazins) auf eine Frage den Stinkefinger gezeigt. Die Frage lautete: „Pannen-Peer, Problem-Peer, Peerlusconi – um nette Spitznamen müssen Sie sich keine Sorgen machen, oder?“.

Quelle: Sueddeutsche.de / SZ-Magazin

Ehrlich gesagt – die Antwort von ihm finde ich witzig.

Das Fotointerview ist eine Sache, die Schauspielerei, Albernheit und ein gewisses Maß an Vordergründigkeit verlangt und ungefähr das hat er da auch gemacht. Niemand muß meine Meinung teilen, ich konnte nur drüber lachen. Daß die Republik das heute so ausgibig diskutiert (und sämtliche Spießbürger fast so sehr erschrocken sind als hätte er sich in Turnschuhen vereidigen lassen) zeigt aber sehr schön, wie die Medien hier wieder einmal arbeiten.

Wenn ein Politiker nicht zu 110% angepasst ist sondern tatsächlich mal ein bißchen von der Norm abweicht, wird er da gleich zerlegt, meistens von den Medien, die auch gerne beklagen, daß Politiker alle so einheitlich langweilig sind. Ich für meinen Teil möchte aber einen Politiker, der unbequem ist, an dem man sich reiben kann, den man gut oder furchtbar finden kann und da bin ich, glaube ich, nicht alleine. Immer wieder höre ich ein fast schon wehleidiges Sehnen nach Figuren wie Strauß, der aufrichtig gehasst werden konnte aber wenigstens auch zu dem stand was er sagte.

Muppets in Maßanzügen sind jedenfalls nicht das, was ich unter meinen Vertretern verstehe. Ich kann damit leben, daß Steinbrück die Wahlsieger in Italien als „Clowns“ tituliert – insbesondere weil der Eine das berufsmäßig ist und der Andere darstellerisch ja auch. und die Italiener stimmten ihm ja da teilweise auch zu. Wenn Steinbrück dem einen oder anderen „Mitglied der Gesellschaft“ gelegentlich den Stinkefinger zeigt, fühle ich mich für meinen Teil jedenfalls tatsächlich vertreten.

Dabei ist die Geste gar nicht aggressiv, wie das zum Beispiel Lorenz Maroldt vom Tagesspiegel meint: „Die Augen verkniffen, offen der Mund: ein Hooligan, kurz davor, dem Gegner mit der hohen Stirn das Nasenbein zu zertrümmern – so springt er alle an, vom Titelbild des ‚SZ-Magazins‘.“ Keine Ahnung, warum sich Herr Maroldt da so eingeschüchtert fühlt, wahrscheinlich fühlt er sich betroffen. Könnte am Umgang der Medien mit ihm, also Steinbrück, liegen. Ist aber nur so ’ne Vermutung. Ich finde die Geste provokant – und eben lustig.

Ganz ehrlich – wie wäre denn die Fotoserie mit Merkel gelaufen? Das hat der Twitter-User Hauke Walden treffend beantwortet:

Merkel_FotointerviewAls Antwort auf die Raute der Kanzlerin (neuerdings ja als einzige Botschaft der CDU in Berlin zu bewundern) ist es jedenfalls eine schöne Geste – und hinsichtlich einer eventuellen großen Koalition lässt sie auch Interporetationsspielraum. Wer wird da wohl wen… naja.

Was wollen sie sagen

Nachtrag, 17:00 uhr: Ich bin wohl doch nciht so alleine. Gysi hat das schon 1994 gemacht, die Hörer des Deutschlandfunks finden die Aktion irgendwie zwischen „okay“ und „super“ und wenigstens ein paar Leute machen sich die Mühe und suchen nach dem Anlaß des Bildes. Aber eines muß ich noch loswerden: Den wirklich witzigen tumbrl-Blog dazu.

Das SPD-Deutschlandfest

Mann, das war eine Party! Am Freitag bin ich dem Aufruf der Partei gefolgt und freute mich so richtig drauf: Drei Tage Berlin, eine der geilsten Städte der Welt, und dann noch zum größten Volksfest nach der Wiesen: Das mußte einfach was werden!

Und es wurde was. Die Presse, sichtlich in Verzweiflung über die Besucherzahlen (es waren insgesamt rund 500.000 da!), redete madig, was man vielleicht noch madig machen konnte: Der Kandidat sprach schlecht (stimmt nicht, siehe hier, bzw. Video unten), die Jusos finden den Namen nationalistisch (naja, das diente wohl zum Anstoß an eine Debatte aber trotzdem frage ich mich tatsächlich, was der Schwachkopf Kühnert sich da gedacht hat…), die Welt findet endlich etwas wichtiges: Steinbrück trinkt einen kleinen Schluck Bier, weil ihn „Werner“-Zeichner Brösel drauf einlädt. Naja, Brösel hat ein wirklich geniales Wahlplakat für die SPD gezeichnet und gehört zum großen Unterstützerkreis von Intelektuellen und Künstlern für eine rot-grüne Koalition. Ich habe es bei mir an der Tür hängen – am Dienstag ist es auf dem Blog hier zu bewundern. Vorsichtshalber log man auch gleich im Boulevard und erzählte von Peers Kavallerie (Stimmt auch nicht, können Sie in der Rede nachhören).

Mag ja sein, daß die beliebte Anti-Steinbrück-Kampagne nach wie vor Leser zieht, aber inzwischen beginnt so manches ein bißchen zu kippen. Den Menschen ist glaube ich, inzwischen klar daß es mit Angela Merkel nicht so weitergehen kann. Wir brauchen einen oder eine Kanzler/in, der oder die vernünftig und überlegt, aber auch mit Mut handelt. Und das fehlt völlig. Bei Frau Merkel zählt nicht das handeln, sondern nur der Handel. Und das schwächt unser Land und unser Europa.

Sehen Sie sich die Rede an. Einige Highllights:

  • Der Mindestlohn kommt mit der SPD. Er ist nämlich ökonomisch und sozial vernünftig!
  • Ich will ein Land, in dem es nicht darauf ankommt, wo Du herkommst – Sondern wo Du hinwillst!
  • Das WIR entscheidet über die Zukunft dieses Landes!
  • Ich will nicht ein Land, das von seiner Substanz lebt – wie das im Augenblick der Fall ist.
  • Die SPD die dazu da, Lebensentwürfe möglich zu machen!

Sehen Sie sich die Rede an. Es lohnt sich!

Stichwahl in Ebersberg: Vom Schwund der Wahlberechtigten

Die Stichwahl ist vorbei und die CSU verteidigt ganz knapp eine Mehrheit: Robert Niedergesäß ist, um mal mit den Sozialdemokraten vor Ort zu sprechen, in Vaterstetten abgewählt worden. Bei der Analyse fielen mir jedoch einige seltsame Angaben auf, die sich besonders auf die Zahl der Wahlberechtigten beziehen.

Die Ergebnisse der Wahlen werden von der zuständigen Behörde, in dem Fall das Landratsamt Ebersberg, auf der Homepage veröffentlicht. Das Procedere ergibt, daß zunächst die Schnellmeldungen (hier vom 14.4.2013 und hier vom 28.4.2013) veröffentlicht werden. Nimmt man diese Daten und betrachtet sie mal vergleichend, ergeben sich allerdings erstaunliche Ergebnisse.

Zum weiteren Verständnis der Analyse empfiehlt es sich, dieses pdf nebenbei zu öffnen.

Das erste, was eigentlich sofort ins Auge sticht, ist die fürchterlich schlechte Wahlbeteiligung. Weit weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten im Landkreis haben überhaupt abgestimmt, was der Legitimität der Politik dann doch in Zweifel zieht; Die vordringliche Aufgabe aller Parteien muß es sein, besonders im Kommunalen Bereich das Interesse und vor allem die Beteiligung der Bürger am politischen Geschehen zu stärken.

Ich habe das pdf noch am Wahlabend erstellt mit Hilfe der oben verlinkten Ergebnisseiten. Dabei fiel mir etwas richtig seltsames auf: Egmating, eine kleine Gemeinde mit gerade einmal 2142 Einwohnern, schien binnen zwei Wochen über 300 wahlberechtigte Einwohner verloren zu haben. Waren es am 14.4.2013 noch 1749 Wahlberechtigte (von denen knapp 720 nur zur Wahl gingen), so schienen es am 28.4.2013 nur noch 1447 zu sein. Sie können die Angaben auch den Screenshots entnehmen:

Schnellmeldung EgmatingSchnellmeldung gesamtDas verblüffte mich dann doch. Eine gewisse Bewegung unter den Wahlberechtigten ist völlig normal (Einwohner sterben oder ziehen weg, andere werden just in der Zeit volljährig oder ziehen zu) und die Bewegungen hier sind im großen und ganzen wohl normal – auch wenn ich mich schon wundere, was so binnen zwei Wochen alleine in Vaterstetten (40 weniger) passiert; Natürlich ist Vaterstetten auch wirklich groß. Geht das eigentlich überhaupt, daß sich die Zahl der Wahlberechtigten binnen zwei Wochen ändert? Dem wollte ich mal nachgehen.

Ich schrieb also das Landratsamt in Ebersberg als zuständige Behörde (das Landratsamt hat die Wahlleitung bei Kommunalwahlen inne – eine Information die man im Netz lange suchen kann…) und auch die Gemeinde Egmating an und fragte nach, ob es hier vielleicht zu einem einfachen Tippfehler gekommen ist: 1447 statt 1749… zugegeben, da muß ganz gut was schiefgegangen sein, aber 4 und 7 liegen im 9er Feld übereinander und so….

Tatsächlich meldeten sich beide Behörden auch gleich am nächsten Morgen bei mir. Die Gemeinde Egmating klärte mich auf:

„Sie haben richtig erkannt, dass  bei der Schnellmeldung statt 1747 Wahlberechtigte nur 1447  vermerkt sind. Dies ist wahrscheinlich bei der telefonischen Übermittlung bzw. als Zahlendreher  bei der ersten Meldung weitergeleitet worden. Jedoch nach Protkollübergabe und Prüfung durch das Landratsamt wurde das richtige Endergebnis vermerkt und bereinigt.
Am Wahlergebnis ergeben sich dadurch keine Änderungen und auch bei der Wahlbeteiligung des Landkreises bleiben die 41,5%. Bei der Gemeinde Egmating ändert sich nur die Statistik der Wahlbeteiligung statt 50 % auf 41,4 %.  Nach Rücksprache mit der Wahlleitung des Landratsamtes gelten immer nur die Endergebnisse, die erst nach Protokollabgabe feststehen. Es gab keine Fehler beim Verschicken der Wahlberechtigungskarten oder beim Wahlaufruf.
Mit freundlichen Grüßen“

Okay, also 1747 Wahlberechtigte; Zwei sind also in diesen zwei Wochen entweder verstorben oder weggezogen. Auch das Landratsamt meldete sich in Form des Wahlleiters persönlich (!) bei mir und klärte mich noch einmal darüber auf, daß natürlich erst die Zahlen des Protokolls wirklich amtlich seien. Auf die müssen wir noch ein bißchen warten. Daraus kann man aber eine Lehre ziehen, die vielleicht auch die Presse mal beherzigen sollte: Die Zahlen am Wahltag sind eben nur vorläufig.

Jeder 1000ste Wahlberechtigte weg

Das macht dann eben 162 Wahlberechtigte weniger binnen dieser zwei Wochen. Und das wiederum macht auch stutzig. Ein Blick in das Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz in Bayern besagt, daß bei einer Kommunalwahl zunächst einmal jeder Unionsbürger, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen ist (z.B. durch eine Straftat; Das regelt Art. 2 des GLkrWG) und seinen Lebensmittelpunkt in der entsprechenden Gemeinde hat, wahlberechtigt ist.
Bei einer Stichwahl liegt das gleiche Wählerverzeichnis zugrunde. Die Gemeinde- und Landkreiswahlordnung (GLKrWO) schreibt vor, daß eine Stichwahl mit der ursprünglichen Wahl rechtlich eine Einheit bilden, das regelt § 78 Abs. 2 GLKrWO. Das bedeutet: Es kann bei der zweiten Wahl (der Stichwahl) nicht mehr Stimmberechtigte geben, als bei der ersten Wahl, wohl aber weniger, weil diejenigen, die durch Wegzug (und rechtzeitige Ummeldung) oder Tod ihren Lebensmittelpunkt (Ja, der Tod verlagert wahlrechtlich den Lebensmittelpunkt… *kicher*) verlagert haben, herausfallen.
Laut § 15 der GLkrWO ist jeder gemeldete und berechtigte Bürger im Wählerverzeichnis, der am 35. Tag vor der Wahl die Voraussetzungen erfüllt hat. Nachträglich kann man sich eintragen lassen, muß man sich aber selbst drum kümmern.

Insgesamt 162 wahlberechtigte Landkreisbürger haben in der Zeit vom 14.4. bis zum 28.4. also den Landkreis verlassen; Sei es durch Tod oder Wegzug. Die meisten in Vaterstetten (40), Grafing (24), Kirchseeon (21) und Markt Schwaben (19). 162 von 100.961 Berechtigten entsprechen einem Anteil von 0,16%, das ist mehr als jeder tausendste. Nicht viel, aber doch bemerkenswert. Mir fehlen noch Vergleichsdaten aber ich ahne, schon wieder ein ziemlich bescheuertes Hobby gefunden zu haben… (Nebenbei – wer an sowas Spaß hat kann sich ja mal die Tabellen zum endgültigen Wahlergebnis der Kommunalwahlen 2008 ansehen.)

Zahlenspielereien

Natürlich werden bei Wahlen immer gerne die günstigeren Zahlen genannt. Das konnte ich mal wunderschön bei der Landtagswahl in Schleswig-.Holstein 2012 aufzeigen: Die FdP hatte hier ihr „zweitbestes Ergebnis der Geschichte!“ verkündet, tatsächlich aber die Hälfte ihrer Stimmen verloren.

Die gesunkene Wahlbeteiligung bei dieser außerplanmäßigen Landratswahl ist natürlich nicht völlig unerklärlich: 2008 fand die Wahl halt parallel zu den allgemeinen Kommunalwahlen statt, während aufgrund der schweren Erkrankung des Landrates nun eine Sonderwahl notwendig wurde, die dann aber auch 7 Jahre gültig ist. Niedergesäß wird – sofern er keine nachweisbare Straftat begeht (hier bitte eine eigene CSU-Polemik einfügen) – also bis zu den übernächsten Kommunalwahl 2020 regieren dürfen.

Generell ist es bei Kommunalwahlen so, daß weniger große Lebens- und Gesellschaftsentwürfe gegeneinander stehen (Der jeweils andere Entwurf wird gern als „Ideologie“ tituliert, das klingt negativer), sondern eher Sachthemen. Das scheint weniger zur Wahl zu reizen, wobei ich das eigentlich nicht wirklich nachvollziehen kann. Muß ein Wahlkampf wirklich wütend, polemisch und ideologisch geführt werden, statt sich sachlich über Ziele und die Wege dahin zu streiten?
Im Kommunalwahlkampf 2008 konnten sich der damalige SPD-Kandidat Ralf Kirchner und der Amtsinhaber Gottlieb Fauth auf den Tod nicht ausstehen. Die hatten schon so manche heftige und z.T. auch ziemlich .. hm… unparlamentarisch formulierte Auseinandersetzung hinter sich. Das hat verschiedentlich auch die Zeitungen beschäftigt (zum Beispiel hier oder hier oder auch hier den Merkur) und natürlich auch die Parteizeitungen (hier auf Seite 9). Insgesamt war es stets ziemlich laut im Landkreis. Gebracht hat das der SPD ein Ergebnis von 20%.

In meinem korrigierten pdf (hier zum Download) habe ich auf der letzte Seite mal die realen Stimmenanteile (also inklusive Nichtwähler) im Vergleich zwischen 2008 und 2013 (wobei ich da nur die erste Wahl, nicht die Stichwahl genutzt habe) ausgerechnet. Auch hier bitte wieder mit dem Vorbehalt, nur vorläufige Zahlen von 2013 zu haben.

Es zeigt sich, daß die niedrige Wahlbeteiligung sowohl der CSU, als auch den Grünen massiv geschadet haben: Die CSU hat praktisch ein Drittel ihrer Wähler eingebüßt, die Grünen sogar gut die Hälfte.

In Realen Prozentanteilen ausgedrückt hat die SPD aber auch nur eine Steigerung von 0,54% geschafft und nicht – wie natürlich verkündet – von 11,68%. Das zeigt auch auf, warum die sensationelle Steigerung von fast 12% mit nur 1.732 zusätzlichen Wählern geschafft worden ist. Umgekehrt haben die Grünen massiv verloren (6.087 Stimmen), was mehr als der Hälfte ihrer Wähler von 2008 darstellt. Mit Fauth hatten die Grünen ein Feindbild, wahrscheinlich ist Niedergesäß dafür einfach zu glatt. Die CSU verlor nach offizieller Angabe beim ersten Wahlgang etwa 4,84% – zwar ein Schock, aber zu verkraften. Bis man mal in die realen Werte guckt: Die bayerische Einheitspartei hat in Wahrheit 12,30% verloren und damit ein volles Drittel ihrer Wähler von 2008. Von 30.892 auf 20.489 Wähler abgesackt – das ist heftig. Wäre die Wahlbeteiligung in etwa gleich hoch gewesen ohne daß die anderen Wähler schwarz angekreuzt hätten, wäre die CSU ziemlich gedrückt worden – wobei das natürlich Unsinn ist. Unter der schlechten Wahlbeteiligung hat die CSU am stärksten gelitten, während es der SPD gelungen ist, trotz sinkender Beteiligung mehr Wähler anzusprechen. Das ist ein voller Erfolg für die nicht gerade mit Erfolg verwöhnten Genossen.

In der Tabelle werden Sie keine Vergleichswerte für die Freien Wähler oder die FdP finden; Das hat damit zu tun daß die FdP aus Existanzmangel diesmal keinen Kandidaten aufgestellt haben, die Freien Wähler 2008 keinen anboten.

Stärken und Schwächen wie Stadt und Land?

Die Unionsparteien haben generell das Problem, eher als Parteien des ländlichen Raumes wahrgenommen zu werden und nicht gerade als Vertreter des urbanen. Das könnte auch mit dem konservativen Anstrich zu tun haben, den sie sich versuchen zu geben und hat natürlich vor allem historische Gründe.

Seit es Wahlen gibt und andere Parteien zugelassen waren als konservative oder liberale gab es zwischen den Arbeiterparteien und den konservativen einen starken Stadt-Land Unterschied. War die SPD als traditionelle Arbeiterpartei in den Arbeitervierteln entsprechend erfolgreich, verknüpften konservative Parteien die Herrscherideologienideale mit bäuerlicher Existenz; Schafften den Spagat zwischen Untertanenexistenz und Eigenverantwortlichem Unternehmensgeist. Nach dem zweiten Weltkrieg verlegten die Konservativen das Thema Untertan völlig ins Religiöse und betonten die Wirtschaft und den Mittelstand als Rückgrat in Kombination mit dem, was sie gerne „traditionelle Werte“ nennen. Im Gegenzug entwickelte die SPD den Sprung von der Arbeiterpartei zu einer Partei für Studenten und Professoren, wurde eine Kombination aus Arbeiter- bzw. Arbeitnehmervertretung und Kämpferin für Bildung und Ausbildung. Beides allerdings sind DInge, die eher in den Zentren zu finden waren – auf dem Dorf waren der Pfarrer und der Dorfschullehrer gerne die einzigen „Studierten“.

Das hat sich längst gewandelt, steckt aber sowohl im Selbstempfinden, als auch in der Wahrnehmung nach wir vor drin. Dennoch erleben wir hier eine gewisse Umbruchphase, die Grünen – einst als radikal alternativer Teil aus der SPD geschieden – entwickelten sich zunächst von einer Umweltbewegung zu einer sozialliberalen Partei, bis sie, erstmals an der Regierung mit der SPD, den Außenminister stellte, der Sodaten in Kriege im Ausland schickte. Heute ist sie oftmals im Bürgerlichen angekommen, insbesondere im Städtischen. Ein Grüner (Fritz Kuhn) wird Oberbürgermeister in Stuttgart – vermutlich wegen dieser Symbolhaftigkeit für das Vordringen der Grünen ins konservative „bürgerliche Milieu“ ist das die Medien landaus, landab diskutiert worden. Daß da parallel die SPD mit tollen Ergebnissen in Saarbrücken, Mainz, Erfurt, Potsdam, Magdeburg oder München jeweils das Amt des Oberbürgermeisters errang oder verteidigte (mit Ergebnissen zwischen 57,5% und 66,8% der jeweils gültigen Stimmen), oder aber der CDU selbiges an anderer Stelle gelang, wie in Düsseldorf oder Dresden,war keine national verbreitete Nachricht wert.

Kurz vor der Themaverfehlung 🙂

Bevor ich jetzt noch weiter abschweife (Vielleicht schreibe ich da morgen mehr dazu), kehren wir wieder in den Landkreis Ebersberg zurück. Der Landkreis hat natürlich keine urbanen Zentren im eigentlich Sinne – er hat insgesamt etwa 130.000 Einwohner und damit gerade ein Zehntel der Einwohnerzahl Münchens – dennoch kann man den Landkreis ganz unterschiedlich einteilen.

Es gibt im Landkreis 2 Städte (Grafing mit 12.940 Einwohnern und Ebersberg mit 11.458 Einwohnern), 3 Marktgemeinden (Markt Schwaben mit 12.122 Einwohnern, Kirchseeon mit 9.833 Einwohnern und Glonn mit 4.455 Einwohnern), sowie 16 Gemeinden. Die größte Gemeinde ist zugleich auch die größte Siedlung: Vaterstetten mit seinen 22.292 Einwohnern, die zweitgrößte Poing mit 13.905 Einwohnern. Die Grenze zwischen Vaterstetten und Haar – und damit der Metropolregion München – ist winzig: bald wird Vaterstetten wohl rein optisch nach München hineinwachsen. Die kleinste Gemeinde im Landkreis ist Bruck mit 1.164 Einwohnern.

Insgesamt wohnen die meisten Wähler im Landkreis in den großen Gemeinden und Städten (inkl. Kirchseeon sind das 82.550), die restlichen 48.268 Einwohner verteilen sich auf 15 kleinere Gemeinden, unter denen Zorneding mit 8.997 Einwohnern schon wieder die größte ist.

Blickt man nun auf die Wahlergebnisse muß man vorher noch zwei Dinge wissen: Robert Niedergesäß von der CSU ist in Vaterstetten bislang Bürgermeister gewesen und dort dementsprechend bekannt (und nicht wenige Kommentatoren bei Merkur-Online sagten ja, daß die Vaterstettener ihren wenig erfolgreichen Bürgermeister abgewählt hätten), und Toni Ried ist zweiter Bürgermeister in Ebersberg und weit über die Politik hinaus im Ort verwurzelt und bekannt. Einen derartigen „Heimvorteil“ hatte Dr. Ernst Böhm ebenfalls – er stammt aus Grafing – allerdings nicht mit einem politischen Hintergrund: Böhm war bis dahin nur als Unternehmer in seiner Heimat bekannt gewesen. Reinhard Oellerer von den Grünen ist Gemeinderat in Anzing und dort entsprechend bekannt – das schlägt sich auch im Ergebnis nieder.

Es ist wenig überraschend, daß die CSU in den kleineren Gemeinden stets sehr stark war. Das beste relative Ergebnis erzielte sie allerdings in Vaterstetten, gefolgt vom sehr ländlichen Baiern. Von den großen Gemeinden ist nur das SPD-geführte Markt Schwaben mit 50,16% noch über der absoluten Mehrheitsgrenze für die CSU.

Die besten Ergebnisse erzielte die SPD in Aßling und Grafing, aber auch im ländlichen Bruck schaffte sie 39,96%. Neben Vaterstetten, das mit 22,70% ziemlich schwach dasteht, mit 1.762 Stimmen aber trotzdem an Dritter Stelle steht, sind Pliening (23,54%), Anzing (24,04%), Forstinning (23,89%), Baiern (25,25%), Hohenlinden (26,06%), Oberpframmern (26,43%) und leider eben auch Markt Schwaben (28,28%), Poing (30,12%) und Kirchseeon (31,20%) unter dem Landkreisdurchschnitt (32,18%) gelandet. Bedenkt man, daß in Glonn (SPD-Bürgermeister) mit einer durchwachsenen Wahlbeteiligung von 41,52% immerhin über 38% für die SPD stimmten, so stimmen die Ergebnisse für Markt Schwaben und Poing nachdenklich – beide werden erfolgreich von einem SPD-Bürgermeister regiert und zumindest Albert Hingerl aus Poing galt als potenzieller Kandidat für den Landrat – und trotzdem haben gerade diese beiden Städte die niedrigste Wahlbeteiligung überhaupt. Wechselstimmung scheint da überhaupt nicht gewachsen zu sein. Das könnte allerdings auch mit der Nord/Süd-Teilung des Landkreises zu tun haben – ich frage mich, ob der Landrat von Ebersberg in den nördlichen, eher Erding zugewandten Gemeinden eigentlich als „ihr“ Landrat wahrgenommen wird.

Neben Ebersberg sind die Freien Wähler interessanter Weise in Hohenlinden, Oberpframmern und Steinhöring über die 10%-Marke geklettert und haben einen beachtlichen Erfolg erreicht, die Grünen haben den relativ größten Erfolg in Anzing (18,9%), Poing (17,75%), Forstinning (15,66%), Markt Schwaben (14,84%) und Poing (14,02%)gehabt. In drei weiteren Gemeinden schafften sie es auch noch über die 10%-marke, das schwächste relative Ergebnis landeten sie in Steinhöring.

Betrachtet man nun die absoluten Zahlen, so findet man für die CSU schnell heraus, daß die meisten Stimmen aus Vaterstetten kamen (4.927), gefolgt von Grafing (1.650), Markt Schwaben (1.612), Zorneding (1.528) und Ebersberg (1.480). Auch in Poing und Kirchseeon holten sie mehr als 1.000 Stimmen
Bei der SPD liest sich die Liste ähnlich: die meisten Stimmen kamen aus Grafing (2.321), Vaterstetten (1.762), Ebersberg (1.691) und Zorneding (1.021). DIe wenigsten SPD-Wähler wohnen in Moosach (168). Die Grünen kommen in keiner einzigen Gemeinde auf 1.000 Stimmen, das beste absolute Ergebnis erziehlen sie mit 626 Wählern in Vaterstetten, gefolgt von Poing (580), Grafing (509), Markt Schwaben (477), Ebersberg (352) und Zorneding (341). DIe freien Wähler haben in Ebersberg mit 1.089 Stimmen ein tolles Ergebnis, ansonsten aber nie mehr als 400 Stimmen gesammelt.

Insgesamt sind also die Ballungszentren auch ohne Stadt zu sein nicht unbedingt im relativen Sinne wichtig, wohl aber im absoluten. Das zweitbeste absolute SPD-Ergebnis ist mit 22,70% trotzdem das schwächste relative gewesen – und jede Stimme zählte. In der Stichwahl zeigte sich das dann überdeutlich: Der SPD fehlten genau 802 Stimmen, um der CSU den Landkreis abzunehmen – es haben aber nur 666 (Was ein Zufall!) Menschen mehr CSU gewählt, während die SPD inklusive der Anhänger der Grünen und der Freien Wähler 6.607 Wähler zusätzlich mobilisieren konnte und als einzige Partei mit Kandidaten 2008 und 2013 einen realen Stimmenzuwachs verzeichnen konnte. Wäre die SPD nicht ausgerechnet in Poing und in Markt Schwaben so krass hinter ihren Möglichkeiten geblieben, hätten die 279 zusätzlichen Vaterstettener, die ihren Bürgermeister bei der Stichwahl weitergelobt haben, den Kohl auch nicht mehr fett gemacht.

Christian Ude auf Deutschlandfunk

In der Sendung Tacheles spricht Christian Ude, Spitzenkandidat der SPD in Bayern, zu den wichtigen Themen wie Mieten und Mietsteigerung, Kita-Plätzen oder die Luftqualität in Städten.

mp3 Download hier. Nachlesen können Sie das Gespräch hier.

 

Suche Skandal – Donnerstag ohne Steinbrück?

Mein lieber Schwan: Schon Donnerstag und noch kein Steinbrückbashing? Was ist den los? Gut, über den Parteitag am Sonntag hat man sich noch volle Dose lustig gemacht, auch wenn die Berichterstattung danach eher positiv war. Aber es muß doch irgendeine schlimme Steinbrückaussage diese Woche geben, am besten ins Gegenteil verzerrt. Wo bleibt sie denn?

Ah – Thüringer Allgemeine sei Dank! „Steinbrück hält in Erfurt Wutrede gegen Politiker-Verächter und zieht NS-Vergleich“. Super! Gleich zwei Begriffe dabei, die sofort aufzeigen, daß der Mann mal wieder außer Kontrolle ist. Puh. Das hilft sicher bei der Skandaldokumentation (Hilfe für die deutsche Medienlandschaft bietet ja der tumblr-Blog Skandalpeer).

Was ist eigentlich genau passiert? Hm, Steinbrück hat nichts anderes getan als anzumerken, daß in Deutschland das Gewicht der Politik auf dem Ehrenamt ruht – im Kommunalen Bereich sind zehntausende Menschen ehrenamtlich tätig und stellen neben Beruf und Familie auch noch Gemeinderäte, Bürgermeister und Kreisräte; Auch so mancher Stadtrat ist nicht hauptamtlich, sondern ehrenamtlich tätig. Dafür schlagen sie sich die Freizeit um die Ohren und kümmern sich um Schulwege, Schlaglöcher und Spielplätze. Dafür werden sie von manchen pauschal verurteilt weil sie „die Politiker“ sind, und das findet er nicht okay. Ich übrigens auch nicht.

Im Gegenteil: Ich bin Peer Steinbrück dankbar, daß er das mal deutlich gesagt hat. Er hat nämlich Recht mit seiner Frage: „Sondern dann frage ich Sie nämlich, wer an Stelle von demokratischen Parteien demokratisch legitimierte Mehrheitsentscheidungen unter Wahrung eines Minderheitenschutzes in einer toleranten Gesellschaft vornehmen soll? Wer denn dann außer Parteien? Meinungsumfragen? Talkshows? Ältestenrat, natürlich nur aus alten Männern bestehend? Bürgerinitiativen?

Die Verachtung in der Bevölkerung für Politiker trifft besonders im kommunalen Bereich die demokratische Grundsubstanz unserer Gesellschaft. Wenn das keiner mehr machen will, dann übernimmt das die Verwaltung, und die wird nicht demokratisch legitimiert. Überlegen Sie sich mal ganz kurz, ob Sie wirklich vom örtlichen Bauamt regiert werden wollen. Ohne Mitsprache.

Wir stecken mittlerweile in der Situation, daß immer weniger Menschen bereit sind, diesen Job auf sch zu nehmen. Es gibt Orte, in denen keiner mehr Bürgermeister sein möchte (zum Beispiel Hechingen, Jonaswalde oder Friesenried, ganz aktuell in Sarnow), insbesondere wenn das ein Ehrenamt ist. Denn es kostet Zeit und verlangt einen Menschen, der sich für die Gesellschaft engagieren möchte; In einer „Wenn jeder an sich denkt ist an alle gedacht“ – Welt, wie sie sich die jung- und neoliberalen Macher der „geistig-moralischen Wende“ wünschen ist das eben nicht mehr drin. Der Preis wären größere Verwaltungsbezirke, die dann von Hauptamtlichen Politikern regiert werden müssten; Ist es aber nicht gerade im kommunalen Bereich ein riesen Vorteil, daß Gemeinderäte und Bürgermeister aus dem echten Leben kommen und eben keine Berufspolitiker sind? Daß sie die Erfahrung mit dem Leben vor Ort haben und auch die Problematik mit dem verdreckten Spielplatz und der Angst um die Kinder mit der ungesicherten Hauptstraße kennen und daher viel offener sind für die Bedürfnisse der Bevölkerung, als das ein königlich-bayerischer Hofbeamter aus JWD je sein konnte?

Die letzte Landratswahl im Landkreis Ebersberg vergangenen Sonntag hatte eine fürchterlich schlechte Wahlbeteiligung: 42,45%. Von 101.123 Wahlberechtigten sind gerade einmal 42.926 zur Wahl gegangen. Das kann man damit erklären, daß die Wähler nicht wissen was ein Landrat tut. Andererseits wurde auch das immer wieder erklärt.
Immer wieder begegnen mir an Infoständen Leute, die mich für das aufmerksam machen auf eine bevorstehende Wahl mit Sätzen wie „Ihr Politiker macht doch eh, was Ihr wollt!“, sagen wir, parieren. Manchmal auch beschimpfen. Das ist insofern interessant, weil immer dann, wenn die Politiker die Entscheidung in die Hände der Bürger legen (müssen), also bei Bürger- und Volksentscheiden, die Wahlbeteiligung auch eher lasch ist. Besonders amüsant ist das bei dem Hickhack rund um das „Nichtraucher-Schutzgesetz“, bei dem gerade einmal 37,7% der Bürger auch hingegangen sind um zu wählen. Jetzt beklagen sich viele, daß da eine Minderheit entschieden habe. Ja, warum geht Ihr dann nicht hin?
Auch wenn man als Partei versucht, die Stimmung der Bürger zu erkunden wird einem ungern weitergeholfen – Vereine und Gruppen wehren sich mit dem Verweis auf die „Neutralität“ gerne, wenigstens die Information zu einer Meinungsbefragung weiterzugeben.
Das Volksbegehren gegen Studiengebühren wurde von gerade einmal 14,3% der Wahlberechtigten unterzeichnet. Inzwischen versuche ich längst an den Infoständen auch Gegner dazu zu bringen, zur Wahl zu gehen. Zwar sammle ich damit manchmal Stimmen der Gegenseite, aber ohne eine hohe Bürgerbeteiligung hat dergleichen zumindest einen faden Beigeschmack was die Legitimität angeht und mir ist es wichtiger, daß die Menschen mitmachen bei unserem Staat.

In Ebersberg hatte ich im Zuge der Landratswahl oftmals gehört, daß es vor allem der „Spam“ war, der den Leuten auf den Keks ging. Jeden Tag ein Flyer im Briefkasten, im Falle der Schwarzen auch gleich noch amerikanisch, also mit Frau und Hund und wenig Inhalt. Überall wimmelte es von Plakaten, Anzeigen in der Zeitung…. die Leute fühlen sich belästigt. Andererseits ist es schwer, den Wahlkämpfern zu erklären, daß es sich so verhält: Meiner Erfahrung nach ist die Angst größer, daß die Flyer ausgehen, als daß der Kandidat verspätet kommt. Das spricht Bände, finde ich. Mehr Präsenz als Papier wäre ein gutes Motto…

Steinbrück hat mit seiner Aussage also einen wichtigen Punkt berührt, und keine „Wutrede“ gehalten. Im Gegenteil: Er hat versucht seinem Publikum klarzumachen, daß eine gewisse Politik- und Politikerverdrossenheit zwar verständlich und insbesondere im Bezug auf Berufspolitiker (wie ihn) sogar nachvollziehbar ist, aber die Beteiligung des Volkes an seinem Staat ein zu wichtiges Element demokratischer Ordnung ist, als daß er das kampflos den Giftpilzen überlassen will, die außer Häme und Haß nicht viel für die Gesellschaft tun können. Auf bayerisch heißen derartige Figuren übrigens „Bosnigl“, also „bösartiger Kobold“ – und die sind dank Internetforen gefühlt dabei sich explosionsartig zu vermehren.

Ach – und der Nazi-Vergleich? Richtig. In der Thüringer Allgemeinen liest sich das so: „Dabei zog er auch Parallelen zum Aufstieg der Nationalsozialisten: Die ‚Verachtung‘, die Politikern entgegen schlage, erinnere ihn da das, was man ‚in Deutschland schon mal‘ gehabt hätte. Vor 80 Jahren sei das Ergebnis dieses Umgangs mit Politikern sichtbar geworden.“
Hm. Die Überschrift „Steinbrück hält in Erfurt Wutrede gegen Politiker-Verächter und zieht NS-Vergleich“ ist also ein schöner Fall von „Wie formuliere ich das jetzt so hin, daß ich dem noch eins reinwürgen kann“. Es ist nämlich keine Zuspitzung, sondern falsch: Steinbrück bezieht sich darauf, daß die Weimarer Republik letztendlich auch an den antidemokratischen Tendenzen in der Gesellschaft eingegangen ist; Die Nazis haben schlichtweg ausgenutzt, daß die anständigen Parteien versucht hatten, wenn auch unter Opfern, die Karre irgendwie wieder aus dem Dreck zu ziehen. Dazu gehört die Lüge vom Dolchstoß (die bis heute erzählt wird und beim Begriff „Das Voilk verraten“ manchmal eine seltsame Renaissance erlebt) und die Umlage von Unzufriedenheit mit – in dem Falle – Reichspolitik auf kommunale Ebenen.
Das haben aber nicht nur die Nazis ausgenutzt, sondern ebenso die stramm rechten Kaiserzurückwünscher und die Kommunisten. Vielleicht sollten also sogenannte Journalisten, deren Geschichtskenntnisse nichtmal ausreichen um wenigsten die Wikipedia zu lesen, die verkaufsfördernden Nazi- und Führerschlagzeilen einfach mal im Schrank lassen.

P.S.: Übrigens: Die gesamte Rede war etwa 2 Stunden lang; Darin hat er (mehreren übereinstimmenden Berichten zufolge) auch eine Menge selbstkritisches über sein Verhalten als Politiker gesagt, darüber, daß er als Finanzminister nicht alles richtig gemacht hat und darüber, was er inzwischen anders machen will. Natürlich findet sich darüber im Artikel nichts. So funktioniert Meinungsbildung….

Parteitag in Augsburg

Die SPD beschloß ihr Wahlprogramm auf dem Außerordentlichen Parteitag in Augsburg. Leider hatte ich keine zeit mehr für die Reden von Roth und Steinbrück, aber ich konnte im SPD-Livestream die Grußworte von Sigmar Gabriel und Christian Ude verfolgen – und hab spaßeshalber parallel den Liveticker auf sueddeutsche.de verfolgt. Wie macht man positives kaputt? Eine Anleitung.

Thorsten Denkler ist ja ein eingeschworener Feind der Sozialdemokratie, er scheint uns zu hassen und lässt keine Gelegenheit unverstrichen, über die SPD zu meckern. Folgerichtig schickt ihn die Redaktion zum Bundesparteitag nach Augsburg und lässt ihn, sowie Detlef Esslinger und Andreas Glas darüber twittern.

Denkler macht das auch vorsichtshalber mit seinem privaten Twitter-Account – und das so schnodderig er kann. Ein paar Beispiele:

BPT 01BPT 02BPT 04Ist zwar mitunter ganz lustig zu lesen, aber irgendwie gezielt immer gegen den „bösen“ Steinbrück oder die „doofe SPD“. Ich frage mich manchmal wirklich, was die Presse mit Steinbrück hat; Daß seine Kampagne unterirdisch schlecht ist, ist ja jedem klar, aber inzwischen finde ich so manches eher sympathisch: DIe Clown-Sprüche zum Beispiel sind nun wirklich nicht daneben, eher zu höflich…

Überhaupt ist die Kommentierung gerade von Denkler, aber auch von Detlef Esslinger (Herrn Glas hat man anscheinend hauptsächlich als Fotografen für die beigefügten Gimmicks und Biergläser mitgeschleppt, schreiben durfte er nur wenig…) hauptsächlich von Antipathie geprägt, anscheinend war man genervt, dort überhaupt hingeschickt zu werden. Esslinger gibt dabei auch noch ein wunderbares Beispiel für den modernen Journalisten, der nicht mehr in der Lage ist (oder es für eine Zumutung hält), aufmerksam zuzuhören:

Esslinger 01Esslinger 02Esslinger hatte sich das Redemanuskript vorher geben lassen und war empört, daß hin und wieder mal die Reihung anders war. So kann man doch mit einem Journalisten nicht umgehen, nachher muß er zuhören und verstehen, was gesagt wird! Au weia! Aus genau dem gleichen Grund hatte die Hauptstadtjournaille stets den Bundespräsidenten Johannes Rau verabscheut – der hatte nämlich manchmal gar kein Redemanuskript, sondern sprach frei. Das fanden alle sehr gemein.

Wer sich selbst ein Bild machen will: Die Reden sind im Netz zu finden. Ist ohnehin besser sich selbst ein Bild zu machen, als sich von Denkler das Denken verbieten zu lassen.

Interessant finde ich an diesem Parteitag, daß man Redner mit so unterschiedlichen Redestilen erleben kann: Sigmar Gabriel ist eher vorlaut, deftiger, geradliniger. Er spricht mit vielen Ausrufezeichen und verlangt wenig Konzentration; Im Parlament nennt man das „Einpeitschen“. Ude und auch Steinbrück sind da anders: Intellektueller und gewitzter, manchmal entwickeln sie einen Gedanken über mehrere Sätze hinweg: Man muß ihnen zuhören um zu verstehen, was sie sagen. Das ist in einer von Überschriften dominierten Welt nicht immer ganz praktisch; Die Nummer mit dem Kanzlergehalt war ja auch so etwas: Hätte man den ganzen Satz gelesen, hätte man ihn auch verstanden. So aber hörten alle nur „Steinbrück will mehr Geld“ und stellten das Denken ein.

Im Gegensatz zu den beiden ist Claudia Roth ganz die einpeitschende Rednerin. Viel in Schlagworten, sanft im Inhalt, die Zuschauer möglichst nicht überfordern. Kein Wunder daß sich Denkler gleich wieder wohl gefühlt hat. Andrea Nahles‘ Rede habe ich selber noch nicht nachgehört und zögere auch ein bißchen das zu tun; Sie hat eine etwas, hm, anstrengende Stimme. Aber die vier Hauptredner sollten Sie sich – besonders des Vergleichs wegen – gönnen:
Gabriel:

Ude:

Roth:

Steinbrück:

Ottmar Schreiner ist gestorben

Wie ich eben erfahren habe ist Ottmar Schreiner, einer der wichtigsten Elemente Sozialdemokratischen Gewissens, einem Krebsleiden erlegen.

Lieber Ottmar,

Du hast bald 15 Jahre gegen die Schröder’sche SPD gekämpft. Dafür danke ich Dir. Die SPD hat wichtige Elemente Ihrer Grundhaltung verloren und noch immer nicht wiedergefunden. Du hast im Gegensatz zu denen, die sich nicht mutig der Realität stellen wollten und stattdessen die Partei der Arbeitnehmer geflohen sind, den Mut gehabt, und dem Parteivorstand getrotzt. Du hast gezeigt, daß die SPD nicht einfach dem Globalisierungswahn verfallen ist.

Teile von ihr schon.

Du hast Dich dem mutig entgegen gestellt. Manchmal wortreich, mitunter ein bißchen frech – aber DAS ist SPD. Frech sein, wenn die Herrschenden nicht hören wollen.

Danke.

Unsere Regierung… immer für ein Verbrechen gut.

„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“

Der Meineid unserer Minister. Die Regierungskoalition hat ja entgegen der Anträge von SPD, Grünen und Linkspartei am 28.3.2013 für die Privatisierung der deutschen Wasserversorgung gestimmt.

Man lese und staune: Privatisierung der Wasserversorgung: Der Bundestag hat am 28. Februar Anträge von Bündnis 90/Die Grünen (17/12394), der Linksfraktion (17/12482) und der SPD (17/12519) abgelehnt, die zum Ziel hatten, eine Privatisierung der Wasserversorgung als Folge von Vorgaben der EU zu verhindern. Die Grünen forderten die Bundesregierung auf, den EU-Richtlinienvorschlag zu den Dienstleistungskonzessionen, zur sogenannten Inhouse-Vergabe von Kommunen und zur interkommunalen Zusammenarbeit zu stoppen oder weitreichende Ausnahmen zu erwirken. Ihren Antrag lehnten in namentlicher Abstimmung 291 Abgeordnete ab, 249 stimmten ihm bei acht Enthaltungen zu. Die Linke hatte ebenfalls die Ablehnung des Richtlinienvorschlags verlangt. Auch sollten alle Versuche abgewehrt werden, rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die zu einer Liberalisierung oder Privatisierung der Wasserversorgung führen können. In namentlicher Abstimmung votierten 299 Abgeordnete gegen diesen Antrag, 122 befürworteten ihn, es gab 124 Enthaltungen. Die SPD hatte in ihrem nicht namentlich abgestimmten Antrag die Regierung aufgefordert, sich der Auffassung des Bundesrates anzuschließen, dass es keiner europäischen Rechtsetzung zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen bedürfe und diese abzulehnen sei. Mit einer Dienstleistungskonzession wird eine kommunale Aufgabe von der Kommune vertraglich auf einen „Dritten“ übertragen, zum Beispiel auf ein kommunales Versorgungsunternehmen. Brüssel plant nun eine Ausschreibungspflicht für Dienstleistungskonzessionen, was aus Sicht der SPD eine „weitgehende Umorganisation der kommunalen Wirtschaft“ zur Folge hätte.

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Noch heute die Kampagne unterstützen: Wasser ist ein Menschenrecht!

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Hören Sie sich mal den Staatssekretär (Ministerium für Wirtschaft und Technologie) der FdP Hans-Joachim Otto an. Aber bitte keinen Sprengstoff in Griffweite haben, man könnte Lust bekommen, ihn zu werfen…:


Interessant ist, daß er anscheinend nicht über ein gewisses Mindestmaß von Ahnung verfügt. Mal ein bißchen Nachhilfe von meiner Seite:




Ganz besonders das hier ist ein interessantes Beispiel!



Noch heute die Kampagne unterstützen: Wasser ist ein Menschenrecht!

Infotainment – au weia.

Mehr durch Zufall stolperte ich kürzlich im Portal GMX auf diese Seite, welche die „spektakulärsten Verschwörungstheorien“ zu versammeln verspricht. Beginnen soll das Ganze mit dem Brand des Reichstags 1933 – und da geht auch schon einiges los.

Die Überschrift „Nazis zündeten den Reichstag selbst an“ ist keine Verschwörungstheorie, sondern eine historische Theorie, die keine zwei Stunden nach dem Brand wohl erstmals von Willi Frischauer, Berichterstatter der Wiener Allgemeinen Zeitung, an seine Zeitung geschickt worden war.

In den 60er Jahren schließlich kam es zu einer Kontroverse der „streitenden Zunft“, also unter den Historikern, wobei letztendlich drei Täterschafttheorien in Frage kommen:

  1. Marinus van der Lubbe war ein Einzeltäter
  2. Die Täter sind aus den Reihen der NSDAP gekommen, um die nachfolgende „Reichstagsbrandverordnung“ zu ermöglichen
  3. Marinus van der Lubbe befand sich in Begleitung einiger kommunistischer Aktivisten, die tatsächlich die von den Nazis öffentlich vermutete Revolution starten wollten.

Es ist gar nicht so einfach, hier eine Position zu beziehen. Als gesichert gilt, daß van der Lubbe vor Gericht ziemlich seltsam auftrat, psychisch neben sich stehend, quasi wie unter Drogen gesetzt. Dennoch wird erbittert um die Schuldfrage gefochten und bis heute streiten sich Historiker um die Tatherrschaft. Die neueste Veröffentlichung von Hermann Graml (Zur Debatte über den Reichstagsbrand. In: Dieter Deiseroth (Hg.): Der Reichstagsbrand und der Prozess vor dem Reichsgericht. Berlin 2006) zweifelt sowohl die Mittäterschaft der Nazis, als auch die Alleintäterthese (die mehrheitlich unter Historikern vertreten wird) an.

Empfehlen möchte ich in dem Zusammenhang das Buch von Alexander Bahar und Wilfried Kugel: Der Reichstagsbrand. Wie Geschichte gemacht wird. Berlin 2001. Eine Tatsache allerdings bleibt bestehen: Dank der Reichstagsbrandverordnung konnten die Nazis verhindern, daß neben der SPD wenigstens auch die Kommunisten das Ermächtigungsgesetz am 23.3.1933 ablehnten.

Lady Di ermordet – und natürlich wurde auch die Mondlandung gefälscht.

Daß der Unfall von Lady Di und Dodi Al-Fayed für Schlagzeilen sorgte war klar, auch daß sich Verschwörungstheorien darum ranken, die lustiger kaum sein könnten. Ich hätte auch eine anzubieten: Bei der Hetzjagd hat sich die Presse einer besonderen Mittäterschaft schuldig gemacht – Lady Di und ihr Freund flohen schließlich vor den Paparazzis der englischen Boulevardpresse. Mit Verschwörungstheorien über ein Mordkomplott kann man davon aber munter ablenken…

Natürlich werden auch ganz wichtige Theorien bezüglich des 9/11 – Terroranschlages erwähnt, wobei ich mir da kein Urteil erlauben will weil bislang noch gar nichts endgültig erwiesen ist. Paul McCartney sei tot, die Titannic nicht untergegangen, Bin Laden noch am Leben…. ich verlor schon fast die Hoffnung, aber wenigstens kam der Quatsch mit der Mondlandung dann doch. Dem kann man viel entgegenhalten, aber das beste Argument lautet eigentlich: Warum haben die Russen bzw. die Sowjets, die ja live mithören konnten, denn nicht nachgewiesen, daß die Kommunikation nicht zwischen Houston und einer Raumfähre, sondern zwischen Houston und einem Filmstudio stattgefunden hat? Möglicher Weise weil sie eben doch zwischen Mond und Erde stattfand. Neben vielen anderen Klarstellungen

Tja, beim Rest (Kennedy-Attentat, HIV vom CIA und Bill Gates als Antichrist… *gäähn* ) ist immerhin noch ein Leckerbissen für mich dabei: Herbert Illig und das erfundene Mittelalter. Sein Büchlein habe ich im Studium mal gelesen… und auch die gigantischen Lücken seiner Argumentationskette gefunden. So behauptet er beispielsweise, daß es für die Zeit zwischen 700 und 1000 praktisch keine Urkunden gäbe…. Nun arbeite ich in einem Archiv und kann sagen: Ich hatte eine Urkunde Karls des Großen schon in der Hand. Sorry, das ist einfach Quatsch. Auch die Idee, daß es kaum archäologische Funde gibt ist Unsinn, es sei denn, man beschränkt sich auf das Pöringer Heimatmuseum bei der Suche. Dennoch hat die Chronologiekritik eine Menge Auftrieb durch diese Geschichte erfahren. Ich darf Ihen aber versichern: Das ist Unsinn.

Man fragt sich, warum das bald 700 Leute zu Meinungsäußerungen treibt. Was ist daran so bedeutsam wichtig – oder was veranlaßt Leute dazu, sich die Zeit zu nehmen und drunter zu schreiben, daß sie der Artikel nicht interessiert? Max Uthoff stellte in seinem Programm „oben bleiben“ süffisant fest, daß wir in einer Zeit Leben in der Menschen 49 cent dafür ausgeben, bei einer Ted-Umfrage „Weiß nicht“ oder „ist mir egal“ auszusagen. Da darf ich mir eine Frage erlauben: Warum schreib ich dann ’nen Artikel dazu?

Naja, ich interessiere mich für Geschichte. Dementsprechend klicke ich recht gern auf solche Links, die einen Artikel versprechen, der sich mit historischen Zusammenhängen befasst. Und naja, manchmal überkommt mich der Wunsch, die dann auch zu kommentieren. Immerhin habe ich so nun die MIttagspause rumgebracht, ohne meinen Bauch weiter zu mästen. VOn daher ist das gut für meine „Figur“.