Von der Medienberichterstattung – und der Realität

Im journalistischen Alltag unserer Republik ist ein gewisser Hype um ein Faktum stets eine Begleiterscheinung, die man nicht vermeiden kann. Ich habe ja schon davon berichtet, wie seltsam die Berichterstattung rund um die Wahl in Schleswig-Holstein ist. Nun machen wir mal noch Nordrhein-Westfalen.

In Schleswig-Holstein wurde die FDP mit der Botschaft, das annähernd beste Ergebnis ihrer Geschichte dort abgeliefert zu haben, begrüßt. Das war gelogen und ist in der Medienberichterstattung seinerzeit auch völlig untergegangen. Die FDP hatte in Wahrheit die Hälfte ihrter Wähler verloren, lediglich die Tatsache, daß kaum noch einer zur Wahl gegangen war hatte dafür gesorgt, daß die Partei über die 5%-Hürde gerutscht ist; Ein weiteres Indiz dafür, daß hohe Wahlbeteiligungen am ehesten radikale Parteien aus den Parlamenten halten.

Alle Zahlen zu Schleswig-Holstein können Sie hier finden.

Nordrhein-Westfalen
Interessanter ist nun der Vorgang in NRW. Die SPD hat dort einen sehr personenzentrierten, aber auch teilweise recht peinlichen Wahlkampf erfolgreich geführt.

Hier ist es ein wenig anders.
Die SPD hat real 309.627 Erststimmen und 374.342 Zweitstimmen hinzugewonnen. Bei einer leicht gestiegenen Wahlbeteiligung (nur noch 59,6% gingen überhaupt hin!) führte das zu einer Anteilssteigerung um 3,8% auf 42,3% bei den Erststimmen und um 4,6% auf 39,1 bei den Zweitstimmen.
Die CDU verliert 437.775 Erst- und 631.067 Zweitstimmen. Das sind Verluste von 5,8% bzw. 8,3% und diese trugen maßgeblich zum Sturz von Röttgen bei, der Angela Merkel vermutlich gar nicht so ungelegen kam.
Die FDP schließlich gewannt bei dieser Wahl real Stimmen hinzu: 8.798 Erststimmen und 147.742 Zweitstimmen (!). Der Anteil liegt damit bei den Zweitstimmen bei 8,6%. Ob das der Lindner-Effekt war oder ein Bonus durch abgewanderte, frustrierte CDU-Wähler, sei mal dahingestellt.

Blickt man in die Wahlergebnisse seit dem zweiten Weltkrieg, so liegt das Ergebnis der FDP im oberen Mittelfeld.

Diese Datei und die Informationen unter dem roten Trennstrich werden aus dem zentralen Medienarchiv Wikimedia Commons eingebunden.

Diese Dateiwird aus dem zentralen Medienarchiv Wikimedia Commons eingebunden.

Im Gegensatz zur Berichterstattung rund um Schleswig-Holstein (siehe unten nochmal) ist also hier tatsächlich eine Steigerung des FDP-Ergebnisses festzustellen.

Das beste realitive Ergebnis haben übrigens die Piraten zu verzeichnen: 547.122 Erststimmen und 487.911 Zweitstimmen haben sie dazugewonnen. Das entspricht einem Anteil von +7% bzw. +6,2%. Verloren haben hingegen vor allem die Linkspartei und nicht so kräftig die Grünen.

All das lässt sich natürlich anhand der Prozente ausdrücken, aber die realen Stimmenzuwächse und -verluste sind es doch, die eigentlich interessant sind. Zudem fehlt auch hier in der Medienberichterstattung komplett der Hinweis darauf, daß die Mehrheit von Rot-Grün zwar durch 50,4% der Wähler, aber nur durch 29,66% aller Wahlberechtigten erreicht wurde. Wenn nicht einmal 30% aller Wahlberechtigten eine Regierung wählen – kann man dann eigentlich wirklich von Demokratie (Mehrheit beherrscht Minderheit) sprechen?

Ich habe oftmals den Eindruck, daß die Parteien im Anschluß an die Wahlanalyse hauptsächlich die Frage stellen, wie man den eigenen Anteil in der Wählerschaft erhöhen kann; egal wieviel kleiner diese Wählerschaft wird. Nur ist es halt nicht mehr sonderlich demokratisch, wenn halt nur noch 20.000 Wähler hingehen und 13 Millionen daheim bleiben. Zumindest solange nicht, solange die Politik die Nichtwähler aus dem Wahlergebnis einfach herausrechnet. Würde man die Zahl der Sitze einfach der Wahlbeteiligung anpassen – bei 60% Wahlbeteiligung gibt’s einfach auch nur noch 60% der Sitze zu verteilen – wären die Mehrheitsverhältnisse gleich, aber die sinkende Wahlbeteiligung würde auffälliger werden und die Politik zum handeln zwingen.

 

Zum Vergleich eine kleine Wiederholung aus meinem oben zitierten Schleswig-Holstein-Artikel:

In Schleswig-Holstein schafft die FDP den Einzug ins Landesparlament, sogar mit dem zweitbesten Ergebnis ihrer Geschichte. Das ist wohl auch nicht verwunderlich, wie Wolfram Müller schreibt, aber man sollte das Ergebnis auch nicht so hoch hängen. Kubicki bläst schon wirklich lange gegen die FDP-Bundesspitze und wird in Medien immer gern als “FDP-Rebell” (Ob bei Spiegel Online, Welt oder Bild) beschrieben, was dem Wähler natürlich gefällt. Ich glaube, daß die Menschen in S.-H. da eher Kucicki als FDP gewählt haben. Auch wenn die Medien wieder kräftig anschieben (Sogar der Deutschlandfunk!) würde ich mal vorsichtig abwarten, ob die Wahl in NRW davon ernsthaft beeinflußt wird.
Mehr Sorgen macht mir – neben dem schwachen Wahlergebnis für SPD und Linkspartei – die mieserable Wahlbeteiligung. Nur 60,1% gingen überhaupt noch zur Wahl. Die SPD konnte immerhin 1.300 Erststimmen mehr als 2009 verbuchen, die CDU verlor praktisch 100.000 Erst- und noch einmal soviele Zweitstimmen. Hier hat die SPD knapp 4.000 Stimmen mehr zu verzeichnen. Die geringe Wahlbeteiligung dürfte Hauptverursacher sein, daß die FDP trotz eines Verlustes von 101.600 Zweitstimmen (!) ihr “Zweitbestes Ergebnis der Geschichte” verzeichnen darf. In Wahrheit hat sie die Hälfte ihrer Wähler verloren.
Blickt man in die realen Zahlen (Alle der Veröffentlichung des Statistikamtes Nord zu entnehmen) so stellt man anhand des Zweitstimmenergebnisses fest, daß die einzigen Parteien, die Stimmen hinzugewonnen haben, die SPD (+3.860) und die Piraten (+79.903) sind. Alle anderen haben Stimmenverluste zu verzeichnen. Das spricht Bände über unser Wahlsystem – und Bände über unsere Politiker, die sich am Wahlabend so ziemlich alle auf die Schultern klopften. Über die Journaille, die das ebenfalls geflissentlich übersieht, sollte man lieber kein Wort verlieren.

Die Luft wird dünner….

… in Europa. Bei einem Zusammenstoß zwischen Demonstranten und der Polizei in Madrid wurden 33 Polizisten und 43 Demonstranten z.T. schwer verletzt.

Das folgende Video zeigt ein paar Bilder der Demonstration:

Die Quelle ist hier zu finden. Nach dem Bericht gerieten einige Demonstranten in Panik als die Polizei begann, die Menge zu zerstreuen, wie ein pensionierter Bergmann der AP erklärte. Er sagte: „Wir waren friedlich zu Fuß dorthin unterwegs, wo die Gewerkschaftsführer sprachen und sie begannen, wahllos zu feuern. Es gab keine Warnung “
Die Demonstrationen richteten sich gegen den Abbau der Kohlebergbausubventionen in Spanien. Kohle ist ein wichtiger Bestandteil des Energiemarktes in Spanien, die Subventionen sollen um 63% gekürzt werden was laut Gewerkschaften  rund 30.000 Arbeitsplätze bedroht. Die Bergleute waren, die wandern aus dem Norden des Landes in den letzten zwei Wochen gewandert und wurden von Zehntausenden von Spaniern unterstützt, die auch gegen Ministerpräsident Mariano Rajoy protestierten. Der Ministerpräsident kündigte seine Entscheidung an, die Mehrwertsteuer um 3 Prozent zu erhöhen, als Teil des Plans, die öffentlichen Haushalte um  65 Mrd Euro in den nächten zweieinhalb Jahren zu kürzen. Rajoy verkündete außerdem einen 3,5-Milliarden-Euro-Schnitt auf lokale Staatsausgaben.

Der Marsch der Minenarbeiter auf Madrid erfuhr ein mäßiges Echo in den Deutschen Medien. Immerhin findet man dazu etwas auf Spiegel Online und in der Zeit, aber ansonsten ist die Nachrichtenlage eher dünn und es sind in den Berichten fast immer die Demonstranten, die als erste zuschlagen.

Seit Stuttgart 21 glaube ich sowas aber nicht mehr ohne weiteres. Ich war auf vielen Demos und habe auch schon einige erlebt, die aus dem Ruder liefen. Und es stimmt – wenn sich der schwarze Block oder andere Spinner unter die Demonstranten mischen, dann wird es gefährlich. Immer wieder erreichen mich jedoch auch Berichte und Erzählungen, wonach die Polizei gezielt Aggressionen schürt oder sogar selbst Leute unter die Demonstranten mischt um Rabatz anzufangen; Ist erstmal was passiert hat sie nämlich die „Pflicht“ einzugreifen. Das war besonders bei den Zusammenstößen rund um die Antiglobalisierungsdemonstrationen in Genua der Fall, was schließlich einen jungen Mann auch das Leben kostete.

Seit Stuttgart 21 sehe ich solche Vorkommnisse immer zweifelnder. Damals wurden nicht nur friedliche Linke und sogenannte „Chaoten“ (BILD-Jargon), sondern tatsächlich typisch bürgerliche Menschen aktiv, die auch prompt völlig verblüfft waren, wie man mit ihnen umging. Ein pensionierter Polizist berichtete, daß es auch auf der anderen Seite nicht einfach ist, er fühlte sich regelrecht „verheizt“ von der Politik. Der Artikel zitiert einen 30jährigen Polizisten mit folgenden Worten: „Ich weiß, dass wir bei brisanten Großdemos verdeckt agierende Beamte, die als taktische Provokateure, als vermummte Steinewerfer fungieren, unter die Demonstranten schleusen. Sie werfen auf Befehl Steine oder Flaschen in Richtung der Polizei, damit die dann mit der Räumung beginnen kann. Ich jedenfalls bin nicht Polizist geworden, um Demonstranten von irgendwelchen Straßen zu räumen oder von Bäumen runterzuholen. Ich will Gangster hinter Gitter bringen“

Wenn man so etwas liest kommen mehr als nur Zweifel an unserer Staatlichkeit. Ich weigere mich noch immer zu glauben, daß es eine systematische Unterdrückung Andersdenkender gibt, bin mir aber sicher, daß die gezielte Diffamierung ganz besonders von jungen Menschen, die sich für etwas einsetzen, stattfindet. Medien, Politik und wer auch immer die Politik manchmal lenkt. Nach und nach werden da ja immer mehr Dinge, besonders in Baden-Württemberg aufgedeckt, die schlimmeres erahnen lassen.

In welche Welt, in welche Zeit geraten wir, wenn die Verfassungen nicht mehr gelten und alles dem Gewinnstreben, ja schlicht der Habgier untergeordnet wird? Wenn die Polizei nicht mehr als Diener der Gesellschaft, sondern als ihr Unterdrücker agieren muß, als Erfüllungsgehilfe von Politikern, die auch nur als Erfüllungsgehilfen mächtiger Konzerne und Banken für das Volk die Demokratie spielen müssen? Man sehnt sich nach der CDU-Spendenaffäre zurück, als lediglich eine Handvoll krimineller Verfassungsbrecher eine konservative Partei ruinierten, nachdem sie das Ansehen des Landes nach Kräften zu erniedrigen gesucht und die deutsche Einheit mutmaßlich um Jahre verzögert hatten, nachdem die Sowjetunion ziemlich empört auf Kohl reagiert hatte.
Als 1998 Gerhard Schröder und die SPD mit den Grünen zur allgemeinen Verblüffung an die Macht kam überschlug sich die neue Regierung zunächst in dem ernsthaften Bestreben, alles besser zu machen als die Vorgänger. Vor lauter Eile begannen sie allerdings, Murks abzuliefern wie das berühmte Scheinselbstständigen-Gesetz, das manche durchaus normalen Arbeitsverhältnisse plötzlich verunmöglichte.

Dann aber begann das Versagen der europäischen Sozialdemokratie, die Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts ziemlich mehrheitlich die europäischen Regierungschefs stellte (Wobei die Auflistung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt):

Natürlich gab es noch konservative Regierungen, Berlusconi war in Italien immer wieder Ministerpräsident, aber selbst in der Schweiz war mit Ruth Dreifuss von 1999-2002 eine Sozialdemokratin Präsidentin. Im Europäischen Parlament spiegelten sich diese Mehrheiten nicht direkt wider – und tatsächlich machte die gesamte Europäische Sozialdemokratie den Fehler, die Errungenschaft der Arbeiterklasse, die Emanzipation des Arbeiters von der Sache zur Person bis hin zum Menschen, den Verlockungen der vermeintlichen Gewinne der neoliberalen Denkrichtung zu unterwerfen.

Seit 2005 regiert nun bei uns Angela Merkel – eine schwierige Aufgabe in einer Zeit der katastrophalen Wirtschaftskrisen. Spätestens jedoch seit der Entstehung der zweiten Schwarzgelben Koalition 2009 steht die Regierung des Bundes, sowie die meisten Länder unter einem permanenten, und leider nicht unberechtigten Korruptionsverdacht.
Korruption (vom lateinischen „corruptus“; bestochen) ist so ziemlich das schlechteste, gefährlichste und tödlichste, was einer Demokratie passieren kann. Ein korrupter Politiker benutzt die ihm vom Volk gegebene Macht um Einzelne zu begünstigen und das möglichst im Gegensatz zum Gemeinwohl, welches eigentlich seine Hauptaufgabe darstellt. Schon im Mittelalter waren sich große, internationale Organisationen wie die Kirche darüber im klaren, daß ein gewisses Maß an Korruption das Vertrauen in die Organisation als solche nicht nur erschüttern, sondern schwer verwunden kann, siehe Ablaßhandel.

Die Menschen werden ungehalten und in Griechenland wie in Spanien, die von der Korruption mit am stärksten betroffen waren, sollen nun die Leute, die schon unter den bisherigen Ausbeutungen gelitten haben, noch die Zeche dafür bezahlen. Auch bei uns ist das so und beschäftigt auch gerade das Verfassungsgericht, selten aber geht der Deutsche für eine Sache gemeinschaftlich auf die Straße. Das ist in Spanien anders; und wie man manchen Berichten entnehmen kann wurden dort auch Kinder von Gummigeschossen verletzt.

Das ist auch so ein nettes Wort: „Gummigeschosse„. Klingt nach einer harmlosen Spielerei, einem auf-die-Finger-Klopfen seitens der Polizei an gewalttätige Demonstranten, die ja bekanntermaßen mit Molotowcocktails und Steinen werfen. Nur so ist das ganz und gar nicht.
Gummigeschosse werden von Pistolen oder, wie hier in Madrid, von Gewehren abgefeuert und können schwere Verletzungen verursachen. Darum sind Polizisten eigentlich angehalten, solcherlei Geschosse keinesfalls auf Kopf oder Hals oder den Rücken eines Opfers zu richten. Mal abgesehen davon daß sie das trotzdem gerne tun: Wie das folgende Video zeigt feuerte die Polizei in Madrid zum Teil schlicht blind in die Menge oder ballistisch irgendwo hinein – man versuchte offenbar die Demonstranten entweder massiv einzuschüchtern oder aber eine gewalttätige Reaktion herbeizuführen, was in der Berichterstattung die Legitimität des Protestes in Zweifel gezogen hätte.

Was bleibt ist ein weiterer Riß zwischen Regierenden und Regierten. Ein weiteres Steinchen in dem Mosaik der Verzweiflung, an dem demagogische Spinner ebenso eifrig arbeiten wie habgierige Angehörige der Oberschicht und deren Handlanger. Man muß sich mal eben über eine Tatsache wirklich klar werden: Im Europa des 21. Jahrhunderts wird auf Menschen, die ihre Meinung und ihren Unmut ausdrücken, geschossen. Und zwar willkürlich, nicht auf ein paar mögliche extreme Spinner. Nein, auf ganz normale Arbeiter die nichts anderes verlangen als daß man ihnen nicht einfach die Existenzgrundlage wegnimmt, weil irgendeine international agierende Bank grad einen schlechten Tag hat.

Die sogenannte Schuldenkrise ist keine Krise der Staatsschulden, das muß der Öffentlichkeit endlich mal wider den Mainstream deutlich gemacht werden. Eifrig arbeiten die Medien daran, jedem die Logik zu vermitteln, daß Staaten, die ja „über ihre Verhältnisse gelebt haben“ nun in eine Schuldenkrise geraten sind, gerade so wie ein Oniomane. Das Perfide hinter dieser Verknüpfung ist, daß damit alle sozialstaatlichen Errungenschaften, die Europa eigentlich ausmachen und die maßgeblich zum europäischen Frieden der letzten 60 Jahre geführt haben, damit als eigentliche Verursacher der Krise dargestellt werden – und nicht die eigentlichen Verursacher: Finanzjongleure, die auf Lebensmittel wetten und der Rendite wegen kleine Kinder verhungern lassen, maßlose Spieler, die ganze Staaten hopsgehen lassen um eine Wette zu gewinnen und gewissenlose Spekulanten, die sich einen Dreck dafür interessiert haben, wer bei ihren Hochrisikogeschäften eigentlich am Ende die Zeche zahlt.

Überlegen Sie mal: Wenn einer ein Casino aufmacht und die Spieler darin pleite gehen – würden Sie es als Ihre Aufgabe als Steuerzahler sehen, die Spieler wieder mit Geld auszustatten? Jetzt nicht so, wie man es erwartet, als Sozialdemokrat; Nämlich daß man ihnen auf die Füße hilft und ihnen den Weg weist; sondern so, daß die Spieler hinterher das verlorene Geld von Ihnen wiederbekommen – und der Casinobesitzer freundlich lächelt. Klingt doch irgendwie seltsam, nicht?
Genauso funktioniert aber grad die europäische Politik – weil man den Politikern glaubhaft Angst gemacht hat, ansonsten durch zwei, drei Bewertungsänderungen und ein halbes Dutzend Spekulationsgeschäfte gleich mal die ganze Währung, den Euro, und dazu das daran gebundene Staatengebilde zu zerstören.

Letztendlich droht uns die Finanzwirtschaft mit Krieg und die Politik tut alles, um das zu verhindern. Bei Demonstrationen wie der in Stuttgart oder auch nun der in Madrid wird klar, was das bedeutet: Sie lässt notfalls auf das eigene Volk schießen. Ist das noch Demokratie?


Vom schönen Wald

Kannst du den schönen Wald noch sehen
durch all die Bäume dieser Zeit?
Kannst du die Stimme in dir hören
wie sie verstört nach Hilfe schreit?

Kannst du die Bestie in dir spüren
wie sie versucht dich auszuhöhlen
mit Dingen, die dich erst verführen,
doch dann beginnen dich zu quälen?

Kannst du dich noch im Spiegel sehen
durch all den Wahnsinn dieser Welt?
Kannst du noch stolz und aufrecht gehen
und sagen dass dir Alles so gefällt?

Spürst du die Last auf deinen Pfaden,
durch deine Zwänge und Fassaden,
durch all den Scheiß nach dem wir streben
und dabei viel zu oft vergessen… zu leben?

Kannst du den schönen Wald noch sehen
durch all die Bäume dieser Zeit?
Kannst du die Stimme in dir hören
wie sie verstört nach Hilfe schreit?

Kannst du noch durch den Spiegel sehen
durch all den Wahnsinn dieser Welt?
Kannst du noch stolz und aufrecht gehen
und sagen dass dir Alles so gefällt?

Willst du den schönen Wald noch sehen
durch all den Wahnsinn deiner Welt?
Willst du noch stolz und aufrecht gehen
und sagen dass dir nicht Alles so gefällt?

Die Vereinigten Staaten von Europa. Ein Traum.

Manchmal wünsche ich mir, die Vereinigten Staaten von Europa wären bereits Wirklichkeit. Das wäre schön. Manches Hindernis wäre endlich weg und vor allem dieses alberne Provinzdenken, das dazu führt, daß jeder Dorfbürgermeister erst noch seine eigenen Schäfchen ins Trockene bringen kann, wäre dann endlich vorbei.

Was ist eigentlich Europa? Was ist die EU? In vielen Köpfen ist die EU mittlerweile eine Bedrohung geworden; Was vormals vor allem eine stockkonservative Ansicht war, nähmlich daß die EU letztlich die Aufgabe nationaler Identität sei, ist mittlerweile im Zuge der Schulden-, die ja eine Bankenkrise ist, ins linke Lager eingerückt. Von den Befürwortern werden stets ähnliche Argumente gebracht: Daß uns die EU eine einheitliche Währung (derzeit schlecht ein Pro-Argument), Zoll- und Grenzfreiheit (Yep, aber die Zölle in die EU rein sind z.T. astronomisch!) und vor allem, und das ist für mich das einzige, wirklich zählende Argument, daß uns der Weg hin zur EU 60 Jahre Frieden, Freiheit und Wohlstand beschert hat. Und das stimmt auch.

Von Jean-Claude Juncker, dem Vorsitzenden der Euro-Gruppe und Premierminister von Luxemburg, stammt ein wirklich gutes Zitat: „Wer an der Idee Europas zweifelt, der sollte Soldatenfriedhöfe besuchen.“

Allerdings ist die EU leider mehr. Den meisten Bürgern ist sie zuallererst unheimlich, was viel damit zu tun hat, daß es zur erfolgreichsten Strategie von Politik und Medien gehört, Europa, die EU/EG oder „Brüssel“ für irgendeinen Mißstand verantwortlich zu machen. Als ich 2009 bei einer Wahlkampfveranstaltung „meines“ CSU-Bundestagsabgeordneten Max Lehmer darauf hinwies, daß er in seiner Rede sechs „Vergehen der EU“ aufgelistet habe, die seine Partei alle samt uns sonders im europäischen Parlament in Straßburg bzw. im Rat der Europäischen Union mitbeschlossen habe, hat man mir – von Seiten des CSU-Wahlvolkes! – „Kleinlichkeit“ vorgeworfen. Ähnlich erging es mir, als ich ihn bei einer Debatte nach dem extakten Sinn seiner Worthülsen fragte, auch das kam bei den Anhängern, naja, mäßig an.
Dennoch ist das „böse Europa“ ein beliebtes Mittel unter Politikern, da die meisten Bürger nicht verstehen – und nicht verstehen sollen (!) – wie Europa eigentlich funktioniert. Auch die Presse hat da entweder gewollt oder ungewollt ernstzunehmend Probleme; Schon die Unterscheidung zwischen der EU und dem davon völlig unabhängigen Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte scheint immer wieder für Probleme zu sorgen.

Die EU, das ist vielen Bürgern nach und nach klargeworden, scheint mehr oder weniger in der Hand mächtiger Lobbyvertreter zu sein. Eines der mächtigsten Konglomerate diesbezüglich ist die Agrarlobby, der man nicht nur die Gurkenkrümmung (siehe Rahmentext) sondern auch die mächtige Zollbehörde verdankt, die Agrarprodukte der EU vor billigen Produkten aus dem Ausland schützt, indem z.B. amerikanischer Weizen künstlich so verteuert wird, daß er hierzulande nicht erschwinglich ist.

Die sogenannte Gurkenkrümmungsverordnung war eine von der Europäischen Union auf Anraten der Uno-Wirtschaftskommission für Europa eingeführte Verodnung, die besonders im Interesse der Gemüsegroßhändler war. Dieses „Symbol der Bürokratie“ war im Grunde nichts anderes als eine Umsetzung einer direkten Forderung aus der Wirtschaft.
Hintergrund dieser Forderung war vor allem eine Normierung, die den Transport erleichtert und damit verbilligt und außerdem eine gewisse Qualitätssicherung darstellt. Bis heute ist die Norm (die 2009 abgeschafft wurde) in vielen nationalen Gesetzgebungen weiterhin in Kraft bzw. wird sogar vom Großhandel intern weiterhin umgesetzt.
Ein Nebeneffekt dieser Regelung war aber auch, daß bei vielen krumwachsenden Gurken manche Kleinbauern durch die Verluste in den Ruin getrieben werden konnten – während die Großindustrie die Verluste leicht abschreiben konnte.
Weiteres dazu findet man in der Wikipedia und hier.

Dank der Krise haben die Bürger nun aber immer mehr gesehen, daß insbesondere die Finanzlobby mehr oder weniger machen kann, was sie will. Sie kontrolliert durch einige wenige Politiker mehr oder weniger die Europäische Union, Bankengesetze werden keinesfalls verschärft und das muntere Verschleudern und Wetten zu Lasten des Steuerzahlers geht fröhlich weiter. Die EU, die als übergeordnete Institution den Bürger eigentlich schützen sollte, hat sich in den Augen vieler längst zum eigentlichen Verbrecher gewandelt.

Die Vereinigten Staaten von Europa

In allererster Linie fühle ich mich als Europäer, erst in zweiter Linie als Deutscher. Das hat auch etwas damit zu tun, daß Ich als 1982er Jahrgang die EU als selbstverständlich erlebt habe, sobald ich groß genug war um mich überhaupt für sowas wie Politik zu interessieren. Ich habe mit meinen Eltern die Fahrt nach Österreich gemacht, wo wir erstmalig nicht mehr an der Grenze anhalten mußten und mein Vater hat mir erklärt, warum. Als ich alt genug war, um selber reisen zu können gehörte die Reisefreiheit für mich einfach dazu. Erstmalig kamn ich mit den Verhältnissen „von früher“ in Kontakt, als ich nach Rußland gefahren bin: Visum, Ausreisenachweis, Aufenthaltsbescheinigung – fürchterlich. Als würde ich da illegal einwandern wollen – was zugegebener Maßen manchmal seinen Reiz hat.

Ich kann mich an einen Text aus der Schule erinnern, da haben wir gerade die Deutsche Einigungsbestrebung (1848-1871) behandelt; der Autor des Textes ist mir nicht mehr geläufig und leider finde ich auch das Heft nicht mehr in das ich den damals eingeklebt habe. Auswendig kann ich ihn dennoch:

„Sohn, sag, was bist Du?“
„Vater, ich bin ein Deutscher.“
„Ein Deutscher? Was soll das sein? Du kannst sein ein Sachse oder ein Bayer, vermagst Tiroler sein mit Wurzeln in Mailand. Doch ein Deutscher kannst Du nicht sein – das gibt es nicht.“
„Vater, ich bin ebenso ein Deutscher wie ein Sachse. Meine Nation ist das Deutsche, meine Heimat der Sachse.“

Letztendlich spiegelt das wider, wie damals die ältere Generation über die seltsamen Träumereien der Jugend dachte, die in Turnvereinen und Burschenschaften über ein geeinigtes Deutsches Reich nachdachte und das mit der Revolution 1848 auch durchzusetzen versuchte. Wir Deutschen sind, wie man so schön sagt, eine „Kulturnation“ – und damit eigentlich ein Vielvölkerstaat.
Warum soll so etwas nicht auch auf europäischer Ebene gehen? Wenn man mal das Provinzdenken beiseite schiebt sind die kulturellen Unterschiede zwischen Münchnern und Parisern nicht sonderlich größer als zwischen Münchnern und Berlinern. Das eine ist aber eine „fremde“ Nation, das andere nicht.

Von den grundsätzlichen Dingen
Manche Dinge müssen allerdings vorher grundsätzlich hinhauen: Um einen Staatenbund in einen Bundesstaat umzubauen benötigt man einiges. Blickt man in die USA, die (sehr grob gesprochen!) die Unterteilung: „Bund macht Außenpolitik, die Staaten machen Innenpolitik“ haben, so wäre ein Beispiel gegeben, das allerdings nicht wirklich in die Europäische Denkweise passt. Die Auseinandersetzungen rund um die Gesundheitsreform von Obama („Obamacare“) kann man nur dann verstehen, wenn man sich darüber klar wird, das hier die US-Regierung eigentlich in die Zuständigkeiten der Staaten, in deren innere Autonomie eingreift. Das regt die Wahnsinnigen rund um die Tea-Party so auf.

Europa benötigt dreierlei Dinge zunächst: Eine gemeinsame Verfassung, die eine funktionelle, demokratische Staatlichkeit ordnet (i.e. Unter Kontrolle des europäichen Parlamentes, das direkt von der Bevölkerung gewählt wird!). Eine europäische Regierung, die sich nicht mehr aus den Regierungen der Länder bzw. irgendwelchen abgeschobenen schwäbischen Maultaschen zusammensetzt; Am besten auch diese direkt gewählt. Und Drittens eine einheitliche Steuer- und Abgabengesetzgebung, damit endlich Schluß ist daß sich Länder in Europa auf Kosten ihrer Nachbarn bereichern.

Daneben gibt es eine Reihe Dinge, die zu tun wären: Wir brauchen eine Wehrreform, die ein Europäisches Verteidigungsheer vorsieht, das nur innerhalb europäischer Grenzen arbeiten darf, es sei denn, es erfüllt einen humanitären (!) Auftrag. (Es wäre Schwachsinn, wenn die Grenzsoldaten zugucken wie vier Meter hinter der Grenze ein Kind ertrinkt) Ob diese europäische Armee dann Teil der NATO ist oder nicht sollten schlicht die Bürger entscheiden dürfen.
Außerdem sollte es die Möglichkeit von europäischen Bürgerentscheiden geben, natürlich mit Quorum aber nicht mit nationalem Quorum mehr; Das ist zwar irgendwo ungerecht für kleinere Gruppen, aber es sollte dann jenen eben die Aufgabe gestellt werden, Mehrheiten zu finden. Die EU krankt daran, daß Straßburg und die Bürger entmachtet und Brüssel der alleinige Machtfaktor ist; Wäre es umgekehrt wäre mancher Kelch an uns vorbeigegangen. Derzeit steuert die Kommission Europa und Merkel die Kommission. Und manchmal fragt man sich, wer Merkel steuert.
Demokratie heißt aber letztendlich die Diktatur der Mehrheit über eine Minderheit – zeitbegrenzt. Daß die Diktatur einer Minderheit keine gute Idee ist, auch wenn es zeitbegrenz ist, sieht man derzeit sehr schön in Deutschland. Oder, was das betrifft, in Spanien, Griechenland, Portugal.

Das sind jetzt nur die ersten, eher spontanen Gedanken. Aber ich persönlich fühle mich in erster Linie als Europäer, in zweiter als Deutscher, in Dritter als Bayer und eigentlich bin ich Pöringer… 😉

Wahlsonntag

Gleich drei recht bedeutende Wahlen hat der heutige Sonntag gesehen. Ich möchte auf alle drei kurz eingehen, allerdings speziell auf die Nachdenkseiten verweisen, die sich diesen Themen deutlich intensiver annehmen werden. Alle drei Wahlen senden Signale aus – und nicht nur gute.

1. Frankreich: Die Wahl des François Hollande
Frankreich hat gewählt und mit einer knappen Mehrheit konnte erstmals seit siebzehn Jahren wieder ein Sozialist in den Élysée-Palast einziehen. Sarkozy hatte letztendlich zwar eine Wechselstimmung gegen sich, aber dennoch war das Ergebnis (48,38% <-> 51,62%) denkbar knapp. Die Beteiligung lag mit etwas mehr als 80% der Stimmen auch recht hoch, wenngleich niedriger als 2007 (knapp 84%) als Sarkozy sich gegen Ségolène Royal durchsetzte.
Bereits kurz nachdem das Ergebnis einigermaßen feststand tat sich der „Spiegel“ recht interessant mit einem Kommentar hervor, der letztendlich besagt daß die Sozialisten und ihr Präsident mit den Träumereien nun aufhören müssen. Nun sei wieder Realität angesagt und das im Artikel nicht benutzte Wort „alternativlos“ schwebt trotzdem irgendwie darüber. Tatsächlich ist Frankreich in einer recht schwierigen Lage aber die Losung „weniger Staat – Mehr Eigenverantwortung“ wird kaum einen Jugendlichen aus dem Pariser Ghetto in Lohn und Brot bringen, zumindest, wenn das „deutsche Modell“ Modell stehen soll
Im Gegenteil: Mit Hilfe des Leiharbeitstricks, der Fälschung der Statistik durch sinnlose Fortbildungsmaßnahmen und durch konsequentes Verschweigen der Aufstocker gelingt es der politischen Kaste nach wie vor recht erfolgreich, mit der Losung „Sozial ist, was Arbeit schafft“ Stimmen derer zu fangen, die nicht merken daß wir in Wahrheit zwischen 7 und 8 Millionen Menschen im Land haben, die von Staat unterstützt werden müssen. Arm trotz Arbeit ist längst das eigentlich Problem der „alternativlosen“ Politik. Auch wenn der Spiegel schon wieder Panik verspürt daß die Franzosen diesen Weg nicht gehen wollen – ich wünsche es ihnen von ganzem Herzen.
Nachtrag: Passend der Kommentar in der Sueddeutschen: „Adieu Wahlkampf – Bonjour Realität

2. Griechenland: Schlappe für die Demokratie
Die Griechen sind ja besonders für den deutschen Boulevard, aber auch für die deutschen Politiker insbesondere der Stammtisch-Fraktionen die Prügelknaben der Wahl. Faul, arbeitslos, sinnlos, nach allgemeiner Ansicht leben Griechen als Schmarotzer eine nicht zweckgebundene Daseinsform und entsprechend werden sie auch behandelt. Ihre eigenen Politiker huschen geduckt im europäischen Haus herum und hoffen, durch den Kotau an der rechten Stelle weitere Hilfen erhalten zu können. Die Quittung haben sie nun kassiert.
Sieger sind die Radikalen Linken mit 16,77% (+12,17%) und die „Unabhängigen Griechen“ mit 10,6% (+10,6%), die als rechtspopulistische gelten. Die Sozialdemokraten verloren über 30%, die Konservativen bleiben stärkste Kraft mit knapp 19%. Bedenklich ist, daß die griechischen Neonazis mit fast 7% ins Parlament eingezogen sind und künftig wohl 21 Mandate erhalten. Wenigstens blieben die Orthodoxen Spinner Volksalarmisten diesmal draußen.
Die nächste Schlappe ist die niedrige Wahlbeteiligung: nur knapp 65% der Wahlberechtigten (in Griechenland sogar Wahlpflichtigen!)  kamen zu den Urnen, ein weiterer Grund dafür, daß es den Radikalen leichter fiel, ins Parlament zu rutschen. Eine Besonderheit am Griechischen Parlamentarismus, nämlich daß die stärkste Fraktion automatisch 50 Sitze mehr erhält sorgt allerdings dafür, daß die Krisenmitverursacher der DN nun mit 108 von 300 Sitzen eine recht große und stabile Fraktion darstellen.
Die „Märkte“ reagierten gleich wieder mit Panik, weil die Bevölkerungen sowohl in Frankreich als auch in Griechenland den unendlichen Sparkurs mitzutragen nicht bereit sind. Dazu hat der Deutschlandfunk ein recht hörenswertes Interview mit dem Präsidenten des Europaparlamentes, dem Sozialdemokraten Martin Schulz, geführt.

3. Schleswig-Holstein: Stell Dir vor es ist Wahl und keiner geht hin.
In Schleswig-Holstein schafft die FDP den Einzug ins Landesparlament, sogar mit dem zweitbesten Ergebnis ihrer Geschichte. Das ist wohl auch nicht verwunderlich, wie Wolfram Müller schreibt, aber man sollte das Ergebnis auch nicht so hoch hängen. Kubicki bläst schon wirklich lange gegen die FDP-Bundesspitze und wird in Medien immer gern als „FDP-Rebell“ (Ob bei Spiegel Online, Welt oder Bild) beschrieben, was dem Wähler natürlich gefällt. Ich glaube, daß die Menschen in S.-H. da eher Kucicki als FDP gewählt haben. Auch wenn die Medien wieder kräftig anschieben (Sogar der Deutschlandfunk!) würde ich mal vorsichtig abwarten, ob die Wahl in NRW davon ernsthaft beeinflußt wird.
Mehr Sorgen macht mir – neben dem schwachen Wahlergebnis für SPD und Linkspartei – die mieserable Wahlbeteiligung. Nur 60,1% gingen überhaupt noch zur Wahl. Die SPD konnte immerhin 1.300 Erststimmen mehr als 2009 verbuchen, die CDU verlor praktisch 100.000 Erst- und noch einmal soviele Zweitstimmen. Hier hat die SPD knapp 4.000 Stimmen mehr zu verzeichnen. Die geringe Wahlbeteiligung dürfte Hauptverursacher sein, daß die FDP trotz eines Verlustes von 101.600 Zweitstimmen (!) ihr „Zweitbestes Ergebnis der Geschichte“ verzeichnen darf. In Wahrheit hat sie die Hälfte ihrer Wähler verloren.
Blickt man in die realen Zahlen (Alle der Veröffentlichung des Statistikamtes Nord zu entnehmen) so stellt man anhand des Zweitstimmenergebnisses fest, daß die einzigen Parteien, die Stimmen hinzugewonnen haben, die SPD (+3.860) und die Piraten (+79.903) sind. Alle anderen haben Stimmenverluste zu verzeichnen. Das spricht Bände über unser Wahlsystem – und Bände über unsere Politiker, die sich am Wahlabend so ziemlich alle auf die Schultern klopften.

Über die Journaille, die das ebenfalls geflissentlich übersieht, sollte man lieber kein Wort verlieren.

Einmal Zahlensalat, bitte. Mit Zwiebeln.

Die Infratest Dimap. Garant für ehrbare Zahlen zur Wahl und garantiert neutral. Also schon. Fast. meistens. Aber ein ehrbares Privatinstitut mit Exklusivvertrag für die ARD. Und die präsentieren Ihnen Zahlen… man glaubt es nicht. Was die alles ausrechnen bei rund 1.000 Befragten… einfach toll. Wenn… ja wenn der Fehler halt nicht im Detail steckte.

Die Sueddeutsche Zeitung berichtete begeistert von den Zahlen der Wählerwanderung, die von der Infratest veröffentlicht wurden. Diese Zahlen werden auch von Parteien sehr ernst genommen, denn sie zeigen deutlich, gegen wessen Profil man verloren oder eben gewonnen hat. Oder wieviele Wähler taktisch wählen um bestimmte Konstellationen zu bevorzugen.

So sind diesmal zum Beispiel die Grünen vieler Wähler verlustig gegangen: 6000 Wähler an die SPD, 1000 an die Nichtwähler und 2000 an die Piraten haben sie verloren, dafür aber 2000 von der FDP gewonnen. Mach Summa Summarum 8000 verlorene Stimmen. Blickt man in die Angaben des Landesamtes für Statistik, so erfährt man, daß die Grünen eine Gesamtzahl von 24.248 Stimmen hatten – 2009 waren es noch 31.516. Das sind 7.268 weniger. Also fast 8.000.

Die FDP hat massive Verluste eingefahren und ist schon beinahe da, wo sie hingehört: Auf Augenhöhe mit der NPD. Dennoch sind auch hier die Verluste schön aufgelistet: 12.000 an die CDU, 9.000 an die Nichtwähler, 8.000 an die SPD, 4.000 an die Piraten, 3.000 an die Linke (Wer bitte wählt FDP und dann links?) und je 2.000 an die Grünen und an kleinere Parteien. Macht einen Gesamtverlust von 40.000 Stimmen. Übrig sind, den offiziellen Zahlen zufolge, 5.871 Stimmen – von ehemals 49.064. Da komme ich irgendwie auf 43.193 Stimmen Verlust. Wohin die verbliebenen 3.193 Stimmen gewandert sind, keine Ahnung, sie machen aber auch nur 0,66% der 481.249 gültigen Stimmen aus -bei einem Gesamtergebnis von 1,2%….

Die Linkspartei verliert nach Infratest Dimap 30.000 Stimmen (Alleine 17.000 an die Nichtwähler), real verliert sie allerdings 36.052 Stimmen, was dann doch ein volles Fünftel mehr ist, als die Wählerwanderung von Infratest zeigt. Besonders schön ist die Wählerwanderung bei der SPD. Sie gewinnt 7.000 von der CDU, 7.000 von der Linkspartei, 8.000 von der FDP, 6.000 von den Grünen (Also 28.000) und verliert 7.000 an die Nichtwähler und nochmal 3.000 an die Piraten (also 10.000), was insgesamt 18.000 Wählerstimmen mehr bedeutet. Real bekam sie 15.919 Stimmen mehr, also immerhin noch mehr als 2.000 Stimmen Unterschied zu den Presseangaben des Privatinstitutes.

Bei der CDU gibt Infratest Dimap an, daß sie von Linkspartei und FDP insgesamt 14.000 Stimmen gewonnen habe (2.000 der Linkspartei, 12.000 von der FDP), aber an SPD 7.000, an die Piraten 4.000, andere Parteien 3.000 und an die Nichtwähler 12.000 Stimmen abgeben mußte. macht einen Verlust von 12.000 Stimmen. Real waren es 14.943 Stimmen.

Das ist insofern alles unwichtig, weil es darauf ja nicht wirklich ankommt. Allerdings deuten diese Zahlen Trends an die irgendwie ja entstehen müssen. Trends wiederum beeinflussen Wahlverhalten. Die Zahlen werden sehr ernst und sehr genau genaommen – aber genaugenommen sind sie irgendwie, naja, falsch. Daß die Infatest das nicht auf die Stimme genau angeben kann ist klar. Aber dennoch muß man sich hier die Frage stellen, wie eigentlich diese zahlen zustande kommen.

Zu diesem Zwecke habe ich eine Mail an die Infratest gesandt. Deren Stellungnahme und Antwort werde ich ebenfalls hier veröffentlichen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

für meinen kleinen Blog habe ich mir Ihre Zahlen zur Wählerwanderung noch einmal angesehen und dann vor allem die tatsächlichen Gewinn-/Verlustmargen der einzelnen Parteien. Dabei kommt es doch zu recht kräftigen Differenzen, alleine bei der FDP beträgt die Differenz zwischen Ihrer Analyse und den Offiziellen Zahlen beinahe 3.200 Stimmen.

In dem Zusammenhang möchte ich für meine Leser gerne eine Stellungnahme von Ihnen und auch ein paar Fragen beantwortet haben.

Wie erklären Sie sich das?
Wie genau werden die Wählerwanderungsangaben erstellt? Werden dabei Wähler befragt und dann extrapoliert? Oder gibt es eine andere Methode?

Vielen dank für Ihre Antwort und ich verbleibe mit den besten Grüßen,
Lastknightnik

Fundstück der Woche (12. KW): Die Welt auf Pump

Im Grunde lebt die ganze Welt auf Pump. Die Story bringt hier einen interessanten Beitrag zum Thema Schuldenkrise.

Man sollte nicht vergessen, daß unser gesamtes Geldsystem letztlich auf Pump funktioniert. Sehr schön wird das in dem Video „Wie funktioniert Geld“ dargestellt. Überleben wird unser System nicht, wenn nicht die Profiteure zu seinem Erhalt beitragen.

Es ist doch immer wieder erstaunlich….

…. da versüßte uns die BILD-Zeitung den Februar-Abschied am vergangenen Mittwoch doch glatt mit einem Artikel über die Integrationsunwilligkeit junger Muslime in Deutschland, spricht gar von einer „Schock-Studie“. Es wurde aber gar nicht der Schock studiert, es wurden stichprobenhaft Muslime befragt – um auf Verhaltens- und Denkmuster zu schließen und vor allem um herauszufinden, wie man Radikalismus eigentlich definieren soll.

Die zentrale Fragestellung der Studie findet man auf Seite 10 der 764 Seiten starken Studie: „Welche Kriterien lassen sich empirisch begründen, um junge Muslime in Deutschland auf der Grundlage ihrer Einstellungen und Verhaltensweisen als integriert beziehungsweise radikalisiert und unter Umständen extrem islamistisch beurteilen zu können?“ Nicht also wieviele sind es sondern „Wie beurteilt man das eigentlich?“ haben sich die Wissenschaftler gefragt. Eine legitime Frage. Zu diesem Zweck wurden (in der ersten Phase) 923 Teilnehmer interviewt, und zwar 206 deutsche Nichtmuslime, 200 deutsche Muslime und 517 nichtdeutsche Muslime (Siehe dazu S. 123 der Studie). Deutlich verweisen die Autoren der Studie darauf, daß die Ergebnisse gerade wegen dieser geringen Zahl an Teilnehmern kaum statistisch nennen kann (S. 277):

Aber, oh Wunder, der Springerstiefelpresse und ihren Handlangern kam das wieder einmal viel zu langweilig vor, sie konstatieren da lieber, daß 2,5% aller deutschen Muslime gefährlich und gewaltbereit seien. Bei 923 Teilnehmern sind das nicht ganz 4 Leute. Interessant, wenn von weniger als 1.000 plötzlich doch auf eine Zahl von 3,8-4,3 Millionen (!) hochgerechnet wird. Würde mich mal interessieren, ob das wohl stimmt, wenn ich die drei Minderbemittelten, die gestern in der Trambahn eine Bildzeitung lasen und in Fetzen rissen, um damit nach Passagieren zu werfen auf den Gesamtdurchschnitt der Bild-Leser hochrechne (BILD erscheint in eienr Auflage von etwa 2,7 Millionen)… Damit dürften die drei fast schon eine bessere statistische Aussage geben als die vier Typen (oder Typinnen) der Studie.

Warum macht dieses rechtsradikale Hetzblatt das? Als Wegbereiter eine arischen Gesellschaft? Mitnichten, das Ziel derartiger konservativer Hetzblätter ist es immer, die Bevölkerung soweit zu beeinflussen, daß sie vor Angst und Haß in eine Richtung zielt und so dem Dunstkreis von Döpfner und Diekmann die Meinungshoheit überlässt. Deutlich wird das am heutigen Samstag, wo Innenminister Friedrich brav wieder seine Sprechblasen über das gescheiterte Multikulti entleeren darf. Gibt man bei Bild.de in der Suche nur den Begriff „Muslime“ ein, erscheinen fast nur Hetz- und Tiradenartikel über gefährliche, gewaltbereite Muslime und – ganz wichtig! – blinde Linke und Grüne, die „die Augen vor der Wahrheit verschließen„.

Tja, hätte man es selbst halt mal mit der Wahrheit probiert. Aber für die Kaffeefahrtopfer wird es intellektuell noch reichen.

Anmerkungen:

Edit: Der Jakob Jung Blog hat einen ausführlicheren und deutlich lesenswerteren Artikel über den Inhalt der Studie erstellt auf den ich an dieser Stelle gerne verweisen möchte.

Kaum fährt man mal in den Urlaub….

…. schon stellt sich die Situation in der Heimat auf den Kopf. Der Bundespräsident tritt zurück und die FdP schafft es, Merkel die Saarland-Pleite mit Zinsen heimzuzahlen. Schön, nur schade daß ich das live verpasst habe. Dennoch beschäftigt mich heute etwas anderes, nämlich die immer lauter werdende Forderung, die Griechen aus der Euro-Zone und am besten gleich aus der EU zu werfen.

Doch ein Rauswurf wird die Situation nicht verändern, nur verschlimmern. Das sollte doch eigentlich jedem klar sein der mal 5 Minuten darüber nachdenkt.

Importe, zum Beispiel Lebensmittel, Medikamente und Medizingeräte, würden unerschwinglich werden. Regionale Hungersnöte, medizinische Unterversorgung und eine unkontrollierte Auswanderungswelle nach Mitteleuropa könnten die Folge sein – und ich wette diejenigen, die jetzt wütend Griechenlands Rauswurf fordern wären die ersten, die über die vielen Griechen vor der Haustüre jammern. Alleine der Anstand würde es verlangen, daß man der Bevölkerung in Griechenland hilft, sprich: diesmal würde das Entwicklungshilfeministerium zahlen, aber ohne Einfluß auf den Griechischen Haushalt, so kritisch der auch zu sehen ist.
Außerdem würde die neue Währung in Griechenland, ob das nun die von der Springerstiefelpresse favorisierte Drachme oder etwas anderes ist eine brutale Abwertung erfahren. Und dann? Arbeit in Griechenland wird zwar spottbillig, Importe sind aber für die Griechen nicht mehr bezahlbar und wie das ausgeht können Sie in jedem beliebigen Dritte-Welt-Land ansehen – und in den meisten Schwellenländern. Leiden würde das griechische Volk und die Elite würde um die Pfründe zu sichern dem Westen brav beim Ausbeuten helfen.

Die derzeitige Methode, immer so für drei oder vier Wochen ein Paket zu schnüren bringt nichts, das ist klar – ich habe allerdings auch bislang von keinem Einzigen Politiker egal welcher Couleur eine Idee gehört, die das Schuldenproblem tatsächlich löst – bislang gibts nur Vertröster-Verlautbarungen. Das lässt den Rückschluß zu daß diese Krise gewollt und gemacht ist. Für wen?

Von der mangelnden Konsequenz…

Die CSU ist ja nicht gerade als eine konsequente oder ehrliche Partei bekannt; Wie auch, als christliche Partei ist sie der strukturellen Heuchelei natürlich schwer verpflichtet. Ein guter Christ im öffentlichen Christentum predigt Moral und stubst wenigstens vorher den Ministranten vom Schoß, ein CSU-Politiker wie Dohbrindt fordert das Verbot von demokratischen Parteien weil es fragwürdige Figuren darin gibt.

Wäre er konsequent, müsste er nun auch das Verbot der CSU fordern. Denn nach Medienberichten hat der Müncher Unionsangehörige Detlev Baasch  eine Rede auf einer NPD-Veranstaltung gehalten, weil er mit einem der veranstalter persönlich bekannt sei.

Wenn sich Mitglieder einer Partei in seltsamen Kreisen herumtreiben wie zum Beispiel der „kommunistischen Plattform“, dann stört es mich nicht im Mindesten wenn der Verfassungsschutz da mal nachsieht. Im Grunde ist er ja dafür da. Über die Qualität seiner Arbeit kann man natürlich reden, und gerade die ist in den letzten Wochen zu recht in die Kritik geraten. „Unser“ Verfassungsschutz ist offensichtlich auf dem Rechten Auge nicht nur blind, sondern auch noch hilfsbereit.

Links hingegen offenbar nicht. Und das hilft dem „bürgerlichen Lager“ (Auch so ein Begriff, wer hat sich das eigentlich ausgedacht?) seine konservativen Werte zu vermitteln: Konservativ scheint zu sein, daß man Ängste schürt wenn einem die Argumente ausgehen. Stets wenn das bürgerliche Lager oder sein Lagerwart Dobrindt von irgendwas ablenken muß wird die Angst vor dem Russen bzw. vor dem Kommunisten ausgepackt, während sie zeitgleich durch ihre Politik den Extremisten Zulauf verschaffen. Und trotzdem haben sie es nicht geschafft bislang, eine Linksextreme Szene mit einer ernsthaften Zahl Mitglieder zu erschaffen. Die paar Spinner schafft eine stabile Demokratie locker – im Gegensatz zur anderen Seite.

Links wird beobachtet, Rechts mordet. Und die CSU engagiert sich bei solchen Leuten…?

Das erfordet doch mal einen offenen Brief:

Sehr geehrter Herr Dobrindt,

Dank Ihrer lautstarken Forderung, die Linkspartei zu beobachten und notfalls auch zu verbieten, weil sich einige ihrer Mitglieder in tatsächlich sehr fragwürdigen Kreisen bewegen, möchte ich von Ihnen wissen, ob Sie sich nun auch konseuqnt für ein Verbot der CSU einsetzen möchten.

Das CSU-Mitglied Detlev Baasch hat eine Rede auf einer NPD-Veranstaltung gehalten, ein klares Signal daß sich Mitglieder der Partei offensichtlich in verfassungsfeindlichen Kreisen bewegen. Gemäß der Logik Ihrer Rhetorik müssten Sie nun zumindest die Beobachtung, wenn nicht gar das Verbot der CSU fordern.

Dankenswerter Weise setzt sich die CSU bislang stark für ein Verbotsverfahren gegenüber der NPD ein. Wie konkret soll dieses Verbotsverfahren nun in die Wege geleitet werden wenn da Verbindungen zur CSU auftauchen?

Ich bin gespannt auf die Antwort.