Eindringlich. Und leider wahr.
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Von der Merkel'schen Moral
In den vergangenen Tagen dieser Republik gab es gleich zwei Ereignisse, die dem geneigten Betrachter wieder einmal zeigten, wie man es mit Frau Merkel, der CDU und der Moral halten muß: Zuerst ein lukrativer Besuch aus China, dann ein lukrativer Deal mit den Saudis. Eine kleine Polemik.
Daß die FdP keine Werte hat, die jenseits eines Kaufvertrages Bestand haben müssen ist seit der Lambsdorff’schen Zerschlagung des bürgerrechtlichen Flügels der Partei unstrittig. Irgendwer hat dafür mal den Begriff des „Ichlings“ geprägt, eine besonders abstoßende Kreatur die da aus der Menschheit hervorgegangen ist.
Der einzige Wert, der bei den Gelben Bestand zu haben schien war die Parole des „Freiheit statt Sozialismus“ – Geschwafels, das wahlweise von Leichtmatrosen und Freiheitsstatuen zur Belustigung des sedierten Volkskörpers in jede Diskussion gedröhnt wurde. Sozialismus, das ist das Übel, darin war man sich weltbildtechnisch völlig einig. Sozialismus, das ist Diktatur, und Mauerbau und kostenloser Zahnersatz. Und dagegen kämpfen die Liberalen um Westerwelle, Rösler, Lindner und Brüderle, koste es, was es wolle.
Das wäre so weit eigentlich nur harmlos und letztlich seit 20 Jahren wenigstens veraltet, wenn nicht der große Bruder CDU dabei wäre, der demselben Inhalt aufgesessen ist. Die CDU inszeniert sich allerdings viel stärker als die Yuppie-Brüder bei der FdP als tief bürgerliche, ethisch im Christentum und der Freiheit und irgendwie auch dem Fortschritt und dem deutschen Wesen verwurzelten Gruppierung, die in Sachen Moral und Ethik eine ähnliche Haltung einnimmt wie die Amtskirche.
Und wie die Amtskirche, so sieht es auch bei der CDU (nicht nur natürlich) mit den eigenen Werten ganz schnell anders aus, wenn einer mit dem Scheckbuch winkt. Als erklärter Feind des Kommunismus, den zu bekämpfen die CDU angetreten ist, macht sie mit, wenn Merkel und die sie steuernde deutsche Wirtschaft eine Reihe lukrativer Verträge mit China abschließen. Natürlich, China ist im Grunde der Definition des Koalitionsvertrages zwischen den Regierungsparteien kein Sozialistisches Land, obwohl die Mindestlöhne haben, sondern pressen – ganz in freiheitlicher Tradition – ihr Volk kräftemäßig, finanziell und rechtlich aus bis zum Anschlag. Ein Menschenleben zählt wenig bis gar nichts, Hauptsache die Kasse stimmt.
Natürlich passt die chinesische Führung ethisch zu Merkel und Westerwelle. Die Ideologie heißt anders, aber letzten Endes ist der Staatsapparat in China lediglich in seiner Bauform anders – sein Zweck ist derselbe wie bei uns: Er muß den Eliten dienen.
Jetzt wittert die Opposition einen neuen Skandal, der in die gleiche Bresche schlägt. Der mögliche Panzerverkauf an das Königreich von Saudi-Arabien ist ebenso ein wunderbares Beispiel für konservative Moral: Während hier in jedem Bierzelt und an jedem Stammtisch über die Bedrohung durch den Islam schwadroniert wird und man die islamische Gefahr schön akut hält, bejubelt man nach außen die Demokratiebewegungen in Afrikas nördlichen Staaten und verkauft ihren Feinden Waffen. So ist er, der Konservative: nach außen gut gesittet aber hinter dem geschlossenen Vorhang geht’s zu….
Heuchelei bei der Opposition
Scheinheilig ist allerdings die moralinsaure Entrüstung, die Grüne und SPD jetzt in die Presse blasen. Natürlich ist es richtig den Merkel-Westerwelle – Deal zu kritisieren, aber wer hat gleich wieder Hand- und Faustfeuerwaffendeals, Verträge zwischen der deutschen Waffenindustrie und Saudi-Arabien über kleine Waffen die bestens geeignet sind, um die eigene Bevölkerung mundtot zu machen? Ahja, richtig, da war doch was in Rot/Grünen Zeiten. So mit Gerd und Jockel und Steinmeier als Kanzleramtschef.
Letzten Endes ist so eine Demokratiebewegung, wenns nicht gleich wie in Libyen zum Bürgerkrieg mutiert, mit einer gut ausgestatteten Polizei, Tränengas und Gewehren leichter im Griff zu halten als mit Panzern. Alle Panzer haben dem Schah von Persien seinerzeit nichts genutzt. Ahmadinedschad hingegen hält „seine“ Leute mit Tränengas und Reiterei bei der Stange.
Nicht vergessen: Sozial ist, was Arbeit schafft.Das haben die Bürger dieses Landes gewählt.
Fundstück der Woche (27.KW): Eklat in Baden-Württemberg
Georg Schramm ist ja immer wieder sehenswert. Hier können Sie ihn mal nur hören – aber es lohnt sich vor allem wegen des Publikums:
Gehört? Da sind sie aber fuchsteufelswild gewesen, die Damen und Herren Elite. Haben sich doch sogleich in den sprachlichen Lokus begeben. Dazu gibt es zwei Berichte der badischen Zeitung hier und hier und einen der Stuttgarter Zeitung hier. Dazu außerdem eine Kolumne von Joe Bauer hier.
Was ein wenig verwundert: Warum war man eigentlich so erbost? Kannten die versammelten Damen und Herren der ersten Reihe das Programm und den Inhalt der Reden von Herrn Schramm nicht? Haben Sie ihm weder in der Anstalt, noch bei den Demos gegen Stuttgart 21 zugehört? Vermutlich, denn wer einen Preis gar nicht als Preis versteht, der weiß i.d.R. gar nicht warum er jemanden auszeichnen muß.
Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Sie betreiben dank großzügiger Schmiergeldzahlungen (Abgaben) ein Glücksspielunternehmen in einem Land, in dem Glücksspiel eigentlich verboten ist. Damit helfen Sie, all denen in diesem Land, die nichts haben, vorzugaukeln, sie könnten vielleicht eines Tages mal alles werden. Die Chancen sind gleich Null, aber alle machen mit. Das ist exakt der Grund, warum das System, das genauso aufgebaut ist, funktioniert: Weil alle glauben, daß sie aufsteigen können und weil es kaum einer schafft. Volker Pispers nannte das „Die Lüge des Kapitalismus„, aber das nur am Rande.
Nun müssen Sie, weil die Leute ja noch nicht ganz doof sind, als Teil des Systems ein gewisses Maß an Kritik ertragen. Man nennt das eine Ventilfunktion, einer solchen diente beispielsweise der berühmte Weiß Ferdl in München. Um Sympathie zu erlangen kann es aber nützlich sein, die Ventilfunktion als solche ein bißchen zu unterstützen solange sie nur Ventil bleibt und sich nichts wirklich ändert. Ansonsten wäre das natürlich kontraproduktiv.
Um zu zeigen, daß man keine Diktatur ist, sondern „Freiheit“ auch im Sinne der Meinungsfreiheit zumindest duldet, stiftet man also einen kleinen Preis (also von rund 130 Millionen Euro Gewinn etwa 16.000, das reicht völlig um großzügig zu erscheinen und vielleicht sogar als „Mäzen“ eines Tages verklärt zu werden) und vergibt ihn auch an jemanden, der manchmal scharf an einem selbst Kritik übt. Bei Hofe hieß das früher „Narrenfreiheit“
Das Ganze könnte nun super funktionieren, wenn sich der auszuzeichnende Künstler auch an die Spielregel hät – also vorsichtig und ein bißchen freundlich ist, die versammelte Mannschaft über sich selbst zwar ein bißchen gezwungen lachen lässt aber letztlich mit ihr auch gerne mal ein Bierchen trinkt – in Bayern findet sowas ja jedes Jahr statt und zwar am Nockherberg. Und schon da zeigte sich, daß man, wenn sich jemand nicht an diese Regel hält, man schnell verschnupft wird.
Dies nun ist hier auch passiert: Schramm hat sich die Chance nicht nehmen lassen der versammelten Elite mal zu sagen was er – und ein gerüttet Maß der aufgerüttelten Bevölkerung auch – von ihr hält. Und das fanden viele nun gar nicht komisch, so etwas tut man nicht. Man gab ihm in der Konsequenz auch nicht die Hand (vermutlich fehlt der Figur Dombrowski deswegen die Rechte…)
Schön ist dann aber, daß die aufgebrachten Wutbürgerlichen tatsächlich die Rückgabe des Preises forderten. Moment – Rückgabe? Eine Rückgabe kann dann erfolgen, wenn eine Seite mit den erbrachten, vertraglich geregelten Leistungen nicht zufrieden ist. Das ist eine Alternative zum Widerrufsrecht. Eine Rückgabe ist also möglich wenn ein Handel abgeschlossen wurde – und scheinbar verstanden die vorderen Reihen das so. Schramm hat nicht für den Preis gebuckelt, hat nicht die Füße der Verleihenden geleckt. Das sieht man in bestimmten Teilen der Gesellschaft anscheinend als Vertragsverletzung.
Wie Presse und Presseautomatismus funktionieren.
Heute: RP-online. Sehr schöne zusammenstellung von Überschrift und Weiterverlinkung.
Die Neutralität der Tagesthemen
Schon des öfteren habe ich mich ja gegen den Irrglauben an eine „Linke Medienhoheit“ gewehrt, im Gegenteil, ich nehme eher eine Rechtslastige wahr und stehe damit nicht gerade alleine. Aber interessant finde ich die Grünengeneigtheit bei der Süddeutschen und neuerdings bei der ARD.
So ist die Wahlberichterstattung wie bei der Tagesthemen-Extra Ausgabe vom Sonntag interessant. Durfte in der Tagesschau der SPD-Spitzenkandidat Jens Börnsen noch den Zuwachs erwähnen (den ich selbst ja auch gleich relativiert habe) so gab sich Jörg Schönenborn in der Extrasendung Mühe, das SPD-Ergebnis schnell kleinzureden. Sicherheitshalber erwähnte man auch die Wählerprognosen von anderen Parteien nicht, sondern beließ es bei der Feststellung daß die SPD das schlechteste Wählerergebnis ihrer Geschichte eingefahren hatte. Die CDU hat das ziemlich sicher auch. Aber das ist ja nicht so wichtig. Eine Erwähnung der Wahlbeteiligung fand auch nicht statt.
Das interessante an den Hochrechnungen war ja, daß zum Zeitpunkt der Sendung erst 10% aller Stimmen ausgezählt waren, Jörg Schönenborn aber irgendwie schon die genaue Zahl der SPD-Wähler verkünden konnte. Natürlich sagte er am Anfang daß es sich nur um Hochrechnungen handelt – aber zu dem Zeitpunkt ist der Zuschauer längst wieder sediert. Oder war Ihnen das noch voll bewußt zu dem Zeitpunkt der Sendung? Die CDU findet als Meinungsumfrage unter CDU-Wählern statt bei der als Schluß gezogen wird, daß auch die Bundespolitik verantwortlich ist für das Wahlergebnis. Aber nicht wegen der Inhalte sondern weil der Kurs nicht klar ist.
Nicht wenige haben bei meinem Artikel über die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz die Frage gestellt, warum ich glauben würde, daß Jörg Schönenborn, immerhin eines der Leuchtfeuer der ARD für ihre Seriosität, eine latente CDU-Neigung zeige. Ob er der CDU zugeneigt ist vermag ich nicht zu sagen und mir persönlich ist das auch egal. Aber ich bin mir ziemlich sicher, daß er gegen die SPD eingenommen ist und sich als Teil einer bereits länger andauernden Kampagne Mühe gibt, in seriösem Ton weiter auf den Sozialdemokraten herumzuhacken. Das wäre alles eine lästige Verschwörungstheorie – wenn er sich nicht bei diesem Fehler hätte erwischen lassen.
Bleiben die eigentlichen Tagesthemen um den Wahlabend abzurunden. Hierzu neuere Zahlen die auch wieder präsentiert wurden. Im Gegensatz zur Extra-Sendung durfte auch mal einer was sagen, der kein grüner Politiker war. Das war auch interessant – warum nur Frau Linnert bei der Tagesthemen Extra, warum nicht Frau Mohr-Lüllmann die noch einmal ihre lustige Einschätzung wiederholen kann, daß kaum einer wählen ging weil alle wußten wie es ausgeht? Oder auch warum nicht Frau Vogt von der Linkspartei, die sich von dem ARD-Menschen in der Tagesschau hatte fragen lassen müssen, daß man sie, wenn überhaupt irgendwo dann doch hier brauche wo alles arbeitslos sei, sich aber als Einzige tatsächlich Sorgen wegen der Wahlbeteiligung machen müsse? (Siehe hierzu die Tagesschau-Sendung).
Was war nun bei den Tagesthemen? Erst einmal wie immer, alles ist so vorhersehbar gewesen (und darum scheint die These von Frau Mohr-Lüllmann zuzutreffen, hach wie subtil!) und dann legte Jörg Schönenborn los:
Die Grünen sind zweitstärkste Kraft in einem westlichen Bundesland, das hat es noch nicht gegeben.
Naja, Baden-Württemberg ist ja auch nicht direkt Westen. Praktisch DDR, nicht? Danach haben Grünenwähler ein Motiv daß der Kriminalist Schönenborn anscheinend zu ermitteln sucht… Ich bin wirklich platt wie schlecht das heute war. Was ist denn da los, warum ist das heute so mies?
Nicht berauschend
Ich gratuliere den Genossinnen und Genossen aus Bremen zu ihrem Erfolg und möchte ihn auch nicht kleinreden. Aber dieses Siegesgetaumel ganz besonders von Seiten bestimmter Bundespolitiker ist wahrscheinlich kontraproduktiv und bestenfalls peinlich. Die Wahlbeteiligung ist jedenfalls unglaublich schlecht gewesen und das ist nun wirklich kein Grund zum Feiern.
Wann immer Wahlsonntag ist freuen sich Politiker in der Öffentlichkeit über ihr Ergebnis – ein Vorgang der nicht selten zu Hohn und Spott führt. Dennoch gilt es als selbstverständlich daß Spitzenkandidaten hinterher a) ihren Wahlkampf (und damit die Wahlkämpfer) loben, b) von einem Wählervotum sprechen das „irgendwie“ auch für sie gut ist und c) klarstellen daß im Grunde ihre Inhalte und Ansichten gewonnen haben.
So feiert Sigmar Gabriel laut Sueddeutsche.de einen „Riesenerfolg“. Mit 38% hat die SPD dort tatsächlich Prozente eingefahren wie sie, sagen wir, in Bayern eher unwahrscheinlich sind (wo sich der Landesparteivorstand aber sehr um das Projekt 10% bemüht). Aber real betrachtet sind es gar nicht 38%, sondern nur 54% davon. Das sind 20,52%. Das ist immer noch mehr als die andern bekommen haben, aber lediglich ein Fünftel aller Wahlberechtigten haben der SPD ihre Stimme gegeben. Nur die Hälfte ist überhaupt hingegangen und das ist ein viel dramatischeres Ergebnis als die Tatsache, daß diese Spinner von „Bürger in Wut“ ihr Ergebnis vervierfacht haben.
Andrea Nahles, die ehemalige Linke der SPD, spricht von einer Stärke der SPD in den Städten. Natürlich, wo denn auch sonst – als wäre das etwas einmaliges in der Parteigeschichte. Andererseits, bei der Dame ist eh nicht so ganz klar, was ihr gerade so alles neu ist (Was? Sarrazin hat ein Buch geschrieben?). Die Grünen legen kräftig zu und dürften meiner Einschätzung nach die einzige Partei mit echtem Stimmenzuwachs sein. Die SPD hat zwar auch gewonnen ±2%) aber ich hege die Vermutung daß das eher daran liegt, daß weniger SPD-Wähler im Schnitt zuhause blieben als bei anderen Parteien und nicht weil real mehr sie gewählt haben.
Demokratie? Machen eh die andern.
Die geringe Wahlbeteiligung von gerade mal 54% ist eine Katastrophe. Zwar war die Wahlbeteiligung in Bremen schon lange nicht besonders kräftig und seit den 70er Jahren auch am Sinken wie überall in der Republik, aber sie ist so schlecht wie bisher noch nie. Das dramatische daran ist aber, daß es ein Novum bei dieser Wahl gab: 16- und 17-Jährige durften erstmals auch wählen. Davon hatte sich die Piratenpartei besonders Vorteile versprochen. Rein zufällig natürlich ist der Server der Piratenpartei aber polizeilich beschlagnahmt worden.Könnte daher sein daß die Piraten vielleicht auch eine Verfassungsklage gegen die Wahl anstreben.
Das hat aber an der miesen Wahlbeteiligung nichts geändert. Wenn überhaupt, dann sie über die 50% gerettet aber das muß sich erst zeigen. Ist das ein Grund zum Feiern? Nein, das ist ein Grund nachdenklich zu sein.
Kein Politiker aber war an diesem Abend nachdenklich zu hören. Bislang jedenfalls. Nur noch die Hälfte ist überhaupt hingegangen, die andere Hälfte scheint kein wählbares Angebot auf den Listen entdeckt zu haben. Viele glauben nicht mehr an das Land und die Demokratie – nicht zuletzt weil sie das Gefühl haben daß Demokratie nur eine Scheinveranstaltung ist die dazu dient, eine bestimmte Clique an den Schalthebeln zu belassen. Demokratie als Diktatur mit dem Anstrich von Mitbestimmung.
Ist das so? Existiert die Demokratie in Wahrheit doch nur auf dem Papier? Oder gelingt es den Parteien nicht mehr, die Möglichkeiten der Bürger zu vermitteln und als Stimme der Menschen den Interessen einiger weniger entgegenzutreten? Liegt die Schwäche im System oder bei seinen Trägern?
Wenn das System das Problem ist – warum gehen dann die Nichtwähler bloß nicht zur Wahl, warum ändern sie es nicht? Sind sie doch so faul und desinteressiert wie man es ihnen gerne unterstellt? Warum überlassen sie sich und das Leben ihrer Kinder dann dem System, wenn sie es ablehnen?
Wenn es nur die Trägerschaft ist – also die Parteien und vor allem die maßgeblichen Figuren darin – dann ergibt das Nichtwählen in gewisser Hinsicht Sinn. Aber es wäre dann besser hinzugehen und den Stimmzettel absichtlich unbrauchbar zu machen. Sonst könnten jene, die genau von dieser miesen Wahlbeteiligung profitieren letztlich das Gefühl bekommen, sie hätten schon fast gewonnen.
Von der Vorreiterrolle
Am vergangenen Tage dieser Republik stellten die sogenannten Wirtschaftsweisen ihren Vorschlag vor, die Renten in Deutschland langfristig weiter zu kürzen, indem man das Renteneintrittsalter auf 69 anhebt. Zeitgleich blies die Kanzlerin auf einer CDU-Veranstaltung ins gleiche Horn und sprach davon, daß sich ganz Europa Deutschland anpassen müsse.
Da wird man ja stutzig. Frau Merkel erklärte, wie man der Tagesschau, der Sueddeutschen und der FAZ schön entnehmen kann, daß Deutschland z.B. beim Thema Rentensystem Vorbild und Vorreiter sei. Das überrascht. Erinnern Sie sich an Diskussionen zum Thema Sicherheit, Atomenergie, Steuerpolitik, Mindestlohn und vielen anderen und an das wichtigste Argument der Kanzlerin? Ich verrate es Ihnen: Ein nationaler Alleingang bringe nichts, Deutschland könne nicht einfach nach vorne preschen ohne die anderen und ds alles braucht sowieso einen (nicht zu schaffenden) europäischen Konsens.
Seltsam, das geht nirgens. Nur bei der Rente, da auf einmal.
Doch was genau fordern die Wirtschaftsweisen denn nun eigentlich? (Den Bericht kann man hier abrufen, die Analyse der Tagesschau erreicht man hier.) Die Stammtische jubilieren ja über die „Vernunft“ angesichts des demographischen Wandels das Eintrittsalter für die Rente zu erhöhen weil – und das ist wirklich das Argument! – „Wir alle länger arbeiten müssen wenn wir älter werden.“
Das klingt logisch. Nur – es ist eine Lüge. Real erhöht sich das Renteneintrittsalter kaum, noch immer gehen die Deutschen im Schnitt mit 62,1 Jahren in Rente. Das ist weltweit nur mäßig anders. Lediglich in Japan liegt das reale Eintrittsalter weit über dem gesetzlichen – und in der Schweitz ein wenig. Ansonsten bewirkt eine Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters in Wahrheit nur eine Kürzung der realen Renten.
Seit Jahren versuchen die Denkfabriken der Neokonservativen den Menschen einzureden daß das Rentensystem am Ende sei. Mittlerweile ist das regelrecht Konsens, das gehört zu den Dingen die „man halt weiß“. Es stimmt aber nicht. So hat Albrecht Müller schon 2005 sehr schön über den Denkfehler und 2009 über die Manipulation berichtet die so allumfassend ist daß die Infragestellung schon als Verschwörungstheorie gelten kann. So wird die Demographielüge kurzerhand abgetan und weiter blind ins Horn der aussterbenden Deutschen gestoßen.
Es täte der Regierung gut, die Vorreiterrolle Deutschlands auch mal etwas mutiger in anderen Bereichen zu forcieren und sich zu überlegen, ob diese zig Berater von Ifo über INSM bis hin zu Bertelsmann nicht in Wahrheit Wirtschaftswaisen sind…
Vom üblen Linken und konservativen Gedankenverbindungen
In den vergangenen Tagen unserer Republik gab es eine Reihe von Ereignissen, bei denen Menschen auf die Straße gingen um zu demonstrieren. Erinnern Sie sich, was für Leute das waren? Naja, alles Rabauken, Linke, Grüne, Irre.
Quasi Menschen wie Du und ich könnte man sagen. Tatsächlich wurden die Proteste von sehr unterschiedlichen Gruppen getragen, sowohl die Anti-Atomkraft-Bewegung als auch die Protestbewegung rund um Stuttgart 21 rekrutiert sich sehr aus der Mitte der Gesellschaft und nicht von einem linken oder rechten Rand wie beispielsweise die Maikrawalle oder die Wunsiedelmärsche.
Das hindert einen echten Konservativen allerdings nicht daran, möglichst viel was „irgendwie gegen“ ihn ist, in einen Topf zu werfen um Vorurteile kneten zu können. Schließlich sind Atomkraftgegner ja irgendwie für die Islamisierung Europas. Glauben Sie nicht? Dann sollten Sie keinesfalls mehr CSU wählen:
Ja, Alexander „Drohbind“ Dobrind sagt hier wirklich „Diejenigen, die gestern gegen Kernenergie, heute gegen Stuttgart 21 demonstrieren, agitieren, die müssen sich dann auch nicht wundern, wenn sie übermorgen irgendwann ein Minarett im Garten stehen haben, meine Damen und Herren!“
Hmja. Verstehe. Sind AKW’s also so eine Art Strahlenschutz gegen den Islam oder wie? Als Generalsekretär der CSU ist Herr Dobrind zudem noch diplomierter Soziologe. Ich frage mich, was das Patent gekostet haben mag…
Vom Vergalloppieren der parlamentarischen Opposition.
Liebe Opposition,
Am vergangenen Tage dieser Republik hast Du Dich im Parlament zusammengeschlossen und versucht, die Regierung um einen weiteren Minister zu erleichtern. Du hast gefordert, geschwallt und gedroht – und vor allem eines: Dich blamiert.
Nun bin ich auch kein Fan vom Lügenbaron aber alleine die ständige Wiederholung der Rücktrittsforderung ist unsinnig und kontraproduktiv. Unsinnig deswegen, weil der Minister tatsächlich nicht für seine vermeintlichen wissenschaftlichen Leistungen als Minister fungiert und kontraproduktiv, weil sich die Opposition damit selbst am meisten schadet.
Besonders in dieser hysterischen Fragestunde, aber auch schon vorher haben es vor allem Grüne und SPD geschafft, das politische Kapital das sie daraus hätten schlagen können ins genaue Gegenteil umzuwandeln. Die parlamentarische Opposition steht nun da als kleinlich, hysterisch, dumm und keifend und tatsächlich gelingt es Guttenberg mit Hilfe der Bildzeitung, da gestärkt daraus hervorzugehen. Na super, das habt Ihr wunderbar gemacht!
Das Festhalten der Regierung an ihrem Minister ist verständlich – er ist der einzige, der den gleichen Blödsinn wie alle erzählen darf aber dafür geliebt wird – und auch Ihr hättet mit einem Verteidigungsminister zu Guttenberg eigentlich eine wunderbare Karte in der Hand um sie jederzeit auszuspielen (à la „Kann der Minister seine Meinung belegen?“). Stattdessen blast Ihr so ungeschickt es geht zu einem Frontalangriff dem sich die Regierung mit Kraft und mitunter wohl auch sehr zweifelhaften Methoden erwehrt und verschafft einfach durch die Schäbigkeit des Vorgangs dem Minister wieder Sympathien.
Dabei wäre es so schön gewesen: Wann immer das Verteidigungsministerium oder der Minister irgendeine Zahl oder einen Vorgang veröffentlicht hätte, hätte man ganz offen Zweifel hegen können. Der Minister wäre geschwächt gewesen und als Kanzlerkandidat sicherlich zunächst einmal nicht in Frage gekommen, nun könnte es Rot und Grün passieren, daß sie einen brauchbaren Kandidaten gegen ihn verheizen müssen.
Als ständige Erinnerung an das (naja, nicht so ganz) „neue“ konservative Werte- und Ehreverständnis schadet der Minister zudem seiner Partei denn ein nicht unerheblicher Teil der konservativen Wähler tut das auch aus einem gewissen Wertefundament heraus, das hier nachhaltig beschädigt wird. Das hätte einen Kohl-Effekt (Noch ein konservativer Star mit „Ehrenwort„) haben können.
Und ein ebenfalls nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung fragt m.E. völlig zu Recht nach dem Wert dieser Debatte angesichts der Tatsache daß praktisch ganz Nordafrika sich im offenen Aufruhr zu befinden scheint.
Die ganze Affäre ist allerdings seltsam, da passt das ungeschickte Verhalten von Euch gut dazu. Beginnen wir mit der Veröffentlichung der Rezension, diese Nacht-und-Nebel-SMS, die Sueddeutsche und den sich anbahnenden Skandal. Hin und Her ging es, selbst die konservative Medienübermacht wurde völlig auf dem falschen Fuß erwischt. Soweit, so fein. Aber anstatt so etwas geplant und mit ein wenig Stil anzugehen – die Rezension erst einmal zu veröffentlichen (mit der daraus resultierenden Bewegung in der wissenschaftlichen Welt) und dann die Presse „darüber stolpern“ zu lassen – wurde brutalstmöglich sofort auf den Minister eingedroschen. Gemeint ist jetzt nicht das hervorragende Guttenplag-Wiki das versuchte, dem ganzen einen eher neutralen Anstrich zu verpassen, sondern eher die schnelle Rücktrittsforderung.
Klar fordert eine Opposition bei einer offensichtlichen Gelegenheit den Rücktritt eines Ministers – hat der neokonservativliberale Block ja seinerzeit bei Fischer probiert. Und das mehrmals. Da hätte man aber draus lernen können, daß eine überstandene Hysterie dieser Art dem Minister mitunter sogar nützt.
Als klar wurde, daß hier Steuergelder in die Entstehung der Arbeit geflossen sein könnten, zumindest über die Beteiligung des wissenschaftlichen Dienstes, da hattet Ihr dann eine richtige Waffe in der Hand. Und was macht Ihr? Reitet süffisant auf einem „Doktor“ als Anrede herum. Warum nicht genau da einhaken wo es mal um was geht?
Nun hat der Mann sich rechtlich auf sehr unsicheres Terrain begeben und vermutlich Steuergelder für seine Arbeit mißbraucht. Er hat wohl ein bißchen mehr als nur „kleine Fehler gemacht“ und sicherlich gelogen und eine falsche „Ehrenwörtliche Erklärung“ – von Guttenberg als „kein Ehrenwort“ verstanden – abgegeben.
Was, meine liebe Opposition, hättet Ihr eigentlich mehr gebraucht um aufzuzeigen und nachzuweisen, was die Fraktionen- und Ethikgemeinschaft der „geistig-moralischen Wende“ (CDU/CSU/FDP unter Kohl) beziehungsweise der „geistig-politischen Wende“ (CDU/CSU/FDP unter Merkel) genau möchte? Wie, wenn nicht so hättet Ihr zeigen können, wessen Werte eigentlich von Anstand und Miteinander geprägt sind?
Das genaue Gegenteil habt Ihr gemacht. Und das war dumm, kleingeistig und in jeder Hinsicht kontraproduktiv.
Dazu gratuliere ich Euch. Ihr habt einer erneuten „16-Jahre-Schwarzgelb – Periode“ der Bundesrepublik, nur diesmal mit Krieg und Derivatenhandel, weiter den Boden bereitet. Vielen Dank für Eure Verantwortungsfreiheit.
Euer erzürnter
Last Knight Nik
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Wen es interessiert, dem seien hier die Videos der Fragestunde gezeigt:
Fundstück der Woche (08.KW): Prof. Harald Lesch über das perfekte Verbrechen
Professor Lesch ist eigentlich der deutsche Vorzeigeastronom und erklärt auf BR Alpha dem interessierten Publikum, wie der Kosmos tickt. In Abenteuer Forschung hat er allerdings im Oktober 2010 eine ganz eigene Antwort gegeben
Interessant.