Von der Vorreiterrolle

Am vergangenen Tage dieser Republik stellten die sogenannten Wirtschaftsweisen ihren Vorschlag vor, die Renten in Deutschland langfristig weiter zu kürzen, indem man das Renteneintrittsalter auf 69 anhebt. Zeitgleich blies die Kanzlerin auf einer CDU-Veranstaltung ins gleiche Horn und sprach davon, daß sich ganz Europa Deutschland anpassen müsse.

Da wird man ja stutzig. Frau Merkel erklärte, wie man der Tagesschau, der Sueddeutschen und der FAZ schön entnehmen kann, daß Deutschland z.B. beim Thema Rentensystem Vorbild und Vorreiter sei. Das überrascht. Erinnern Sie sich an Diskussionen zum Thema Sicherheit, Atomenergie, Steuerpolitik, Mindestlohn und vielen anderen und an das wichtigste Argument der Kanzlerin? Ich verrate es Ihnen: Ein nationaler Alleingang bringe nichts, Deutschland könne nicht einfach nach vorne preschen ohne die anderen und ds alles braucht sowieso einen (nicht zu schaffenden) europäischen Konsens.

Seltsam, das geht nirgens. Nur bei der Rente, da auf einmal.

Doch was genau fordern die Wirtschaftsweisen denn nun eigentlich? (Den Bericht kann man hier abrufen, die Analyse der Tagesschau erreicht man hier.) Die Stammtische jubilieren ja über die „Vernunft“ angesichts des demographischen Wandels das Eintrittsalter für die Rente zu erhöhen weil – und das ist wirklich das Argument! – „Wir alle länger arbeiten müssen wenn wir älter werden.“

Das klingt logisch. Nur – es ist eine Lüge. Real erhöht sich das Renteneintrittsalter kaum, noch immer gehen die Deutschen im Schnitt mit 62,1 Jahren in Rente. Das ist weltweit nur mäßig anders. Lediglich in Japan liegt das reale Eintrittsalter weit über dem gesetzlichen – und in der Schweitz ein wenig. Ansonsten bewirkt eine Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters in Wahrheit nur eine Kürzung der realen Renten.

Seit Jahren versuchen die Denkfabriken der Neokonservativen den Menschen einzureden daß das Rentensystem am Ende sei. Mittlerweile ist das regelrecht Konsens, das gehört zu den Dingen die „man halt weiß“. Es stimmt aber nicht. So hat Albrecht Müller schon 2005 sehr schön über den Denkfehler und 2009 über die Manipulation berichtet die so allumfassend ist daß die Infragestellung schon als Verschwörungstheorie gelten kann. So wird die Demographielüge kurzerhand abgetan und weiter blind ins Horn der aussterbenden Deutschen gestoßen.

Es täte der Regierung gut, die Vorreiterrolle Deutschlands auch mal  etwas mutiger in anderen Bereichen zu forcieren und sich zu überlegen, ob diese zig Berater von Ifo über INSM bis hin zu Bertelsmann nicht in Wahrheit Wirtschaftswaisen sind…

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