Von der Medienberichterstattung – und der Realität

Im journalistischen Alltag unserer Republik ist ein gewisser Hype um ein Faktum stets eine Begleiterscheinung, die man nicht vermeiden kann. Ich habe ja schon davon berichtet, wie seltsam die Berichterstattung rund um die Wahl in Schleswig-Holstein ist. Nun machen wir mal noch Nordrhein-Westfalen.

In Schleswig-Holstein wurde die FDP mit der Botschaft, das annähernd beste Ergebnis ihrer Geschichte dort abgeliefert zu haben, begrüßt. Das war gelogen und ist in der Medienberichterstattung seinerzeit auch völlig untergegangen. Die FDP hatte in Wahrheit die Hälfte ihrter Wähler verloren, lediglich die Tatsache, daß kaum noch einer zur Wahl gegangen war hatte dafür gesorgt, daß die Partei über die 5%-Hürde gerutscht ist; Ein weiteres Indiz dafür, daß hohe Wahlbeteiligungen am ehesten radikale Parteien aus den Parlamenten halten.

Alle Zahlen zu Schleswig-Holstein können Sie hier finden.

Nordrhein-Westfalen
Interessanter ist nun der Vorgang in NRW. Die SPD hat dort einen sehr personenzentrierten, aber auch teilweise recht peinlichen Wahlkampf erfolgreich geführt.

Hier ist es ein wenig anders.
Die SPD hat real 309.627 Erststimmen und 374.342 Zweitstimmen hinzugewonnen. Bei einer leicht gestiegenen Wahlbeteiligung (nur noch 59,6% gingen überhaupt hin!) führte das zu einer Anteilssteigerung um 3,8% auf 42,3% bei den Erststimmen und um 4,6% auf 39,1 bei den Zweitstimmen.
Die CDU verliert 437.775 Erst- und 631.067 Zweitstimmen. Das sind Verluste von 5,8% bzw. 8,3% und diese trugen maßgeblich zum Sturz von Röttgen bei, der Angela Merkel vermutlich gar nicht so ungelegen kam.
Die FDP schließlich gewannt bei dieser Wahl real Stimmen hinzu: 8.798 Erststimmen und 147.742 Zweitstimmen (!). Der Anteil liegt damit bei den Zweitstimmen bei 8,6%. Ob das der Lindner-Effekt war oder ein Bonus durch abgewanderte, frustrierte CDU-Wähler, sei mal dahingestellt.

Blickt man in die Wahlergebnisse seit dem zweiten Weltkrieg, so liegt das Ergebnis der FDP im oberen Mittelfeld.

Diese Datei und die Informationen unter dem roten Trennstrich werden aus dem zentralen Medienarchiv Wikimedia Commons eingebunden.

Diese Dateiwird aus dem zentralen Medienarchiv Wikimedia Commons eingebunden.

Im Gegensatz zur Berichterstattung rund um Schleswig-Holstein (siehe unten nochmal) ist also hier tatsächlich eine Steigerung des FDP-Ergebnisses festzustellen.

Das beste realitive Ergebnis haben übrigens die Piraten zu verzeichnen: 547.122 Erststimmen und 487.911 Zweitstimmen haben sie dazugewonnen. Das entspricht einem Anteil von +7% bzw. +6,2%. Verloren haben hingegen vor allem die Linkspartei und nicht so kräftig die Grünen.

All das lässt sich natürlich anhand der Prozente ausdrücken, aber die realen Stimmenzuwächse und -verluste sind es doch, die eigentlich interessant sind. Zudem fehlt auch hier in der Medienberichterstattung komplett der Hinweis darauf, daß die Mehrheit von Rot-Grün zwar durch 50,4% der Wähler, aber nur durch 29,66% aller Wahlberechtigten erreicht wurde. Wenn nicht einmal 30% aller Wahlberechtigten eine Regierung wählen – kann man dann eigentlich wirklich von Demokratie (Mehrheit beherrscht Minderheit) sprechen?

Ich habe oftmals den Eindruck, daß die Parteien im Anschluß an die Wahlanalyse hauptsächlich die Frage stellen, wie man den eigenen Anteil in der Wählerschaft erhöhen kann; egal wieviel kleiner diese Wählerschaft wird. Nur ist es halt nicht mehr sonderlich demokratisch, wenn halt nur noch 20.000 Wähler hingehen und 13 Millionen daheim bleiben. Zumindest solange nicht, solange die Politik die Nichtwähler aus dem Wahlergebnis einfach herausrechnet. Würde man die Zahl der Sitze einfach der Wahlbeteiligung anpassen – bei 60% Wahlbeteiligung gibt’s einfach auch nur noch 60% der Sitze zu verteilen – wären die Mehrheitsverhältnisse gleich, aber die sinkende Wahlbeteiligung würde auffälliger werden und die Politik zum handeln zwingen.

 

Zum Vergleich eine kleine Wiederholung aus meinem oben zitierten Schleswig-Holstein-Artikel:

In Schleswig-Holstein schafft die FDP den Einzug ins Landesparlament, sogar mit dem zweitbesten Ergebnis ihrer Geschichte. Das ist wohl auch nicht verwunderlich, wie Wolfram Müller schreibt, aber man sollte das Ergebnis auch nicht so hoch hängen. Kubicki bläst schon wirklich lange gegen die FDP-Bundesspitze und wird in Medien immer gern als “FDP-Rebell” (Ob bei Spiegel Online, Welt oder Bild) beschrieben, was dem Wähler natürlich gefällt. Ich glaube, daß die Menschen in S.-H. da eher Kucicki als FDP gewählt haben. Auch wenn die Medien wieder kräftig anschieben (Sogar der Deutschlandfunk!) würde ich mal vorsichtig abwarten, ob die Wahl in NRW davon ernsthaft beeinflußt wird.
Mehr Sorgen macht mir – neben dem schwachen Wahlergebnis für SPD und Linkspartei – die mieserable Wahlbeteiligung. Nur 60,1% gingen überhaupt noch zur Wahl. Die SPD konnte immerhin 1.300 Erststimmen mehr als 2009 verbuchen, die CDU verlor praktisch 100.000 Erst- und noch einmal soviele Zweitstimmen. Hier hat die SPD knapp 4.000 Stimmen mehr zu verzeichnen. Die geringe Wahlbeteiligung dürfte Hauptverursacher sein, daß die FDP trotz eines Verlustes von 101.600 Zweitstimmen (!) ihr “Zweitbestes Ergebnis der Geschichte” verzeichnen darf. In Wahrheit hat sie die Hälfte ihrer Wähler verloren.
Blickt man in die realen Zahlen (Alle der Veröffentlichung des Statistikamtes Nord zu entnehmen) so stellt man anhand des Zweitstimmenergebnisses fest, daß die einzigen Parteien, die Stimmen hinzugewonnen haben, die SPD (+3.860) und die Piraten (+79.903) sind. Alle anderen haben Stimmenverluste zu verzeichnen. Das spricht Bände über unser Wahlsystem – und Bände über unsere Politiker, die sich am Wahlabend so ziemlich alle auf die Schultern klopften. Über die Journaille, die das ebenfalls geflissentlich übersieht, sollte man lieber kein Wort verlieren.

Also doch…. das Wahlrecht ist ungültig.

Die Linkspartei hat es kaum überrascht, SPD und Grüne sowie der „Verein für mehr Demokratie e.V“ jubeln: Wie mich grad die Eilmeldung der Sueddeutschen in Kenntnis setzt, hat das Bundesverfassungsgericht das von Schwarz-Gelb in panischer Eile gegossene Wahlgesetz wieder kassiert. Nun wird es spannend, weil eigentlich ist nächstes jahr im September Bundestagswahl….

Worum geht es eigentlich? 2008 hat das Bundesverfassungsgericht das bisherige Wahlrecht kassiert wegen der sogenannten „negativen Stimmgewichtung“. Das funktioniert so: Wegen der Mischung aus Personen- und Verhältniswahlrecht kann es passieren, daß eine Partei mehr Sitze erhält, als ihr von den Stimmen her zustünden. Wenn eine Partei mehr direkt gewählte Abgeordnete erhält als Listenabgeordnete durch Zweitstimmen, gibt es Überhangmandate. Dank der Aufsplittung in Landeslisten ist das nun sogar wahrscheinlicher. Denn nun kann auch folgendes passieren:

Eine Partei erhält genauso viele Stimmen wie eine andere, aber mit unterschiedlicher Gewichtung in den einzelnen Ländern. Gewinnt nun diese Partei, sagen wir, 100 Sitze im Bundestag, so werden diese zuerst mit den Direktmandaten besetzt, anschließend auf den jeweiligen landeslisten aufgefüllt. Sagen wir, der Partei ist es gelungen, in jedem der 16 Bundesländer 5 Direktmandate zu erringen (was 80 Sitze ausmacht), die übrigen Sitze werden entsprechend der Anteile an Zweitstimmen nun durch die Landeslisten aufgefüllt. Jetzt kommt aber der Clou: Wenn die Partei weniger Zweitstimmen erhalten hätte, so daß, sagen wir im Bundesland Bayern nur 4 Sitze auf der Landesliste zusammengekommen wären, aber die Gesamtzahl der Stimmen nicht einen (oder mehrere Sitze) gekostet hätte, wären es immer noch 100 Sitze und die Partei bekäme einen zusätzlichen Sitz auf einer anderen Landesliste. Sind aber 5 Direktmandate in Bayern auch durch, so entsteht hier ein Überhangmandat, weil direkt gewählte Abgeordnete immer in den Bundestag einziehen dürfen. Das bedeutet, daß weniger Zweitstimmen in Bayern einen zusätzlichen Sitz einbringen würden – und das nennt man „negatives Stimmgewicht“.
(Schön erklärt am Beispiel der SPD Bremen hat Martin Fehndrich das in Spektrum der Wissenschaft)

Das neue Urteil nun fordert den Bundestag auf, binnen eigentlich eines halben Jahres, besser noch etwas fixer, ein neues Wahlrecht auf die Beine zu stellen. Etwas fixer deswegen, weil es ein wenig kompliziert sein dürfte für die Parteien, ohne eine gültiges Verfahren ihre Kandidatenlisten und dergleichen aufzustellen – das geschieht mittlerweile mit gut einem Jahr Vorlauf. Ein Wahlkampf muß ja vorbereitet sein und wer eigentlich wo kandidiert muß auch legitim und demokratisch bestimmt werden.

Die Opposition freut sich, denn die Regierung braucht ihre Stimmen für die Änderung – das Wahlgesetz zu ändern erfordert in beiden Häusern eine 2/3-Mehrheit. Und da wird es nun spannend, was soll denn gemacht werden?

Ideen und Umsetzung
Bei etwa 600 Sitzen gibt es folgendes Problem: Wenn eine Partei 1/3 oder weniger Zweitstimmen kassiert ( also ca. 200 Sitze), aber mehr als 2/3 der Direktmandate (also 400 Sitze), was soll man da dann machen?

  1. Man wirft direkt gewählte Abgeordnete nach dem Losverfahren raus, weil die Zweitstimmen bei 600 Sitzen nur 200 erlauben. Voila, das Zweitstimmenverhältnis passt.
  2. Man lässt die gewählten Vertreter ins Parlament und lebtmit der Verschiebung der Prozente. So geht das im Augenblick, und das hat das BVG bereits kassiert…
  3. Man schafft Ausgleichsmandate und erhöht die Zahl der Sitze bis das Zweitstimmenverhältnis stimmt. Je mehr kleine Parteien ins Parlament kommen, desto wahrscheinlicher ist die Erhöhung der Mandate. Das Ergebnis sind die berühmten „Klappstuhlparlamentarier“, wie es sie mal in der Linksfraktion gegeben hat. Nebenbei vergrößert sich so das Parlament von derzeit knapp 600 auf eine ziemlich unüberschaubare (und zu bezahlende) Menge von Abgeordneten.
  4. Die letzte Idee wäre, man trennt Direktmandate und Listenplätze. Erststimme = 300 Direktkandidaten, Zweitstimme gleich 300 Listenplätze. Mehr als 600 Abgeordnete würde es so nicht geben. Aber: Das bevorzugt Parteien mit vielen Direktkandidaten (bei der letzten Wahl hätte es CDU/CSU und SPD in Relation zum Wahlergebnis bevorzugt, da sie grundsätzlich viel mehr Direktkandidaten durchbringen als die kleineren Parteien). Jede Partei, die weniger als 50% der Mandate über Direktmandate errungen hat verliert. Interessant ist das Problem Bayern, da die CSU nicht bundesweit, die CDU nicht in Bayern kandidiert und sich von daher bei der Verrechnung der Zweitstimmen plötzlich nicht mehr nützen, sondern gegenseitig schaden würden.
    Allerdings machen da die kleineren Parteien nicht mit: Die Linke hatte 16 Direktkandidaten von 76 Abgeordneten. Die Grünen haben nur einen einzigen Direktkandidaten durchgebracht, die FDP keinen einzigen. Diese Parteien hätten bei halbierten Listenplätzen effektiv nur noch die Hälfte der Abgeordneten.

Das Trennen von Listen- und Direktmandaten hat allerdings auch den Nachteil, daß sich das Zweitstimmenergebnis, also das der Verhältniswahl, nicht mehr vollständig im Parlament widerspiegelt, was gerade die Verfassungrichter noch einmal betont verlangt haben. in der gesamten Bundesrepublik gibt es 299 Wahlkreise für den Bundestag, die Kreise 213-257 (Also 45 Stück) liegen in Bayern. Nun würden also 45 bayerische Abgeordnete gestellt werden, schon stellt sich die Frage: sind das nun 22 direkte und 23 Listenkanditaten oder wie? Nächste Frage: Wenn die CSU hier alle Direktkandidaten holt (was realistisch ist), SPD und Grüne aber im Verhältnis drei Listenabgeordnete stellen – schont oder nützt die CSU dann der gemeinschaftlichen Fraktion mit der CDU? Ist die dann überhaupt zu halten?

Die Änderung des Wahlrechts wird – und das ist gewiß – wenn sie endlich verfassungskonform ist auch eine Menge Änderung in den politischen Verhältnissen im Land bedeuten. Aber das will ja nun kein Politiker, oder?

Fundstück der Woche (29. KW): Wie man die Demokratie in 57 Sekunden aushebelt

Ist manchmal unglaublich, wie ich schon in meinem Artikel erwähnt habe. Hier nochmal der Video-Mitschnitt:

Kein Ruhmesblatt für die Parlamentarier – egal welche Fraktion.

Wahlsonntag

Nordrhein-Westphalen hat gewählt, und die Ergebnisse machen nicht nur Mut. Natürlich ist es schön, daß Rot-Grün gewonnen hat, aber das FdP-Ergebnis erschreckt dann doch. Die mieserable Wahlbeteiligung hat meiner Einschätzung nach wohl wieder hauptsächlich den Marktradikalen genutzt.

Ähnlich wie bereits in Schleswig-Holstein werde ich auch hier die absoluten Wählerzahlen wieder vergleichen um deutlich zu machen, wie es sich denn wirklich entwickelt hat. Derzeit liegen noch keine Zahlen vor, was wegen der größeren Zahl der auszuzählenden Stimmen auch noch eine Weile dauern wird.

Daher bitte ich SIe, werte Leser, um ein wenig Geduld – ich bin mal gespannt ob die massive Medienkampagne der FdP wirklich so viel geholfen hat, wie Albrecht Müller der Nachdenkseiten sicher mutmaßen wird.

Neben dem Sieg von Rot-Grün freut mich auch das Ergebnis der Piraten – nach und nach werden sich die Piraten so etablieren können und tatsächlich frischen Wind in die Politik bringen. Die Niederlage der Linkspartei hingegen stimmt ein wenig nachdenklich – könnte das tatsächlich durch den Versuch der Medien, die Partei totzuschweigen, erzeugt worden sein? Wenn ja sollte man über die Medien deutlich noch mehr nachdenken…

Wahlsonntag

Gleich drei recht bedeutende Wahlen hat der heutige Sonntag gesehen. Ich möchte auf alle drei kurz eingehen, allerdings speziell auf die Nachdenkseiten verweisen, die sich diesen Themen deutlich intensiver annehmen werden. Alle drei Wahlen senden Signale aus – und nicht nur gute.

1. Frankreich: Die Wahl des François Hollande
Frankreich hat gewählt und mit einer knappen Mehrheit konnte erstmals seit siebzehn Jahren wieder ein Sozialist in den Élysée-Palast einziehen. Sarkozy hatte letztendlich zwar eine Wechselstimmung gegen sich, aber dennoch war das Ergebnis (48,38% <-> 51,62%) denkbar knapp. Die Beteiligung lag mit etwas mehr als 80% der Stimmen auch recht hoch, wenngleich niedriger als 2007 (knapp 84%) als Sarkozy sich gegen Ségolène Royal durchsetzte.
Bereits kurz nachdem das Ergebnis einigermaßen feststand tat sich der „Spiegel“ recht interessant mit einem Kommentar hervor, der letztendlich besagt daß die Sozialisten und ihr Präsident mit den Träumereien nun aufhören müssen. Nun sei wieder Realität angesagt und das im Artikel nicht benutzte Wort „alternativlos“ schwebt trotzdem irgendwie darüber. Tatsächlich ist Frankreich in einer recht schwierigen Lage aber die Losung „weniger Staat – Mehr Eigenverantwortung“ wird kaum einen Jugendlichen aus dem Pariser Ghetto in Lohn und Brot bringen, zumindest, wenn das „deutsche Modell“ Modell stehen soll
Im Gegenteil: Mit Hilfe des Leiharbeitstricks, der Fälschung der Statistik durch sinnlose Fortbildungsmaßnahmen und durch konsequentes Verschweigen der Aufstocker gelingt es der politischen Kaste nach wie vor recht erfolgreich, mit der Losung „Sozial ist, was Arbeit schafft“ Stimmen derer zu fangen, die nicht merken daß wir in Wahrheit zwischen 7 und 8 Millionen Menschen im Land haben, die von Staat unterstützt werden müssen. Arm trotz Arbeit ist längst das eigentlich Problem der „alternativlosen“ Politik. Auch wenn der Spiegel schon wieder Panik verspürt daß die Franzosen diesen Weg nicht gehen wollen – ich wünsche es ihnen von ganzem Herzen.
Nachtrag: Passend der Kommentar in der Sueddeutschen: „Adieu Wahlkampf – Bonjour Realität

2. Griechenland: Schlappe für die Demokratie
Die Griechen sind ja besonders für den deutschen Boulevard, aber auch für die deutschen Politiker insbesondere der Stammtisch-Fraktionen die Prügelknaben der Wahl. Faul, arbeitslos, sinnlos, nach allgemeiner Ansicht leben Griechen als Schmarotzer eine nicht zweckgebundene Daseinsform und entsprechend werden sie auch behandelt. Ihre eigenen Politiker huschen geduckt im europäischen Haus herum und hoffen, durch den Kotau an der rechten Stelle weitere Hilfen erhalten zu können. Die Quittung haben sie nun kassiert.
Sieger sind die Radikalen Linken mit 16,77% (+12,17%) und die „Unabhängigen Griechen“ mit 10,6% (+10,6%), die als rechtspopulistische gelten. Die Sozialdemokraten verloren über 30%, die Konservativen bleiben stärkste Kraft mit knapp 19%. Bedenklich ist, daß die griechischen Neonazis mit fast 7% ins Parlament eingezogen sind und künftig wohl 21 Mandate erhalten. Wenigstens blieben die Orthodoxen Spinner Volksalarmisten diesmal draußen.
Die nächste Schlappe ist die niedrige Wahlbeteiligung: nur knapp 65% der Wahlberechtigten (in Griechenland sogar Wahlpflichtigen!)  kamen zu den Urnen, ein weiterer Grund dafür, daß es den Radikalen leichter fiel, ins Parlament zu rutschen. Eine Besonderheit am Griechischen Parlamentarismus, nämlich daß die stärkste Fraktion automatisch 50 Sitze mehr erhält sorgt allerdings dafür, daß die Krisenmitverursacher der DN nun mit 108 von 300 Sitzen eine recht große und stabile Fraktion darstellen.
Die „Märkte“ reagierten gleich wieder mit Panik, weil die Bevölkerungen sowohl in Frankreich als auch in Griechenland den unendlichen Sparkurs mitzutragen nicht bereit sind. Dazu hat der Deutschlandfunk ein recht hörenswertes Interview mit dem Präsidenten des Europaparlamentes, dem Sozialdemokraten Martin Schulz, geführt.

3. Schleswig-Holstein: Stell Dir vor es ist Wahl und keiner geht hin.
In Schleswig-Holstein schafft die FDP den Einzug ins Landesparlament, sogar mit dem zweitbesten Ergebnis ihrer Geschichte. Das ist wohl auch nicht verwunderlich, wie Wolfram Müller schreibt, aber man sollte das Ergebnis auch nicht so hoch hängen. Kubicki bläst schon wirklich lange gegen die FDP-Bundesspitze und wird in Medien immer gern als „FDP-Rebell“ (Ob bei Spiegel Online, Welt oder Bild) beschrieben, was dem Wähler natürlich gefällt. Ich glaube, daß die Menschen in S.-H. da eher Kucicki als FDP gewählt haben. Auch wenn die Medien wieder kräftig anschieben (Sogar der Deutschlandfunk!) würde ich mal vorsichtig abwarten, ob die Wahl in NRW davon ernsthaft beeinflußt wird.
Mehr Sorgen macht mir – neben dem schwachen Wahlergebnis für SPD und Linkspartei – die mieserable Wahlbeteiligung. Nur 60,1% gingen überhaupt noch zur Wahl. Die SPD konnte immerhin 1.300 Erststimmen mehr als 2009 verbuchen, die CDU verlor praktisch 100.000 Erst- und noch einmal soviele Zweitstimmen. Hier hat die SPD knapp 4.000 Stimmen mehr zu verzeichnen. Die geringe Wahlbeteiligung dürfte Hauptverursacher sein, daß die FDP trotz eines Verlustes von 101.600 Zweitstimmen (!) ihr „Zweitbestes Ergebnis der Geschichte“ verzeichnen darf. In Wahrheit hat sie die Hälfte ihrer Wähler verloren.
Blickt man in die realen Zahlen (Alle der Veröffentlichung des Statistikamtes Nord zu entnehmen) so stellt man anhand des Zweitstimmenergebnisses fest, daß die einzigen Parteien, die Stimmen hinzugewonnen haben, die SPD (+3.860) und die Piraten (+79.903) sind. Alle anderen haben Stimmenverluste zu verzeichnen. Das spricht Bände über unser Wahlsystem – und Bände über unsere Politiker, die sich am Wahlabend so ziemlich alle auf die Schultern klopften.

Über die Journaille, die das ebenfalls geflissentlich übersieht, sollte man lieber kein Wort verlieren.

Mövenpick? Da gibt's doch auch etwas von Ratiopharm…

Gar heftig ist die FdP seinerzeit für die umstrittene Steuerverkomplizierung für Hotels kritisiert worden – nach einer Spende in Millionenhöhe sowohl für FdP als auch für CSU hatten diese Parteien als eine der ersten Amtshandlungen den edlen Spendern eine exklusive Steuererleichterung gewährt, wenn auch ziemlich unprofessionell, da nun das Frühstück, die Übernachtung und die Brez’n unterschiedlich versteuert werden müssen.

Natürlich ist der Vorwurf, die FdP sei käuflich, ungerecht. FdP kann man höchstens mieten. Moral oder gar Anstand gibt es in christlichen Parteien auch nur selten, wie ich schon öfter bemerkt habe. Allerdings begeistert die CDU doch gleich wieder mit einem neuen Vorhaben: Die Pharmaindustrie soll künftig sogar gesetzlich garantiert die ausgehandelten Preise für Medikamente geheimhalten dürfen. Warum denn das?

Zunächst einmal zur Erklärung: Ihre Krankenkasse übernimmt ja nicht jede Behandlung und jedes Medikament, sie zahlt auf eine bestimmte Auswahl Beiträge oder übernimmt hin und wieder auch die Gesamtkosten. Auch das nicht so einfach, unser System ist hier im Versuch, irgendwie einen Ausgleich zwischen Ärzteschaft, Pharmaindustrie, Krankenkassenvorständen und (vielleicht) den Patienten zu schaffen, ein wenig kompliziert und intransparent geworden. Pharmaindustrie und Krankenkassen verhandeln nun regelmäßig über die Preise von Medikamenten (und wieviel Prozent die Patienten selbst zuzahlen müssen). Das Ministerium überwacht das Ganze. Patienten spielen im Übrigen nicht mit.

Nun aber befürchtet die Pharmaindustrie, daß die Gewinne schmaler werden – und zwar beim Außenhandel. Die Verhandlungen mit den umliegenden EU – Staaten, was die Medikamentenpreise angeht, werden nämlich unter anderem auch auf der Basis deutscher Preise gestaltet. Wie die Sueddeutsche schreibt, aber auch andere, will die CDU nun mit Hilfe eines zu seltsamen Zeiten durchgewunkenen Gesetzentwurfs künftig die Preise geheim halten, dafür versprechen die Pharmakonzerne größere Rabattspielräume. Wohl gemerkt: Spielräume, nicht Rabatte. Klingt nach einem Handel, „Gibst Du mir so geb ich Dir“ aber könnte da nicht die erste Konsequenz gesehen werden, daß Mappus einen neuen Job hat?

Wie man es dreht und wendet – es ist eine marktfeindliche Entscheidung – von einer Marktwirtschaftlichen Partei. Das gibt zu denken. Nicht, daß es nur an Anstand mangelt, jetzt begibt man sich auf die Pfade des Monopolismus…

Die Lüge vom leeren Parlament

Nur wenigen Bürgern ist es ja vergönnt, einmal eine politische Bildungsfahrt in die Hauptstadt zu unternehmen. Gut – nicht jeden Bürger würde das interessieren. Manche aber schon. Und das könnte helfen mit ein paar wirklich unfairen Lügen aufzuräumen, mit deren Hilfe besonders die Medien seit je her versuchen, das demokratische System zu beschädigen.

Ein Beispiel dafür ist das leere Parlament. Nichts zeigen Fernsehsender, Zeitungen oder Online-Medien lieber als ein praktisch unbesetztes Parlament vor dem einer eine Rede hält. Die Botschaft, die übermittelt werden soll ist aber nicht, daß die Arbeit offenbar intransparent in Ausschüssen erledigt wird, die Botschaft lautet „Abgeordnete sind faul“. Das stimmt aber nicht sondern ist eine Lüge, die Mißtrauen und Wut gegen das System schürt und dabei ganz klammheimlich davon ablenkt, welches Problem eigentlich dahinter steckt: absichtsvolle Überlastung.

Die Masse an Beschlüssen die gefasst werden, müssen eigentlich debattiert werden. Das ist aber oftmals nicht zu schaffen daß sämtliche Fraktionen zu jedem einzelnen Gesetz in acht Reden Stellung nehmen, aufeinander eingehen. Die Zeit ist gar nicht da – auch deswegen weil die Abgeordneten neben ihrer Tätigkeit im Bundestag ja auch noch eine Menge Termine wahrnehmen müssen (Ich meine jetzt nicht Nebeneinkünfte, ich beziehe mich auf die „Öffentlichkeitsarbeit“: Ein Abgeordneter, der nie in der Lokalzeitung beim Spatenstich mit dem Bürgermeister abgelichtet wird sondern in Berlin arbeitet wird nicht wiedergewählt weil ihn keiner kennt.)
Zentral werden die politischen Verhandlungen in Ausschüssen erledigt – das ist auch der Grund warum das Parlament so leer ist. Allerdings – und das ist eine gewichtige Sache – finden diese Sitzungen unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Das wiederum führt dazu, daß man als Otto-Normalbürger nicht einmal nachlesen kann, was da eigentlich gelaufen ist. Und das ist intransparent – und widerspricht auch dem Prinzip, daß der Bundestag öffentlich debattieren muß.

Ein anderes, ebenfalls intransparentes Prinzip ist die Aktenlegung von Reden. Man nennt das „Die Rede zu Protokoll geben“, also der Redetext wird einfach beim Bundestagspräsidium eingereicht, die Rede selbst aber nicht gehalten. Technisch gesehen findet man diese Texte dann in den Protokollen des Bundestages wieder. Diese sind frei verfügbar – aber welcher Bürger hat denn die Zeit, sich durch 20.000 Seiten Text zu wühlen um nachzulesen, welche Rede sein Abgeordneter eben nicht gehalten hat? Die lobenswerte Einrichtung des Parlamentsfernsehens, das es dem Bürger ermöglicht bei Debatten zuzusehen wird auf diese Art und Weise ad absurdum geführt.

Das Prinzip ermöglicht zwar letzten Endes, daß das Parlament eine größere Menge an Arbeit erledigt – am 2.7. 2009 hat der Bundestag (Hier gibts das Protokoll dazu) 43 Tagesordnungspunkte in 35 Minuten abgehandelt.  Das sind – ohne Witz jetzt – 48,8 Sekunden pro Tagesordnungspunkt. 48 Sekunden Debatte pro Thema. Transparenz ist was anderes.

Also, liebe Medien: Hört mit der Lügerei auf – und berichtet stattdessen über diesen Sachverhalt. Ihr braucht auch keine Angst haben, daß plötzlich alle Bürger das Echte nachlesen und auf Euch als Vermittler verzichten – die Erfindung der Agnostiker hat die Kirchen ja auch nicht abgeschafft.