Aus der Reihe Kopfkino…

Aus der Reihe „Dinge, die ich nicht wissen will, weil mein Kopfkino dafür viel zu aktiv ist“ möchte ich heute folgendes vorstellen: Vorwurf der sekuellen Belästigung an Rainer Brüderle. (Abgesehen davon hat die SZ es in bemerkenswert dämlicher Weise geschafft, Sexismus und sexuelle Belästigung durcheinander zu schmeißen. Deppen. Sueddeutsche halt, oder?)

Was mich ein bißchen erstaunt ist die Dummheit der Sueddeutschen, was diese Begrifflichkeiten angeht. Sexismus ist in aller Regel die Annahme eines Vorurteils aufgrund von Geschlecht, also daß Frauen gute Sekretärinnen, aber schlechte Polizistinnen sind, zum Beispiel. Typischer Unsinn, der aus konservativen Kreisen kommt, nicht selten aus der religiösen Ecke.

Sexuelle Belästigung ist jener Vorwurf, den die Stern-Autorin da erhebt – und der nicht ohne ist. Einer Frau ein Kompliment zu machen (oder einem Mann) dürfte nicht darunter fallen. Ungefragt jemanden, der das nicht will, zu küssen oder (etwas intimer) zu berühren, schon. Das ist eine etwas schwammige Sache, aber eine Journalistin ziemlich blöd (so die Geschichte so stimmt) derart anzumachen, könnte unter die entsprechenden Paragraphen fallen.

Was ich viel spannender finde ist der zufällige Zufall, daß diese Geschichte im Bertelsmann-Blatt Stern (der ja der CDU sehr nahe steht – also der Verlag, der Stern nicht zwingend aber auch da wird es Abhängigkeiten geben…) just ein paar Tage nach der Wahl in Niedersachsen erscheint. War das nun Rache für den Stimmenverlust der CDU oder kluges Schweigen vor der Wahl für den Koalitionspartner? Hm…. Verschwörungstheoretiker, melden Sie sich bitte.

Fundstück der Woche (52. KW): Loriot, Advent

Loriot – Advent

Es blaut die Nacht, die Sternlein blinken,
Schneeflöcklein leis herniedersinken.
Auf Edeltännleins grünem Wipfel
häuft sich ein kleiner weißer Zipfel.
Und dort, von ferne her durchbricht
den dunklen Tann ein helles Licht.

Im Forsthaus kniet bei Kerzenschimmer
die Försterin im Herrenzimmer.
In dieser wunderschönen Nacht
hat sie den Förster umgebracht.
Er war ihr bei des Heimes Pflege
seit langer Zeit schon sehr im Wege.
So kam sie mit sich überein:
Am Niklasabend muss es sein.

Und als das Häslein ging zur Ruh,
das Rehlein tat die Augen zu,
erlegte sie direkt von vorn
den Gatten über Kimm und Korn.
Vom Knall geweckt rümpft nur der Hase
zwei- drei- viermal die Schnuppernase
und ruhet weiter süß im Dunkeln,
derweil die Sterne traulich funkeln.

Und in der Guten Stube drinnen,
da läuft des Försters Blut von hinnen.

Nun muß die Försterin sich eilen
den Gatten sauber zu zerteilen.
Schnell hat sie ihn bis auf die Knochen
nach Weidmanns Sitte aufgebrochen.
Voll Sorgfalt legt sie Glied auf Glied,
was der Gemahl bisher vermied.
Behält ein Teil Filet zurück
als festtägliches Bratenstück.
Und packt sodann, es geht auf Vier –
die Reste in Geschenkpapier.

Von Ferne tönt´s wie Silberschellen,
im Dorfe hört man Hunde bellen.
Wer ist’s, der in so tiefer Nacht
so spät noch seine Runde macht?
Knecht Ruprecht kommt auf goldnem Schlitten
mit einem Hirsch herangeritten.
Sagt, gute Frau, habt Ihr noch Sachen,
die armen Menschen Freude machen?

Die sechs Pakete, heil’ger Mann,
s‘ ist alles, was ich geben kann.
Knecht Ruprecht macht sich auf die Reise,
die Silberschellen klingen leise,
im Försterhaus die Kerze brennt,
die Glocke klingt, es ist Advent.

Zombie, Zombie, Zombie

Jenseits des politischen Alltags ist auch unsere Kultur etwas, das gefühlt sich einem Verfall nähert, den man zwar nicht wirklich messen kann, auch wenn Versuche unternommen werden (Sprachverfall, Kulturpessimismus, sterbende Museen und Konzerthäuser), aber den wir mit unseren Vorfahren teilen, die ebenfalls davon überzeugt waren, den Glanz der alten Zeiten nicht mehr erreichen zu können.

Zum Verfall maßgeblich beitragen soll wohl vor allem der Film, eine ziemlich blödsinnige Behauptung, auch wenn die durch den Film transportierten Behauptungen manchmal eine ordentliche Durchschlagskraft entfalten. Ein schönes Beispiel ist die 2012-Panik, die sich immer wieder auszubreiten droht und der nicht nur Esoteriker, sondern auch andere, eher normal gepolte Menschen anheim fallen oder entsprechende Behauptungen ungeprüft wiedergeben, allen Gegenargumenten zum Trotz.

Derzeit grassiert eine gewisse Welle von Zombie-Filmen durch Film, Funk und Fernsehen und auch die Zombie-Bücher werden irgendwie drastischer. Bevor ich darauf eingehe muß ich allerdings eines zugeben: Ich mag Zombiefilme. Ich mag die eigentlich immer gleiche Geschichte, die erzählt wird und schätze auch die Konsum- und Kulturkritischen Aspekte eines gut gemachten Streifens. Ebenso sind manche Zombiefilme wirklich brillant inszeniert und warten seit einiger Zeit auch mit ziemlichen Hollywood-Größen auf, die beispielsweise Will Smith, der mit „I am Legend“ bereits die vierte Verfilmung des Stoffes ziemlich gelungen umsetzte. Allerdings ist die Sache mit der Hollywood-Größe nicht unbedingt etwas seltenes, ganz besonders bei diesem Stoff: In „The Last Man on Earth“ von 1964 spielte die Hauptrolle immerhin Vincent Price, den manche vielleicht aus Edward mit den Scherenhänden kennen, die nächste Verfilmung, „Der Omega-Mann“ (1971) wurde mit Charlton Heston besetzt, auch nicht gerade irgendwer. Die unbekannteste Rollenbesetzung dürfte die zweite Verfilmung von 2007 sein, „I am Omega„, bei der Mark Dacascos die Hauptrolle spielte und der auch am weitesten von der Vorlage abweicht. Zu Dacascos habe ich ein zwiespältiges Verhältnis, weil ich die meisten seiner Filme ziemlich gern habe (unvergessen: Crying Freeman, die Serie zu the Crow und Pakt der Wölfe) und finde, der auch gut darin spielt, er aber zeitgleich letztlich immer dieselbe Rolle angeboten bekommt so daß man nie so recht weiß, ob er als Schauspieler eigentlich mehr kann. Ebenfalls im Jahr 2007 kam dann eben dazu die Verfilmung mit Will Smith.

Durch die wirklich phantastisch gemachte Serie „The Walking Dead“ ist das Thema nun endgültig wieder im Mainstream angekommen und wird, ähnlich wie die durch die Twilight-Bücher ausgelöste Vampir-Welle sich vermutlich noch ein oder zwei Jahre halten bevor das nächste kommt.

Zombie-Streifen gibt es in zweierlei Kategorien was die Machart angeht, und auch in zweierlei was die Story angeht. In jedem Fall handelt es sich meistens um ein Endzeitszenario bei dem ein nicht unerheblicher Teil der Menschheit, oder zumindest der lokale Teil der Menschheit drastisch dezimiert ist und die Überlebenden sich in einer Überlebenssituation wiederfinden, die sowohl verschiedene soziale Spannungen in der Gruppe, als auch verschiedene Entscheidungsmomente ethischer und moralischer Natur erzwingt. Beispielsweise muß die Grupppe manchmal einen Charakter opfern, um den Rest zu retten.

Letztendlich erzählt nahezu jeder Zombiestreifen mehr oder weniger diese Handlungselemente, manchmal mit unterschiedlichen Schwerpunkten.  Was ich vorhin mit den Kategorien meinte, ist schnell erklärt: Zombie-Filme waren immer Teil der Splatter-, manchmal auch der Gore-Filme und waren in der Regel nur für ein kleines Publikum gemacht. Die Schauspieler waren im besten Fall zweitklassig, das Drehbuch auch und die einzige echte Investition waren die Filmtricks, die allerdings zum Teil beeindruckend gut aussahen.
Der Großmeister dieser B-Movies ist und bleibt eindeutig George A. Romero, der mit den reinen Gore- und Terrorfilmen wie „Saw“ oder „Hostel“ nicht viel anfangen kann. In einem Interview mit der New York Times sagte er: “I don’t get the torture porn films, they’re lacking metaphor. For me the gore is always a slap in the face saying: ‘Wait a minute. Look at this other thing.’ ” (Quelle) (Übersetzung: „Ich verstehe die Folter-Porno-Filme nicht, die haben doch keine Metapher. Für mich ist Gore immer ein Schlag ins Gesicht, der sagt: ‚Warte mal ’n Moment. Schau auf diese andere Sache.‚“)
Eine ganz andere Sache sind die Zombiefilme, die mit großem technischen Aufwand A-Niveau zumindest in Produktion und Vermarktung erreichen und das Zombie-Thema damit in die Kinos kriegen, wo es sich auch tatsächlich massenhaft Leute ansehen. Die besten Beispiele für die Art sind „I am Legend“ mit Will Smith und „Dawn of the Dead„, das Remake von Zak Snyder, der einen Romero-Film noch einmal drehte.

Die Handlung ist in aller Regel vorhersehbar, aber von unterschiedlicher Qualität. Der Zombie-Vorfall ereignet sich entweder in Amerika oder aber in einer irgendwie recht abgelegenen Gegend, die Hauptpersonen bekommen nicht immer den Anlaß mit, wohl aber die Auswirkungen und finden sich schließlich zusammen um zu versuchen, als Gruppe zu überleben. Meistens verschanzen sie sich irgendwo und werden dann genüßlich einer nach dem anderen dezimiert. Für die Gruppe ist es immer wichtig, daß bestimmte Rollentypen besetzt sind; So gibt es einen starken Kämpfer, einen unsicheren Verlierer, der in der Überlebenssituation über sich hinauswächst, einen Verräter und einen, der schon gebissen ist, aber darüber aus Angst um sein Leben schweigt. Meistens sind noch eine oder einige hübsche Frauen dabei und die eine oder andere männliche Komponente, deren Hauptzweck aber mehr darin besteht im Verlauf der Handlung mehr oder weniger melodramatisch unterzugehen.

Was ich mit zwei Kategorien von Story meine ist, daß die einen Filme sich hauptsächlich um das Niedermetzeln von Zombies und/oder der Gruppenmitglieder drehen und im großen und Ganzen stinklangweilig sind. „House of the Dead“ wäre so ein Machwerk, bei dem zwar Jürgen Prochnow mitspielt, das aber ansonsten unterirdisch schlecht besetzt und gespielt ist. Gut, das ist ein Film von Uwe Boll, so what?

Die andere Kategorie von Story nutzt das Umfeld der Handlung zu einer Charakterstudie. Das Verhalten der Figuren, ihr Bezug zu grundsätzlichen gesellschaftlichen Werten und zueinander wird anhand der Überlebenssituation auf den Prüfstand gestellt und oftmals scheitert die Menschlichkeit am Überlebenswillen. Derartige Filme, wie es Dawn of the Dead zum Beispiel ist, benutzen den Splatter und Gore mehr um die Situation extremer darzustellen und so mögliche Handlungen zu erklären. Manchmal gehen diese Filme aber auch gründlich schief, wie der unterirdische „City of the Dead“ beweist: Eine eigentlich ziemlich nette Idee, statt der üblichen Figuren mal zwei Drogendealer-Gangs, Polizisten und einige „normale Leute“ in das Szenario zu bugsieren, geht dank der fürchterlichen Schauspieler und der noch schlechteren Regie völlig ein; Da macht es auch nichts mehr, daß die Autoren des Drehbuches sich auch einen anderen Beruf suchen sollten.

Das wiederum macht die Serie „The Walking Dead“ zu so etwas besonderem: Da das Serienformat viel eher erlaubt, Charaktere und Charakterentwicklungen darzustellen, können sich die Schauspieler auch wirklich Zeit für ihre Figuren nehmen, die dann auch entsprechend detailliert und gelungen rüberkommen. Vor dem Hintergrund der untergagangenen Welt werden hier die vermeintlich üblichen Dreicksbeziehungskisten und Freundschaftsgeschichten erzählt, bekommen aber durch die Bedrohung und die Neigungen der Figuren (auch hier mischen sich „normale“ Zivilisten mit Polizisten und Kriminellen) eine deutlich interessante Perspektive. Insbesondere die überaus ehrliche Neigung der Regisseure, mit ihren Figuren keinesfalls zimperlich umzugehen macht die Serie spannend wie kaum eine andere zuvor, weil im Gegensatz zum sonst so üblichen nie klar ist, ob und wenn ja welche Figuren am Ende der Folge noch leben.

Eine andere Art, aber Qualitativ wirklich verdammt gelungen ist der Film „Night of the Living Dead„, ebenfalls ein Romero. Hier schließt sich die Gruppe der Überlebenden in einem Farmhaus ein und letztendlich eskaliert die Auseinandersetzung innerhalb der Gruppe, daß am Ende nur eine einzige Figur überlebt. Doch als dieser schon die Rettung in Form der Bürgerwehr nahen sieht, wird er am Ende des Films von seinen Rettern erschossen. Lohn der Angst.

Zombie-Filme haben, wenn sie gut gemacht sind, auch gewisse Gesellschafts- und Konsumkritik in sich stecken, so ist der Schauplatz von „Dawn of the Dead“ ein Kaufhaus, zu dem sich die Zombies noch immer hingezogen fühlen und auch bei „28 Days later„, eine ziemlich gelungenen britischen Verfilmung, spielt der Besuch in einem Supermarkt eine zentrale Rolle; Es sind die glücklichsten Momente der Gruppe. In „Land of the Dead“ hat sich die Menschheit in einen ziemlich sicheren Turm zurückgezogen und dort die alte Hackordnung von bestimmenden Reichen und machtlosen Armen wiederaufleben lassen – was auch letztendlich in die Katastrophe führt.
Der Stoff von „I am Legend“ beinhaltet eine interessante Perspektive: Der Überlebende, Robert Neville ist im Grunde Legende, denn er ist ein Relikt einer alten Gesellschaft, die nach der Übernahme der Welt durch die Zombies (oder die Vampire im originalen Buch) überflüssig ist. Die Zukunft der Menschheit liegt eben im Zombie-Dasein und das Heilmittel, das Neville entwickelt, ist für diese Welt eine Bedrohung.

Bücher
Im Bereich Romane haben sich in den letzten Jahren einige neue Entwicklungen ergeben. Seit 2003 erscheinen mehr oder weniger regelmäßig neue Romane des Autors Brian Keene, der letztendlich verschriftlichte Splatterfilme schreibt, und das ziemlich drastisch. Auf Deutsch sind noch nicht alle erschienen, aber sie alle zeichnet eine ziemlich kompromißlose Sprache und eine sehr einfache Figurenzeichnung aus. Was sie dennoch lesenswert macht ist die Rückkehr zu den Traditionen der Zombie-Apokalypsen.

Die ersten Zombiestreifen gingen immer von einer Art religiösem Wiederauferstehen aus, mithin eine in fast jeder Zivilisation vorherrschende Angst, daß die Toten eines Tages zurückkehren, um sich an den Lebenden zu rächen. Manchmal wurde das mit Vodoo vermischt, manchmal wird es auch gar nicht erklärt. Nach und nach haben sich eher technische Ursachen als Erklärung für die Zombieseuche durchgesetzt, schiefgegangene Experimante des Militärs oder – seit Resident Evil sehr en vogue – skrupellose Firmen, die die Zombieseuche als Biowaffe entwickelt haben.

Keene nun lässt die Zombies auferstehen als Siqqusim, Dämonen die einen Körper benötigen um auf die Erde zurückzukehren. Sie wurden dereinst von Gott verbannt und wollen nun die Erde zurückerobern. Sie sind unsterblich – die Dämonenseele fährt einfach wieder zurück in die Hölle wenn der Körper getötet wird und bleibt dort, bis ein neuer Körper „frei wird“. Am Ende gewinnen sie auch. („Auferstehung“ und „Stadt der Toten“)
Ein anderer Roman, „Totes Meer“ ist sogar noch ein bißchen boshafter: Die Geschichte spannt sich rund um die Überlebenden, die auf einem Schiff das Weite suchen, weit weg von gefährlichen Menschen, die sie beißen könnten. Bis sie, naja, einen Fisch an Bord ziehen….

Keene schreibt aber nicht nur Zombieromane. Der Roman Darkness on the Edge of Town (deutsch: Am Ende der Strasse) von 2008 erzählt eine ähnliche Geschichte wie Stephen Kings Roman „Die Arena“ von 2009 – eine Stadt wird abgeschlossen durch eine unvorstellbare Kraft und das Gesellschaftssystem bricht zusammen. Im Gegensatz zu King ist Keene nun kein Meister der raffinierten, psychologisch genialen Figurenzeichnung, aber der Roman baut trotzdem eine hinreichend schöne Stimmung auf.

Warum erzähle ich das alles?
Hm, gute Frage. Ich bin während meiner Suche nach einem schönen neuen Fundstück der Woche zufällig über einen Trailer gestolpert, der einen Film namens „Decay“ bewirbt. Schon das erste durchgucken offenbart den Film als Unsinn, gepaart mit einem Versuch, die Resident Evil Filme zu kopieren. Aber über eines mußte ich dann doch schmunzeln: Der Film benutzt die Panikmache, die rund um den LHC im CERN gemacht wird (hier kann man sich diesbezüglich gerne amüsieren) und die Zombies – kein Witz – sollen durch „Higgs-Strahlung“ verursacht werden. Die Idee ist so dämlich, das muß ich mir ansehen. Hier, zum Abschluß, der Trailer:

Vom Dativ

Ein jeder weiß heute, daß „der Dativ dem Genitiv sein Tod“ ist; Dative sind also sprachliche Vereinfachungen die weniger Mühe bei der Aussprache machen, als es die Formulierung des Genitivs erfordert. Aber was sind Dative eigentlich und was für Arten von Dativen gibt es? Im Rahmen meiner Büffelei für das Staatsexamen bin ich der Geschichte nachgegangen und habe es hier mal zusammengetragen.

E gibt zwei Lager in der Beschreibungsgeschichte des Dativs: Das eine sieht den Dativ in einer klaren Funktion, in einer einheitlichen Form, das andere unterscheidet verschiedene Dativsorten bzw. Dativkonzeptionen zum Einen auf der syntaktischen, zum Anderen auf der semantischen Ebene.

Semantisch? Ja, in der inhaltsbezogenen Grammatik wird der Dativ quasi als Darlegung des Wesens behandelt, die Grundbedeutung der Kasusform wird untersucht. Glinz beispielsweise unterschied 1952 noch nicht zwischen sogenannten freien Dativen und Dativobjekten. Selbst Brinkmann unterschied den Dativ nur dahingehend, daß er Dative der teilnehmenden Personen und der sinngebenden Personen erkannte, eine recht vage Unterscheidung. Ein Dativ der teilnehmenden Person ist ein freier Dativ, der nicht zum Verständnis des Satzes gebraucht wird, also zum Beispiel: „Er trägt ihr den Koffer.“ Der Dativ „ihr“ ist nicht unbedingt nötig, sondern schmückt den Satz aus bzw. verpasst ihm einen größeren Sinngehalt. Ein Dativ der sinngebenden Person ist, laut Brinkmann, ein Dativ, der eine Person beschreibt, welcher sich das Geschehen zuwendet. Also wenn ich „jemandem zulache“, dann ist das Geschehen von mir zur anderen Person gegangen.

 

Man könnte Dative strukturalistisch untersuchen, also den Kasus als Teil eines Systems aller Kasus. Dabei gibt es allerdings das Problem, daß man freie Dative nicht einsortieren kann, weil sie systematisch nicht beschreibbar sind. Zwar versuchte Fillmore mit der Tiefenkasustheorie dem zu begegnen, scheiterte aber letztendlich.

Freie Dative
Jetzt habe ich diesen Begriff schon mehrfach benutzt, vielleicht sollte ich ihn nochmal etwas eingehender erklären. Freie Dative sind sowohl semantisch, als auch syntaktisch verbunabhängig, das heißt, sie werden nicht vom Verb regiert. Man kann sie meistens einfach weglassen und trotzdem bleibt der Satz grammatikalisch korrekt, es geht nur eine Information verloren. Es gibt mehrere Typen, die man unterscheiden kann:

  • Der Dativus Ethicus: Drückt eine gefühlsmäßige Anteilnahme aus. „Fall mir bloß nicht auf!“ Heute wird er seltener gebraucht, vielleicht noch bei Ermahnungen, aber im großen und ganzen gilt er als veraltet. Dieser Dativ ist nicht erststellenfähig, man kann ihn also nicht nach vorne stellen.
  • Der Dativus Commodi: Er bezeichnet den Begünstigten einer Handlung. „Peter fährt ihr das Auto in die Garage.“ Dieser Dativ ist erststellenfähig: „Ihr fährt Peter das Auto in die Garage“. Auch dieser Dativ ist prinzipiell weglassbar.
  • Der Dativus Incommodi: Er ist das genaue Gegenteil, bezeichnet also den Geschädigten einer Handlung. Ob man die beiden ernsthaft unterscheiden muß ist eine semantische Frage, keine syntaktische. „Es sind ihm alle Teller heruntergefallen.“, wäre so ein Satz.
  • Der Dativ Iudicantis: Dieser Dativ bezeichnet den Sprecher einer Aussage und verschafft ihr so Gültigkeit. „Das Essen war ihm zu heiß“
  • Der Pertinenzdativ: Er ist ein possessiver Dativ, der in aller Regel bedingt ist. Daher ist er nicht weglassbar weil sonst die Schlüsselinformation des Satzes fehlt. Allerdings ist er erststellenfähig, also betont. „Mir brummt der Schädel“

Das Gegenstück zum freien Dativ ist das Dativobjekt, also der konstitutive Dativ. Er ist erststellenfähig, nominal und pronominal, manchmal weglassbar und kann nicht durch ein Gefüge mit „für“ ersetzt werden. Gemein ist es, freie Dative und Dativobjekte zu unterscheiden, das ist manchmal gar nicht so einfach.

Beispiel: „Ich schreibe ihm einen Brief.“

Das kann jetzt ein Dativobjekt sein: Ich schreibe ihm einen Brief, also an ihn. Dann ist es relevant, weil es den exakten Bezug herstellt.

Das kann aber auch ein Dativus Commodi sein: Ich schreibe ihm einen Brief, also für ihn. Jetzt ist es nicht mehr relevant, ein freier Dativ.

Ich brauche also zur Unterscheidung manchmal den semantischen Zusammenhang, um die syntaktische Funktion festzustellen.

Vom Vokalismus

Sprache und Sprachwissenschaft ist ja eines der Fächer, die so ein bißchen nebenbei laufen und bei denen kaum einer, der nicht daran beteiligt ist, genau sagen kann, welchen Zweck das Ganze eigentlich hat. Ich werde heute und in den folgenden beiden Tagen aus aktuellem Anlaß einiges aus der Sprachwissenschaft darstellen, was dem geneigten Leser vielleicht dabei helfen kann, seine eigenen Studien zu erweitern.

Was, zum Geier, ist „Vokalismus“?

Vokalismus ist, ganz einfach ausgedrückt, der Gesamtbestand der Vokale in einer Sprache. Im Deutschen sind das grundsätzlich nur fünf Stück: a,e,i,o und u. Dazu kommen allerdings Umlaute und Diphthonge, also aus zwei Vokalen bestehende Vokallaute. Wenn man nun im Rahmen der Sprachgeschichte Vokalismus untersucht, dann untersucht man also speziell zwei Bereiche: Den Wandel der Vokale und ihre Häufigkeit im Ausdruck. Das Gegenstück ist übrigens „Konsonantismus“, die Lehre von den Konsonanten.

Was hat sich denn mit den Vokalen so verändert?

Vokale sind eine tolle Sache: Erst sie geben dem Wort wirklich eine Bedeutung und lassen es uns sprechen, denn Konsonanten sind im großen und Ganzen klanglos. Vokale werden aber im Neuhochdeutschen recht einheitlich, in den Dialekten aber recht unterschiedlich benutzt. Das Bayerische beispielsweise verwendet mitunter mehr Vokale für das gleiche Wort: statt „Bruder“ sagt man „Bruada“.

Das ist tatsächlich ein sprachlicher Rest aus den mittelalterlichen Sprachen. Hier muß man sich zunächst eine Sache klar machen: Mittelhochdeutsch ist keine Einheitssprache, die uns irgendwie schriftlich überliefert ist, sondern mehr ein Ausdruck für eine Gruppe von Überlieferungen, denen eine ähnliche Grammatik und Ausdrucksweise zugrunde liegt, die aber dennoch große Unterschiede zueinander aufweisen. Mit Hilfe von Texten und ihrem sprachlichen Ausdruck ist es manchmal möglich, bestimmte Autoren festzumachen, von denen wir andere Texte schon kennen.

Vom Mittelhochdeutschen ins Neuhochdeutsche haben sich allerdings einige bestimmte Lautwandlungen vollzogen, von denen ich hier einige überblicksweise behandeln möchte:

  • die neuhochdeutsche Monophthongierung
  • die neuhochdeutsche Diphthongierung
  • die Entrundung der Umlaute und die kombinatorische Rundung
  • Senkung
  • Hebung
  • Dehnung
  • Kürzung
  • Diphthongwandel
  • die Weiterentwicklung des Umlautes
  • Ausgleichserscheinungen
  • die Entwicklung der mittelhochdeutschen e-Laute
  • und schließlich noch den Vokalismus in den Nebensilben.

Puh, ein ganz schönes Arbeitsprogramm. Das wird ein langer Artikel, packen wir’s also an.

Beginnen wir erst einmal mit den grundsätzlichen Fragen der Sprachentwicklung: Es gab vor dem 16. Jahrhundert keine einheitliche Schriftsprache, jeder schrieb, wenn er denn schrieb, so, wie er sprach. Daher geben uns die Texte einen zum Teil recht schönen Aufschluß darüber, wie man wohl früher gesprochen hatte. Maßgeblich zur Vereinheitlichung der Schriftsprache beigetragen hat die lutherische Übersetzung der Bibel, die Verbreitung erfolgte durch den Buchdruck. Nun sprach Luther aber gar nicht Hochdeutsch, sondern Mitteldeutsch, um genau zu sein, Obermitteldeutsch, eine Sprache, die sich im 11. Jahrhundert durch die deutsche Ostsiedelung und die daraus folgende Sprachmischung mit den ansässigen Völkern entstanden ist; Ein Teil dieser neuen Sprache hat auch Eingang in die Schriftsprache gefunden.

Mitteldeutsch? Ja, man unterscheidet Hochdeutsch, Niederdeutsch und Mitteldeutsch und so albern es auch klingt es hat etwas mit der Höhenlage der Wohnung der Sprechenden zu tun. Hochdeutsche Sprachen finden sich im Süden, Niederdeutsche im Norden des deutschen Sprachgebietes. Plattdeutsch ist beispielsweise ein Niederdeutscher Dialekt, sächsisch ist eher Mitteldeutsch und bayerisch ein hochdeutscher bzw. präziser ein oberdeutscher Dialekt. Das Oberdeutsche umfasst das Bayerische (allerdings das Altbayerische) und das Alemannische.

Fangen wir nun also mit den Besonderheiten an. Denn es gibt einige Dinge, die man im Wandel vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen festhalten kann und die uns auch systematisch vorkommen. Man muß sich nur im Klaren darüber sein, daß dieser Wandel nicht eine unmittelbare Weiterentwicklung darstellt, sondern eher punktuell stattfand. Da gibt es verschiedene Theorien, das eine ist die sogenannte Wellentheorie, die besagt, daß die Sprachentwicklung als Monogenese in kleinräumlichen Bereichen begann und sich dann wellenartig ausbreitete, und zum Anderen gibt es da die Entfaltungstheorie, die eine Polygenese behauptet, daß sich also die Sprachentwicklung an mehreren Stellen durchsetzte und viele Kleinräume so letztendlich einen Großraum ergaben.

Beginnen wir nun also mit der neuhochdeutschen Monophthongierung. Alleine das Wort verursacht ja gefühlt schon Kopfzerbrechen. Es bedeutet, daß im geregelten Lautwandel vom Mittel- zum Neuhochdeutschen ein Diphthong wie zum Beispiel „uo“ oder „ie“, das man im Mittelhochdeutschen tatsächlich komplett aussprach, zu einem Monophthong wurde, in den genannten Beispielen oftmals zu „u“ und zu „i“. Das ie ist insofern etwas Besonderes, weil sich die Schreibweise manchmal erhalten hat und das „e“ zu einem Dehnungs-e wird. Sprach man also mittelhochdeutsch „hier ruoft der reke küen“ jeden Buchstaben aus, so sagt man neuhochdeutsch „hier ruft der Recke kühn“. Es gibt eine Vielzahl von Wörtern, auf die dieser Vorgang zutrifft.

Was daran fasziniert ist die Tatsache, daß sich diese Sprachwandlung im Mitteldeutschen Raum, vor allem im Rheinland ausgebreitet hat und beispielsweise im bayerischen nicht angekommen ist. „bruoder“ (mhd.) ist im bayerischen „Bruada“geblieben, nur eine minimale Senkung der Vokale fand da statt.

Das genaue Gegenteil ist die neuhochdeutsche Diphthongierung. Hier wurde aus einem mittelhochdeutschen Monophthong ein Diphthong. Der Monophthong war im Mittelhochdeutschen oftmals ein langer Vokal, was man durch die Schreibweise mit einem Zirkumflex ausdrückte. Den Zirkumflex kennen die meisten wahrscheinlich noch aus dem Französischen, wo er in der Regel den Überrest eines ausgefallenen „s“ darstellt (frz. fenêtre = lat. Fenestra). Im Mittelhochdeutschen zeigt er an, daß ein Vokal lang gesprochen wird. Diese langen Vokale und manche Diphtonge (wie „iu“, das zu „eu“ wurde) werden im Neuhochdeutschen zu Diphtongen: „mîde lûte liute“ wird zu „meide laute Leute“

Kommen wir zu Rundungen und Entrundungen.
Die mittelhochdeutschen Vokale e, i und â werden im Neuhochdeutschen gelegentlich labialisiert, also gerundet. Gerundet heißt, ist wirklich so simpel, mit gerundeten Lippen gesprochen. So wird aus mhd. „helle“ nhd. die „Hölle“, aus „finf“ wird „fünf“, aus „mâne“ wird der „Mond“. Und was ist nun die Entrundung? Nun, der Übergang von gerundeten Monophthongen und Diphthongen zu auf gleicher Zungenhöhe benachbarten, ungerundeten Vordervokalen nennt man Entrundung. Das tritt allerdings nur vereinzelt auf, beispielsweise wird aus dem mittelhochdeutschen „küssen“ im neuhochdeutschen „Kissen“.

Senkung, Hebung, Dehnung, Kürzung
Das Mittelhochdeutsche sprach sich völlig anders aus. Vorhin habe ich ja erwähnt, daß man lange Vokale mit einem Zirkumflex ausstattete – und das bedeutet, daß man alle anderen Vokale mit wenigen Ausnahmen kurz gesprochen hat.

Die neuhochdeutsche Dehnung ist nun der Vorgang, daß ein kurz gesprochenes Wort heute lang gesprochen wird. So sagte man früher „Nibelungenklage“ und sprach dabei den Teil „klage“ wie „klagge“, wird das vielleicht klarer. Manchmal gibt unsere Schreibweise das wieder: Bei „Wiese“ zum Beispiel, was früher unter Umständen „wise“ geschrieben wurde.

Eine Kürzung ist genau das Gegenteil: Hier werden aus langen Lauten kurze. Kürzungen sind wesentlich seltener, da sie nur geschlossene Tonsilben betreffen. Hieß es also früher „hôchzît“ (zwei lange Vokale), sagt man heute „Hochzeit“.

Senkungen und Hebungen sind eine Ausspracheveränderung. Im Mittelhochdeutschen wird das „ei“ beispielsweise fast immer „e-i“ ausgesprochen, also das „e“ bleibt im Laut erhalten. „keiser“ wäre so ein Wort. Das wird im Neuhochdeutschen zu „Kaiser“ gesenkt. Aus „ouge“ wird „Auge“. Vor Nasal-Lauten findet das auch noch einmal statt: Aus „sumer“ und „sune“ werden „Sommer“ und „Sonne“.

Fortsetzung folgt…

Meine Worte sind wie Sterne….

Im Jahr 1855 machte der damalige Präsident der Vereinigten Staaten, Franklin Pierce, dem Stamm der Duwamish das Angebot, ihr Land zu verkaufen und in ein Reservat zu ziehen. Für die Indianer war das eine unverständliche Idee – Land gehörte in ihrer Vorstellung niemandem.

Der Häuptling der Duwamish, Noah Sealth, antwortete dem amerikanischen Präsidenten mit einer Rede, deren Kraft und besondere Weisheit uns heute, 160 Jahre später, vielleicht ein wenig Einsicht geben könnte.

Leider fand ich diese Rede nicht auf Deutsch im Netz, daher habe ich mir erlaubt sie Ihnen hier zur Verfügung zu stellen. Allerdings muß ich vorneweg hinzufügen, daß diese Rede nicht zwingend die historische Wahrheit widerspiegelt, denn die vorliegende Variante stammt mutmaßlich aus den 1970er Jahren von einem Filmemacher namens Ted Perry, der sie für seinen Film „Home“ (zu Deutsch: Die Söhne der Erde) geschrieben hat. Die Rede ist also nicht historisch belegbar, sondern ein Produkt der Umweltbewegung, aber sie basiert auf der originalen Rede von Chief Seattle (nach dem im Übrigen die Hauptstadt des Staates Washington benannt ist), die seinerzeit von Henry A. Smith auf der Basis von Notizen im Seattle Sunday Star veröffentlicht wurde – 1887!

Die Duwamish bekamen keine Entschädigung für das Land und erlitten eine ziemlich brutale Geschichte. Noch 1910 brannten weiße Siedler indianische Häuser nieder, um die Indianer zu vertreiben. Inzwischen haben die letzten Duwamish ein wenig Land (ca. 70 Hektar) in der Nähe des Discovery Parks von der amerikanischen Regierung gepachtet. 2069 wird der Vertrag auslaufen. Viele sind nicht mehr übrig, vielleicht 500. Ihr Schicksal ist, wie das aller übrig gebliebenen Reste einer ganzen Zivilisation, ungewiss.

„Der große Häuptling in Washington sendet Nachricht, daß er unser Land zu kaufen wünscht.

Der große Häuptling sendet uns auch Worte der Freundschaft und des guten Willens. Das ist freundlich von ihm, denn er bedarf unserer Freundschaft nicht. Aber wir werden sein Angebot bedenken, denn wir wissen – wenn wir nicht verkaufen – kommt vielleicht der weiße Mann mit Gewehren und nimmt sich unser Land. Wie kann man den Himmel kaufen oder verkaufen – oder die Wärme der Erde? Diese Vorstellung ist uns fremd. Wenn wir die Frische der Luft und das Glitzern des Wassers nicht besitzen – wie könnt Ihr sie von uns kaufen? Wir werden unsere Entscheidung treffen.

Was der Häuptling Seattle sagt, darauf kann sich der große Häuptling in Washington verlassen, so sicher wie sich unser weißer Bruder auf die Wiederkehr der Jahreszeiten verlassen kann.

Meine Worte sind wie Sterne, sie gehen nicht unter. Jeder Teil dieser Erde ist meinem Volk heilig, jede glitzernde Tannennadel, jeder sandige Strand, jeder Nebel in den dunklen Wäldern, jede Lichtung, jedes summende Insekt ist heilig, in den Gedanken und Erfahrungen meines Volkes. Der Saft, der in den Bäumen steigt, trägt die Erinnerung des roten Mannes.

Die Toten der Weißen vergessen das Land ihrer Geburt, wenn sie fortgehen, um unter den Sternen zu wandeln. Unsere Toten vergessen diese wunderbare Erde nie, denn sie ist des roten Mannes Mutter. Wir sind ein Teil der Erde und sie ist ein Teil von uns. Die duftenden Blumen sind unsere Schwestern, die Rehe, das Pferd, der große Adler – sie sind unsere Brüder. Die felsigen Höhen, die saftigen Wiesen, die Wärme des Ponys und des Menschen – sie alle gehören zur gleichen Familie.

Wenn also der große Häuptling in Washington uns Nachricht sendet, daß er unser Land zu kaufen gedenkt, so verlangt er viel von uns. Der große Häuptling teilt uns mit, daß er uns eine Platz gibt, wo wir angenehm und für uns leben können. Er wird unser Vater und wir werden seine Kinder sein. Aber kann das jemals sein? Gott liebt Euer Volk und hat seine roten Kinder verlassen. Er schickt Maschinen um dem weißen Mann bei seiner Arbeit zu helfen und baut große Dörfer für ihn. Er macht Euer Volk stärker, Tag für Tag. Bald werdet Ihr das Land überfluten wie Flüsse, die die Schluchten hinab stürzen nach einem unerwarteten Regen.

Mein Volk ist wie eine ablaufende Flut – aber ohne Wiederkehr. Nein, wir sind verschiedene Rassen. Unsere Kinder spielen nicht zusammen und unsere Alten erzählen nicht die gleichen Geschichten. Gott ist Euch gut gesinnt und wir sind Waisen. Wir werden Euer Angebot, unser Land zu kaufen, bedenken. Das wird nicht leicht sein, denn dieses Land ist uns heilig.

Wir erfreuen uns an diesen Wäldern. Ich weiß nicht – unsere Art ist anders als die Eure.

Glänzendes Wasser, das sich in Bächen und Flüssen bewegt, ist nicht unser Wasser – sondern das Blut unserer Vorfahren. Wenn wir Euch das Land verkaufen, müsst Ihr wissen, daß es heilig ist, und Eure Kinder lehren, daß es heilig ist und daß jede flüchtige Spiegelung im klaren Wasser der Seen von Ereignissen und Überlieferungen aus dem Leben meines Volkes erzählt. Das Murmeln des Wassers ist die Stimme meiner Vorväter. Die Flüsse sind unsere Brüder – sie stillen unseren Durst. Die Flüsse tragen unsere Kanus und nähren unsere Kinder.

Wenn wir unser Land verkaufen, so müßt Ihr Euch daran erinnern und Eure Kinder lehren: Die Flüsse sind unsere Brüder – und Eure – und Ihr müsst von nun an den Flüssen Eure Güte geben, so wie jedem anderen Bruder auch. Der rote Mann zog sich immer zurück vor dem eindringenden weißen Mann – so wie der Frühnebel in den bergen vor der Morgensonne weicht. Aber die Asche unserer Väter ist heilig, ihre Gräber sind geweihter Boden und so sind diese Hügel, diese Bäume, dieser Teil der Erde uns geweiht. Wir wissen, daß der weiße Mann unsere Art nicht versteht. Ein Teil des Landes ist ihm gleich jedem anderen, denn er ist ein Fremder, der kommt in der nacht und nimmt von der Erde was immer er braucht. Die Erde ist sein Bruder nicht, sondern Feind, und wenn er sie erobert hat, schreitet er weiter. Er läßt die Gräber seiner Väter zurück und kümmert sich nicht. Er stiehlt die Erde von seinen Kindern und kümmert sich nicht. Seiner Väter Gräber und seiner Kinder Geburtsrecht sind vergessen. Er behandelt seine Mutter, die Erde, und seinen Bruder, den Himmel, wie Dinge zum Kaufen und Plündern, zum verkaufen wie Schafe oder glänzende Perlen. Sein Hunger wird die Erde verschlingen und nichts zurücklassen als eine Wüste.

Ich weiß nicht – unsere Art ist anders als die Eure. Der Anblick Eurer Städte schmerzt die Augen des roten Mannes. Vielleicht, weil der rote Mann ein Wilder ist und nicht versteht.

Es gibt keine Stille in den Städten der Weißen. Keinen Ort um das Entfalten der Blätter im Frühling zu hören oder das Summen der Insekten. Aber vielleicht nur deshalb, weil ich ein Wilder bin und nicht verstehe. Das Geklappere scheint unsere Ohren nur zu beleidigen. Was gibt es schon im Leben, wenn man nicht den einsamen Schrei des Ziegenmelkervogels hören kann oder das Gestreite der Frösche am Teich bei Nacht? Ich bin ein roter Mann und verstehe das nicht. Der Indianer mag das sanfte Geräusch des Windes, der über eine Teichfläche streicht – und den Geruch des Windes, gereinigt vom Mittagsregen oder schwer vom Duft der Kiefern. Die Luft ist kostbar für den roten Mann, denn alle Dinge teilen den selben Atem; Das Tier, der Baum der Mensch, sie alle teilen den selben Atem. Der weiße Mann scheint die Luft, die er atmet, nicht zu bemerken; wie ein Mann der seit vielen Tagen stirbt ist er abgestumpft gegen den Gestank. Aber wenn wir Euch unser Land verkaufen, dürft Ihr nicht vergessen, daß die Luft uns kostbar ist – daß die Luft ihren Geist teilt mit all dem Leben, das sie enthält. Der Wind gab unseren Vätern den ersten Atem und empfängt ihren letzten. Und der Wind muß auch unseren kindern den Lebensgeist geben. Und wenn wir Euch unser Land verkaufen, so müßt Ihr es als ein besonderes und geweihtes schätzen, als einen Ort, wo auch der weiße Mann spürt, daß der Wind süß duftet von den Wiesenblumen.

Das Ansinnen, unser Land zu kaufen, werden wir bedenken und wenn wir uns entschließen, anzunehmen, so nur unter einer Bedingung: Der weiße Mann muß die Tiere des Landes behandeln wie Brüder.

Ich bin ein Wilder und verstehe es nicht anders. Ich habe tausende verrottende Büffel gesehen, vom weißen Mann zurückgelassen, erschossen aus einem vorüber fahrenden Zug. Ich bin ein Wilder und kann es nicht verstehen, wie das qualmende Eisenpferd wichtiger sein soll als der Büffel, den wir nur töten, um am Leben zu bleiben. Was ist der Mensch ohne Tiere? Wären alle Tiere fort, so stürbe der Mensch an großer Einsamkeit des Geistes. Was immer den Tieren geschieht – es geschieht auch bald dem Menschen. Alle Dinge sind miteinander verbunden.

Was die Erde befällt, befällt auch die Söhne der Erde. Ihr müßt Eure Kinder lehren, daß der Boden unter ihren Füßen die Asche unserer Großväter ist. Damit sie das Land achten erzählt ihnen, daß die Erde erfüllt ist von den Seelen unserer Vorfahren. Lehrt Eure Kinder das, was wir unseren Kindern lehren: Die Erde ist unsere Mutter. Was die Erde befällt, befällt auch die Söhne der Erde. Wenn die Menschen auf die Erde spucken, spucken sie auf sich selbst. Denn das wissen wir: Die Erde gehört nicht den Menschen, der Mensch gehört der Erde – das wissen wir. Alles ist miteinander verbunden, wie das Blut, das eine Familie vereint. Alles ist verbunden. Was die Erde befällt, befällt auch die Söhne der Erde. Der Mensch schuf nicht das Gewebe des Lebens, er ist darin nur eine Faser. Was immer ihr dem Gewebe antut, das tut Ihr Euch selber an. Nein, Tag und Nacht können nicht zusammenleben. Unsere Toten leben fort in den süßen Flüssen der Erde, kehren wieder mit des Frühlings leisem Schritt und es ist ihre Seele im Wind, der die Oberfläche des Teiches kräuselt.

Das Ansinnen des weißen Mannes, unser Land zu kaufen, werden wir bedenken. Aber mein Volk fragt, was denn will der weiße Mann? Wie kann man den Himmel oder die Wärme der Erde kaufen – oder die Schnelligkeit der Antilope? Wie können wir Euch diese Dinge verkaufen und wie könnt Ihr sie kaufen? Könnt Ihr denn mit der Erde tun was Ihr wollt, nur weil der rote Mann ein Stück Papier unterzeichnet und es dem weißen Manne gibt? Wenn wir nicht die Frische der Luft und das Glitzern des Wassers besitzen, wie könnt Ihr sie dann von uns kaufen? Könnt Ihr die Büffel zurückkaufen, wenn der letzte getötet ist?

Wir werden Euer Angebot bedenken. Wir wissen, wenn wir nicht verkaufen, kommt wahrscheinlich der weiße Mann mit Waffen und nimmt sich unser Land.Aber wir sind Wilde. Der weiße Mann, vorübergehend im Besitz der macht, glaubt, er sei schon Gott, dem die Erde gehört. Wie kann ein Mensch seine Mutter besitzen?

Wir werden Euer Angebot, unser Land zu kaufen, bedenken, Tag und Nacht können nicht zusammenleben – wir werden Euer Angebot bedenken, in der Reservat zu ziehen. Wir werden abseits und in Frieden leben. Es ist unwichtig, wo wir den Rest unserer Tage verbringen. Unsere Kinder sahen ihre Väter gedemütigt und besiegt. Unsere Krieger wurden beschämt. Nach Niederlagen verbringen sie ihre Tage müßig – vergiften ihren Körper mit süßer Speise und starkem Trunk.

Es ist unwichtig, wo wir den Rest unserer Tage verbringen. Es sind nicht mehr viele. Noch wenige Stunden, ein paar Winter, und kein Kind der großen Stämme, die einst in diesem Land lebten oder jetzt in kleinen Gruppen durch die Wälder streifen, wird mehr übrig sein um an den Gräbern eines Volkes zu trauern, das einst so stark und voller Hoffnung war wie das Eure.

Aber warum soll ich trauern über den Untergang meines Volkes, Völker bestehen aus Menschen und nichts anderem. Menschen kommen und gehen wie die Wellen im Meer. Selbst der weiße Mann, dessen Gott mit ihm wandelt und redet wie Freund zu Freund, kann der gemeinsamen Bestimmung nicht entgehen. Vielleicht sind wir doch Brüder. Wir werden sehen.

Eines wissen wir, was der weiße Mann vielleicht eines Tages entdeckt – unser Gott ist derselbe Gott. Ihr denkt vielleicht, daß Ihr ihn besitzt, so wie Ihr unser Land zu besitzen trachtet, aber das könnt Ihr nicht. Er ist der Gott der Menschen – gleichermaßen der Roten und Weißen. Dieses Land ist ihm wertvoll und die Erde zu verletzen heißt ihren Schöpfer zu verachten.

Auch die Weißen werden vergehen, eher vielleicht als die anderen Stämme. Fahret fort, Euer Bett zu verseuchen, und eines Tages werdet Ihr im eigenen Abfall ersticken. Aber in Eurem Untergang werdet Ihr hell strahlen – angefeuert von der Stärke des Gottes, der Euch in dieses Land brachte und Euch bestimmte, über dieses Land und den roten Mann zu herrschen. Diese Bestimmung ist uns ein Rätsel. Wenn die Büffel alle geschlachtet sind, die wilden Pferde gezähmt, die heimlichen Winkel des Waldes schwer vom Geruch der vielen Menschen und der Anblick reifer Hügel geschändet von redenden Drähten – wo das Dickicht fort, wo der Adler fort, und was bedeutet es, Lebewohl zu sagen dem schnellen Pony und der Jagd: Das Ende des Lebens – und der Beginn des Überlebens.

Gott gab Euch die Herrschaft über die Tiere, die Wälder und den roten Mann aus einem besonderen Grund – doch dieser Grund ist uns ein Rätsel. Vielleicht könnten wir es verstehen, wenn wir wüßten wovon der weiße Mann träumt, welche Hoffnungen er seinen Kindern an langen Winterabenden erzählt, und welche Visionen er in ihre Vorstellung brennt, so daß sie sich nach dem Morgen sehnen. Aber wir sind Wilde – die Träume des weißen Mannes sind uns verborgen. Und weil sie uns verborgen sind, werden wir unsere eigenen Wege gehen. Denn vor allem schätzen wir das Recht eines jeden Menschen, so zu leben, wie er selber es wünscht – gleich wie verschieden er von seinen Brüdern ist.

Das ist nicht viel, was uns verbindet.

Wir werden Euer Angebot bedenken. Wenn wir zustimmen, so nur, um das Reservat zu sichern, das Ihr versprochen habt. Dort vielleicht können wir unsere kurzen Tage auf unsere Weise verbringen.

Wenn der letzte rote Mann von dieser Erde gewichen ist und sein Gedächtnis nur noch der Schatten einer Wolke über der Prärie, wird immer noch der Geist meiner Väter in diesen Ufern und diesen Wäldern lebendig sein. Denn sie liebten diese Erde, wie das Neugeborene den Herzschlag seiner Mutter. Wenn wir Euch unser Land verkaufen, liebt es, so wie wir es liebten, kümmert Euch, so wie wir uns kümmerten, behaltet die Erinnerungen an das Land so wie es ist, wenn Ihr es nehmt. Und mit all Eurer Stärke, Eurem Geist, Eurem Herzen, erhaltet es für Eure Kinder und liebt es – so wie Gott uns alle liebt.

Denn Eines wissen wir: unser Gott ist derselbe Gott. Diese Erde ist ihm heilig. Selbst der weiße Mann kann der gemeinsamen Bestimmung nicht entgehen. Vielleicht sind wir doch – Brüder. Wir werden sehen.“

Ja, seine Worte sind wie Sterne – blumig und trotzdem ist die Botschaft richtig. Wie eingangs erwähnt dürfte die Rede alles andere als historisch sein. Chief Seattle konnte weder von den Büffeln erzählen (die gab es nie in der Gegend, im übrigen auch noch keine Eisenbahn!), noch kann er wirklich gewußt haben, was eigentlich ein Ziegenmelkervogel ist, weil diese Art in Amerika überhaupt nicht existiert. Das sind zwei Beispiele für letztendliche Fehler in der Rede, die nachweisen daß sie so nicht – und schon gar nicht vor dem amerikanischen Kongreß! – gehalten wurde. (Anmerkung: Der letzte Link, nebenbei, hat die Rede doch auf Deutsch. Ich hätte mir das Tippen also sparen können…) Dafür gibt es auch noch einen anderen Nachweis: Seattle sprach kein Englisch, er hielt seine Rede vermutlich in Chinook.

Aber ihre zentrale Botschaft, daß wir Kinder der Erde sind und mit ihr sterben wenn wir so weitermachen, die ist nicht falsch. Hannes Wader vertonte die Rede 1985 sogar einmal:

Toleranz im Mittelalter

Seit die FDP den erfolgreichen Versuch unternommen hat, mit der Einführung islamischer Feiertage mal wieder in die Presse zu kommen, haben wir endlich mal wieder eine Integrations- und Toleranzdebatte. Ganz neu ist das nun nicht – aber es ist älter als viele denken: Das gab es schon im Mittelalter.

Der mittelalterliche Dichter Wolfram von Eschenbach gilt als einer der größten Literaten seiner Zeit. Er hat eine Reihe großer Dichtungen verfasst beziehungsweise aus dem französischen übersetzt (von Chrétien de Troyes, um genau zu sein), darunter den Parzival, den Willehalm und den Titurel. Der Parzival gilt als Wolframs bekanntestes und wichtigstes Werk, es ist in Teilen eine Übersetzung des Li Contes del Graal ou Le roman de Perceval von Chrétien de Troyes und teilweise eine eigenständige Dichtung.

Aber ein ebenso bemerkenswerter, wie besonders schwierig zu lesender und zu übersetzender Roman ist der Willehalm, dessen Herzstück vermutlich die sogenannte Toleranzrede ist. Ich habe hier mal die Rede für Sie abgezogen und werde sie hernach auch übersetzen (da ich mal annehme, daß die wenigsten Mittelhochdeutsch können).

Zur Einordnung: Willehalm, ein Schwager des Französischen Königs Ludwig, reist des Rittertums wegen in das Morgenland und verliebt sich in Arabel, eine heidnische Prinzessin. Diese heiratet ihn und nimmt den christlichen Glauben an, als sie mit ihm zurückkehrt. Die Heiden, gemeint sind hier Muslime, fahren voll Zorn hinterher (eigentlich war Arabel nämlich mit dem König von Arabi, Tybalt verheiratet) und fordern Willehalm zum Kampf. Arabel, die sich nun Gyburg nennt, hält nun kurz vor der zweiten Schlacht diese Rede:

Übersetzung:

(306) All diese Not war durch Gyburg verursacht. Die stand nun auf und sprach höfisch, bevor der Rat der Fürsten auseinanderging:

″Wer Erziehung und Treue in sich trägt, der sollte meine Worte vernehmen. Gott weiß, daß der Hort des Leides so sehr mein Herz vereinnahmt, daß es mir fast den Leib zerreißt.″

Jene, die ihr gegenüber aufgestanden waren bat sie, sich wieder zu setzen und nicht zu gehen. Als sie alle wieder saßen sprach sie: ″Der große Sterben, das hier geschehen ist auf beider Seiten, und wofür mich die Christen ebensowenig wie die Heiden lieben, das möge Gott an mir rächen für beide Seiten, so ich denn schuldig sei. Den römischen Fürsten hier aber sage ich: Ihr mehret die christliche Ehre, falls Euch Gott so fern unterstützt, daß ihr im Kampf auf Alischanz den jungen Vivianz an meinen Verwandten und ihrem Heer rächt: Die werdet Ihr sehr wehrhaft finden.

Und wenn den Heiden Schande widerfährt, so bleibt doch selig: Hört auf den Rat eines tumben Weibes und schont die Schöpfung Gottes. Der erste Mensch, den Gott machte, war ein Heide.

(307) Nun glaubt, daß Elias und Enoch noch immer Heiden waren. Noah war auch ein Heide, der mit der Arche gerettet wurde. Hiob nannte man fürwahr einen Heiden, den Gott deswegen nicht verstieß. Nun nehmt auch drei Könige wahr, deren einer heißt Kaspar, Melchior und Balthasar: Die müssen wir für Heiden halten, die aber nicht verflucht sind: Gott selbst empfing mit seiner Hand die ersten Gaben an der Mutter Brust von ihnen. Die Heiden sind nicht alle zur Verdammnis verurteilt.

Wir alle haben fürwahr bekannt, daß Mütter seit Evas Zeiten Kinder gebaren, deren Geburt zweifellos als Heiden ist: Etliche waren noch ungetauft. Das getaufte Weib trägt stets den Heiden, auch wenn das Kind von der Taufe umgeben ist. Die Taufe der Juden hat eine andere Seite: die begehen sie mit einem Schnitt.

Wir alle waren doch zuerst Heiden. Dem Tugendhaften tut es doch weh, wenn der Vater seine Kinder in die Verdammnis schickt: Jener mag sich ihrer erbarmen, der die wahre Barmherzigkeit in sich trug.

(308) Nun glaubt auch daß die Menschheit den Engeln ihren Stand abnahm, in den sie gesetzt waren, daß nun wir in den Himmel in den zehnten Chor fahren können. Die zeigten Gott einen solchen Widerstand, daß seine ewige Allmacht von ihnen verraten wurde. Die selben Notgestalten müssen wegen ihrer Gedanken fallen: Gott ließ sie nicht zu Taten schreiten, er weiß wohl auch um die unvernommenen Gedanken.

Darum wurde der Mensch erdacht. Es haben sich bei9de, Mensch und Engel, in Gottes Haß gebracht: Wie kommt es nun, daß der Mensch besser als der Engel hoffen kann? Mein Mund wird Euch diese Geschichte erzählen.

Der Mensch wurde durch schlechten Rat verdammt: Der Engel hat sich selbst entschieden zur ewigen Verdammnis mit seiner Arglist, und alle, die zu ihm standen hat die selbe Strafe ereilt. Die fahren noch heute mit dem Menschen, als ob der Chor ihr Erbe sei, der denen als Erbe zusteht, die sich mäßigen können in dem was Gottes Zorn erwirbt und seine Seligkeit verdirbt.

(309) Was auch immer Euch die Heiden getan haben, ihr sollt sie trotzdem am Leben lassen, so wie Gott selbst jenen vergeben hatte, von denen er den Tod empfing. Wenn Gott Euch den Sieg gibt, laßt Euch im Kampf erbarmen. Unser Vater Tetragrammaton [das steht für JHWE, Jahwe, Gott] hat sein hohes Leben für die Schuldigen gegeben. So lohnte er seinen Kindern den vergesslichen Sinn. Seine Liebe und sein reiches Erbarmen schließt manch Wunder ein,er wird in seiner Treue nicht müde die helfende Hand zu erheben, die beides, Wasser und Land, einst so künstlerisch erschuf, das alle Kreaturen benötigen, die der Himmel umspannt. Dieselbe Hand schuf die Planeten, und lässt sie ihren Lauf in Ferne und Nähe vollenden. Wenn sie nie aufgehalten werden bringen sie Wärme und Kälte: mal schaffen sie das Eis; danach schicken sie Saft in die Bäume, so daß die Erde ihre Gestalt ändert und der Mai sie lehrt, ihre Wandlung zu vollstrecken und nach dem Reif die Blumen stecken.

(310) Ich diene dieser künstlerischen Hand und für den Gott der Heiden, Tervigant gilt: Die Kraft dieser Hand hat mich von Mohammed weg unter die Taufe geführt. Darum trage ich den Haß meiner Verwandten; und der Getauften deswegen: Sie wähnen, daß ich um weltlicher Liebe willen diesen Streit verursacht habe. Fürwahr, ich ließ auch Liebe dort zurück, und großen Reichtum, manchen Schatz, und ein schöne Kinder bei einem Mann, von dem ich nicht wissen kann, ob er je eine Untat beging, seit ich die Krone von ihm empfing. Tybalt von Arabien ist von aller Untat frei: Ich trage allein die Schuld durch die Gnade des höchsten Gottes, und einen Teil auch wegen des Marktgrafen, der so manchen Preis errungen hat. Ach Willehalm, aufrechter Held, daß Die meine Liebe so bitter vergällt wird! Wie viele aufrechte Männer haben in deinem Dienste ihr Leben verloren! Ihr Armen und Ihr Reichen, glaubt mir daß mir der Verlust Eurer Verwandten Jammer ins Herz schickt: Fürwahr, meine Freude ist mit ihnen gestorben.″

Sie weinte viel: Dazu zwang sie ihr Leid.

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Für das Mittelalter bemerkenswert ist, daß der Aufruf zur Toleranz mit der Bibel begründet wird: Jedes Lebewesen ist ein Heide bis zu seiner Taufe, das gilt auch für das christlich geborene Kind. Und somit sind vor Gott alle Menschen gleich und alle seine Schöpfung. Es gibt also keine per se schlechten oder falschen Menschen, sondern nur Menschen und diese müssen nach Gottes Geboten Gnade aneinander zeigen. Ein Gedanke, den man den religiösen Extremisten unsrer Zeit, egal iob katholisch oder muslimisch, gerne mal wieder an den Schädel nageln würde. Ich finde, am Jahrestag von 9/11 ist das eine wichtige Forderung.

Imperatives Obst (XVII)

und weil einige das zum deutschen Fäkalhumor passende rassistische Element vermisst haben:

Kakadu plum !!

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Nebenbei, bitte ein bißchen Humor, ja? Ich verabscheue diese Art des Umgangs mit Ausländern hierzulande, finde aber gerade als eher vorurteilsfreierer Mensch sollte man sich gelegentlich Freiheit gönnen dürfen.