Göttin sei Dankin

Schon vor einigen Wochen habe ich mir vorgenommen, einen weiteren kleinen Satirebeitrag zum Thema Gendersprache zu formulieren. Das lasse ich aber und schreibe nur mit einem bißchen Augenzwinkern. Da war der Anlaß der, daß die beste Ehefrau aller Zeiten mich auf eine Studie aufmerksam machte, die nicht nur genderbrav Studie_in usw. schrieb, sondern statt „man“ auch „mensch“.

Nur wenige werden sich an ihren Grammatikunterricht aus der siebten Klasse zurückerinnern und noch weniger werden es gern tun. Die werden dann wohl auch Linguistik studiert haben.

„man“ ist ein Indefinitpronomen das vollkommen geschlechtsneutral ist und eine unbestimmte (Daher „Indefinit-„) Menge von Personen umschreibt; grammatikalisch ausgedrückt hat „man“ also weder Genus, Sexus noch Numerus. Wenn eine Gruppe von Frauenverbänden eine Meinung vertritt, dann kann mensch das auch so formulieren: „Man sagt unter ihnen, dass…“

Ein Indefinitpronomen meint normalerweise keinen Sexus, also kein Geschlecht. Ausnahmen davon sind lediglich manch/manche, kein/keine. irgendein/irgendeine sowie einer/eine. Es gibt sogar welche, die nur männliche und neutrale Genera kennen: irgendwas/irgendwer zum Beispiel. Da wird mit einem männlichen Genus auch nach einer Frau oder einem weiblichen Substantiv gefragt.

Sexus und Genus
Die meisten politischen Aktivisten, Aktivistinnen und Aktivist_ verwechseln jedoch Genus und Sexus. Petersilie ist im Genus weiblich, im Sexus aber trotzdem eine Sache. Wenn jemand „Der Kümmel“ schreibt, unterdrückt er nach wie vor keine Frau, sondern benutzt lediglich den korrekten Genus. Kümmel hat einfach keinen männlichen oder weiblichen Sexus, weil es eben ein Ding ist.

Die feministische Linguistik geht nun von der Theorie aus, daß gesellschaftliche Unterdrückung bereits mit der Sprache beginne. Hierbei geht es insbesondere um Berufsbezeichnungen, bei denen der Genus dem Sexus nicht angepasst wird. Also wenn man „Polizist“ schreibt, obwohl man eine Frau meint. Daher wird von der feministischen Linguistik gefordert, entweder Sexusneutrale Begriffe zu benutzen (beispielsweise durch Substantivierungen von Verben, also „Studierende“ statt „Studenten“) oder aber beide Geschlechter zu verwenden, was in verschiedenen Schreibweisen realisiert werden kann.
Behördlicherseits hat sich nach einer Weile und alleine schon um Platz zu sparen das große Binnen-I durchgesetzt, also statt „Liebe Studentinnen und Studenten“ eher „Liebe StudentInnen“. Nach einer gewissen Zeit setzte sich die Forderung nach dem Binnenunterstrich durch, die sogenannte Gender Gap. Der/die/das Gender Gap soll ein Mittel der sprachlichen Darstellung aller sozialen Geschlechter und Geschlechtsidentitäten, auch jener abseits des Zweigeschlechtersystems sein. Im Deutschen wäre dies sonst nur durch Umschreibungen möglich. Man schreibt also insbesondere auf linken Netzseiten und Dokumenten nun „Liebe Student_innen“.

Menschenskind!
Die nun nächste Stufe dieser immer alberner werdenden Entwicklung fand ich heute Morgen in meinem Reader: Die Uni Leipzig setzt jetzt nur noch die weibliche Form ein und versichert via Fußnote, daß auch die männliche Form gemeint ist. Sie schreiben dort also nun „Herr Professorin“ und fußnoten drunter daß auch die männliche Form gemeint sein könnte…

[Hinweis in eigener Sache: Da bin ich auch auf die Presse reingefallen. Das ist nämlich Quatsch. Merke: Nutze nicht die Presse, nutze die Primärquelle. Mein Fehler.]

Verteidigt wird das von Frau Professorin Doktorin Friederike Maier. Sie sagt darüber aus, daß „viele die männliche Formulierung [nutzen] und machen eine Fußnote, dass auch Frauen gemeint sind. Ich fühle mich damit nicht mitgemeint.“ Das kombiniert sie in schöner Form mit dem Satz: „Es wäre jedoch schön, wenn das eine Diskussion auslöst, wie wir auch sprachlich wertschätzend miteinander umgehen sollten.“

Letztendlich macht sie den gleichen Fehler, den die meisten anderen feministischen Aktionen auch tun: Sie verbeißt sich im Falschen. Anstatt daß sie die Gleichberechtigung versucht zu erreichen, also beispielsweise gleicher Lohn für gleiche Arbeit, verbeißt sich die Genderwelt in Indefinitpronomen und ersetzt sprachliche Besonderheiten durch völligen Unsinn.

Wenn das sprachlich undefinierte „man“ nun also Frauen beleidigt (Vielleicht weil es optisch an das englische man erinnert, das aber auch blöder Weise Mensch heißt), schlage ich gerechtigkeitshalber vor, einfach alle Wörter in denen diese Buchstabenfolge vorkommt, anzupassen. Das klingt dann wohl so:

Wenn sich dann noch jemenschd darüber aufmenschdelt, daß mensch die Sprach_in nicht mehr verstehen kann, keine Rezept_innen mehr lesen kann weil der Menschdelkuchen nach Menschester Art nichtmal in der Isle of Mensch verstanden wird, der Student_in der Geschicht_in sich nur noch mit den Alemeschen befassen darf weil ansonsten jemenschd beleidigt sein würde, weil die menschliche Ausdrucksweise der Alemenschen ja irgendwie falsch sein muß wenn selbst der Verein Alemenschia Aachen nur noch Trikots und Trikotinnen bei Amenschi kauft und mensch Frauen und Frauinnen nun nur noch in den Menschtel helfen darf aber bitte zu beiden Geschlechtern und Geschlechterinnen, nachdem man im Kino_in sich mit Batmensch amüsiert hat, weil man den oder die ja nur als Comic_in und nicht als Romensch lesen konnte, einen Film, in dem der/die/das ehemalige Bundespräsident_in Romensch Herzog_in neben Morgan Freemensch zu sehen war, was natürlich die Frage nach der/die/das Fortsetzung_innen und Fortset_zungen mit Dustin Hoffmensch aufwirft, wobei das Chaos inzwischen sogar Nicole Kidmensch erfasst hat, welche unromenschtisch und semenschtisch vollkommen sinnlos, von einem Kaimensch, einem großen Salamenschder gebissen wurde und ihr DIamenschtring verloren ging…. *hrrrrr*

Ich frage mich immer, warum eigentlich die zunehmende Verhackstückelung und Beleidigung unserer schönen Sprache, die ja auch nur von einer Minderheit überhaupt noch beherrscht wird, eigentlich nicht auch eine Gleichberechtigungslobby bekommt und künftig einfach jeden zumindest verbal über den Haufen schießen darf, der sich derart an ihr vergeht. Da hilft dann auch kein Talismensch. Mann, bin ich urlaubsreif….

Vom Vokalismus

Sprache und Sprachwissenschaft ist ja eines der Fächer, die so ein bißchen nebenbei laufen und bei denen kaum einer, der nicht daran beteiligt ist, genau sagen kann, welchen Zweck das Ganze eigentlich hat. Ich werde heute und in den folgenden beiden Tagen aus aktuellem Anlaß einiges aus der Sprachwissenschaft darstellen, was dem geneigten Leser vielleicht dabei helfen kann, seine eigenen Studien zu erweitern.

Was, zum Geier, ist „Vokalismus“?

Vokalismus ist, ganz einfach ausgedrückt, der Gesamtbestand der Vokale in einer Sprache. Im Deutschen sind das grundsätzlich nur fünf Stück: a,e,i,o und u. Dazu kommen allerdings Umlaute und Diphthonge, also aus zwei Vokalen bestehende Vokallaute. Wenn man nun im Rahmen der Sprachgeschichte Vokalismus untersucht, dann untersucht man also speziell zwei Bereiche: Den Wandel der Vokale und ihre Häufigkeit im Ausdruck. Das Gegenstück ist übrigens „Konsonantismus“, die Lehre von den Konsonanten.

Was hat sich denn mit den Vokalen so verändert?

Vokale sind eine tolle Sache: Erst sie geben dem Wort wirklich eine Bedeutung und lassen es uns sprechen, denn Konsonanten sind im großen und Ganzen klanglos. Vokale werden aber im Neuhochdeutschen recht einheitlich, in den Dialekten aber recht unterschiedlich benutzt. Das Bayerische beispielsweise verwendet mitunter mehr Vokale für das gleiche Wort: statt „Bruder“ sagt man „Bruada“.

Das ist tatsächlich ein sprachlicher Rest aus den mittelalterlichen Sprachen. Hier muß man sich zunächst eine Sache klar machen: Mittelhochdeutsch ist keine Einheitssprache, die uns irgendwie schriftlich überliefert ist, sondern mehr ein Ausdruck für eine Gruppe von Überlieferungen, denen eine ähnliche Grammatik und Ausdrucksweise zugrunde liegt, die aber dennoch große Unterschiede zueinander aufweisen. Mit Hilfe von Texten und ihrem sprachlichen Ausdruck ist es manchmal möglich, bestimmte Autoren festzumachen, von denen wir andere Texte schon kennen.

Vom Mittelhochdeutschen ins Neuhochdeutsche haben sich allerdings einige bestimmte Lautwandlungen vollzogen, von denen ich hier einige überblicksweise behandeln möchte:

  • die neuhochdeutsche Monophthongierung
  • die neuhochdeutsche Diphthongierung
  • die Entrundung der Umlaute und die kombinatorische Rundung
  • Senkung
  • Hebung
  • Dehnung
  • Kürzung
  • Diphthongwandel
  • die Weiterentwicklung des Umlautes
  • Ausgleichserscheinungen
  • die Entwicklung der mittelhochdeutschen e-Laute
  • und schließlich noch den Vokalismus in den Nebensilben.

Puh, ein ganz schönes Arbeitsprogramm. Das wird ein langer Artikel, packen wir’s also an.

Beginnen wir erst einmal mit den grundsätzlichen Fragen der Sprachentwicklung: Es gab vor dem 16. Jahrhundert keine einheitliche Schriftsprache, jeder schrieb, wenn er denn schrieb, so, wie er sprach. Daher geben uns die Texte einen zum Teil recht schönen Aufschluß darüber, wie man wohl früher gesprochen hatte. Maßgeblich zur Vereinheitlichung der Schriftsprache beigetragen hat die lutherische Übersetzung der Bibel, die Verbreitung erfolgte durch den Buchdruck. Nun sprach Luther aber gar nicht Hochdeutsch, sondern Mitteldeutsch, um genau zu sein, Obermitteldeutsch, eine Sprache, die sich im 11. Jahrhundert durch die deutsche Ostsiedelung und die daraus folgende Sprachmischung mit den ansässigen Völkern entstanden ist; Ein Teil dieser neuen Sprache hat auch Eingang in die Schriftsprache gefunden.

Mitteldeutsch? Ja, man unterscheidet Hochdeutsch, Niederdeutsch und Mitteldeutsch und so albern es auch klingt es hat etwas mit der Höhenlage der Wohnung der Sprechenden zu tun. Hochdeutsche Sprachen finden sich im Süden, Niederdeutsche im Norden des deutschen Sprachgebietes. Plattdeutsch ist beispielsweise ein Niederdeutscher Dialekt, sächsisch ist eher Mitteldeutsch und bayerisch ein hochdeutscher bzw. präziser ein oberdeutscher Dialekt. Das Oberdeutsche umfasst das Bayerische (allerdings das Altbayerische) und das Alemannische.

Fangen wir nun also mit den Besonderheiten an. Denn es gibt einige Dinge, die man im Wandel vom Mittelhochdeutschen zum Neuhochdeutschen festhalten kann und die uns auch systematisch vorkommen. Man muß sich nur im Klaren darüber sein, daß dieser Wandel nicht eine unmittelbare Weiterentwicklung darstellt, sondern eher punktuell stattfand. Da gibt es verschiedene Theorien, das eine ist die sogenannte Wellentheorie, die besagt, daß die Sprachentwicklung als Monogenese in kleinräumlichen Bereichen begann und sich dann wellenartig ausbreitete, und zum Anderen gibt es da die Entfaltungstheorie, die eine Polygenese behauptet, daß sich also die Sprachentwicklung an mehreren Stellen durchsetzte und viele Kleinräume so letztendlich einen Großraum ergaben.

Beginnen wir nun also mit der neuhochdeutschen Monophthongierung. Alleine das Wort verursacht ja gefühlt schon Kopfzerbrechen. Es bedeutet, daß im geregelten Lautwandel vom Mittel- zum Neuhochdeutschen ein Diphthong wie zum Beispiel „uo“ oder „ie“, das man im Mittelhochdeutschen tatsächlich komplett aussprach, zu einem Monophthong wurde, in den genannten Beispielen oftmals zu „u“ und zu „i“. Das ie ist insofern etwas Besonderes, weil sich die Schreibweise manchmal erhalten hat und das „e“ zu einem Dehnungs-e wird. Sprach man also mittelhochdeutsch „hier ruoft der reke küen“ jeden Buchstaben aus, so sagt man neuhochdeutsch „hier ruft der Recke kühn“. Es gibt eine Vielzahl von Wörtern, auf die dieser Vorgang zutrifft.

Was daran fasziniert ist die Tatsache, daß sich diese Sprachwandlung im Mitteldeutschen Raum, vor allem im Rheinland ausgebreitet hat und beispielsweise im bayerischen nicht angekommen ist. „bruoder“ (mhd.) ist im bayerischen „Bruada“geblieben, nur eine minimale Senkung der Vokale fand da statt.

Das genaue Gegenteil ist die neuhochdeutsche Diphthongierung. Hier wurde aus einem mittelhochdeutschen Monophthong ein Diphthong. Der Monophthong war im Mittelhochdeutschen oftmals ein langer Vokal, was man durch die Schreibweise mit einem Zirkumflex ausdrückte. Den Zirkumflex kennen die meisten wahrscheinlich noch aus dem Französischen, wo er in der Regel den Überrest eines ausgefallenen „s“ darstellt (frz. fenêtre = lat. Fenestra). Im Mittelhochdeutschen zeigt er an, daß ein Vokal lang gesprochen wird. Diese langen Vokale und manche Diphtonge (wie „iu“, das zu „eu“ wurde) werden im Neuhochdeutschen zu Diphtongen: „mîde lûte liute“ wird zu „meide laute Leute“

Kommen wir zu Rundungen und Entrundungen.
Die mittelhochdeutschen Vokale e, i und â werden im Neuhochdeutschen gelegentlich labialisiert, also gerundet. Gerundet heißt, ist wirklich so simpel, mit gerundeten Lippen gesprochen. So wird aus mhd. „helle“ nhd. die „Hölle“, aus „finf“ wird „fünf“, aus „mâne“ wird der „Mond“. Und was ist nun die Entrundung? Nun, der Übergang von gerundeten Monophthongen und Diphthongen zu auf gleicher Zungenhöhe benachbarten, ungerundeten Vordervokalen nennt man Entrundung. Das tritt allerdings nur vereinzelt auf, beispielsweise wird aus dem mittelhochdeutschen „küssen“ im neuhochdeutschen „Kissen“.

Senkung, Hebung, Dehnung, Kürzung
Das Mittelhochdeutsche sprach sich völlig anders aus. Vorhin habe ich ja erwähnt, daß man lange Vokale mit einem Zirkumflex ausstattete – und das bedeutet, daß man alle anderen Vokale mit wenigen Ausnahmen kurz gesprochen hat.

Die neuhochdeutsche Dehnung ist nun der Vorgang, daß ein kurz gesprochenes Wort heute lang gesprochen wird. So sagte man früher „Nibelungenklage“ und sprach dabei den Teil „klage“ wie „klagge“, wird das vielleicht klarer. Manchmal gibt unsere Schreibweise das wieder: Bei „Wiese“ zum Beispiel, was früher unter Umständen „wise“ geschrieben wurde.

Eine Kürzung ist genau das Gegenteil: Hier werden aus langen Lauten kurze. Kürzungen sind wesentlich seltener, da sie nur geschlossene Tonsilben betreffen. Hieß es also früher „hôchzît“ (zwei lange Vokale), sagt man heute „Hochzeit“.

Senkungen und Hebungen sind eine Ausspracheveränderung. Im Mittelhochdeutschen wird das „ei“ beispielsweise fast immer „e-i“ ausgesprochen, also das „e“ bleibt im Laut erhalten. „keiser“ wäre so ein Wort. Das wird im Neuhochdeutschen zu „Kaiser“ gesenkt. Aus „ouge“ wird „Auge“. Vor Nasal-Lauten findet das auch noch einmal statt: Aus „sumer“ und „sune“ werden „Sommer“ und „Sonne“.

Fortsetzung folgt…