Fundstück der Woche (29. KW): Wie man die Demokratie in 57 Sekunden aushebelt

Ist manchmal unglaublich, wie ich schon in meinem Artikel erwähnt habe. Hier nochmal der Video-Mitschnitt:

Kein Ruhmesblatt für die Parlamentarier – egal welche Fraktion.

Deutschland – Deine Super Märkte (Teil IX): Helfen Sie mit, Ihnen Müll zuzuschicken.

Wenn es etwas gibt, was ich für wirklich völlig daneben halte, dann ist es die Datensammelwut der Kaufhäuser. Mit jeder Payback und sonstigen Kundenkarte gibt man dem Unternehmen nebst Namen auch artig das Kaufverhalten preis. Ich mag es schon nicht, wenn ich an der Kasse nach meiner Postleitzahl gefragt werde – stets gucke ich dann auf meine Uhr und hänge noch eine Null dran. Neu ist allerdings, wie das beworben wird neuerdings beim Rossmann:

Bitte geben Sie Ihre Postleitzahl an - wir möchten Ihren Briefkasten füllen!

Bitte geben Sie Ihre Postleitzahl an – wir möchten Ihren Briefkasten füllen…

Die Luft wird dünner….

… in Europa. Bei einem Zusammenstoß zwischen Demonstranten und der Polizei in Madrid wurden 33 Polizisten und 43 Demonstranten z.T. schwer verletzt.

Das folgende Video zeigt ein paar Bilder der Demonstration:

Die Quelle ist hier zu finden. Nach dem Bericht gerieten einige Demonstranten in Panik als die Polizei begann, die Menge zu zerstreuen, wie ein pensionierter Bergmann der AP erklärte. Er sagte: „Wir waren friedlich zu Fuß dorthin unterwegs, wo die Gewerkschaftsführer sprachen und sie begannen, wahllos zu feuern. Es gab keine Warnung “
Die Demonstrationen richteten sich gegen den Abbau der Kohlebergbausubventionen in Spanien. Kohle ist ein wichtiger Bestandteil des Energiemarktes in Spanien, die Subventionen sollen um 63% gekürzt werden was laut Gewerkschaften  rund 30.000 Arbeitsplätze bedroht. Die Bergleute waren, die wandern aus dem Norden des Landes in den letzten zwei Wochen gewandert und wurden von Zehntausenden von Spaniern unterstützt, die auch gegen Ministerpräsident Mariano Rajoy protestierten. Der Ministerpräsident kündigte seine Entscheidung an, die Mehrwertsteuer um 3 Prozent zu erhöhen, als Teil des Plans, die öffentlichen Haushalte um  65 Mrd Euro in den nächten zweieinhalb Jahren zu kürzen. Rajoy verkündete außerdem einen 3,5-Milliarden-Euro-Schnitt auf lokale Staatsausgaben.

Der Marsch der Minenarbeiter auf Madrid erfuhr ein mäßiges Echo in den Deutschen Medien. Immerhin findet man dazu etwas auf Spiegel Online und in der Zeit, aber ansonsten ist die Nachrichtenlage eher dünn und es sind in den Berichten fast immer die Demonstranten, die als erste zuschlagen.

Seit Stuttgart 21 glaube ich sowas aber nicht mehr ohne weiteres. Ich war auf vielen Demos und habe auch schon einige erlebt, die aus dem Ruder liefen. Und es stimmt – wenn sich der schwarze Block oder andere Spinner unter die Demonstranten mischen, dann wird es gefährlich. Immer wieder erreichen mich jedoch auch Berichte und Erzählungen, wonach die Polizei gezielt Aggressionen schürt oder sogar selbst Leute unter die Demonstranten mischt um Rabatz anzufangen; Ist erstmal was passiert hat sie nämlich die „Pflicht“ einzugreifen. Das war besonders bei den Zusammenstößen rund um die Antiglobalisierungsdemonstrationen in Genua der Fall, was schließlich einen jungen Mann auch das Leben kostete.

Seit Stuttgart 21 sehe ich solche Vorkommnisse immer zweifelnder. Damals wurden nicht nur friedliche Linke und sogenannte „Chaoten“ (BILD-Jargon), sondern tatsächlich typisch bürgerliche Menschen aktiv, die auch prompt völlig verblüfft waren, wie man mit ihnen umging. Ein pensionierter Polizist berichtete, daß es auch auf der anderen Seite nicht einfach ist, er fühlte sich regelrecht „verheizt“ von der Politik. Der Artikel zitiert einen 30jährigen Polizisten mit folgenden Worten: „Ich weiß, dass wir bei brisanten Großdemos verdeckt agierende Beamte, die als taktische Provokateure, als vermummte Steinewerfer fungieren, unter die Demonstranten schleusen. Sie werfen auf Befehl Steine oder Flaschen in Richtung der Polizei, damit die dann mit der Räumung beginnen kann. Ich jedenfalls bin nicht Polizist geworden, um Demonstranten von irgendwelchen Straßen zu räumen oder von Bäumen runterzuholen. Ich will Gangster hinter Gitter bringen“

Wenn man so etwas liest kommen mehr als nur Zweifel an unserer Staatlichkeit. Ich weigere mich noch immer zu glauben, daß es eine systematische Unterdrückung Andersdenkender gibt, bin mir aber sicher, daß die gezielte Diffamierung ganz besonders von jungen Menschen, die sich für etwas einsetzen, stattfindet. Medien, Politik und wer auch immer die Politik manchmal lenkt. Nach und nach werden da ja immer mehr Dinge, besonders in Baden-Württemberg aufgedeckt, die schlimmeres erahnen lassen.

In welche Welt, in welche Zeit geraten wir, wenn die Verfassungen nicht mehr gelten und alles dem Gewinnstreben, ja schlicht der Habgier untergeordnet wird? Wenn die Polizei nicht mehr als Diener der Gesellschaft, sondern als ihr Unterdrücker agieren muß, als Erfüllungsgehilfe von Politikern, die auch nur als Erfüllungsgehilfen mächtiger Konzerne und Banken für das Volk die Demokratie spielen müssen? Man sehnt sich nach der CDU-Spendenaffäre zurück, als lediglich eine Handvoll krimineller Verfassungsbrecher eine konservative Partei ruinierten, nachdem sie das Ansehen des Landes nach Kräften zu erniedrigen gesucht und die deutsche Einheit mutmaßlich um Jahre verzögert hatten, nachdem die Sowjetunion ziemlich empört auf Kohl reagiert hatte.
Als 1998 Gerhard Schröder und die SPD mit den Grünen zur allgemeinen Verblüffung an die Macht kam überschlug sich die neue Regierung zunächst in dem ernsthaften Bestreben, alles besser zu machen als die Vorgänger. Vor lauter Eile begannen sie allerdings, Murks abzuliefern wie das berühmte Scheinselbstständigen-Gesetz, das manche durchaus normalen Arbeitsverhältnisse plötzlich verunmöglichte.

Dann aber begann das Versagen der europäischen Sozialdemokratie, die Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts ziemlich mehrheitlich die europäischen Regierungschefs stellte (Wobei die Auflistung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt):

Natürlich gab es noch konservative Regierungen, Berlusconi war in Italien immer wieder Ministerpräsident, aber selbst in der Schweiz war mit Ruth Dreifuss von 1999-2002 eine Sozialdemokratin Präsidentin. Im Europäischen Parlament spiegelten sich diese Mehrheiten nicht direkt wider – und tatsächlich machte die gesamte Europäische Sozialdemokratie den Fehler, die Errungenschaft der Arbeiterklasse, die Emanzipation des Arbeiters von der Sache zur Person bis hin zum Menschen, den Verlockungen der vermeintlichen Gewinne der neoliberalen Denkrichtung zu unterwerfen.

Seit 2005 regiert nun bei uns Angela Merkel – eine schwierige Aufgabe in einer Zeit der katastrophalen Wirtschaftskrisen. Spätestens jedoch seit der Entstehung der zweiten Schwarzgelben Koalition 2009 steht die Regierung des Bundes, sowie die meisten Länder unter einem permanenten, und leider nicht unberechtigten Korruptionsverdacht.
Korruption (vom lateinischen „corruptus“; bestochen) ist so ziemlich das schlechteste, gefährlichste und tödlichste, was einer Demokratie passieren kann. Ein korrupter Politiker benutzt die ihm vom Volk gegebene Macht um Einzelne zu begünstigen und das möglichst im Gegensatz zum Gemeinwohl, welches eigentlich seine Hauptaufgabe darstellt. Schon im Mittelalter waren sich große, internationale Organisationen wie die Kirche darüber im klaren, daß ein gewisses Maß an Korruption das Vertrauen in die Organisation als solche nicht nur erschüttern, sondern schwer verwunden kann, siehe Ablaßhandel.

Die Menschen werden ungehalten und in Griechenland wie in Spanien, die von der Korruption mit am stärksten betroffen waren, sollen nun die Leute, die schon unter den bisherigen Ausbeutungen gelitten haben, noch die Zeche dafür bezahlen. Auch bei uns ist das so und beschäftigt auch gerade das Verfassungsgericht, selten aber geht der Deutsche für eine Sache gemeinschaftlich auf die Straße. Das ist in Spanien anders; und wie man manchen Berichten entnehmen kann wurden dort auch Kinder von Gummigeschossen verletzt.

Das ist auch so ein nettes Wort: „Gummigeschosse„. Klingt nach einer harmlosen Spielerei, einem auf-die-Finger-Klopfen seitens der Polizei an gewalttätige Demonstranten, die ja bekanntermaßen mit Molotowcocktails und Steinen werfen. Nur so ist das ganz und gar nicht.
Gummigeschosse werden von Pistolen oder, wie hier in Madrid, von Gewehren abgefeuert und können schwere Verletzungen verursachen. Darum sind Polizisten eigentlich angehalten, solcherlei Geschosse keinesfalls auf Kopf oder Hals oder den Rücken eines Opfers zu richten. Mal abgesehen davon daß sie das trotzdem gerne tun: Wie das folgende Video zeigt feuerte die Polizei in Madrid zum Teil schlicht blind in die Menge oder ballistisch irgendwo hinein – man versuchte offenbar die Demonstranten entweder massiv einzuschüchtern oder aber eine gewalttätige Reaktion herbeizuführen, was in der Berichterstattung die Legitimität des Protestes in Zweifel gezogen hätte.

Was bleibt ist ein weiterer Riß zwischen Regierenden und Regierten. Ein weiteres Steinchen in dem Mosaik der Verzweiflung, an dem demagogische Spinner ebenso eifrig arbeiten wie habgierige Angehörige der Oberschicht und deren Handlanger. Man muß sich mal eben über eine Tatsache wirklich klar werden: Im Europa des 21. Jahrhunderts wird auf Menschen, die ihre Meinung und ihren Unmut ausdrücken, geschossen. Und zwar willkürlich, nicht auf ein paar mögliche extreme Spinner. Nein, auf ganz normale Arbeiter die nichts anderes verlangen als daß man ihnen nicht einfach die Existenzgrundlage wegnimmt, weil irgendeine international agierende Bank grad einen schlechten Tag hat.

Die sogenannte Schuldenkrise ist keine Krise der Staatsschulden, das muß der Öffentlichkeit endlich mal wider den Mainstream deutlich gemacht werden. Eifrig arbeiten die Medien daran, jedem die Logik zu vermitteln, daß Staaten, die ja „über ihre Verhältnisse gelebt haben“ nun in eine Schuldenkrise geraten sind, gerade so wie ein Oniomane. Das Perfide hinter dieser Verknüpfung ist, daß damit alle sozialstaatlichen Errungenschaften, die Europa eigentlich ausmachen und die maßgeblich zum europäischen Frieden der letzten 60 Jahre geführt haben, damit als eigentliche Verursacher der Krise dargestellt werden – und nicht die eigentlichen Verursacher: Finanzjongleure, die auf Lebensmittel wetten und der Rendite wegen kleine Kinder verhungern lassen, maßlose Spieler, die ganze Staaten hopsgehen lassen um eine Wette zu gewinnen und gewissenlose Spekulanten, die sich einen Dreck dafür interessiert haben, wer bei ihren Hochrisikogeschäften eigentlich am Ende die Zeche zahlt.

Überlegen Sie mal: Wenn einer ein Casino aufmacht und die Spieler darin pleite gehen – würden Sie es als Ihre Aufgabe als Steuerzahler sehen, die Spieler wieder mit Geld auszustatten? Jetzt nicht so, wie man es erwartet, als Sozialdemokrat; Nämlich daß man ihnen auf die Füße hilft und ihnen den Weg weist; sondern so, daß die Spieler hinterher das verlorene Geld von Ihnen wiederbekommen – und der Casinobesitzer freundlich lächelt. Klingt doch irgendwie seltsam, nicht?
Genauso funktioniert aber grad die europäische Politik – weil man den Politikern glaubhaft Angst gemacht hat, ansonsten durch zwei, drei Bewertungsänderungen und ein halbes Dutzend Spekulationsgeschäfte gleich mal die ganze Währung, den Euro, und dazu das daran gebundene Staatengebilde zu zerstören.

Letztendlich droht uns die Finanzwirtschaft mit Krieg und die Politik tut alles, um das zu verhindern. Bei Demonstrationen wie der in Stuttgart oder auch nun der in Madrid wird klar, was das bedeutet: Sie lässt notfalls auf das eigene Volk schießen. Ist das noch Demokratie?


Vom schönen Wald

Kannst du den schönen Wald noch sehen
durch all die Bäume dieser Zeit?
Kannst du die Stimme in dir hören
wie sie verstört nach Hilfe schreit?

Kannst du die Bestie in dir spüren
wie sie versucht dich auszuhöhlen
mit Dingen, die dich erst verführen,
doch dann beginnen dich zu quälen?

Kannst du dich noch im Spiegel sehen
durch all den Wahnsinn dieser Welt?
Kannst du noch stolz und aufrecht gehen
und sagen dass dir Alles so gefällt?

Spürst du die Last auf deinen Pfaden,
durch deine Zwänge und Fassaden,
durch all den Scheiß nach dem wir streben
und dabei viel zu oft vergessen… zu leben?

Kannst du den schönen Wald noch sehen
durch all die Bäume dieser Zeit?
Kannst du die Stimme in dir hören
wie sie verstört nach Hilfe schreit?

Kannst du noch durch den Spiegel sehen
durch all den Wahnsinn dieser Welt?
Kannst du noch stolz und aufrecht gehen
und sagen dass dir Alles so gefällt?

Willst du den schönen Wald noch sehen
durch all den Wahnsinn deiner Welt?
Willst du noch stolz und aufrecht gehen
und sagen dass dir nicht Alles so gefällt?

Zum Weiß Ferdl…

Nachdem ich einige recht unfreundliche Kommentare erhalten habe möchte ich doch kurz dazu Stellung beziehen, daß ich als Sozialdemokrat mit einem Mann wie dem Weiß Ferdl so viel anfangen kann. Der wird ja gerne als Nationalsozialist beschrieben, was nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig ist.

Weiß Ferdl, eigentlich Ferdinand Weisheitinger, ist 1883 geboren worden und starb 1949. Er war als bayerische Volksschauspieler und Sänger bekannt, aber vor allem seine satirischen Bühnenprogramme sind heute den meisten überliefert, darunter eben die Linie 8, wie auch das bayerische Wikipedia in aller Kürze vermerkt. Er war, das muß man klar sagen, ein früher Anhänger des Nationalsozialismus, trat allerdings erst um 1940 der Partei bei, was vermutlich auch mit seinen zum Teil sehr kritischen Bühnenwerken zu tun hatte.

Weiß Ferdl war sicher kein Widerstandskämpfer, aber er hat in einer Zeit, als ein Großteil des Volkes sein Denken kollektiv eingestellt hatte, sich immerhin Geist und Charakter bewahrt. Es geht das Gerücht, daß er öfter mal nach Bühnenauftritten von der stets anwesenden Polizei einkassiert worden ist und sogar eine regelrecht private Zelle in Stadelheim hatte. Ein schönes Beispiel war ein Auftritt mit einem großen Koffer. Er verkündete dem Publikum und den dort anwesenden Polizisten, er habe „die ganze Regierung darin“. Auf Befehl des sofort herbeigeeilten Schutzmannes öffnete er den Koffer in dem sich nur Stofffetzen befanden. Als der Polizist nach kurzer Durchsuchung eher überrascht rief: „Da sind ja nur Lumpen darin!“ Soll der Weiß Ferdl locker geantwortet haben: „Das haben jetzt Sie gesagt.“ Den Mut sieht man heute eher bei den Priols und Schramms, eher selten schon bei einem Pispers und kaum bei einem anderen.

Ein anderes Beispiel, das mir meine Großmutter erzählt hat, gefällt mir noch besser: Weiß Ferdl betritt mit einem Hitlerporträt die Bühne, stellt es zunächst an die linke Seitenwand, dann an die rechte, anschließend in die Mitte. Auch das gefällt ihm nicht und er hält es an verschiedenen Stellen am Hintergrund hoch. Schließlich, bislang wortlos, nun scheinbar ratlos, wendet er sich ans Publikum und fragt: „Was meinen Sie? Hänegen wir ihn auf oder stellen wir ihn an die Wand?“
Weiß Ferdl hat sich auch immer kritisch mit seiner Zeit auseinandergesetzt. So hat er 1946 sehr schön im Refrain des Liedes „Unser Fähnelein weht weiß und blau“ eingefügt: „Und jetzt weht’s Fähnelein wieder – mit Genehmigung der Militärregierung – aber weiß und blauhu!„. Auch sah er den Entnazifizierungsvorgang eher kritisch, man darf gerne drüber streiten wie er es meinte wenn er ins Publikum 1946 rief: „Und wenn ihm sonst nichts zu beweisen war: Hitler-Briefmarken hat er bestimmt von hinten abgeleckt!“ Ein anderer Stropheneinsatz fällt auch auf, wieder aus dem „Fähnelein“:

„Das Bayernlandle, ja, das muß bestehen.
Wo soll’n die vielen Flüchtling‘ auch sonst hingehen?
Mir wer’n net weniger, auf keinen Fall
zu uns da kummans her von überall.
Do geht’s uns guat, sie wissen’s ganz genau:
Wo aber weht das Fähnelein schön, aber weiß und blau?“

Erinnert in gewissen Noten doch an sehr aktuelle Aussagen, nicht wahr? So richtig haben sich manche Dinge nicht geändert. Einen anderen Text vom Weiß Ferdl möchte ich Ihnen hier noch vorstellen, er stammt aus dem Jahr 1932 und heißt: „Die Großkopferten“.
Bevor ich den Text nun bringe, zur Unterstützung meiner Nordlichterleser: Ein „Großkopferter ist einer, der bestimmt. Am Ort sind das meist die reichen Bauern und heutzutage eventuell die Familien mit viel Grundbesitz oder einer Firma. Auf Bayern bezogen sind es die Großindustriellen, die Großbanker und die Spitzenpolitiker. Das sind Großkopferte.

Schon im Altertum freuten sich die Leute, wenn ein Spaßvogel über die Großkopferten etwas sagte. Und das ist bis zum heutigen Tage gleich geblieben. zur Zeit hat halt ein Komiker bei diesem Thema Konzentrationshemmungen, Sie werden das verstehen. Aber ich weiß auch, das die wirklich großen Männer, daß die auch einen Spaß verstehen, die lachen selber drüber, und sie wissen ach, daß wenn ein kleiner komiker einen Witz macht, daß ihre Position noch lange nicht erschüttert ist.
Unangenehm sind aber die anderen, die sich immer einbilden, Großkopferte zu sein, und sind gar keine. Sie, Gschaftlhuber hat’s schon immer gegeben, man nennt sie jetzt ‚Hundertzehnprozentige‘. Man wird doch noch lachen dürfen. Es heißt ja immer: ‚Kraft durch Freude‘. Gibt es eine größere Freude als wie die Schadenfreude?
Nein. Über die prominenten Persönlichkeiten existieren schon viele Witze, die die Herren sicher selber kennen. Interessant ist es nur, wie die erzählt werden. Während die wirklichen Nationalsozialisten, SA und SS solche Witze wirklich hemmungslos und mit voller Namensnennung erzählen, ihnen kann ja nix passieren, sind andere etwas vorsichtiger:
Er trifft einen Freund, will ihm den Witz erzählen, schaut rechts, schaut links und nach unten und dann wispelt er ihm ins Ohr den Witz. Wenn nun sein Freund lacht, dann ist alles in Ordnung, wehe aber wenn der ein bedenkliches Gesicht macht: Dann kriegt’s der Witzeerzähler gleich mit der Angst und sagt: „Ja, ich hab ihn halt auch g’hört, ja? Er wird jetzt überall erzählt, mhm, ja, also, Heil Hitler, gell?“
Der Name des Führers, der muß viel zudecken, wenn sich zwei streiten, so kommen sie sofort auf das politische Gebiet.
Neulich hat ein Hausbesitzer, eines der bedauernswertesten Geschöpfe der Jetztzeit, mit einem Spenglermeister einen Krach gehabt, wegen den Dachrinnen, ned, und sagt also: „Ihr seid’s ja ausg’schamt, mit Eich konn ma ned orbeiten, Ihr seid’s ja ärger wie sie Juden!“ Jetzt fängt der Spenglermeister an: „So? Da hoaßt’s allweil ma soit dem Handwerkererstand wiada auf’s Fiaß heifa, weil ma a so scho hoibat am verrecka san; na wenn ma a paar Penning verlang‘, na is Eich grod as zuvui, es Hungerleider, es traurigen! Es wart’s ma die richtigen Volksgenossen, hm? Woit’s an Hakenkreuzfanderl raushänga und am andern de Gurgl zudrucka, schamt’s eng!“
Jetzt fing aber der Hausbesitzer an: “ A so kamst ma Du, Du Aprilnazi, Du trauriger, Du eam schaug o, Du bist ja erst zu uns kemma wias koa andere Partei mehr geb’n hat..!“

Man könnte das nun ewig fortsetzen. Ein Stück Zeitgeschichte ist es allemal. Eines aber möchte ich trotzdem gesagt haben: Auch das gehört zu unserer Vergangenheit – und ehrlich gesagt, einen besseren Blick auf die Verhältnisse als so durch eine Quelle kann man kaum bekommen.

Lastknightniks Woche (27/2012)

Wie (fast) jeden Freitag eine kurze Nachschau über die fünf m.E. nach wichtigsten oder interessantesten Geschichten der Woche zur Nachlese.

Eigene Artikel:

Ansonsten:

Die Vereinigten Staaten von Europa. Ein Traum.

Manchmal wünsche ich mir, die Vereinigten Staaten von Europa wären bereits Wirklichkeit. Das wäre schön. Manches Hindernis wäre endlich weg und vor allem dieses alberne Provinzdenken, das dazu führt, daß jeder Dorfbürgermeister erst noch seine eigenen Schäfchen ins Trockene bringen kann, wäre dann endlich vorbei.

Was ist eigentlich Europa? Was ist die EU? In vielen Köpfen ist die EU mittlerweile eine Bedrohung geworden; Was vormals vor allem eine stockkonservative Ansicht war, nähmlich daß die EU letztlich die Aufgabe nationaler Identität sei, ist mittlerweile im Zuge der Schulden-, die ja eine Bankenkrise ist, ins linke Lager eingerückt. Von den Befürwortern werden stets ähnliche Argumente gebracht: Daß uns die EU eine einheitliche Währung (derzeit schlecht ein Pro-Argument), Zoll- und Grenzfreiheit (Yep, aber die Zölle in die EU rein sind z.T. astronomisch!) und vor allem, und das ist für mich das einzige, wirklich zählende Argument, daß uns der Weg hin zur EU 60 Jahre Frieden, Freiheit und Wohlstand beschert hat. Und das stimmt auch.

Von Jean-Claude Juncker, dem Vorsitzenden der Euro-Gruppe und Premierminister von Luxemburg, stammt ein wirklich gutes Zitat: „Wer an der Idee Europas zweifelt, der sollte Soldatenfriedhöfe besuchen.“

Allerdings ist die EU leider mehr. Den meisten Bürgern ist sie zuallererst unheimlich, was viel damit zu tun hat, daß es zur erfolgreichsten Strategie von Politik und Medien gehört, Europa, die EU/EG oder „Brüssel“ für irgendeinen Mißstand verantwortlich zu machen. Als ich 2009 bei einer Wahlkampfveranstaltung „meines“ CSU-Bundestagsabgeordneten Max Lehmer darauf hinwies, daß er in seiner Rede sechs „Vergehen der EU“ aufgelistet habe, die seine Partei alle samt uns sonders im europäischen Parlament in Straßburg bzw. im Rat der Europäischen Union mitbeschlossen habe, hat man mir – von Seiten des CSU-Wahlvolkes! – „Kleinlichkeit“ vorgeworfen. Ähnlich erging es mir, als ich ihn bei einer Debatte nach dem extakten Sinn seiner Worthülsen fragte, auch das kam bei den Anhängern, naja, mäßig an.
Dennoch ist das „böse Europa“ ein beliebtes Mittel unter Politikern, da die meisten Bürger nicht verstehen – und nicht verstehen sollen (!) – wie Europa eigentlich funktioniert. Auch die Presse hat da entweder gewollt oder ungewollt ernstzunehmend Probleme; Schon die Unterscheidung zwischen der EU und dem davon völlig unabhängigen Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte scheint immer wieder für Probleme zu sorgen.

Die EU, das ist vielen Bürgern nach und nach klargeworden, scheint mehr oder weniger in der Hand mächtiger Lobbyvertreter zu sein. Eines der mächtigsten Konglomerate diesbezüglich ist die Agrarlobby, der man nicht nur die Gurkenkrümmung (siehe Rahmentext) sondern auch die mächtige Zollbehörde verdankt, die Agrarprodukte der EU vor billigen Produkten aus dem Ausland schützt, indem z.B. amerikanischer Weizen künstlich so verteuert wird, daß er hierzulande nicht erschwinglich ist.

Die sogenannte Gurkenkrümmungsverordnung war eine von der Europäischen Union auf Anraten der Uno-Wirtschaftskommission für Europa eingeführte Verodnung, die besonders im Interesse der Gemüsegroßhändler war. Dieses „Symbol der Bürokratie“ war im Grunde nichts anderes als eine Umsetzung einer direkten Forderung aus der Wirtschaft.
Hintergrund dieser Forderung war vor allem eine Normierung, die den Transport erleichtert und damit verbilligt und außerdem eine gewisse Qualitätssicherung darstellt. Bis heute ist die Norm (die 2009 abgeschafft wurde) in vielen nationalen Gesetzgebungen weiterhin in Kraft bzw. wird sogar vom Großhandel intern weiterhin umgesetzt.
Ein Nebeneffekt dieser Regelung war aber auch, daß bei vielen krumwachsenden Gurken manche Kleinbauern durch die Verluste in den Ruin getrieben werden konnten – während die Großindustrie die Verluste leicht abschreiben konnte.
Weiteres dazu findet man in der Wikipedia und hier.

Dank der Krise haben die Bürger nun aber immer mehr gesehen, daß insbesondere die Finanzlobby mehr oder weniger machen kann, was sie will. Sie kontrolliert durch einige wenige Politiker mehr oder weniger die Europäische Union, Bankengesetze werden keinesfalls verschärft und das muntere Verschleudern und Wetten zu Lasten des Steuerzahlers geht fröhlich weiter. Die EU, die als übergeordnete Institution den Bürger eigentlich schützen sollte, hat sich in den Augen vieler längst zum eigentlichen Verbrecher gewandelt.

Die Vereinigten Staaten von Europa

In allererster Linie fühle ich mich als Europäer, erst in zweiter Linie als Deutscher. Das hat auch etwas damit zu tun, daß Ich als 1982er Jahrgang die EU als selbstverständlich erlebt habe, sobald ich groß genug war um mich überhaupt für sowas wie Politik zu interessieren. Ich habe mit meinen Eltern die Fahrt nach Österreich gemacht, wo wir erstmalig nicht mehr an der Grenze anhalten mußten und mein Vater hat mir erklärt, warum. Als ich alt genug war, um selber reisen zu können gehörte die Reisefreiheit für mich einfach dazu. Erstmalig kamn ich mit den Verhältnissen „von früher“ in Kontakt, als ich nach Rußland gefahren bin: Visum, Ausreisenachweis, Aufenthaltsbescheinigung – fürchterlich. Als würde ich da illegal einwandern wollen – was zugegebener Maßen manchmal seinen Reiz hat.

Ich kann mich an einen Text aus der Schule erinnern, da haben wir gerade die Deutsche Einigungsbestrebung (1848-1871) behandelt; der Autor des Textes ist mir nicht mehr geläufig und leider finde ich auch das Heft nicht mehr in das ich den damals eingeklebt habe. Auswendig kann ich ihn dennoch:

„Sohn, sag, was bist Du?“
„Vater, ich bin ein Deutscher.“
„Ein Deutscher? Was soll das sein? Du kannst sein ein Sachse oder ein Bayer, vermagst Tiroler sein mit Wurzeln in Mailand. Doch ein Deutscher kannst Du nicht sein – das gibt es nicht.“
„Vater, ich bin ebenso ein Deutscher wie ein Sachse. Meine Nation ist das Deutsche, meine Heimat der Sachse.“

Letztendlich spiegelt das wider, wie damals die ältere Generation über die seltsamen Träumereien der Jugend dachte, die in Turnvereinen und Burschenschaften über ein geeinigtes Deutsches Reich nachdachte und das mit der Revolution 1848 auch durchzusetzen versuchte. Wir Deutschen sind, wie man so schön sagt, eine „Kulturnation“ – und damit eigentlich ein Vielvölkerstaat.
Warum soll so etwas nicht auch auf europäischer Ebene gehen? Wenn man mal das Provinzdenken beiseite schiebt sind die kulturellen Unterschiede zwischen Münchnern und Parisern nicht sonderlich größer als zwischen Münchnern und Berlinern. Das eine ist aber eine „fremde“ Nation, das andere nicht.

Von den grundsätzlichen Dingen
Manche Dinge müssen allerdings vorher grundsätzlich hinhauen: Um einen Staatenbund in einen Bundesstaat umzubauen benötigt man einiges. Blickt man in die USA, die (sehr grob gesprochen!) die Unterteilung: „Bund macht Außenpolitik, die Staaten machen Innenpolitik“ haben, so wäre ein Beispiel gegeben, das allerdings nicht wirklich in die Europäische Denkweise passt. Die Auseinandersetzungen rund um die Gesundheitsreform von Obama („Obamacare“) kann man nur dann verstehen, wenn man sich darüber klar wird, das hier die US-Regierung eigentlich in die Zuständigkeiten der Staaten, in deren innere Autonomie eingreift. Das regt die Wahnsinnigen rund um die Tea-Party so auf.

Europa benötigt dreierlei Dinge zunächst: Eine gemeinsame Verfassung, die eine funktionelle, demokratische Staatlichkeit ordnet (i.e. Unter Kontrolle des europäichen Parlamentes, das direkt von der Bevölkerung gewählt wird!). Eine europäische Regierung, die sich nicht mehr aus den Regierungen der Länder bzw. irgendwelchen abgeschobenen schwäbischen Maultaschen zusammensetzt; Am besten auch diese direkt gewählt. Und Drittens eine einheitliche Steuer- und Abgabengesetzgebung, damit endlich Schluß ist daß sich Länder in Europa auf Kosten ihrer Nachbarn bereichern.

Daneben gibt es eine Reihe Dinge, die zu tun wären: Wir brauchen eine Wehrreform, die ein Europäisches Verteidigungsheer vorsieht, das nur innerhalb europäischer Grenzen arbeiten darf, es sei denn, es erfüllt einen humanitären (!) Auftrag. (Es wäre Schwachsinn, wenn die Grenzsoldaten zugucken wie vier Meter hinter der Grenze ein Kind ertrinkt) Ob diese europäische Armee dann Teil der NATO ist oder nicht sollten schlicht die Bürger entscheiden dürfen.
Außerdem sollte es die Möglichkeit von europäischen Bürgerentscheiden geben, natürlich mit Quorum aber nicht mit nationalem Quorum mehr; Das ist zwar irgendwo ungerecht für kleinere Gruppen, aber es sollte dann jenen eben die Aufgabe gestellt werden, Mehrheiten zu finden. Die EU krankt daran, daß Straßburg und die Bürger entmachtet und Brüssel der alleinige Machtfaktor ist; Wäre es umgekehrt wäre mancher Kelch an uns vorbeigegangen. Derzeit steuert die Kommission Europa und Merkel die Kommission. Und manchmal fragt man sich, wer Merkel steuert.
Demokratie heißt aber letztendlich die Diktatur der Mehrheit über eine Minderheit – zeitbegrenzt. Daß die Diktatur einer Minderheit keine gute Idee ist, auch wenn es zeitbegrenz ist, sieht man derzeit sehr schön in Deutschland. Oder, was das betrifft, in Spanien, Griechenland, Portugal.

Das sind jetzt nur die ersten, eher spontanen Gedanken. Aber ich persönlich fühle mich in erster Linie als Europäer, in zweiter als Deutscher, in Dritter als Bayer und eigentlich bin ich Pöringer… 😉

Vom neuen Meldegesetz

Normalerweise liest man derartiges in der Süddeutschen oder sogar bei der FAZ; Ausgerechnet Chip.de machte mich heute auf eine neue Frechheit unserer sogenannten Bundesregierung aufmerksam: Ein neues Meldegesetz.

Derartige Artikel sucht man normalerweise nicht bei einem Computermagazin. Dennoch hat Chip.de darauf hingewiesen, wie das neue Meldegesetz funktioniert und das ist wirklich erstaunlich. Das Meldegesetz ist eine historische Regelung des Staates: Der Staat führt eine Art gigantische Adresskartei und versucht über die Meldepflicht damit Schritt zu halten, diese Adressdaten auch auf dem aktuellen Stand zu halten. Diese daten können abgefragt werden, beispielsweise wenn ein Schuldner versucht, sich abzusetzen, aber so ganz einfach war das bislang nicht. Insbesondere Unternehmen, die Daten gerne für Werbezwecke verwenden (Adresskarteien zum Beispiel die über Ihre Käufe Daten führen und mit Unternehmen wie Quelle oder Neckermann zusammenarbeiten so daß ein Käuferprofil inkl. Zahlungsmoral aufgebaut werden kann.), hatten da bislang keine Chance. Das Neue Gesetz hingegen ist dahingehend besonders perfide: Das Unternehmen darf einen (kostenpflichtigen) Datenabgleich durchführen.

Das heißt auf gut Deutsch, daß die Unternehmen nur irgendwelche Daten über Sie haben müssen und schon dürfen sie sich auf den aktuellen Stand bringen. Ihr Widerspruch bringt da nichts. Und die Daten kann man sich schnell holen – von der nächsten Telefonbuch-CD zum Beispiel.

Nun könnte man sich fragen, ob das Ganze eigentlich die Aufregung wert ist. Was soll’s, Adressdaten stehen auch im Telefenbuch, oder? Naja. Beschlossen wurde die Chose am 28.6., also genau am Tag des Deutschlandspiels (Halbfinale) der Fußball-EM. Ganz zufällig. Übrigens von ca. 30 Abgeordneten, auch das nur mal so am Rande… Alleine diese Methodik ist schlichtweg perfide. Das nächste ist, daß die Datensammelei von Privatunternehmen eine wirklich gruselige Sache ist; Jede Payback-, Punkte-, Kunden- oder Cash-Karte sammelt nicht nur Daten für den Kunden (also wieviel er in den Laden investiert hat und dementsprechend welche Ansprüche er hat) sondern auch für das Unternehmen (Ah, Frau Meier kauft gerne blaue Seidenunterhosen. Da können wir sie in diese Kategorie tun und sie bekommt künftig verstärkt Seidenunterwäschewerbung).

Diese Daten nun werden auch wiederum gerne von Adresskarteien gekauft und weiterverkauft. Somit entsteht ein gläserner Bürger den auch Orwell sich in seinen schlimmsten Alpträumen nicht hätte ausmalen können. Wenn nun die Unternehmen noch dazu die Möglichkeit erhalten, die Daten der Bürger, die der Staat so sammelt, zu erwerben, dann ist da ein großer Schritt getan. Ich frage mich, welche Lobby mit welchem Spendenversprechen die Regierung diesmal gek… ich meine, gemietet hat.

Nachtrag, 9. Juli: Mittlerweile haben sie es doch gemerkt. Kleine Lektüresammlung:

Süddeutsche Zeitung
7.7.2012
7.7.2012
9.7.2012 (Kommentar)
9.7.2012

Frankfurter Allgemeine Zeitung:
7.7.2012
9.7.2012

Frankfurter Rundschau:
7.7.2012
9.7.2012 01
9.7.2012 02
9.7.2012 03
9.7.2012 04

Na, immerhin tut sich nun endlich was. Chip war am 4.7. trotzdem schneller als die anderen.