Jaja, das Märchen gibt’s immer noch.
hihi
Jaja, das Märchen gibt’s immer noch.
hihi
Ekeln Sie sich gern? Ich nicht. Deswegen besitze ich weder Fernseher noch Radiogerät. Dennoch bin ich auf dieses Interview aufmerksam geworden.
Sarrazins Aussagen sind, abgesehen von der bildhaft hochnäsigen Art, interessant:
Informationen sucht der geneigte Zeitgenosse ja eher selten auf RTL zu erlangen – abgesehen von einer gewissen Bevölkerungsschicht vielleicht die Harald Schmidt mal recht boshaft karikiert hat. Daß Sender wie RTL oder auch ProSieben sich gerne Opfer suchen über die sie herziehen können ist dabei nichts neues – nur diesmal ging der Schuß nach hinten los.
RTL zeigte diesen Beitrag über die GamesCon 2011 – eine Computerspielemesse. Und natürlich mußte für das zu verängstigende Publikum eine gute Mischung aus potentieller Gewaltgefahr und psychischer Unterprivilegiertheit dargestellt werden. Also sichte man Typen mit Gewehrattrappen und machte sich über das Äußere möglichst vieler Teilnehmer lustig, das ganze garniert mit „kritischen Stilfragen“ eines hübsch anzusehenden, letztlich sich aber dem Sender prostituierenden Models. Aber schauen Sie selbst:
(nebenbei:Ich hab das Video am 26.8. verlinkt. Falls es nicht mehr geht werde ich es ersetzen).
Fazit: Männer, die Computerspiele spielen sind unrasiert, faul, stinken und haben keine Freundin. Frauen die solche Spiele spielen auch. (z.B. RTL-Sportspiele…). Natürlich soll der geneigte Zuschauer nicht all die RTL-Mainstream-konformen Typen im Hintergrund der Interviews betrachten sondern explizit an der Demütigung der einzelnen Typen teilhaben. Denn um nichts anderes geht es.
Wie Gamer nunmal so sind laufen Sie Amok bei RTL. Aber mit den Waffen des schmierigen „Journalismus“ von RTL selbst. Der Bericht ist genauso daneben und folgt einer „Wie Du mir, so ich Dir“-Ideologie der letztlich eher fehlgeleitete Christen mit Bibel-Halbwissen folgen, aber eine kleine Rache hatte RTL auf jeden Fall verdient.
Heute ist Vicco von Bülow gestorben – mit ihm verliert Deutschland einen großen Künstler. Mein herzliches Beileid der Familie und vielen Dank an Loriot für unzählige Stunden voller Lachen.
Die Sueddeutsche Zeitung war ja vor einigen Jahren mal eine halbwegs brauchbare Zeitung. Leider muß man seit der Online-Entwicklung das Präteritum gebrauchen; Selten war der Niedergang einer einstmals großen Zeitung so sichtbar wie bei SZ-Online.
Ob Boulevardesk, schmierig oder peinlich, in der Konkurrenz zu Bild.de lässt sich kaum ein Online-Magazin wirklich lumpen. Der schlimmste Ausreißer dieser Art ist sicherlich Spiegel Online, eine schmierigere Gruppe ist höchstens noch die PARTEI.
Aber heute gibt es wieder etwas schönes bei der Sueddeutschen, was ich gleich zum Fundstück erheben möchte:
Verfolgen Sie live wie bei jedem Sportereignis wenn Menschen sterben. Das ist die moderne Sueddeutsche Zeitung: Statt investigativ investment…
Haben Sie schonmal eine Gespensterreise nach Edinburgh gemacht? Ich nicht, war aber schon zwei- oder dreimal da und hab natürlich auch so eine Ghost-Tour mitgemacht was ziemlich lustig ist. Finden wohl auch andere, zum Beispiel die Sueddeutsche, der Spiegel und die Frankfurter Rundschau. Und weil das so einmalig ist kann man dafür anscheinend auch immer nur die gleichen Worte finden…
Heute halten wir mal drei nicht als Anzeige gekennzeichnete Artikel nebeneinander: Aus der SZ, der FR und von SPON. Keines der drei Angebote weist den Text als Marketing-Text aus, auch wenn man unter „Reise“ ja letztlich nichts anderes erwartet. Vergleichen wir doch mal ganz kurz Anfang und Ende der Artikel um einen EIndruck zu bekommen….
SZ-Online | FR-Online | SPON |
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15.10.2010, 10:04 | 22.10.2010 | 12.10.2010 |
Schon lange hat sich keine mir unbekannte junge Frau mehr hilfesuchend an mich geklammert. Neulich aber ist es passiert, sogar zweimal hintereinander. Ich muss zugeben, es geschah eher zufällig, weil ich gerade neben ihr stand, und ist mit einer akuten Schrecksituation zu erklären: Wir befanden uns auf einer Geisterjagd durch die Unterwelt der schottischen Hauptstadt Edinburgh. | Schon lange hat sich keine mir unbekannte junge Frau mehr hilfesuchend an mich geklammert. Neulich aber ist es passiert. Ich muss zugeben, es geschah eher, weil ich gerade neben ihr stand, und ist mit einer akuten Schrecksituation zu erklären: Wir befanden uns auf einer Geisterjagd durch die Unterwelt der schottischen Hauptstadt Edinburgh. | Schon lange hat sich keine unbekannte junge Frau mehr hilfesuchend an mich geklammert. Neulich aber ist es passiert. Es geschah zwar zufällig, weil ich gerade neben ihr stand, und war durch einen riesigen Schreck zu erklären: Wir befanden uns auf Geisterjagd durch die Unterwelt der schottischen Hauptstadt Edinburgh. |
[…]Es geht auf Mitternacht zu, als wir unsere Jagd unverrichteter Dinge abbrechen. Liz verabschiedet sich von uns allen persönlich. Als sie nach mir die Tür schließen will, weise ich darauf hin, dass hinter mir noch jemand kommt. „Nein, nein“, entgegnet sie. „Sie waren die ganze Zeit der Letzte, da hab‘ ich drauf geachtet. Sehr mutig!“ Die Tür fällt ins Schloss. Für einen Augenblick bleibe ich noch stehen, dann schlage ich den Mantelkragen hoch und strebe dem nächsten Pub zu. Die Nächte können kalt sein in Edinburgh. | […]Es geht auf Mitternacht zu, als wir unsere Jagd unverrichteter Dinge abbrechen. Als Liz nach mir die Tür schließen will, weise ich darauf hin, dass hinter mir noch jemand kommt. «Nein, nein», entgegnet sie. «Sie waren die ganze Zeit der Letzte, da hab‘ ich drauf geachtet. Sehr mutig!» | […] Es geht auf Mitternacht zu, als wir unsere Jagd unverrichteter Dinge abbrechen. Liz verabschiedet sich von uns allen persönlich. Als sie nach mir die Tür schließen will, weise ich darauf hin, dass hinter mir noch jemand kommt. „Nein, nein“, entgegnet sie. „Sie waren die ganze Zeit der Letzte, da hab‘ ich drauf geachtet. Sehr mutig!“ Die Tür fällt ins Schloss. Für einen Augenblick bleibe ich noch stehen, dann schlage ich den Mantelkragen hoch und strebe dem nächsten Pub zu. Die Nächte können kalt sein in Edinburgh. |
(Christoph Driessen, dpa/dd) | (dpa/tmn) | Christoph Driessen, dpa |
Toll, nicht wahr? Immerhin, die Urheberschaft wird schon noch genannt, wenn auch nicht bei der FR. Aber nachdem mir das aufgefallen war dachte ich, ich goolge mal den Einstiegstext und siehe da, man findet das Ding auch bei Merkur Online (5.10.2010, Christoph Driessen, dpa), N-TV Online (24.10.2010, dpa), N24 Online (05.10.2010, Christoph Driessen, dpa, N24) und, hier aber als Reisebericht der dpa deutlich gekennzeichnet, bei Traveling World (ohne Datum, Christoph Driessen, dpa).
Ich frage mich, was das so einbringt seinen Text nicht nur vielen Medien anzubieten (was ja normal wäre) sondern den Medien auch zu gestatten sich selbst als Urheber drunter zu setzen nachdem sie ihn leicht verfremdet haben. Immerhin ist Herr Driessen ja durchaus eine respektable Persönlichkeit, oder?
In den vergangenen Tagen hat es im britischen Königreich eine Reihe von Krawallen gegeben – genug, um die einschlägigen Welterklärungen wieder auszupacken und vor allem genug damit die Panikmacher Zeitungen in Altenheime liefern konnten auf denen die Frage stand, wann es bei uns soweit wäre. Das Geschäft mit der Situation brummte bestens, aber jetzt gibt es vielleicht eine Chance, auch mal Innezuhalten.
In Großbritannien ist es heute Nacht das erste Mal friedlich geblieben berichtet die Sueddeutsche. Eine Verschnaufpause die vielleicht mancher mal zum Nachdenken benutzen sollte, besonders jene, die sich auf die ganz einfachen Erklärungen versteift haben.
Zu den beliebtesten Erklärungsmodellen gehören zweifellos:
Fangen wir mal an das zu zerlegen. Zweifellos sind nicht wenige der Plünderer schwarz, aber es sind auch eine Menge ganz „normaler weißer“ Bürger darunter. Es sind auch nicht Ausländer oder Immigranten alleine, aber eben auch. Soziale Verwerfungen, das ist die große These die auch die FAZ, die Sueddeutsche und weitere Medien besonders vertreten. Die Nachdenkseiten hingegen sagen, das liegt an Frau Thatcher und der Sparpolitik der britischen Regierung. Auch da ist was dran, aber eine alleinige Erklärung?
Die Riots begannen definitiv in den Armenvierteln der Städte. In Tottenham, London begann die Geschichte, in meinem geliebten Liverpool war es Toxeth. Und tatsächlich begann das Ganze mal als politischer Ausdruck zu sehen, als ein Aufstand der Verlierer einer Gesellschaft wie der britischen – eine Gesellschaft zu der wir ja nach dem Willen der Regierenden wollen. Aber dabei blieb es ja nicht. Ein Bürgeraufstand würde sich doch nicht die kleinen Einzelhändler oder Pubs vornehmen und abfackeln, ein politischer Aufstand hätte doch die Urheber der Armut im Sinn: Banken, Regierungsviertel, Große Kaufhäuser. Es ist in England nicht unüblich, daß man in einem Supermarkt nicht mehr von einer Kassiererin bedient wird sondern an einer „Self-Checkout“ Station landet. Man scannt seine Waren und bezahlt an einer Maschine, eine Kassierin überwacht so ca. 6 dieser Kassen. Wieder 5 Arbeitsplätze im unteren Segment weg.
Dagegen wehren sich manche. Gegen eine solche ausgrenzende Gesellschaft ohne Halt, aber mit Herren sowie ihren Dienern und Sklaven, die alle brav tun was man ihnen sagt. Deren Sozialhilfe als Leistung, als Zuckerbrot der Reichen verstanden wird und nicht als Konsequenz der kostensparenden Politik selbiger Reicher. Wer Arbeitskräfte einspart und Menschen durch Maschinen ersetzt der muß gesellschaftspolitisch für diese Leute anderweitig aufkommen wollen. So weit denkt jedoch, na sagen wir mal: nicht jeder.
Aber das ist nicht alleine der Grund für die Riots. Da sind längst Kriminelle jeglicher Couleur beteiligt und längst geht es eher um einen neuen Fernseher, als um eine politische Aussage. Diejenigen, die tatsächlich auf etwas aufmerksam machen wollten sind verschwunden oder gehen in der Masse derer, die nur stehlen wollen unter. Umgekehrt wird der überwiedend anständige Teil der Gesellschaft, der in einem friedlichen Miteinander leben will in der öffentlichen Wahrnehmung zurückgedrängt weil Rechtspopulisten die Situation ausnutzen und zum Generalangriff auf das friedliche Miteinander blasen.
Mit „Bürgerwehren“ wollen sie England vor dem Untergang, also vor „den Anderen“ retten. Das sind nichts anderes als Versuche, sich zusammenzurotten und auf die vermeintlichen Problemverursacher einschlagen zu dürfen. Riot, nur anders herum. Das Ergebnis wäre fatal, denn dann hätte man tatsächlich einen kleinen Bürgerkrieg und doch stehen genug in den Startlöchern die genau das hoffen – man lese nur mal die Kommentare bei der FAZ so durch.
Solange das System nicht die wirklichen Ursachen bekämpft sondern immer die Symptome (Siehe die hilflose Reaktion von Polizei und konservativer Medienlandschaft bei der Veröffentlichung aller Photos mit dem Slogen „Wir kriegen Euch alle!“) solange wird man mit Verwerfungen und unruhen rechnen müssen. In einer extrem mobilen, haltlosen Gesellschaft wie der britischen sicherlich schneller als bei uns aber lassen Sie Schwarz-Gelb mal noch zwei Jahre Zeit. Oder – was das betrifft und wirklich Peer Steinbrück danach wieder eine große Koalition eingeht – der Seeheimer SPD und den mit ihr verbündeten Kräften.
Ich will das nicht. Aber wie soll man das verhindern, wenn Erkenntnis anscheinend in konservative Hirne nicht einzusickern vermag?
Ich finde es lobenswert daß Englands Schwarz-Gelbe Regierung nun ihre Hilflosigkeit eingesteht. Aus dem bürgerlichen Lager ist längst das Wutbürgerliche geworden das vor dem Scheitern seiner verantwortungslosen Ideologie steht und nicht mehr weiß was es tun soll. und wenn das Argument fehlt, dann eben den Knüppel, sprich: das Militär.
Die Verantwortung dieser Typen endet doch beim Quartalsbericht: Sie stempeln die Arbeitslosen als faul ab nachdem sie ihnen das Kündigungszeugnis mit verständnisvoller Miene überreicht haben. Sie sparen Jobs ein, immer mehr und immer unten. Beklagen sich dann, daß sie in der Konsequenz anderweitig für sie zahlen müssen. Erklären das zum unsozialen Weg und anstrengungslosen Wohlstand für andere. Schaffen aber keine Jobs, sondern Mietskasernen und Ausgrenzung. Erklären dann, daß die ausgegrenzt und nur für sich und nicht in der Gesellschaft in irgendwelchen Mietskasernen leben und sich nicht integrieren wollen. Errichten einen neuen Aldi vor Ort, kürzen die Hilfen und werfen Ihnen vor, sie würden nicht genug konsumieren, streichen daher Jobs.
Und diese neokonservativ/-liberale Meute will „Verantwortung“ irgendwo haben? Die Typen sind doch sogar zum Briefmarkenablecken ohne Überwachung kaum zuzulassen.
Schmeißt die BWL’er aus dem Gremien und macht Platz für Menschen mit Verstand. Sonst fliegt Euch der Laden wirklich bald um die Ohren!
Keine Frage, da sind nun viele Kriminelle bei den Riots aktiv. Vielleicht überlegt man mal wie man die Kriminalität bekämpft – und nicht die Kriminellen. Einen Plünderer einsperren ist doch auch wieder Quartalsdenken: der ist erstmal weg. Der Grund für sein Verhalten zwar nicht aber darum muß ich mich erst wenn er rauskommt kümmern. Nächstes Quartal.
Jeden Montag um 11.11 Uhr präsentiere ich Ihnen ein Fundstück der Woche. Diesmal wollte ich ein Video verlinken, das sich über die Idee des Amoklaufs und des Selbstmordattentates lustig macht.
Angesichts der beiden Anschläge in Norwegen durch den verwirrten PI-Anhänger Rechtsradikalen hielt ich das alledings nicht für sinn- oder pietätvoll. Daher verbleibe ich an dieser Stelle nur mit Beileid für die Opfer rechtsfanatischer Wahnsinniger.
Die Allgemeine Ahnungsbefreiung scheint ja sehr fortgeschritten zu sein. Wenn man sich so durch das Internet klickt, besonders auf den großen Portalen wie Youtube oder Facebook, so begegnen einem eine Vielzahl von Usern und Kommentatoren mit einer erschreckend geringen Ahnung von der Welt – aber mit einer schwer festgefahrenen Meinung.
Nun ist es tatsächlich so, daß es oft leichter ist eine Meinung zu haben als eine Ahnung. Etwas zu wissen und zu verstehen kostet Zeit, Mühe und Anstrengung. Letztlich ist diese Mühe einer der Gründe warum sich so mancher Zeitgenosse mit dem „Informationsgehalt“ einer Bildzeitung oder einer News of the World begnügt.
Dieses Phänomen ist nicht gerade neu – wir haben Quellen aus Mittelalter und Antike die in großem Umfang Behauptungen aufstellen deren wirklicher Wahrheitsgehalt auch für den informierten Zeitgenossen deutlich war. Als Beispiel sollen hier beispielsweise die Judengerüchte dienen, die periodisch auftraten und vom Götzendienst mit Kindsopfer schwafelten.
Die Verbreitung solcher Geschichten hielt allerdings früher in der Regel mit der Verbreitung echten Wissens Schritt – soweit überhaupt Wissen rezipiert wurde. Einfache Bauern oder gar Knechte waren nicht gebildet, hatten keine Schule besucht und wußten nur wenig von der Welt. Die meisten kamen kaum jemals aus ihrem eigenen Dorf auch wenn das Mittelalter weit mobiler war als man so allgemein annimmt.
Einer der größten Vorteile des Internets ist auch sein größter Nachteil: Die Verbreitungsgeschwindigkeit von Informationen. Wegen der Notwendigkeit der Erregung von Aufmerksamkeit um das Interesse des Lesers auf die eigene Seite zu lenken ist es wichtig, aktuelles wie Sensationsheischendes möglichst rasch zu veröffentlichen und das meistens ungeprüft. Bildblog und andere Watchblogs zeichnen auf wie die Verbreitung von Falschmeldungen funktioniert weil kaum einer sich die Zeit nimmt oder nehmen kann, eine Information richtig zu überprüfen – eine richtige Reportage leisten sich selbst Wochenzeitungen nur noch selten. Nicht nur weil die Erstellung zeitraubend und teuer ist sondern auch weil der Leser sich dem Verhalten der Medien angepasst hat: Er schenkt der Headline und vielleicht noch zwei Absätzen Aufmerksamkeit aber dann bricht diese Aufmerksamkeit ziemlich rasch zusammen und der Klick zum nächsten Inhalt folgt.
Das führt dazu, daß das Netz von Scharlatanen regelrecht überschwemmt wird. Neben der Boulevardisierung unserer Medienlandschaft ist die überreiche Präsenz von Halbwahrheiten, Verschwörungstheorien und religiös oder politisch motiviertem Informationswirrwarr eine Folge. Gerüchte werden als Wahrheiten verkauft und ungeprüft übernommen, Meinungen werden zum „Wissen“ geadelt und letztlich wird eine Informationsrecherche auf Wikipedia beschränkt – es muß ja schnell gehen denn morgen früh ist das Thema ja wieder unwichtig bzw. vergessen.
Das Ergebnis ist letztlich, daß eine Headline als vermeintliches Wissen ins kollektive Bewußtsein eindringt und hängenbleibt. Diesen Effekt nutzen die Schall-und-Rauch-Medien rund um Springer, Bertelsmann und Burda um Stimmung zu machen. Ein schönes Beispiel ist die Griechenlandkampagne der Bildzeitung oder auch der Kampf der Bunten gemeinsam mit dem Springerblatt zur Verteidigung des ehemaligen Verteidigungsministers. Dagegen konnte man sich mit noch so viel Information und Wissen stemmen, weder die Fakten zu Griechenland, noch jene zu Guttenberg erreichten eine nennenswert gleiche Verbreitung.
In dieser Suppe der Ahnungsfreiheit gären besonders gut negative Empfindungen wie Mißtrauen und Wut, gezielt und ungezielt geschürt von der vermeintlichen „Netzgemeinschaft“. Gezielt geschürt werden derartige Empfindungen von all jenen, die sich letztlich die Lenkung der wütenden Meute erhoffen, ungezielt schürt die „Netzgemeinschaft“ selbst da alle einer Meinung (also der Meinung von einem) sind und von daher kann das ja gar nicht falsch sein.
Ein sehr schönes Beispiel dafür sind die kapitalismuskritischen Videos auf Youtube. Im obrigen Beispiel verstehen die meisten schon nicht die eigentliche Aussage von Georg Schramm und es entspannt sich in den Kommentaren eine ziemlich heftige Diskussion. Ursprünglich war die Kapitalismuskritik ja eine eher linke Domäne und auch hier schon mit einer Vielzahl von Halbwahrheiten kommentiert werden derartige Videos seit einiger Zeit massiv von Rechtsradikal beeinflußten Personen begleitet. Ich sage ganz bewußt rechtsradikal beeinflußt weil sich einige, da bin ich mir sicher, gar nicht im Klaren darüber sind, was sie da eigentlich verbreiten.
Da wird von Juden gesprochen, die ja – das weiß man doch! – nur den Beruf des Bankiers ausüben durften und daher gar nicht anders konnten als Geldverleiher zu werden. Und dann, jetzt kommt die Mitleidsschiene der Ahnungslosen, ja quasi gar nicht anders konnten als sich schon aus Eigeninteresse gegen die Christenheit zu verschwören. Bankiers waren halt Juden (Christen war die Wucherei verboten!) und Banker sind, das wissen alle, Feinde der Menschheit oder des deutschen Volkes. (Nebenbei, weil Juden ja alles so unterwandert haben, haben sie auch Facebook gründen lassen – Zuckerberg ist Atheist, aber seine Eltern sind Juden – und die Farben blau-weiß verweisen auf die israelische Flagge…)
Ein wenig komplizierter stellen die Kommentatoren das schon dar, aber letztendlich ist das die Argumentationslinie. Und schon hier kann der „gebriefte“ Leser eine Vielzahl von Irrtümern vorfinden. Das geht los bei der Nichtkenntnis der Kommentatoren über die großen christlichen Bankhäuser des Mittelalters wie den Medici, den Bardi und anderen Norditalienischen Familien, aber auch den deutschen Großkaufleuten die nebenbei noch Bankiers waren. Das moderne Bankenwesen hat seine Wurzeln im europäischen Mittelalter und ist keine jüdische Erfindung, eher im Gegenteil. Ein nicht unerheblicher Teil des Reichtums der Bruderschaft der Ritter vom Tempel des heiligen Salomon (gemeinhin als Tempelritter bekannt) beruhte auf einem sehr raffinierten Geldwechselsystem: Man konnte in einem Ordenshaus Geld „einzahlen“ und erhielt eine Quittung dafür, die man an anderer Stelle, zum Beispiel auf dem Weg nach Jerusalem, wieder einlösen konnte und das sogar in der Landeswährung. Diese Quittung, ein Kreditbrief – letztlich hat sich das heute zum Scheck oder Geldschein entwickelt – war allerdings nur bei anderen Komturen des Templerordens einlösbar. Wegen des Zinsverbotes erhoben die Templer schlicht Gebühren – und von denen lebten sie gar nicht schlecht, auch wenn das Geld letztlich der Anwerbung von Soldaten für den Kampf im „heiligen Land“ diente.
Andere Geschäfte waren natürlich auch Kreditgeschäfte auf Gebühr und gegen Sicherheiten und natürlich auch Depotgeschäfte – also die Vermietung eines Platzes in einer Schatzkammer gegen Gebühr.
Man könnte sehr viel über das Bankwesen des Mittelalters schreiben und das ist auch schon gemacht worden. Eine Vielzahl von Feldzügen des Hoch- und Spätmittelalters wären gar nicht möglich gewesen ohne die Finanzierung durch Bankiers. Die immer aufwendiger werdende, immer teurere Hofhaltung der europäischen Königshäuser verlangte einfach nach neuen Geldquellen als den üblichen wie Steuern, Abgaben und den Einnahmen aus der Münze.
Einnahmen aus der Münze? Ja, damals war das Recht, Münzen zu schlagen (also zu prägen) ein königliches Recht, das verliehen werden konnte aber im Grunde nur an Territorialfürsten (ob Bischof, Graf oder Fürst), welche natürlich Lehnsleute des Königs waren, ging. Das Schlagen der Münze, also die Ausfertigung von Geld aus Rohstoffen bedeutete natürlich eine bedeutende Einnahmequelle.
Es bleibt unendlich viel zu schreiben – nicht wenige Historiker befassen sich praktisch ausschließlich mit der Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters – und zu forschen, denn wir wissen bei weitem noch nicht alles. So stellt sich die Frage nach der Sicherheit von Kreditbriefen (da gab es raffinierte Systeme) und nach der Verwertung von Sicherheiten bei hochgestellten Persönlichkeiten.
Die Vorstellung, daß nur Juden das Geldwechsel-, Geldverleiher- oder Bankiergeschäft führen durften ist jedenfalls eindeutig falsch. Auch heute werden „die Banken“ nicht von Juden kontrolliert, auch wenn es mit Sicherheit jüdische Banker gibt. Nur was soll das besagen? Wenn ein Banker religiös ist, dann könnte man vielleicht noch einen Rest Anstand unterstellen, aber garantieren würde ich das nicht. Die Idee, daß eine Religionszugehörigkeit einen Menschen in eine bestimmte gesellschaftliche Rolle zwingt ist nicht nur albern sondern eines Demokraten auch vollkommen unwürdig. Vielleicht sollte von bestimmten Herrschaften mal darüber nachgedacht werden.