Unsere Elite….

Da war die Deutsche Bank aber sauer. Sie hat versucht zu verhindern, daß sich Ermittler der Steuerfahndung mit einem der größten Betrugsfälle der deutschen Geschichte auseinandersetzt und dann kommen diese fiesen Ermittler einfach mal vorbei und machen eine Razzia. Bei den Herren des Landes! Unerhört!

Liest man den Artikel in der Sueddeutschen, so stellt man ganz erstaunliches fest, ich zitiere:

Wenn das Geldhaus bei den Ermittlungen wegen Steuerbetrug beim Handel mit Verschmutzungsrechten nicht endlich kooperiere und angeforderte Dokumente herausrücke, dann müsse die Behörde „alle prozessualen Möglichkeiten“ in Betracht ziehen, um Zugriff auf die Unterlagen zu erhalten. Am 6. Juni 2012 war das. Da bleibe dann nur noch eine Durchsuchung übrig, und das habe das Geldhaus also gewusst, heißt es in Ermittlerkreisen.

Es ist schon faszinierend daß man zum Einen der Bank genug Zeit einräumt, alle potenziellen Beweise zur Seite zu schaffen und zum Anderen, daß die Bank ihren Anwälten untersagt, die Papiere einfach herauszurücken. Scheinbar fühlen sich unsere Bankster tatsächlich als die Herren im Land.

Fitschen griff zum Telefon und beklagte sich bei Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, das schade dem Image des Geldhauses und dem Standort Deutschland. Der Einsatz der Ermittler sei völlig überzogen.

Aha. Ich möchte mir das nochmal kurz auf der Zunge zergehen lassen: man ruft dann einfach mal bei der Regierung an und fordert von der Exekutive, die Judikative zurückzupfeifen. Das impliziert zwei Dinge:

  1. Anscheinend geht das, was angesichts der theoretischen Staatsform bei uns eigentlich nicht der Fall sein dürfte (was zwar jeder weiß, aber es ist schön, wenn man es mal wieder auf dem Silbertablett präsentiert bekommt)
  2. Scheinbar betrachtet man es als selbstverständlich, daß man als Banker seinen „Untergebenen“ in der Landesregierung anrufen kann um darauf hinzuweisen, daß der Nachweis krimineller Machenschaften schlecht für den Ruf der Bank ist und deswegen auch schlecht für den bösen Staat, der die arme Bank jagt. Sonst werden doch Ermittler immer als Querulanten und psychisch Kranke entsorgt, in Wiesbaden ging’s doch auch schon einmal

Sollte bei mir mal aus irgendeinem Grund die Polizei was ermitteln, sagen wir, eine Ausweiskontrolle, ruf ich auch einfach mal in der Staatskanzlei an. Sind schließlich meine Angestellten.

Sollte jeder machen, scheint uns ja als Bürgern zuzustehen. Bin mal gespannt, inwieweit die Politik reagiert, wenn jetzt jeder Bürger wegen einer seiner Ansicht nach „überzogenen“ Verkehrskontrolle einfach mal beim Ministerpräsidenten anruft. Die Nummer ist auch gar nicht schwer rauszukriegen. 😉

Von den Mitgliederzahlen…

Es gehört immer wieder zu den interessanten Meldungen, wenn sich Parteien oder Vereine über ihre Mitgliederzahlen freuen, weil man den politischen Sprech darin am einfachsten decodieren kann. Der politische Sprech macht aus steigenden Schulden ein „negatives Wachstum“ und aus Arbeitslosen „totes Humankapital“. Manchmal auch aus Handlungsunfähigkeit „Alternativlosigkeit“.

Die SPD erfreute sich vor einiger Zeit über die Meldung, daß sie wieder die Mitgliederstärkste Partei im Land ist. Das war im April noch ein bißchen anders, wenn auch nicht viel:

Mitgliederzahlen der politischen Parteien in Deutschland 2012
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Wie man sieht sind CDU und SPD annähernd gleich stark gewesen, das Verhältnis hat sich nur ein bißchen umgedreht. Dabei sollte die SPD-Spitze sich mehr Gedanken darüber machen, was die sinkende Mitgliederzahl eigentlich zu bedeuten hat, die in den letzten 34 Jahren insbesondere die beiden Volksparteien SPD und CDU getroffen hat:

Mitgliederentwicklung der SPD bis 2011
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Interessant ist bei der Kurve der SPD, daß der wirklich radikale Niedergang mit der Agenda-Politik Schröders zusammentrifft, aber ein ganz anderer Effekt ist, wie ich finde, daß der Niedergang schon vorher begonnen hat und der Trend lediglich durch die Wiedervereinigung kurzfristig und scheinbar aufgehalten wurde. Mittlerweile ist die SPD 483.226 Mitglieder stark – und hat damit 275 Mitglieder mehr als die CDU (482.951), was jetzt nicht gerade ein großer Vorspung ist.

Mitgliederentwicklung der CDU bis 2011
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Nun ist es natürlich auch so, daß die Parteien generell rückläufige Mitgliederentwicklungen haben. Das ist mit der vermeintlichen „Politikverdrossenheit“, die mehr und mehr eine Staatsverdrossenheit ist, durchaus zu erklären. Blickt man in die Bevölkerungsstatistik, so sieht man das noch viel mehr bestätigt: Waren 1981 noch 2,118% der Bevölkerung nur in diesen Parteien aktiv, waren es 1990 nur noch 2,007%.

Auch das führt zu einer immer geringeren Akzeptanz von Staat und Parteiendemokratie in diesem Land – und das wird von Seiten der Politik und der sie beherrschenden Lobbyvertretung auch tatsächlich als Wohltat empfunden. Weil die geringe Beteiligung am demokratischen Willensbildungsprozeß sie letztendlich machen lässt, was sie wollen.

Im Ergebnis haben wir eine gewollte Armut, an der kaum ein Bürger glaubt, noch etwas ändern zu können. Die Politik müsste aber diese Problematik effektiv bekämpfen – weil sie die einzige Waffe der Bürger ist. Da sie es nicht tut sondern sich gefühlt in der Hand der Wirtschaft befindet, wenden sich die Bürger ab – und damit auch vom System. Das wird – eher früher als später – wirklich üble Folgen haben. Die Proteste in Spanien und Griechenland waren schlimm; Stuttgart 21, eigentlich nur ein Aufhänger, hat aber gezeigt, daß so etwas bei uns auch passieren kann. Ein Staat, der von seinen Bürgern nicht mehr unterstützt und geachtet wird wandelt sich entweder in eine Diktatur oder geht unter. Beides kann nicht im Sinne parlamentarischer Parteien sein.

Gerade die SPD sollte sich vielleicht nun zwischen den Jahren im Hinblick auf die Bundestagswahlen eines klar machen: Selbst wenn der Regierungswechsel klappt, einen Vertrauenvorsprung haben die Sozialdemokraten nicht mehr im Volk. Sie müssten einiges wiedergutmachen. Würden sie sich das aber zu Herzen nehmen, dann gäbe es vielleicht eine Chance den Menschen auch das System selbst wieder ein bißchen Vertrauen erweckender zu gestalten. Es ist eine monumentale Aufgabe, die sich hier stellt, und eine, die unser Staatsgefüge retten müsste. Eine Aufgabe, die den meisten Parteien herzlich egal ist. Eine Aufgabe für die SPD.

Kurze Eilmeldung: Heftiger Knall

Heute Mittag tat es einen ordentlichen Knall in der Türkenstraße in München – kurze Zeit später hörten die Sirenen gar nicht mehr auf. Anscheinend kam es zu einer Gasexplosion in der Nähe der Schule, ein Juweliergeschäft ist dabei wohl schwer beschädigt worden.

Laut Polizei kamen dabei Menschen zu Schaden, derzeit ist die Gegend komplett abgesperrt. Man versucht noch die Ursache zu finden, anscheinend gab es da eine Gasexplosion und man ist besorgt, daß es Folgeexplosionen gibt. Soweit die Kurzmeldung.

Bild_Gasexplosion 01

Was mich an der Geschichte ein bißchen erschüttert ist, daß es zum Einen keine 60 Meter von meiner Wohnung passierte. Und zum Anderen, daß ich keine fünf Minuten vorher genau da vorbeigegangen bin, weil ich in der Mittagspause schnell duschen wollte. Das macht nachdenklich…

Bild_Gasexplosion 02

Von der schwachen Geburtenrate

Wie heute Morgen mit ein wenig erstaunlicher Fingerzeige-Haltung die Sueddeutsche Zeitung berichtet liegt Deutschland nach einer Studie des Bundsinstitus für Bevölkerungsforschung im hinteren Drittel, was die Geburtenrate betrifft. Schuld daran sei, so die Studie und die Sueddeutsche, vor allem der manische Glaube, eine „gute Mutter“ bleibe zu Hause.

Aber ganz so einfach ist das nicht, wie das hier dargestellt wird. In einigen eher konservativ geprägten Ländern, gerade was das Familienbild angeht, wie Irland oder auch die Türkei ist die Geburtenziffer bedeutend größer, in anderen, ebenfalls sehr konservativen Ländern (vom Familienbild her) wie Ungarn, Polen oder Rumänien ist sie niedriger als in Deutschland. Da sich hinzustellen und zu sagen, daß die doofen Frauen sich vom Leitbild einer CSU beeinflussen lassen halte ich für sehr simplifiziert.

Vielmehr ist es doch so, daß es in Deutschland für einen nicht unerheblichen Teil der Gesellschaft keineswegs mehr finanzierbar ist, Kinder zu haben – da müssen oft beide Elternteile arbeiten nur um Miete und Lebensunterhalt zu bestreiten. Im Land des „besten Niedriglohnsektors“ (G. Schröder) kommt außerdem hinzu, daß eine große Zukunftsunsicherheit herrscht: Habe ich morgen noch einen Job? Wird er mir wenigstens 70% dessen einbringen, was er kosten sollte?
Als Leiharbeiter Kinder in die Welt zu setzen ist auf schon fast kriminelle Weise unverantwortlich. Na wen wundert es, daß man sich bei den Aussichten einfach nicht mehr um das Thema schert? Noch dazu, wo den meisten inzwischen eh klar ist, daß sie im Alter arm sein werden – dann geben die Leute ihre paar Kröten eben lieber für jetzt aus – später ist eh nix mehr zu holen.

Das ist in anderen Berufsfeldern nicht gerade besser: Meines zum Beispiel. Im Grunde habe ich ein Studium für das bayerische Lehramt gemacht und werde trotzdem das Referendariat nicht bestreiten – weil die Folge nach den zwei Jahren oftmals ein-Jahres-Verträge sind mit denen ich keineswegs eine Familie gründen will. Da ist die Unsicherheit groß, weil ich möglicherweise im Juli feststellen muß, daß ich im September keinen Job habe, weil die Zahl der Lehrerstellen für das kommende Schuljahr reduziert wird. Wahrscheinlich ist dann grad keine Landtagswahl.

Von derartigen Launen abhängig ist es nun einmal schwer, sich dem Thema Familiengründung zu nähern und trotzdem ein verantwortungsvoller Mensch zu sein. Daher gibt es sowohl im mittleren wie auch im unteren Bevölkerungssegment weniger Kinder und nicht weil „Frau nicht zuhause bleiben will“. Diese Rabenmutter-Argumentation ist angesichts der gesteuerten und gewollten Ungleichheit eigentlich eine bodenlose Frechheit.

Vom Baum der Erkenntnis….

…. genascht haben scheinbar die Forscher der Bundesagentur für Arbeit bzw. der für Arbeitslose. Denn tatsächlich haben die herausgefunden… Achtung, jetzt kommt’s! … daß Minijobs sozialversicherungspflichtige Jobs verdrängen. Ja, wirklich! Das haben sie herausbekommen. Wahnsinn!

Man fragt sich, ob die auch mal eine Studie dazu machen könnten, ob es Nachts dunkel wird – und ob die Erde und ihr Drehmoment etwas damit zu tun haben könnten. Aber wir wollen’s mal nicht zu kompliziert machen.

Mal ernsthaft: Daß sich gerade im Gastro- und Hotelgewerbe Vollzeitjobs durch die Minijob-Kultur wie Schneeflocken in der Hölle verhalten ist nun wirklich eine Binsenweisheit. Minijobber sind billig, leicht austauschbar, haben keine Rechte und können problemlos länger dabehalten werden, weil kein Mensch sich für diese Unterklasse interessiert und wenn sie aufmucken schmeißt man sie einfach wieder raus – die liegen buchstäblich auf der Straße.

Der springende Punkt ist doch: Die Regierung Schröder wollte das auch genau so haben. Ich darf kurz erinnern, Gehard Schröder selbst brüstete sich 2005 beim Weltwirtschaftsforum in Davos mit den Worten: „Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt.“ Genau. Die Frage ist halt, was man als gut oder besser versteht…. von der Arbeitgeberwarte, die ja jahrzentelang jammerten, daß Arbeit in Deutschland so teuer sei, war die Einführung einer Niedriglohn-Unterschicht, die von ihrer Arbeit nicht mehr leben kann, und der man das auch noch verkaufen konnte, indem man den Minijob als „Zusatzverdienst“möglichkeit behandelte, ideal. Dann wunderten sich einige, daß es Leute mit zwei Minijobs gab… einmal bei Schlecker anschaffen und dann abends noch kellnern. Aber brav schluckte der Michel das. Also wurden mit Hilfe der Minijobs, der Leih- und befristeten Arbeit „Flexibilität“ geschaffen – die Zeitarbeitsmafia übernahm das Ruder.

Das Zauberwort Flexibilität, auf Deutsch: Beweglichkeit, heißt eigentlich nichts anderes, als daß das Menschsein hinter der Produktivität zurückzustecken hat. Und das ist der dümmste Fehler, den je ein „Sozialdemokrat“ gemacht hat….

Das Radio-Gewinnspiel von Antenne Bayern – Eine Analyse

Die Dritte Runde des Gewinnspiels ″Wir zahlen Ihre Rechnung″ ist vorbei – und wieder einmal gab es dabei einige bemerkenswerte Geschichten zu erzählen sowie eine Menge Leute, die, weil nicht gezogen worden, sofort den Modus unter Verdacht hatten. Ich möchte auf der folgenden Seite ein paar Informationen zusammentragen und analysieren.

Statistik
Ein beliebter Vorwurf, der immer wieder kam, war die Behauptung, daß bestimmte Regierungsbezirke bevorzugt worden wären oder daß bestimmte Beträge nicht überschritten würden. Tatsächlich kann man durch konsequentes Mitschreiben eine Statistik aufstellen und so schlicht überprüfen, ob das zutrifft. Eine Auswahl:

Gut, wann immer irgendwo was zu holen ist werden die nicht gezogenen fuchsig, das ist normal. Aber manchmal zweifelt man schon ein bißchen am Verstand mancher Beteiligter…

Blicken wir also in die Statistik (bzw. in meine eigene) und sehen uns mal die Regierungsbezirke an.

Dieses Mal wurde, ebenso wie beim letzten Mal, Oberbayern am häufigsten gezogen (insgesamt 61 mal, also im Schnitt fast einmal täglich), seltener um 7, am häufigsten um 12 Uhr. Niederbayern und Schwaben teilen sich den zweiten Platz mit je 37 Treffern (Und als Schwabe kann man ab 12:07 im Grunde das Radio abstellen, da man um 15 Uhr nur sehr selten gezogen wird), gefolgt von Mittelfranken (34), Oberpfalz (23) und Oberfranken (22). Das Schlußlicht bildet – wie auch zuletzt – Unterfranken mit nur insgesamt 18 Treffern.
Das ist interessant, denn die Reihenfolge der Größe der Regierungsbezirke sieht geringfügig anders aus: Oberbayern liegt klar vorne (4.430.706 Einwohner), gefolgt von Schwaben (1.789.794 Einwohner) und M ittelfranken (1.719.494 Einwohner), und dann folgen mit einem großen Abstand Unterfranken (1.314.910), Niederbayern (1.192.543), Oberpfalz (1.081.536) und Oberfranken (1.067.408).

Aus diesen daten kann man gewisse Rückschlüsse auf die Dichte der Antenne-Bayern Hörer ziehen, wohlgemerkt unter der Voraussetzung, daß sich unter den Hörer überall ein gleich großer Anteil an Mitspielern befindet, wovon ich nciht ausgehen würde. Trotzdem würde es mich nicht wundern, wenn aus Unterfranken auch bedeutend weniger Rechnungen eingeschickt worden sind – was auf weniger unterfränkische Antenne-Fans schließen lässt.

Dauer des Gewinnspiels
Interessant ist, daß Antenne Bayern vorher nicht die Dauer des Gewinnspiels angibt, sondern bis kurz vor Ziehungsende weiter dazu auffordert, Rechnungen einzusenden. Blickt man aber kurz auf die jeweilige Dauer der Runden, so ist das eigentlich jedesmal recht gut abschätzbar gewesen:

  1. Runde: 05.09.2011 bis 28.11.2011 (= 61 Ziehungstage), die höchste Rechnung betrug 13.600.- Euro, die niedrigste 3.- Euro. Insgesamt bezahlt wurden 202.001,51 Euro.
  2. Runde: 09.01.2012 bis 30.03.2012 (= 60 Ziehungstage), die höchste Rechnung betrug 9.000.- Euro, die niedrigste 9,99 Euro. Insgesamt bezahlt wurden 190.167,73 Euro.
  3. Runde: 03.09.2012 bis 01.12.2012 (=65  Ziehungstage), die höchste Rechnung betrug 7.893.- Euro, die niedrigste 1,63 Euro. Insgesamt bezahlt wurden 153.556,44 Euro.

Hier stellt man eine signifikante Abnahme der Summe fest, die gezogen werden. Daraus einen Trend abzuleiten halte ich aber noch für verfrüht – Antenne Bayern hat die nächste Spielrunde für Januar angekündigt und man wird sehen, was dann passiert.

Besondere Geschichten
Die erste Ziehungsrunde dieser Art hatte schon einen Skandal hervorgerufen: Im Oktober 2011 hatte eine ″Herren″ – Reisegruppe aus dem Allgäu einen Sexurlaub eingereicht – im Wert von 2350 Euro. Das hat der Moderator Wolfgang Leikermoser sich zu zahlen geweigert, auch wenn das den AGB widersprochen hat. „Wenn ich die Rechnung jetzt noch einmal ausrufe, dann mach ich mich der Beihilfe zum Menschenhandel strafbar“, schrieb er damals auf der Internetseite von Antenne und hatte auch zweifellos recht. Das Gewinnspiel wurde kurzzeitig unterbrochen, dann lief es aber weiter.

Interessant in dem Zusammenhang ist, daß ein ziemlich ähnlicher Fall sich zwei Wochen zuvor bei 89.0 RTL in Halle ereignet hatte – hier ging es um eine Rechnung für eine Abtreibung infolge eines One-Night-Stands – und daß das ziemlich rasch mißtrauische Geister auf den Plan rief, inwieweit es sich bei diesen skandalisierten Geschichten um echte Geschichten handelt.

Diese Ziehungsrunde gab es auch zwei, drei ziemlich mitreißende Geschichten:
Katrin F. aus S. legte eine Rechnung über 3.800 Euro in den Topf und wurde am 7.11.2012 um 7 Uhr gezogen – Sie hatte im Sommer ihren jungen Mann beerdigen müssen und lebte seither mit ihren beiden Kindern auf der Baustelle des geplanten gemeinsamen Hauses. Diese Geschichte rührte die Zuhörer derart, daß der nächste Gewinner, Lutz M. aus München seine Rechnung über 1600 € für einen Umzug an Katrin F. und ihre zwei Kinder weitergab. Unzählige Hörer riefen an und boten ihre Hilfe an – Handwerker beispielsweise, die zum Selbstkostenpreis oder kostenlos am Haus mithelfen wollten und dergleichen.

Die zweite Geschichte bot Antenne Bayern eine gewisse Chance auf eine Diskussion mit den Hörern: Christiane T. aus Nürnberg erhielt 3.128,66 Euro für Fremdsamen aus einer Samenbank. Die Dame wohnte mit ihrer Lebensgefährtin zusammen und bis dahin habe ich auch nicht gewußt daß es für unverheiratete Frauen in Deutschland praktisch unmöglich ist, eine Samenspende zu bekommen – man muß auf ausländische ausweichen und einen Frauenarzt finden, der den ambulanten Eingriff auf eigene Verantwortung hin durchführt. Dagegen protestiert der LSVD massiv aber bislang erfolglos. Vielleicht ändert sich die Situation, wenn sich die ″Christliche″ Union mal irgendwann zum 21. Jahrhundert durchringt oder vom BVG dazu gezwungen wird.
Auch hier gab es eine Hörerdiskussion bei der sich die Hörer auch zu Wort melden konnten und dabei zum Teil recht absonderliches äußerten. Eine Dame rief beispielsweise an und meinte, daß sie es für unverantwortlich halte, wenn eine Frau ohne ″die finanzielle Absicherung durch einen Mann″ ein Kind bekäme. Herr, schmeiß Hirn vom Himmel!

Eine dritte, recht interessante Geschichte ist die von Sabine H. aus G., die sich 2100 Euro zurückbezahlen ließ. Diese hat sie dafür verbraucht, mittels einer Privatdetektei ihren Freund zu überwachen, ob er ihr untreu sei. War er nicht. Dafür hat er sie allerdings nach Bekanntwerden (via Radio!) der Geschichte verlassen, wobei man an dieser Stelle sich noch nicht so ganz im Klaren darüber ist, ob das nun eher zum Lachen oder zum Weinen gedacht ist.

Derartige Geschichten tragen natürlich zum Bekanntheitsgrad der Gewinnspiele und damit der Radiosender bei, aber deswegen von einem fingierten Gewinner auszugehen ist ein ziemlich heftiger Vorwurf. Eine kurze Recherche meinerseits ergab, daß es die betreffende Frau F. tatsächlich gibt (u.a. hat sie sich sogar via Facebook bei Antenne und den anderen bedankt) – allerdings möchte ich aus Pietätsgründen in dem Zusammenhang nicht weiter nachbohren.

Antenne spielt ganz sicher fair – ich werde versuchen zu dem Zweck ein kurzes Interview mit Herrn Leikermoser zu bekommen. Ist das nun verwerflich? Ich denke, nein. Es ist ganz einfach eine unterhaltsame Werbemasche.

Zahlmeister Europas?

Immer wieder liest man, der arme deutsche Steuerzahler wäre der „Zahlmeister Europas„, da Deutschland ja der größte Nettozahler der Europäischen Union ist. Wenn sich ein Politiker aus einem Umfragetief befreien will, wettert er dagegen. Das blöde ist nur: Es stimmt einfach nicht.

Deutschland zahlt zwar tatsächlich den größten Betrag ein, gemessen an den Ausgaben pro Kopf beziehungsweise am Bruttoinlandsprodukt liegt Deutschland allerdings eher im Mittelfeld. Der Guardian hat den neuesten Bericht der EU-Kommission (hier als xls) kommentiert und natürlich vor allem hinsichtlich der Interessen des UK aufgeschlüsselt. Letztendlich hat sich im Vergleich zu 2010 (hier als pdf) nicht viel getan; Letztendlich gibt es 2011 insgesamt 9 Geberländer (also Nettozahler) und 18 Nehmerländer (Also Nettoempfänger).

Die Zahlen sind aber nur eine Seite der Medaille: Sieht man sich die Zahlen bezüglich der Geber- und Nehmerländer mal in der Kopfstärke an, gewinnt der Begriff der europäischen Solidarität gleich eine ganz andere Bedeutung. Blicken wir erstmal auf die nackten Zahlen (die des Guardian), denn Zahlen lügen nicht – nur die Art, wie sie interpretiert werden: (Hier als pdf downloaden )

Hier zeigt uns der erste Blick schon, daß Deutschland mit einem Anteil von 0,75% des BIP tatsächlich deutlich weniger als der Durchschnitt bezahlt (0,87% des BIP). Pro Kopf gesehen bezahlt Deutschland allerdings mehr als der Durchschnitt. Pro Kopf am meisten erhält interessanter Weise Luxemburg, am wenigsten Großbritannien. (Kroatien steht zwar dabei, wird aber erst im Juli 2013 der EU beitreten)

Interessant ist auch die Tabelle, wenn man mal die Einwohnerzahlen nebeneinander hält. Dann stellt man nämlich fest, daß im Gegensatz zu der Behauptung, eine Minderheit müsse eine Mehrheit finanzieren (wie es sich aus der Länderverteilung ergeben würde), eher eine große Mehrheit eine Minderheit mitfinanziert.

Geberländer Einwohner
Dänemark 5.580.729
Deutschland 81.903.000
Finnland 5.404.956
Frankreich 65.447.374
Italien 60.626.442
Niederlande 16.680.000
Österreich 8.460.390
Schweden 9.514.406
Vereinigtes Königreich 61.792.000
Insgesamt 315.409.297
Nehmerländer Einwohner
Belgien 10.951.266
Bulgarien 7.364.570
Estland 1.340.021
Griechenland 9.903.268
Irland 4.581.269
Lettland 2.074.605
Litauen 2.988.381
Luxemburg 524.853
Malta 417.608
Polen 38.501.000
Portugal 10.602.000
Rumänien 19.042.936
Slowakei 5.404.322
Slowenien 2.057.660
Spanien 47.212.990
Tschechische Republik 10.526.685
Ungarn 10.005.000
Zypern 1.120.489
Insgesamt 184.618.923
Summe aller EU-Bürger 500.028.220

Also von wegen Minderheit bezahlt eine Mehrheit oder so ein Quatsch. 315 Millionen finanzieren 184 Millionen mit, das ist ein Verhältnis von 1,68:1; Anders formuliert: 37,4% der EU Bürger müssen von 62,6% unterstützt werden. Jeder Bürger aus den Nehmerländern wird von fast zwei Bürgern aus den Geberländern unterstützt.

Die EU ist auch eine Solidargemeinschaft. Das bedeutet, daß die Reichen die Armen unterstützen und das muß ja nicht gleich komplett altruistisch sein – durch die wachsende Wirtschaft am Ziel haben wir ja letztendlich auch Handelsvorteile.

Eines noch zum Schluß: Deutschland zahlt übereinstimmenden Presseberichten zufolge etwa 9 Milliarden Euro pro Jahr in die EU mehr ein, als es herausbekommt. Das sind 109,88€ pro Bürger und Jahr, 9,15€ im Monat und 30 Cent am Tag. Soviel könnten uns doch 60 Jahre Frieden und Freiheit wert sein, oder?

Marktforschung – Deine Stimme zählt?

Seit einiger Zeit fallen mir Radiowerbespots auf, die von den deutschen Marktforschern geschaltet werden. Motto: „Sag Ja zu Deutschlands Markt- und Sozialforschung.“ Das spricht Bände über eine Branche, die völlig zu Recht als eher zweifelhaft gelten dürfte.

Marktforscher arbeiten für Unternehmen, die ihre Produkte möglichst effektiv auf dem Markt unterbringen möchten. Das ist ja so weit erstmal ein halbwegs ehrenhaftes Motiv. Marktforschungsunternehmen erstellen zudem politische Umfragen und versuchen die Stimmungslage in der Gesellschaft zu messen und wiederzugeben. Sie befragen statistisch ausgewählte Bürger nach ihrer Meinung zu politischen Entscheidungen und dem Geschmack von Zahnpasta – es gibt praktisch nichts, was nicht auf die Art gemessen werden kann.

Das Ergebnis ist ein relativ stromlinienförmiges Produktangebot – können Sie sich noch an Zeiten erinnern, als man richtige Autos baute? Heutzutage sehen die Dinger alle gleich aus und scheinen auch nur noch in den selben sechs Farben ausgeliefert zu werden. Wenn die Marke nicht draufstünde wäre es schwierig zu entscheiden, ob man da einen BMW, einen Audi oder einen Mercedes vor sich hat. Zahnpasta schmeckt mehr oder weniger gleich, egal wie das Produkt heißt; Gleiches gilt für die meisten Erfrischungsgetränke. Individualismus ist auf dem Markt eben manchmal eine gefährliche Sache, das ist auch der Grund warum die Filmbranche oder auch die der Computerspiele lieber auf „bewährte“ Marken setzen und Serienweise immer dasselbe neu abliefern, statt sich ernsthaft etwas neues auszudenken. Im Gegenzug führt das dazu, daß selbige Marken immer ausgelutschter werden.

Daß dies das Ziel der Marktforscher ist, kommt auch in dem einen oder anderen Spot zu Geltung: „Fernseher ohne Fernbedienung. Haargel mit Zement. iPods ohne Kopfhörer. Zeitschriften im Din A 47 – Format? Gibt es nicht. Weil es Marktforschung gibt.“ Gut, kein Mensch würde einen mp3-Player ohne Kopfhörer kaufen… außer natürlich, sein alter Player ist kaputt, aber die Kopfhörer tun eigentlich noch. Warum dann also noch einen Satz Kopfhörer dazukaufen müssen und die anderen in den Müll werfen? Weil es Marktforschung gibt.

Ich gestehe, daß ich diesem System wahnsinnig gerne Sand ins Getriebe streue. Immer mal wieder ruft einer von denen an und will von mir irgendwas wissen und getreu dem Motto „Ihre Meinung ist uns wichtig“ äußere ich dann auch brav eine Meinung. Egal welche, gerne irgendeinen Unsinn. Letztens ging es um Fleischverpackungen und ob ich den Anblick von rohem Fleisch in der Verpackung eigentlich appetitanregend finde oder ob mir eine Rundumverpackung lieber ist, bei der ich das Produkt nicht sehen kann, dafür aber ein Foto des zubereiteten Produktes. Also eine Fertigessen-Verpackung. Natürlich habe ich die Geschichte mit dem Fertigessen brav erzählt und irgendwas über ekliges Blut und so erwähnt – und kaufe trotzdem weiterhein richtiges Fleisch. Ihr könnt mich mal.

Eine Variante sind die Umfragen, für die man sogar Geld bekommt: Globaltestmarket ist da der Vorreiter. Ich hab da auch einen Account und mag das sogar recht gern. Man sammelt Punkte, jeder Punkt ist genau 0,5 (amerikanische) Cent wert. Eine etwa 20 Minuten andauernde Umfrage bringt so um die 35-50 Punkte ein, also knapp einen halben Dollar. Hat man 1000 Punkte gesammelt, gibt’s einen Scheck über 50 Dollar. Das funktioniert tatsächlich.

Gemein ist daran allerdings, daß die vorher genau wissen wollen, in welche statistische Gruppe man gehört weil die eigentliche Umfrage erst nach Erfassen dieser Daten beginnt. Also geht es um Alter, Wohnort, Einkommen und so weiter und passt man nicht in die relevante Gruppe gibt’s keine Umfrage – und damit auch kein Geld. Also muß man vorher ein wenig flunkern und dem System weismachen, daß man zur Statistik passt und das ist nicht ganz so einfach: Da man nicht weiß worum es geht ist nicht sicher, ob man eher der Armer-Schlucker- oder der Krösusfraktion zugehörig sein sollte oder ob man für die Umfrage Single oder Clansoberhaupt sein muß. Ein bißchen herantasten ist also notwendig.

Als Faustregel kann man sich merken, daß Personen zwischen 30 und 40 Jahren gesucht werden mit einem überdurchschnittlichen Haushaltseinkommen (3000 Euro und mehr) und einer Vorliebe für allerlei technische Geräte. Sie sollten stets angeben, Hauptverdiener zu sein und alle Aktivitäten auch selbst zu machen. Auch sind in aller Regel vermeintliche Kinder nicht schlecht geeignet, um die Auswahlkriterien zu überstehen. Ganz wichtig ist, daß man so gut wie nie in einer der vorgeschlagenen Branchen tätig sein sollte. Sind sie erstmal drin, können Sie alles behaupten was sie wollen, es muß nicht einmal logisch sein. Wenn Sie gefragt werden, welches Gerät Sie normalerweise beim Duschen benutzen, warum nicht Dampfkocher angeben, wenn die Auswahl schon dasteht? Vielleicht gibt es dann bald Dampfdruckkochtopfduschen. Weil es Marktforschung gibt.

Was habe ich zuhause schonmal getan? Das Licht ausgeschaltet und dann entfeuchtet?

Ein schönes Beispiel. Ein anderes (aus der gleichen Umfrage) ist das hier:

Bitte, ich will das Fitnesstraining künftig per Fernbedienung haben…!

Es ist schwer, bei sowas ernst zu bleiben. Das Schöne ist, daß diese Umfragemaschinen annähernd jeden Unsinn schlucken. Und das Schönste daran ist: Während ich diesen Artikel geschrieben habe, habe ich die Umfrage auch gemacht. Das hat – zugegebener Maßen – beinahe eine Stunde gedauert. Aber für das Vergnügen, denen zu erklären, daß ich die Aktivität „sms empfangen“ grundsätzlich nur nachts zwischen 2 und 3 Uhr morgens mit Hilfe eines Staubsaugers und nur im Hobbykeller mache, haben die mir doch glatt 5 Dollar bezahlt. Ich bin gespannt auf die Produktpalette 2013.