Wir brauchen keine Verzwergungsdebatte!

Zu den Dingen, über die ich mich manchmal wirklich ärgere, gehört die neuerdings bei den Sozialdemokraten verstärkt zu beobachtende Neigung, sich präventiv zu ducken. Das war schon einige Male zu beobachten, beispielsweise wenn ein Hubertus Heil sich beinahe entschuldigte, dass er der Kanzlerin als Fraktionsführer der Opposition widersprach, weil selbige die positiven Wirtschaftsdaten für sich in Anspruch nahm, die aber maßgeblich der vorherigen Regierung mit der SPD zu verdanken waren. Wobei mal Heil zugestehen muss, dass er eigentlich recht schöne und angriffslustig formulierte Reden hält.

Derartiges Zeug erlebe ich immer mal wieder und nun war es vorgestern als Norbert Walter-Borjans, der damit um die Ecke kam. Natürlich ist die SPD gerade in einer bescheidenen Lage, keine Frage. Und vielleicht helfen ein paar Jahre Opposition uns auch – besonders wenn die Grünen dann regieren dürfen und sich – wie fast immer, wenn sie regieren – wieder entzaubern.

Dennoch sollte man sich nicht einfach vorschnell darauf festlegen, dass man selbst zu klein und zu schwach ist, um das Land regieren zu wollen. Wir sind nicht die FdP – wir sind eine wichtige und stolze Partei, die auch den Anspruch haben sollte, zu regieren.

Ich bin davon überzeugt, dass Scholz mit seiner Aussage recht hat, dass dieses Land einfach mal eine Erholungspause von der Union braucht. Aber es wird dauern, bis die Wähler das auch so sehen. Daher sollten wir uns zügig aufmachen, an unserem Profil zu arbeiten und wieder ein verlässlicher Partner an der Seite der Bürger, und zwar vor allem an der Seite der nicht so starken Bürger werden. Das muss auch jemand verkörpern – auch mal mehr als nur eine Bundestagswahl lang.

Nachtrag, 10.11.2019: Inzwischen rudert NoWaBo wieder zurück. Das eingestehen von Fehlern halte ich für eine große Stärke. Danke dafür!

Wahlen, Wahlen überall…

Was für ein Wahlwochenende! Zuerst die SPD in den vergangenen Tagen, wobei gestern das Auszählungsergebnis veröffentlicht wurde. Gewonnen hat das Duo Scholz-Geywitz, direkt gefolgt von Esken-Walter-Borjans. Und dann heute noch Thüringen, wobei die SPD hier völlig ins praktisch Bedeutungslose rutschte und die Bande rund um Höcke triumphierte.

Fangen wir chronologisch an. Ich für meinen Teil habe die Regionalkonferenz in München besucht und war einigermaßen angetan – unwählbar fand ich da niemanden.

Mein Herz schlug allerdings für Gesine Schwan, die ich sehr gerne als Vorsitzende gesehen hätte. Ralf Stegner hätte ich dafür gern in Kauf genommen, der ist humorvoller und charmanter, als er gerne wirkt.

Gesine Schwan ist eine streitbare Persönlichkeit – aber gerade das wäre beim derzeitigen Zustand von Partei und Demokratie generell eine angenehme Alternative zu dem etwas arg weichgespülten Politikertypus, der derzeit so beliebt ist. Leider stand ich mit dieser Meinung zwar nicht ganz alleine da, aber doch beinahe. Nur 9,6% der abgegebenen Stimmen sind dem Wahlergebnis der SPD in manchen Bundesländern durchaus recht ähnlich – da finden wir wieder zusammen.

Nina Scheer und Karl Lauterbach waren meine Favoriten bis zur Regionalkonferenz. Karl Lauterbach ist ein profilierter Gesundheitspolitiker und wenn dieses Land irgendwas wirklich braucht, dann ist das die Bürgerversicherung. Mit Lauterbach wäre das vielleicht der wichtigste programmatische Inhalt gewesen und sicher etwas, wofür man SPD wählen kann und sollte. Nina Scheer kannte ich praktisch gar nicht (ihr Vater ist mir eher bekannt), aber als Energiepolitikerin und Mitglied der Grundwertekommission klang sie interessant. Die Art und Weise, wie Lauterbach ihr in München aber über den Mund fuhr und abtat, was sie sagte, war für mich das Thema erledigt. So geht man weder mit einem Partner (egal welches Geschlecht), noch mit einer Frau um.

Das Duo Kampmann/Roth habe ich mir vorstellen können – in fünf bis zehn Jahren. Die beiden sind jung, versprühen Energie und gute Laune und sicher wäre das ein Wechsel; Ob ein guter mag ich mir angesichts der thematischen Absenzen derzeit aber nicht vorstellen. Irgendwie standen die beiden nicht für einen Weg, mehr für ein Ziel. Das reichte mir nicht.

Nun – jetzt geht es in die Stichwahl. Für mich bleibt da die Wahl eigentlich nur für Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Saskia Esken finde ich persönlich zwar überhaupt nicht so toll, aber NoWaBo hat durch praktisches Regierungshandeln bewiesen, dass die SPD etwas bewirken kann – er hat 27 Millionen Euro ausgegeben als Finanzminister in NRW und damit mehr als 7 Milliarden (!) Euro zurückgeholt, die uns, dem deutschen Volk, geklaut worden waren. Das ist doch mal ein guter erster Schritt.

Tja, und dann ist da heute Thüringen. Die SPD nochmal auf 2/3 der vorherigen Ergebnisses reduziert (~8,4%, Stand 19:30), die CDU auf 22% zusammengeschnurrt und die AfD triumphiert: Sie schafft es, dass es in Thüringen keine parlamentarische Mehrheit jenseits von ganz Links und extrem Rechts gibt. Nun ist die Linke in Thüringen eine zuverlässige und gute Truppe – man überlege sich ganz kurz, dass die Union noch Mahnwachen abhalten ließ, weil nun der Kommunismus ins Land einzöge… das hat sich dann doch ein wenig erledigt. Aber eine Fortsetzung der recht erfolgreichen Rot-Rot-Grünen Landesregierung ist wohl sicher ausgeschlossen; Es ist nicht einmal hundertprozentig klar, ob die Grünen (oder die FdP) in den Landtag einziehen werden.

Es bleibt hier spannend – unschön ist das Ergebnis auf jeden Fall.

Zensur? Nach einer Zensurforderung? Also manchmal…

Die AfD hat derzeit ein bisschen Medienrummel bekommen. Ganz zufällig zum Jahresbeginn dürfen als erstes ausgerechnet die wieder groß in die Presse. Und zwar, weil ein paar Leute ein paar Tweets gelesen haben und das dann anzeigten. Komisch ist nur – warum nicht intelligenter reagiert?

von Storch und Weidel haben also zum Jahresbeginn getwittert und das Geblubbel war dann wohl ausreichend, um ihnen Anzeigen zu verpassen. Schreiben jedenfalls die Medien, hier mal beispielsweise die Zeit. von Storch schrieb also: „Was zur Hölle ist in diesem Land los, wieso twittert eine offizielle Polizeiseite aus NRW auf Arabisch? Meinen Sie, die barbarischen, muslimischen, gruppenvergewaltigenden Männerhorden so zu besänftigen?“

Also, um das mal klarzustellen:

  1. Frau von Storch fordert hier, dass die Polizei nicht mehr mehrsprachig, besonders nicht arabisch twittert. Ein Teil der Bevölkerung soll also alleine weil sie sprachlich vielleicht noch nicht soweit sind, von Nachrichten der Polizei ausgeschlossen werden. Das ist eine Zensurforderung.
  2. Ja, der zweite Satz ist eindeutig volksverhetzend – aber nichts ungewöhnliches im Sprachjargon dieser, äh, Mitbürger. Das ist einfach die Sprache dieser Schlechtmenschen – und eindeutig disqualifiziert sich eine Person wie die Frau von Storch damit auch für jeden normalen, vernünftigen Diskurs. Wozu die Aufregung? Es kommt ohnehin nichts dabei raus.

Machen wir uns nichts vor – Normale Diskussion mit solchen Menschen ist nahezu unmöglich. Ich hätte Frau von Storch aber nicht die Chance gegeben, sich wieder einmal als „Opfer des bösen Staates“ zu inszenieren – ein Merkmal, das alle Neorechten vereinen. Nein – ich hätte versucht klarzustellen, dass die AfD für Zensur ist!

Niemand, der nicht zur irgendwie definierten, „eigenen Volksmasse“ gehört, soll einen Neujahrsgruß der Polizei verstehen. Weil… also weil…. naja, also die könnten das ja als Hallo verstehen und sich integrieren! „Respekt zeigen!“ war das Motto. Na, das geht ja nicht, wo kommen wir denn da hin?

Die AfD verlangt also Zensur!

Also das sollte einen Demokraten doch ärgern!

Nebenbei – dass die just zur Gültigwerdung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes so auffallen, das könnte man ja glatt als verabredete – und im vermeintlichen Schutz der Abgeordnetenimmunität passierte – „Verschwörung“ auffassen. Also, so würden die das wahrscheinlich darstellen. Das ist aber bestimmt nur Zufall und dient sicherlich nicht dazu, das Thema wieder hochzukochen oder gar die Grenzen des Gesetzes für die eigenen Anhängsel auszuloten, da bin ich mir sicher….

Trauer um Ewald Schurer

In der vergangenen Nacht ist „mein“ Bundestagsabgeordneter, Ewald Schurer, ziemlich plötzlich verstorben. Er wurde gerade mal 63 Jahre alt. Von 1998 bis 2002 und dann von 2005 bis zum 2.12.2017 war Ewald der Bundestagsabgeordnete der SPD für die Landkreise Ebersberg und Freising (früher Ebersberg und Altötting).

Ewald war eine unermüdliche Kämpfernatur. Ich lernte ihn kurz nach meinem Parteieintritt kennen, damals war er gerade wiedergewählt worden. Wir Jusos machten in der Wahl 2009 dann mit ihm eine Bergtour auf den „Ebersberg„, eine ziemlich spaßige Sache.

Was Ewald auszeichnete war sein Arbeitseifer und seine Fähigkeit, zuzuhören und anzupacken. Ewald kämpfte unermüdlich für die Bürger seines Wahlkreises, war an zahllosen Aktivitäten beteiligt und konnte – ganz besonders auch für Zorneding – in Verhandlungen mit Bahn, Verkehrsministerium und so weiter eine Menge erreichen. Lärmschutz, Spielplatz, Trassenführung – all die typischen realen Probleme der Bürger waren bei ihm immer gut aufgehoben.

Das letzte Mal sah ich ihn bei einem Wahlstand in Zorneding. Wir standen an einem recht angenehmen Samstag noch vor einer Bäckerei und waren im Begriff, zusammenzupacken, als er noch eben auf einen Sprung vorbeikam, direkt von den Ständen in Markt Schwaben. Ewald sprach eine Weile mit uns und trank einen Kaffee, aber als dann ein Bürger mit einem Anliegen auf ihn zutrat war er sofort da, hörte zu, klärte die Rechtslage (Es ging um Pflege, meine ich) und versprach, sich darum zu kümmern. Der Bürger gab ihm eine Mailadresse und Ewald informierte sein Büro, dass sie ihm die Thematik vorbereiten. So macht man das.

Nun ist er ziemlich plötzlich von uns gegangen. Es wird schwer sein, diese Lücke zu füllen. Meine Gedanken gelten seiner Familie, ich wünsche ihnen viel Kraft.

Pressestimmen:

Die Aktion gegen Björn Höcke

Das „Zentrum für politische Schönheit“ hat sich eine ziemlich lustige Kunstaktion erlaubt und Björn „the Bernd“ Höcke mit seinem persönlichen „Denkmal der Schande“ beglückt. Das ist klug, das ist witzig. Ich finde das gut. Aber: Das hat auch eine andere Seite und die finde ich gar nicht gut.

Vergangene Woche waren die Nachrichten ja voll davon: Höcke, der alte Bernd der AfD, hat eine Kopie des Holocaust-Mahnmals direkt vor sein Wohnhaus bekommen. Da er das Mahnmal, das uns Deutsche und die ganze Welt stets daran erinnern soll, welches Grauen Fremdenfeindlichkeit hervorbringt, als ein „Denkmal der Schande“ bezeichnet hat und nicht etwa als einen Ausdruck der deutschen Erinnerungskultur, das es ist, kann ihm da ein gewisser Denkanstoß nicht schaden, auch wenn das ziemlich sicher Perlen vor die… na, Sie wissen schon.

Warum das witzig ist, brauche ich wohl kaum zu erklären, aber warum auch klug? Nun, es ist die Kopie eines Denkmals und dass Herr Höcke mit dem Denken zumindest zeitlich seine Probleme hat, scheint aus den meisten seiner Reden hervorzugehen; Vielleicht hilft es ihm also, endlich mal ein wenig zu Ruhe zu kommen, zu denken. Vermutlich wird er aber eher eine Meinung haben, als eine Ahnung, das ist bei den meisten Menschen heute offenbar so, bei AfD’lern allerdings wohl unumstößlich.

Was mir allerdings gar nicht schmeckt ist der zweite Teil der Aktion: Eine über Monate andauernde Überwachung von Höcke und vor allem seiner Familie und die Drohung, die daraus resultierenden Erkenntnisse öffentlich zu machen, sofern er nicht vor dem Mahnmal niederkniet – angeblich in Anlehnung an Willy Brandt, aber in Wahrheit um ihn (zumindest vor seinen Gesinnungsgenossen, Verzeihung, -kameraden) zu demütigen.

Menschenrechte! Alleine das Wort ist rassistisch!
Ja, auch ein rechter Sack wie Höcke hat Menschenrechte! Auch Menschen, die ihm verwandtschaftlich verbunden sind, haben die! Ja, sie wollen uns vielleicht die Menschenrechte aberkennen, aber das hat einen demokratischen Menschen nicht zu interessieren, die Nummer mit „Aug um Auge“, überlassen wir mal schön den Idioten.

Höcke zu überwachen um möglichen Straftaten auf die Spur zu kommen oder auch Kontakten zu Menschen, die sich im rechtsradikalen Milieu bewegen ist eine Sache, sollte dabei sowas herausgekommen sein, ist das der Staatsanwaltschaft zu übergeben und fein, aber öffentlich mit Privatem zu drohen ist feige und unwürdig. So geht man einfach nicht miteinander um.

Jeder Bürger hat das Recht und die Pflicht, Straftaten in seinem Umfeld zu melden. Wenn Höcke sich also mit Neonazis trifft, müssen die Mädels und Jungs vom „Zentrum für politische Schönheit“ das einfach den Behörden weitergeben. Lieber Leser, Sie würden ja auch melden, wenn Ihr Nachbar plötzlich einen etwa zwei Meter langen, gerollten Teppich im Garten vergräbt, oder?

Aber einen Neonazi – und Höcke scheut sich vielleicht das zuzugeben, aber nichts anderes ist er – zu überwachen und zu drohen, Privates an die Öffentlichkeit zu bringen, falls er nicht spurt, das sind totalitäre Mittel und haben nichts in einem demokratischen Staat zu suchen. Auch Neonazis sind Menschen. Schlechte vielleicht, weil sie ja keine „Gutmenschen“ sein wollen, aber Menschen.

Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, dass Neonazis in ihren Netzwerken Adressen von politischen Gegnern („Volksfeinden“) tauschen. Das tun sie, das ist verwerflich und das zeigt, was für miese Schweine das eigentlich sind. Wir haben aber eben anders zu sein!

Wir Demokraten, der anständige Teil der Bevölkerung, täte gut daran, den Gegner nicht zu entmenschen! Das tun schon die Anderen, und das ist ja auch der Grund, warum wir sie – politisch, demokratisch, überzeugend, im Recht! – bekämpfen müssen.

„Es ist besser, wenn die FDP nicht regiert!“

So jedenfalls könnte man den Kommentar des FdP-Chefs Christian Lindner verstehen, wenn man ihn richtig liest: „Es ist besser nicht zu regieren, als schlecht zu regieren“ und grundsätzlich ist schlechtes Regieren nie gut. Aber auch keine Katastrophe – 12 Jahre Merkel (Davon 4 mit der FdP) zeigen das ja.
Und nun?

Nun, zunächst einmal ist ja gar nichts passiert. Die Sondierungen – die also noch nicht einmal Koalitionsverhandlungen waren – sind nun eben gescheitert. Selbst die Wirtschaft reagierte gelassen, letztendlich hat eine nationale Regierung angesichts globaler Märkte ohnehin keine Bedeutung – das jedenfalls war im Deutschlandfunk in den Börsennachrichten zu hören. Sauber!

Nun wird der schwarze Peter wieder der SPD zugespielt, die nun dann schuld ist, wenn es Neuwahlen geben sollte. Nicht, dass das so ohne weiteres passiert – vielleicht wäre eine Minderheitenregierung tatsächlich nicht schlecht, denn die Kanzlerin müsste einmal das tun, was sie seit 11 Jahren konsequent vermeidet: Regieren.

Sie müsste überzeugen, im Parlament kämpfen und die CDU müsste tatsächlich um Inhalte werden – und dazu zunächst welche entwickeln. Das würde der Union guttun wenn sie ein Profil entwickelt, dass aus etwas anderem besteht als „Mutti“ und vor allem wäre es gut für unsere Demokratie, weil die seit 11 Jahren andauernde, konsequente Entmachtung des Parlaments wieder rückgängig gemacht werden könnte. Zwar kämen manche Dinge dann nur schleppend voran, aber das macht vielleicht auch gar nichts.

Vom Sinnentstellenden Zitat

Im Zeitalter der zwanghaften Verkürzung ist es inzwischen leider mehr als üblich, Aussagen von Mitmenschen – ob Politiker oder nicht – irgendwie auf 140 Zeichen herunterbrechen zu wollen. Das ist allerdings nicht gerade neu: mit dieser Form der Verkürzung arbeitet beispielsweise die BILD-Zeitung schon sehr lange. Und dass dabei oft der Sinn entstellt oder sogar umgekehrt wird, ist wohl nicht selten Absicht.

Zwei Beispiele gab es in Jüngster Zeit, ÜberMedien berichtete über beide. Im ersten Fall ist Arbeitsministerin Andrea Nahles das Opfer: Eine Aussage von ihr zum Thema „Grundeinkommen“ ist von – ausgerechnet – dem Deutschlandfunk völlig sinnentstellend wiedergegeben worden. Im Rahmen einer Rede auf der Re:publica sagte Frau Nahles:

„‚Das Grundeinkommen führt dazu, dass keiner mehr schlecht oder niedrig entlohnte Arbeit macht.‘ – Leute, wenn das stimmen würde, dann käme ich ins Schwanken.“

Im Video ab 2:17:47

Das ist eine Aussage, an der man sich abarbeiten kann oder nicht; tatsächlich geht es hier gar nicht um den Inhalt. Der DLF machte daraus:

„Das bedingungslose Grundeinkommen führt dazu, dass keiner mehr schlechte oder niedrig bezahlte Arbeit machen möchte“

Hum… das ist irgendwie das Gegenteil dessen, was sie sagte, oder? Denn der zweite Satz, „Leute, wenn das stimmen würde, dann käme ich ins Schwanken.“ relativiert hier ja den ersten um eine Argumentationskette aufzubauen. Das ist normale (und nicht mal besonders geschliffene) Rhetorik. Aber durch die Verkürzung erreichte der DLF genau das, was er wohl wollte: Empörung, Klickzahlen und letztendlich auch eine Anti-SPD-Stimmung.

Das geht aber nicht nur der SPD so, sondern auch anderen. Die AfD zum Beispiel. Nicht, dass ich die NDP-Nachfolgepartei gerne in Schutz nehme und das ist auch gar nicht nötig: Wenn man sich das Programm oder auch – ganze – Reden von ihrer „Prominenz“ so durchliest, weiß man ziemlich genau, was das für Leute sind.

Allerdings ist dem Baden-Württembergischen Abgeordneten Rainer Podeswa ebenfalls eine solche Sinnentstellung klürzlich passiert. Er sagte in einer Rede am 11. Mai 2017:

Die haben damals Hunderte von Frauen verbrannt und damit das Klima gerettet. Das sind die Ergebnisse einer öko-stalinistischen, schon wahnhaften Mission, die Sie in diesem Thema verfolgen. Wir von der AfD stehen für eine Klima-, für eine Wirtschafts- und eine Gesellschaftspolitik der Vernunft.

Das ist zwar völliger Unsinn, aber problemlos andiskutierbar. (Den Kampf gegen den Klimawandel mit Massenmord gleichzusetzen ist tatsächlich völlig daneben; Aber halt das, was diese Leute unter „Denken“ verstehen).

Allerdings machten die dpa und dann weitere Medien (ohne die Quelle mal zu checken, die Sitzung inklusive der Rede ist online verfügbar) daraus „AfD-Politiker empfiehlt Frauenverbrennung zur Klima-Rettung“ Nein, das hat er nicht gesagt. Aber natürlich liefen gleich wieder alle Sturm und das eigentliche Problem, nämlich dass die AfD jedwede wissenschaftliche Erkenntnis zum Klimawandel leugnet und mit ihrer Ahnungslosigkeit im Parteiprogramm hausieren geht, ist völlig unter den Tisch gefallen.

Meinen Sie, das ist nicht so? Na, schauen Sie mal:

Was aus diesem Video im Übrigen wurde, hat Lesch dann eine Woche später auch gleich beantwortet.

Warum Europa die einzig mögliche Zukunft ist

Dieser Artikel erschien in der Zornedinger Rundschau 80 vom Januar 2017. Er ist ein Gemeinschaftsprojekt von meiner Frau und mir.

Frage. Sprich, Kind, wer bist du?
Antwort. Ich bin ein Deutscher.
Frage. Ein Deutscher? Du scherzest. Du bist in Meißen geboren, und das Land, dem Meißen angehört, heißt Sachsen!
Antwort. Ich bin in Meißen geboren und das Land, dem Meißen angehört, heißt Sachsen; aber mein Vaterland, das Land dem Sachsen angehört, ist Deutschland, und dein Sohn, mein Vater, ist ein Deutscher.
Frage. Du träumst! Ich kenne kein Land, dem Sachsen angehört, es müßte denn das rheinische Bundesland sein. Wo find ich es, dies Deutschland, von dem du sprichst, und wo liegt es?

So schrieb es Heinrich von Kleist in seinem „Katechismus der Deutschen“, erschienen 1809. Damals konnten sich so manche nicht vorstellen, dass ihre Heimat, ihre Vaterländer in einem neumodischen, großen Deutschland aufgehen sollten, jahrhundertelange Feinde plötzlich zur gleichen Nation, ja, zum gleichen Volk gehören könnten.

Heute, im Zeitalter von Johnson und Farage, Le Pen und Petry trennt diese Geisteshaltung die vermeintlichen Völker Europas wieder mehr als in den letzten dreißig Jahren. Die Vorstellung eines geeinten Europas, vielleicht sogar einer Nation wie den „Vereinigten Staaten von Europa“, wie sie schon 1776 von George Washington angedeutet und 1925 von der SPD ins Heidelberger Programm geschrieben wurde, lehnen sie ab.

Europas junge Leute hingegen haben längst begriffen, was dieses Europa ihnen bringt. Längst sind Landesgrenzen nicht mehr als Striche auf der Landkarte, man studiert, arbeitet und lebt, wo es einem gefällt. Die Idee, dass es für das eigene Leben von Bedeutung sein könnte, woher man stammt, scheint gerade für junge Menschen nicht mehr von Bedeutung zu sein.

Genau das aber macht die Abstimmung in Großbritannien und die europafeindlichen Bewegungen so tragisch. Nicht nur eine Abstimmung von Land gegen Stadt, sondern vor allem eine Abstimmung von Alt gegen Jung hat die „FAZ“ konstatiert. Eine Umfrage von „YouGov“ und der Londoner „Times“ ergab, dass zwar rund 80 % der 18- bis 24-Jährigen für den Verbleib in der EU stimmte, aber rund 63 % der über 65-Jährigen für den Austritt.

Dahinter steckt hauptsächlich der auch in Deutschland verbreitete Wunsch nach der Rückkehr in eine „Gute Alte Zeit“, die es allerdings so nie gegeben hat. Wann soll das gewesen sein? Die Angst vor dem Atomkrieg in den 1950ern? Die 1970er Jahren mit dem „Deutschen Herbst“? Oder aber die Zeit dazwischen, als man die Berliner Mauer baute und der Contergan- Skandal die Republik erschütterte? Mit dem gleichen falschen Ziel werben die europafeindlichen Parteien und Gruppierungen für sich: „Macht die Grenzen dicht und lasst nur Deutsche in Deutschland leben, und alles wird wieder gut.“

Im Zeitalter der internationalen Vernetzung – die deswegen ja nicht aufhören wird – und globaler Zusammenarbeit ist eine Rückbesinnung auf die vermeintlich goldenen Nachkriegsjahre aber nicht sonderlich zukunftsorientiert. Kein Land in Europa hat heute noch die Ressourcen, ohne Partner zu bestehen – aber um Partner zu bekommen, ist eine engere Vernetzung und mehr Offenheit nötig, kein zusätzliches Misstrauen und Abgrenzung.

Natürlich hat die Europäische Union ihre Fehler – sie ist ein von Menschen für Menschen gemachtes Gebilde, bei dessen Entwicklung stets die europäische Wirtschaft und nicht etwa das europäische Volk im Fokus stand. Aber das ist noch lange kein Grund, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Verbesserungen sind notwendig, keine Frage – aber die Vorteile einer EU-Mitgliedschaft überwiegen so stark, dass es nicht nur kurzsichtig, sondern geradezu dämlich ist, das ganze Projekt wegen der vorgeschriebenen Gurkenkrümmung zu verlassen.

Dank der Reisefreiheit innerhalb der EU sind Forschung und Lehre, Ausbildung und Studium über alte Grenzen hinweg problemlos möglich und ja, auch grenzüberschreitende Freundschaften. Maurice Béjart choreografierte zu dem Song „I was born to love you“ der Gruppe Queen ein herzzerreißendes Stück über Liebende, getrennt durch einen Zaun – wie kann diese Tragik erstrebenswert sein? Jahrzehntelang hat ein Eiserner Vorhang, hat eine tödliche Mauer, Familien und Freunde auseinandergerissen – wie kann man das zurückwollen?

Reisefreiheit und internationale Ausbildung sind ja auch kein privates Vergnügen ohne Konsequenzen für jene, die nicht daran teilnehmen: Wer im Studium Freunde aus anderen Ländern gewinnt, erweitert seine Fähigkeit, über Unterschiede hinweg zu kommunizieren – genaugenommen ist multikulturelles Verstehen also ein Unterpfand für den gesellschaftlichen Zusammenhalt „zu Hause“. Überall in Europa leben Menschen mit guten Ideen – es ist sinnvoll, sich über diese Ideen auszutauschen und in der Synergie Vorteile zu finden. Die großen Zukunftsfragen wie Energieversorgung, Armutsbekämpfung und Friedensstiftung können nur bewältigt werden, wenn Menschen verschiedener Prägung häufig, gern und freundschaftlich miteinander reden und arbeiten.

Wir müssen uns wieder darauf besinnen, was uns eigentlich verbindet. Denn wenn heute Figuren wie Geert Wilders in den Niederlanden oder Alexander Gauland in Deutschland über den Ausstieg „ihrer“ Länder aus dem Staatenverbund fabulieren, wer sagt dann eigentlich, dass nicht auch Bayern aus Deutschland, Franken aus Bayern, ja Zorneding aus dem Landkreis austreten könnte? Wo ist der Unterschied?

Europa sollte sich mehr auf seine Werte besinnen, die auch im Christentum, vielmehr aber in der Aufklärung wurzeln. Im Vertrag von Maastricht heißt es: „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde,Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“ Diese Worte sind die Grundlage der Grundrechtecharta der Europäischen Union und seit 2009 mit dem Vertrag von Lissabon ist diese Charta rechtsgültig – mit Ausnahme von Großbritannien und Polen, die sie abgelehnt hatten.

Die Gefahren, vor denen sich manche durch Abschottung und Ausgrenzung schützen wollen, zielen auf alle Europäer: Terrorismus, soziale Ungleichheit und Druck aus Billiglohnländern auf unsere Wirtschaft machen an keiner Grenze Halt – wir haben nichts zu gewinnen, wenn wir unsere Nachbarn wieder Fremde schimpfen, aber alles zu verlieren, wenn wir sie nicht als Freunde an unserer Seite haben. Die Antwort auf die Umwälzungen einer globaliserten Welt ist nicht, rückwärts zu gehen, sondern im Gegenteil mehr Zusammenarbeit. Die EU ist zu bürokratisch? – Gut, dann müssen wir uns eben noch besser vernetzen, um Kommunikationswege zu verkürzen. Die Kooperation zwischen den europäischen Staaten funktioniert nicht so richtig? – Schön, dann lasst uns mehr Entscheidungen direkt auf europäischer Ebene treffen. Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen: Gestaltungsfreiheit ist nicht nur möglich, sondern auch dringend erforderlich. Aber es gibt keine zukunftsträchtige Alternative zu europäischer Zusammenarbeit. Nicht, wenn uns etwas an Freiheit, Demokratie und Menschenrechten liegt, und wir diese Werte auch für zukünftige Generationen sicherstellen wollen.

Panama in Zorneding. Gedanken aus dem Exil

Dieser Artikel erschein bereits in der Zornedinger Rundschau 79 (pdf) im Mai 2016

Ähnlich wie ich hier im fernen Hof dürften auch Sie die Nachrichten von den sogenannten „Panama- Papers“ gelesen haben. Und wahrscheinlich verfolgen auch Sie gespannt, wer da noch so alles drin steht.

Große Namen fallen, manchmal auch Präsidenten. Island macht vor, wie man seine Regierung zu behandeln hat. Das ist wirklich gut. Denn es ist klar: Es fallen Menschen, nicht Institutionen. Es fallen Verbrecher und solche, die eigentlich als welche gelten müssten.

Deswegen ist die Demokratie nicht verloren. Sie war es vorher nicht, und sie ist es auch jetzt nicht. Demokratie kann gar nicht verloren gehen, denn sie gehört uns. Uns! Genüsslich schreibt die Journaille vom Ende der Demokratie, das sehe ich sehr wohl, aber sie hat nicht nur nicht recht, sie sägt an ihrem eigenen Ast.

In Zeiten von Spinnern, heißen sie nun IS oder AfD, ist Mut angesagt. Von Menschen, die so denken, darf man sich den Mut nicht ausreden lassen. Die Journaille, die noch nicht so ganz verstanden hat, dass sie mit der Pauschalverurteilungsmasche zwar viele Leser gewinnt, aber wenig für das Land tut und damit letztlich an ihrer eigenen Freiheit sägt, wird sich noch wünschen, die eigenen Regeln einmal gelernt zu haben: Niemals vorschnell schreiben, niemals vorschnell melden und niemals vorschnell urteilen.

Keine Frage: Die „Süddeutsche“, die sich überhaupt mit der Entdeckung verdient gemacht hat und manch staatlicher Sender haben viel für die Republik getan. Aber nun beginnt wieder einmal die Hexenjagd, bei der so manches intellektuell unterprivilegierte Massenmedium ein Geschäft machen will.

Moralisch verwerfliche Politiker hat es schon immer gegeben. Aber Demokratie schafft die Möglichkeit, sie loszuwerden. Ohne Demokratie – wie die AfD das will – müssten wir sie erleiden.

Gehen Sie wählen!

Der heraus ragende Bürgermeister

Diese kurze Glosse ist ein Gemeinschaftsprojekt von meinem Vater und mir und erschien in der Rundschau 75 vom Februar 2014 (pdf). Sie bezieht sich darauf, dass die CSU eigene Wahlplakatständer für ihren Bürgermeister aufstellen ließ, auch wenn das sonst sehr streng gereglt ist.

Nur selten lehnt sich der Platzhirsch aus dem Fenster, doch manchmal benötigt er mehr Raum als die anderen. So haben auch die Plakatwände der Gemeinde Zuwachs bekommen, damit der Bürgermeister Platz finden kann. Rechtzeitig zur Wahl erging aus dem Rathaus an die Parteien die Weisung: „Die Wahlplakate für den Gemeinderat oder Bürgermeister müssen im Rathaus bis spätestens 22.01.2014 abgegeben werden.“, wie immer also Platz für ein Plakat je Partei auf jeder der 13 Wände im Gemeindegebiet.

Aber, kaum standen die Wände, erschienen schon die Wahlplakate der CSU – für Gemeinderat und Bürgermeister.

Wenn die CSU ein eigenes Brett beansprucht, ist das ihre Sache, die Symbolik mit dem Extrabrett hinter dem Kopf des Bürgermeisters auch.

Wir, die SPD, beanspruchen nicht mehr Platz als andere. Frei nach George Orwell: Herr Mayr mag gleicher sein, Bianka Poschenrieder ist besser!