Vom Sinnentstellenden Zitat

Im Zeitalter der zwanghaften Verkürzung ist es inzwischen leider mehr als üblich, Aussagen von Mitmenschen – ob Politiker oder nicht – irgendwie auf 140 Zeichen herunterbrechen zu wollen. Das ist allerdings nicht gerade neu: mit dieser Form der Verkürzung arbeitet beispielsweise die BILD-Zeitung schon sehr lange. Und dass dabei oft der Sinn entstellt oder sogar umgekehrt wird, ist wohl nicht selten Absicht.

Zwei Beispiele gab es in Jüngster Zeit, ÜberMedien berichtete über beide. Im ersten Fall ist Arbeitsministerin Andrea Nahles das Opfer: Eine Aussage von ihr zum Thema „Grundeinkommen“ ist von – ausgerechnet – dem Deutschlandfunk völlig sinnentstellend wiedergegeben worden. Im Rahmen einer Rede auf der Re:publica sagte Frau Nahles:

„‚Das Grundeinkommen führt dazu, dass keiner mehr schlecht oder niedrig entlohnte Arbeit macht.‘ – Leute, wenn das stimmen würde, dann käme ich ins Schwanken.“

Im Video ab 2:17:47

Das ist eine Aussage, an der man sich abarbeiten kann oder nicht; tatsächlich geht es hier gar nicht um den Inhalt. Der DLF machte daraus:

„Das bedingungslose Grundeinkommen führt dazu, dass keiner mehr schlechte oder niedrig bezahlte Arbeit machen möchte“

Hum… das ist irgendwie das Gegenteil dessen, was sie sagte, oder? Denn der zweite Satz, „Leute, wenn das stimmen würde, dann käme ich ins Schwanken.“ relativiert hier ja den ersten um eine Argumentationskette aufzubauen. Das ist normale (und nicht mal besonders geschliffene) Rhetorik. Aber durch die Verkürzung erreichte der DLF genau das, was er wohl wollte: Empörung, Klickzahlen und letztendlich auch eine Anti-SPD-Stimmung.

Das geht aber nicht nur der SPD so, sondern auch anderen. Die AfD zum Beispiel. Nicht, dass ich die NDP-Nachfolgepartei gerne in Schutz nehme und das ist auch gar nicht nötig: Wenn man sich das Programm oder auch – ganze – Reden von ihrer „Prominenz“ so durchliest, weiß man ziemlich genau, was das für Leute sind.

Allerdings ist dem Baden-Württembergischen Abgeordneten Rainer Podeswa ebenfalls eine solche Sinnentstellung klürzlich passiert. Er sagte in einer Rede am 11. Mai 2017:

Die haben damals Hunderte von Frauen verbrannt und damit das Klima gerettet. Das sind die Ergebnisse einer öko-stalinistischen, schon wahnhaften Mission, die Sie in diesem Thema verfolgen. Wir von der AfD stehen für eine Klima-, für eine Wirtschafts- und eine Gesellschaftspolitik der Vernunft.

Das ist zwar völliger Unsinn, aber problemlos andiskutierbar. (Den Kampf gegen den Klimawandel mit Massenmord gleichzusetzen ist tatsächlich völlig daneben; Aber halt das, was diese Leute unter „Denken“ verstehen).

Allerdings machten die dpa und dann weitere Medien (ohne die Quelle mal zu checken, die Sitzung inklusive der Rede ist online verfügbar) daraus „AfD-Politiker empfiehlt Frauenverbrennung zur Klima-Rettung“ Nein, das hat er nicht gesagt. Aber natürlich liefen gleich wieder alle Sturm und das eigentliche Problem, nämlich dass die AfD jedwede wissenschaftliche Erkenntnis zum Klimawandel leugnet und mit ihrer Ahnungslosigkeit im Parteiprogramm hausieren geht, ist völlig unter den Tisch gefallen.

Meinen Sie, das ist nicht so? Na, schauen Sie mal:

Was aus diesem Video im Übrigen wurde, hat Lesch dann eine Woche später auch gleich beantwortet.