Der erste Schock des Wahlabends – und das glückliche Ende

Um 18 Uhr macht die Bibliothek zu – um 18:10 Uhr beginne ich Deutschlandradio zu hören. Und da traf es mich wie ein Schock: FdP bei 10%? Hoppla, was ist denn da passiert?

Ein Liveblog während ich erstmal was trinken gehe…

19:11 Uhr:
Die ersten Hochrechnungen sind ziemlich gruselig:

  • CDU 36,4%
  • SPD 32,6%
  • Grüne 13,4%
  • FDP 9,9%
  • Linke 3,3%
  • Piraten 1,8%
  • Sonstige 2,6%

Ersten Analysen zufolge ist das Ergebnis vor allem den Leihstimmen zu verdanken. Die CDU hat ziemlich heftig verloren (etwa 6%) und die FdP ein wenig gewonnen. Bin mal gespannt auf die realen Stimmen gewinne und -verluste.

19:15 Uhr
Hm…. die krachenden Verlierer sind definitiv die Piraten und die Linkspartei. SPD/Grüne und CDU/FdP sind annähernd gleichauf. Das wird ein spannender Abend…

19:20 Uhr:
Ein schönes hat das Ganze ja…. die Demoskopen sind mal so richtig auf die Nase gefallen. Reiner Brüderle auch. Schön fand ich die erste Aussage von Stefan Weil, der sich für den fairen Wahlkampf bedankte und hervorhob, daß die Wahlbeteiligung gestiegen ist. Mit knapp über 60% ist sie aber trotzdem erschreckend niedrig.
Peer Steinbrück hat sich recht einsichtig geäußert… vielleicht findet er endlich ein bißchen Rückenwind gegen die Kampagne, die da gegen ihn läuft. Vielleicht wird sich da ja doch noch was ändern.
Gabriel hat auch einen schönen Satz gesagt: Die FdP existiert eigentlich nicht mehr – nur noch über Leihstimmen. Naja, rein rechnerisch kann das wohl kaum stimmen….

19:45 Uhr:
Warum darf in der Berliner Runde eigentlich die CSU immer ihren Senf dazugeben? Warum nicht die Piraten?

20:10 Uhr:
Wird spannend: Das Rotgrüne Lager ist genauso stark wie das bürgerliche. Es wird um ein paar hundert Stimmen gehen. Ehrlich gesagt, ich finde das Lagedenken schrecklich, aber jetzt hat sich das irgendwie endgültig durchgesetzt…

20:24 Uhr:
taktische Wähler; Das gleiche wie bei der Bundestagswahl 2009: Im Grunde keine Zustimmung zur FdP sondern mehr eine Ablehnung von SPD und Grünen. Und das, wo die Grünen in so vielem der FdP ähnlich sind..

21:55 Uhr:
Aktuelle Hochrechnung:

  • CDU: 36,1%
  • SPD: 32,3%
  • Grüne: 13,7%
  • FdP: 10,1%
  • Linke: 3,2%
  • Piraten: 2,0%
  • Sonstige: 2,6%

Koalitionen? Hm…. Infratest Dimap geht derzeit von 142 Sitzen aus. Daher würde das bei dem Ergebnis heißen:

  • Schwarzgelb: 71 Sitze
  • Rotgrün: 71 Sitze
  • Schwarzrot: 106 Sitze

Damit bliebe nur eine große Koalition, die aber wahrscheinlich keiner will.

22:05 Uhr:
Niedersachsen ist spannend, weil es wohl letztendlich auf ein Wettrennen mit den Überhang- und Ausgleichsmandaten hinausläuft. Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei über die Erststimmen in den 87 Wahlkreisen mehr Mandate direkt gewinnt, als ihr nach der Zahl der Zweitstimmen prozentual zustehen – und das passiert öfter. Im Bund ist dies Gegenstand der großen Kontroverse um unser Wahlrecht.
In Niedersachsen ist es nun aber so, daß die anderen Parteien dann Ausgleichsmandate erhalten, damit das Zweitstimmenergebnis sich im Parlament wiederspiegelt. Damit kommt es auf jede Stimme an.

22:15 Uhr:
„Hat das Ergebnis irgendwelche Auswirkungen auf Angela Merkel?“, fragen viele Medien. Vielleicht sollten wir erstmal ein Ergebnis haben, Freunde, es sind gerade mal die Hälfte der Stimmbezirke ausgezählt…
Nach den Hochrechnungen hat das Rotgrüne Lager knapp 8% gewonnen, das Schwarzgelbe („bürgerliche“) Lager hat gute 5% verloren. Das könnte man als Stimmungsumschwung interpretieren, aber das ist eine Landtagswahl – Bundestrends spielen natürlich eine Rolle, aber keine entscheidende. Jedenfalls wäre das zu hoffen.

22:23 Uhr:
Seltsam….. Herr Rösler hat eine sehr seltsame Satzbetonung im Gespräch mit den Tagesthemen… das klingt so ein bißchen wie damals bei der Knoff-Hoff Show und Joachim Bublath… was seinerseits Bully noch schön parodiert hatte…. irgendwie erinnert das Interview mehr an die Parodie…

22:30 Uhr:
Gucke grad das Heute-Journal, das für die Ergebnisse um 21:44 eine andere Hochrechnung bietet. Interessant ist der Unterschied schon:

  • CDU: 36,5% (ARD, 21:45 Uhr: 36,1%)
  • SPD: 32,7% (ARD, 21:45 Uhr: 32,3%)
  • Grüne: 13,6% (ARD, 21:45 Uhr:13,7%)
  • FdP: 9,6% (ARD, 21:45 Uhr:10,1%)
  • Linke: 3,1% (ARD, 21:45 Uhr: 3,2%)
  • Piraten: keine Angabe, ca 2% wird gesagt (ARD, 21:45 Uhr: 2,0%)
  • Sonstige: 4,5% (ARD, 21:45 Uhr: 2,6%)

Die Forschungsgruppe Wahlen geht derzeit von 140 Sitzen (ARD, 21:45 Uhr: 142) aus. Daher würde das bei dem Ergebnis heißen:

  • Schwarzgelb: 70 Sitze (56+14)
  • Rotgrün: 70 Sitze (50+20)
  • Schwarzrot: 106 Sitze

Damit bliebe auch hier nur eine große Koalition, die aber wahrscheinlich keiner will.

22:40 Uhr:
Endlich mal neue Zahlen…. 🙂

  • CDU: 36,0%
  • SPD: 32,7%
  • Grüne: 13,6%
  • FdP: 10,0%
  • Linke: 3,1%
  • Piraten: 2,1%
  • Sonstige: 2,5%

Quelle ist hier wieder die Infratest Dimap, Stand ist 22:19 Uhr.

22:39 Uhr:
Die Sitzverteilung nach diesen neueren Hochrechnungen ist auch interessant.

  • CDU: 53
  • SPD: 48
  • Grüne: 20
  • FdP: 14
  • insgesamt 135 Sitze

Das würde bedeuten 67:68 Sitze, Hauchdünner Vorsprung für Rot-Grün. Dummerweise gibt es auch eine alternative Sitzverteilung.

  • CDU: 54
  • SPD: 49
  • Grüne: 20
  • FdP: 15
  • insgesamt 138 Sitze

Da würde es 69:69 Sitze stehen. Also immer noch Kopf- an-Kopf. Mittlerweile ist es aber schon einigermaßen eindeutig, was die Erststimmenergebnisse angeht: Die Karte zeigt, daß nur noch ein Wahlkreis fehlt, nämlich Hameln/Rinteln.

22:52 Uhr:
Gemein! Das Tagesthemen-Livestream geht derzeit nicht… Verdammt!

22:57 Uhr:
Jetzt geht’s. Endlich.

23:00 Uhr:
Hm… die Forschungsgruppe Wahlen (ZDF) hat neue Zahlen vor ein paar Minuten gebracht, die von der ARD muß ich nachgucken weil der Livestream grad nicht ging.

  • CDU: 36,2% (ARD, 22:47 Uhr: 36,0%)
  • SPD: 32,7% (ARD, 22:47 Uhr: 32,6%)
  • Grüne: 13,6% (ARD, 22:47 Uhr: 13,76%)
  • FdP: 9,9% (ARD, 22:47 Uhr: 9,9%)
  • Linke: 3,1% (ARD, 22:47 Uhr: 3,2%)
  • Piraten: keine Angabe (ARD, 22:47 Uhr: 2,1%)
  • Sonstige: 3,1%

Interessant ist, daß es jetzt nicht mehr für CDU/FdP reicht, wenn man der ARD glaubt, nach dem ZDF könnte es noch gehen. Egal wie, es würde nur eine Stimme Mehrheit sein – das erfordert Regierungskunst.

23:05 Uhr:
Langsam gehen mir die Leute auf den Keks. „Wie oft, Stefan Weil, haben Sie im Wahlkampf gedacht: ‚Peer Steinbrück, Hätten Sie doch mal den Mund gehalten‘ “ Was soll diese Steinbrückdrescherei andauernd? Könnten sich die Medien mal auf ihre Aufgabe besinnen?

23:16 Uhr:
Stefan Belz‘ Kommentar in den Tagesthemen ist ja wohl mal bescheuert: „Das Land steuert auf einen Lagerwahlkampf zu. Der heutige Tag war gut für die Demokratie.“
Sonst geht’s ihm aber schon noch gut, oder?

23:20 Uhr:
So, ich mag nicht mehr. Mittlerweile war es ein bißchen viel Whiskey (natürlich schottischer Single Malt) und jetzt kommt eh der Sportteil, also verabschiede auch ich mich vom Liveblog und freue mich mit Euch allen auf das amtliche Endergebnis – das bei aller Behauptung der Tagesthemen noch immer nicht wirklich klar ist. Immerhin, das vorläufige amtliche sieht es nun bei 69:68 Sitzen für Rot-Grün. Gute Nacht Euch allen und lasst Euch nicht unterkriegen. Kämpft weiter für die Gute Sache.
Für unser Land.

Steigende Mieten – und ein sich veränderndes Stadtbild

Seit ich in München wohne hat sich das Bild meines Viertels ein wenig geändert. Ich wohne in der Maxvorstadt, ein ganz normales Univiertel eigentlich, das eine Menge Spaß macht und ich lebe wirklich gern hier. Zu den Dingen, die ich sofort ins Herz geschlossen hatte gehörten auch die ganzen Buchläden und Antiquariate, wo man mitunter sehr zufällig auf tolle Bücher stoßen konnte – und stundenlang wühlen.

Jetzt sterben diese Geschäfte. Zuerst erwischte es ein kleines Antiquariat in der Schellingstraße, da hatte ich selber noch nie eingekauft weil es praktisch nicht auf meinem Weg liegt. Stattdessen kam ein Musikladen rein, der blieb auch nicht lange. Jetzt ist es ein Café – links und rechts davon sind es auch Cafés oder Pizzerien.

Am Augenfälligsten war die Schließung der Universitätsbuchhandlung Heinrich Frank, die es da seit 135 Jahren gibt. Im Juli meldete er Insolvenz an, im Oktober war es vorbei. Auch der „linke Buchladen“, der eher alternative Literatur, Philosophie und Geschlechterrechtliches aus aller Welt führt, ist inzwischen auf die Hälfte seiner Größe geschrumpft – inzwischen gibt es in der Adalbertstraße Ecke Barer Straße nur noch den Philosophie-Laden. Die andere Hälfte ist ein Bekleidungsgeschäft.

Jetzt scheint in diesem Lande besonders im lädlichen Raum der Wunsch nach mehr Bekleidungsgeschäften zu bestehen (wie in Ennepetal oder in Rheinfelden), aber gerade die Münchner Innenstadt quillt doch über mit den Läden. Alleine in der Adalbertstraße sind auf den gut 200 Metern zwischen Barer und Türkenstraße 3 (!) Bekleidungsgeschäfte angesiedelt. Auch ansonsten habe ich das Gefühl, überall wo irgendwas eingeht entsteht danach ein Laden für weiße Hosen und bunte Kleider. Natürlich steigen überall die Mieten an, gerade auch die für Geschäfte (ganz krass zuletzt in Stuttgart), aber können die wirklich nur noch von irgendwelchen Läden mit Schaufensterpuppen getragen werden?

Die SPD hat das Thema Mietexplosion entdeckt und Peer Steinbrück möchte es im Wahlkampf nutzen – dazu gibt es nun ein Strategiepapier. Gerade als Münchner muß ich das erstmal gut finden, schließlich lebe ich in der teuersten Stadt des Landes. Allerdings ist meine Miete bis dato nicht erhöht worden – in fünf Jahren nicht. Ich klopf auch grad auf Holz daß es so bleibt. Dennoch ist die Frage nach bezahlbarem Wohnraum eine wichtige soziale Frage und von daher ist es gut, daß sich die SPD des Themas angenommen hat.

Allerdings fehlen mir hier Positionen zum Thema Ladenmieten – es ist immer nur von der Wohnung die Rede. Das ist wichtig, aber auch das Thema Ladenmieten ist ein wichtiges Thema. Denn nach und nach sehen deutsche Innenstädte immer gleich aus – zur Hauptstraße? Ach, das war doch immer beim H&M rechts. Marc-Uwe Kling hat das in seinem Text und Gedicht „Das Kettenkarussell“ schön persifliert:

Hier sollte die SPD noch einmal nachbessern. Sonst verschwinden die kleinen Läden komplett und wir haben nichts anderes mehr als Modeboutiquen und Lidl.

Kleiner Hinweis zum Friedensnobelpreis….

Morgen wird er ja verliehen und ich hoffe doch schwer, daß ihn nicht Helmut Kohl bekommt. Das wäre das letzte, was im Wahlkampf noch fehlt daß Steinbrück Helmut Schmidt und Merkel Helmut Kohl durch die Wahlkabinen schiebt und die CDU rufen kann: „Unser Kanzler ist Friedensnobelpreis!“

Tatsächlich haben nur zwei deutsche Kanzler den Friedensnobelpreis jemals erhalten:

Das war zum Einen Gustav Stresemann 1926 und 1971 Willy Brandt für seine Ostpolitik. Stresemann war ein Liberaler, Brandt Sozialdemokrat im besten Sinne. Ansonsten gabs den nur für deutsche Pazifisten: Carl von Ossietzky 1935 und zuvor 1927 ging er an Ludwig Quidde.

Also doch Peer…

So richtig überraschend ist es nicht: Peer Steinbrück soll nach dem Willen der SPD-Spitze der Kanzlerkandidat der Partei 2013 werden. Gefragt hatte keiner – eine Urabstimmung wie bei den Grünen ist diesbezüglich nicht vorgesehen, was aber nicht weiter verwundert, wenn man sich das Drama dort ansieht. Allerdings wird Steinbrück natürlich auf einem Parteitag noch gewählt werden müssen. Bleibt die Frage: Kann er es?

Ich mag Peer Steinbrück irgendwie. Ich war 2007 in Berlin und er war auch nochmal in Markt Schwaben (im Januar 2008) bei den Schwabener Sonntagsbegegnungen, wo ich ihm jeweils begegnet bin, und ich war durchaus recht beeindruckt von seiner Art und seinem recht umfassenden Wissen. Steinbrück ist zwar ein weiterer SPD-Konservativer, der damit auch für eine SPD steht, die sich der Spaltung der Gesellschaft durch ihre Politik nicht wirklich bewußt geworden ist, aber die Parteilinke hat tatsächlich niemanden im Angebot derzeit, der sich Angela Merkel entgegenstemmen könnte.

Das Phänomen Merkel, deren Beliebtheit der Kabarettist Urban Priol nur damit erklären kann, daß „man sie mit Politik nicht in Verbindung bringt„, ist ohnehin ein seltsames: Innerparteilich ist sie unumstritten weil sie nach und nach sämtliche potentiellen Konkurrenten ausgeschaltet hat, in der Bevölkerung gilt sie als beliebt, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung ihre Politik ablehnt.

Die SPD hat seit der Bundestagswahl 2009 ein wenig wieder aufgeholt, beim aktuellen Deutschlandtrend liegt sie bei etwa 30%, sieht man sich allerdings den derzeitigen Umfragestand an (28.9.2012), so schwankt die SPD zwischen 26 und 30%, die CDU hingegen zwischen 34% und 38%.

Umfragensammlung von Wahlrecht.de

Umfragensammlung von Wahlrecht.de vom 28. September 2012. Die Quelle ist http://www.wahlrecht.de/umfragen/index.htm.

Ich bin sehr gespannt, ob sich daran in den nächsten Tagen etwas ändern wird. Im Direkten Vergleich jedenfalls schneidet bislang keiner der Troika entsprechend besser ab als Merkel, wie selbst der Donaukurier bemerkt. Das könnte sich allerdings mit der Fokussierung auf Steinbrück ändern.

Unabhängig von den Machtoptionen ist es allerdings für eine Bundesregierung dringend notwendig, in Sachen Krise aktiv zu werden und nicht vor lauter Nicht-Entscheidungen interessante Vorgänge hinter den Kulissen ablaufen zu lassen. Die derzeitige Bundesregierung wird vor allem durch Uneinigkeit (Betreuungsgeld zum Beispiel), Unfähigkeit (Die Krise holt endlich Deutschland ein) und fragwürdige Selbstbedienungspolitik (Mövenpick oder Niebels Dreckiges Dutzend) auffällig, Regierungsarbeit ist das keine. Kein Wunder, daß die Kanzlerin lieber „Europa moderiert“.

Ob Peer Steinbrück angesichts einer zum Teil recht fragwürdigen Verbandelung mit Lobbyisten wirklich in der Lage ist, sich als eine Alternative zu Merkel zuverkaufen wird man sehen müssen. Zumindest die deutsche Presse wird sich, nach gefühlt drei Steinbrück-Artikeln pro Tag, sicherlich dafür zur Verfügung stellen.

Nachtrag:
Steinbrück war es, der mich auf einen interessanten Punkt 2008 gebracht hatte und der gerade wieder aktuell geworden ist: Die Chinesen sind ein sehr geduldiges Volk. Nach und nach kauften die Chinesen amerikansiche Staatsanleihen auf, im Dezember 2011 schuldeten die Amerikaner China 1,16 Billionen Dollar. Das sind 1.116.000.000.000$! Das ist deswegen spannend weil damit die letzte verbliebene kommunistische Supermacht der Welt die größte kapitalistische Supermacht der Welt beinahe kontrollieren kann. Parallel kauft China derzeit in unbescheidenen Mengen nicht nur Rohstoffquellen in Afrika, sondern auch eine ganze Menge mehr. Und nun fährt Merkel nach China und bittet die Chinesen um Hilfe bei der Euro-Rettung, was diese auch versprechen. Allerdings gehen damit auch Forderungen einher und nun wird es pikant: Was genau würde eigentlich passieren, wenn die USA und die EU mehr oder weniger von den CHinesen finanziell abhängig sind?

Ein Vorgang, dem sich eine Regierung bewußt sein sollte. Mal sehen, ob es die Regierung Merkel noch merkt. Steinbrück weiß das bereits.

Interessant…

In den „finsteren Tagen“ der Großen Koalition hatte sich die Medienwelt mit einer gewissen Freude auf die SPD eingeschossen. Egal ob es konservative Zeitungen waren wie die FAZ oder gar irgend ein Brechreizblatt wie die Passauer, auch liberale und gar eher linksgerichtete Zeitungen gaben sich kräftig Mühe, die SPD aus der Regierung zu schreiben und das mit überwältigendem Erfolg.

Beobachtet man nun gerade als „Sozi“ die Medienlandschaft, so stellt man wenig überraschend fest, daß sich eigentlich nicht viel geändert hat mit einem Unterschied: nach wie vor werden die konservativen SPD’ler rund um den Seeheimer Kreis und vor allem die Netzwerker eifrig hoffiert.

Ein sehr interessantes Nebenspiel stellten die Tagesthemen gestern dar: Steinmeier, ein wichtiges Element der Troika von Gabriel, Steinbrück und ihm selbst wurde interessant und geradezu persönlich (aber wenig inhaltlich!)  befragt während zuvor bereits bei Jauch die SPD in Form von Steinbrück hoffiert wurde – man hatte sogar extra Helmut Schmidt zum Bauchpinseln bestellt. Es stellt sich die Frage, was genau wollen uns unsere Herren und Damen Massenmedien denn sagen – und in wessen Auftrag?

Abgesehen davon, daß ich von Steinbrück, nachdem ich ihn persönlich ein, zwei Mal erlebt habe, relativ große Stücke als Menschen halte, verbindet mich eigentlich nicht sehr viel mit ihm. Im Gegenteil – politisch sehe ich viele Dinge ein wenig anders als er, aber das ist ja das Schöne an der SPD, man darf auch eine eigene Meinung haben und diese diskutieren.

Ein bißchen irritiert mich aber schon, wie der Hype um Steinbrück getrieben wird – geradezu ausgerufen wird er als „logischer“ Kandidat. Ähnliches passierte hier in Bayern wo ausgrechnet Christian Ude nun Chef werden soll. Auch auf Ude halte ich persönlich große Stücke – der Mann hat viel Humor und ein angenehmes, intellektuelles Wesen – aber mir passt diese Haltung nicht, daß es unbedingt der sein muß „mit dem man Erfolg haben (könnte)“. Politik hat viel mit Inhalten zu tun und was ist in Bayern denn grad der Brenner – jedenfalls in Oberbayern? Genau: Die dritte Startbahn für den Münchner Flughafen. Ich will das hier noch nicht diskutieren aber soviel dazu: Sowohl die Bayern- wie auch die BundesSPD haben sich ziemlich klar dagegen ausgeprochen. Die, die das wollen sind neben der CSU vor allem die Betreiber des Münmchner Flughafens – und das sind ziemlich üble Outsourcer und Lohndumper. Auch würde München zum Drehkreuz ausgebaut, also gar nicht mehr Fluggäste aus der Region ziehen sondern nur Umsteiger bedienen. Mehr Flugverkehr für weniger Arbeitsplätze aber – und das ist wohl der Punkt – mehr Tourismuswerbung, mehr Gewerbesteuer, mehr Umsatz für die, die schon haben.
Die SPD hatte einen Parteitagsbeschluß gefasst der sich gegen diese Startbahn aussprach – auch im Hinblick auf die kleineren Flughäfen in Bayern (von denen m.E. nach zumindest Hof ohnehin so überflüssig wie ein Kropf ist aber sei’s drum). Nun, dank einem seeehr vorzeitigen Presserummel rund um Ude, hüpft die BayernSPD sobal der Journalist winkt. Ab in die Manege!

Und genau den selben Unsinn droht – nicht zum ersten Mal – die BundesSPD nun auch zu machen. Springen Steinmeier und Gabriel noch immer auf jede hochgezogene Augenbraue des tiefgezogegen Mundwinkels, sprich: sobald irgendwo ein Rot-Rot droht packt die CDU die Ypsilantifalle aus und die BundesSPD überschlägt sich in der Beteuerung, keinesfalls mit irgendwelchen „Spinnern“ koalieren zu wollen, so soll nun auch die Partei auf Befehl von Presse und der diese bezahlende via Anzeigen unterstützende Finanzwirtschaft hüpfen.

Natürlich ist alle Programmatik, alle Prinzipienreiterei wie ich sie hier in meiner kleinen Ecke des Internets treiben kann eine schöne Sache, reden wir also mal Realpolitisch Tacheles und vor allem mal in Zahlen. Damit die SPD den Kanzler stellen kann müssen drei Dinge eintreten:

  • Die SPD muß stärkste Kraft noch vor der CDU/CSU werden. Das ist, nach Stand der Dinge, unrealistisch. Da fehlen 5% nur alleine in den Umfragen – und angesichts der Tatsache, daß die SPD noch  nicht wieder als Partei der Menschen, sondern als „Genosse der Bosse“ wahrgenommen wird, wird ihr da nicht drüberhelfen. Warum CDU light wählen wenn ich CDU haben kann?
  • CDU/CSU und Grüne dürfen nicht auf eine gemeinsame Mehrheit kommen. Sollte das geschehen ist das eine ziemlich wahrscheinliche Koalition, auch wenn sich bislang alle öffentlich davor sträuben. Tatsächlich ist der durchschnittliche Grünenwähler mit dem der FdP gar nicht so verschieden, lediglich die Politisierung ist bei den Grünen höher und dementsprechend ein vierlerorts vorhandenes Problembewußtsein.
  • Die FdP muß doch die 5% knacken und die Piraten dürfen nicht zu stark werden. Ohne Witz: fliegt die FdP raus könnten die Piraten eher versehentlich Steigbügelhalter für eine Große Koalition oder Schwarz-Grün werden, käme die FdP wieder rein wäre sogar trotz allem eine Schwarzgelbe Fortsetzung denkbar., schlicht weil andere Mehrheiten fehlen.

Niemand will die FdP wieder im Parlament. Eigentlich nie wieder. Alleine die widerwärtige Arroganz von Christian Linder beim Kommentar zum Jauch’schen Politikhampeln war prägnant: „Wenn Peer Steinbrück stärker die Nähe von Helmut Schmidt als von Sigmar Gabriel sucht, dann enthüllt das die Identitätskrise der SPD“, sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner am Sonntag in Berlin. „Steinbrück und Schmidt loben noch eine Agenda-Politik, die die Gabriel-SPD schon längst auf Parteitagen wieder abgewickelt hat.“ So wie Helmut Schmidt als Bundeskanzler seinerzeit die Unterstützung der eigenen Partei verloren habe, so stehe überdies Peer Steinbrück heute noch nicht einmal vor einer möglichen Kandidatur für das Programm der SPD. „Das ist die Figuren-Konstellation einer griechischen Tragödie.“ Lindern empfahl Steinbrück, er solle in seiner Partei lieber für seine politische Linie kämpfen, statt „als Buchautor die Republik zu bereisen und den Vorwahlkampf Barack Obamas mit provinzielleren Mitteln kopieren“.“ Und das von der Partei, die bei der erstbesten Gelegenheit Heckenschütze spielte und Helmut Schmidt politisch in den Rücken schoss. Na Prost Mahlzeit.

Aber selbst wenn die FdP nicht reinkommt könnte es für Rot-Grün dennoch schwer werden – gerade wegen der Piraten. Sie könnten damit Merkel unbeabsichtigt zu einer dritten Kanzlerschaft verhelfen. Zumindest so lange sich Steinbrück (oder wer auch immer aus der SPD) weigert, eine Koalition mit der Linken einzugehen.

Und vielleicht ist das auch genau das Ziel: Austauschbarkeit bei den Kandidaten, Uniformität bei den Inhalten. Sollte die SPD wider Erwarten den nächsten Kanzler stellen werden wir von der Anstandsseite – also von den echten Sozialdemokraten – aber gehörig mitreden!