Von einer Medienkampagne

Kampagnen in den Medien sind ja ein Phänomen, das wir schon seit längerer Zeit beobachten dürfen. Nicht zuletzt die Nachdenkseiten schreiben immer mal wieder auf, wie die Medien gemeinsam an einem Strang ziehen, um ein gewünschtes Ergebnis zu fabrizieren. Eine paar Gedanken mit vielen Abschweifungen.

Das klappt nicht immer, aber doch meistens. Schön geklappt hatte die Strategie, die SPD klein zu halten bei der Bundestagswahl – erst hat man Steinbrück zum Kandidaten hochgeschrieben und wirklich alles getan, daß die SPD ihn aufstellt (und offen gestanden ist unser Spitzenpersonal im Umgang mit den Medien irgendwie… hm, sagen wir: ungeschickt), um ihn danach fröhlich in den Keller zu schreiben. Geradezu choreographiert agierten die Medien um sicherzustellen, daß eine ihnen freundlich gesonnene Regierung an der Macht blieb.

Weniger geklappt hat das in letzter Zeit in zwei Fällen: Dem unbedingten Überleben der FdP und im Falle von Guttenberg. Die FdP ist trotz der Rettungsversuche der Springermafia„journalisten“ an der 5%-Hürde gescheitert und Karl-Theodor zu Guttenberg mußte trotz Kampagne seinen nichtvorhandenen Hut nehmen und zurücktreten. Macht aber nichts, zu Guttenberg hat schon ein neues Tätigkeitsfeld gefunden. Ich weiß noch, wie der Kabarettist Urban Priol völlig entsetzt reagierte, daß ausgerechnet die Zeit dem gechassten Minister eine Plattform anbot. Das hängt damit zusammen, daß zu Guttenberg Mitglied der Atlantik-Brücke ist, eine Lobbyorganisation von Politikern, Wirtschaftsvertretern, Medienvertretern und anderen, und der Mitherausgeber der Zeit, Helmut Schmidt, dies ebenfalls ist. Ich empfehle mal die Liste der Mitglieder der Atlantik-Brücke zu lesen, dann versteht man so manche Zusammenhänge. Aber ich schweife schon wieder ab.

Keine Wahl
Egal wie die Abstimmung der SPD-Basis ausgeht: Verlieren wird die SPD so oder so. Stimmen die Mitglieder für eine große Koalition, so wird es heißen, daß die Sozen nur nach Posten streben und es ihnen nur um Macht gehe. Stimmt die Basis gegen die große Koalition, so sind die Sozialdemokraten Vaterlandslose Gesellen, die sich vor der Verantwortung drücken.

Um vorher schön Stimmung zu machen wurde der Druck aufgebaut, daß die SPD-Führung nicht zu halten sei, wenn die Abstimmung nicht in ihrem Sinne verlaufen würde. Zuerst gelesen habe ich das bei der Sueddeutschen Zeitung, aber ich weiß nicht ob sie auch Urheber des Gedankens ist. „[…] heißt es aus Parteikreisen“ kann ja alles Mögliche bedeuten.

Seither wird kräftig Stimmung gemacht. Sei es, weil Gabriel die Ministerposten vorher nicht verraten möchte, sei es, daß die Mitgliederbefragung den Fernsehbürger verärgern soll oder sei es, daß man die Legitimität der Befragung an sich anzweifelt – hauptsache Stimmung. Dazu passt auch das berühmte Gespäch zwischen Gabriel und der ZDF-Journalistin Slomka:

Schön fasst das Handelsblatt zusammen, welchen Effekt die langen Verhandlungen haben und offenbar auch haben sollen: Hauptsache, die kommen endlich mal zu Potte. Das erinnert so ein bißchen an die erste Wahl von George W. Bush in den USA: Die Leute waren am Ende schlicht froh, daß sie einen Präsidenten hatten. Das ewige Gezeter um die Frage nach der Legitimität der Wahl ging den Menschen eher auf die Nerven.

Selbst die Konservativen springen mittlerweile Gabriel bei, zuletzt auch in der Sueddeutschen, ansonsten sind sie brav und still. Amüsant ist es, daß die Konservativen im Moment so stillhalten – zumindest bis man den Koalitionsvertrag gelesen hat und bemerkt, daß eigentlich die CDU die lachende Gewinnerin der Verhandlungen ist.

Verfassungsrechtlich unbedenklich
Was Frau Slomka und auch einige andere Kritiker am Mitgliederentscheid zu konstruieren suchen ist ja die Beeinflussung der Abgeordneten wider ihr Gewissen. Das ist aber – ich habe es gestern schon geschrieben – eher im Koalitionsvertrag drin. Das Mitgliedervotum beauftragt auch nicht die Abgeordneten, Frau Merkel als Kanzlerin zu wählen oder es zu lassen sondern lediglich, ob die Partei das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen trägt oder eben nicht. Unterstützt die Partei die Koalition nicht, so kann die SPD-Parteiführung eben keine Regierung mit der Union bilden, dennoch können die Abgeordneten, wenn sie das für richtig halten, Frau Merkel wählen. Vielleicht für eine Minderheitenregierung?

Normalerweise entscheiden schlicht die Parteioberen und die Delegierten, was mit dem Wahlergebnis zu machen ist, welches das Wahlvolk bei der Bundestagswahl abgegeben hat. Nun hat eine breitere Gruppe halt eben die Chance, mitzureden. In aller Regel läuft eine Wahl doch so ab:

  1. Die Wählerinnen und Wähler der Bundesrepublik Deutschland wählen ein Parlament
  2. Da im Parlament normalerweise keine Partei 50% der Sitze hat, muß eine Koalition gebildet werden. Schon diese entspricht nur bedingt dem Wählerwillen, eine Koalition stellt aber im Idealfall einen Kompromiß aus dem Willen der Mehrheit der Wähler dar.
  3. Nach Verhandlungen der jeweiligen Parteispitzen wird ein Koalitionsvertrag beschlossen.
  4. Der Koalitionsvertrag wird von den Parteitagen abgesegnet (oder abgelehnt), mithin also von den „Parteiparlamenten“. Die Delegierten der Parteitage werden von der Basis gewählt, die direkten Vertreter der Parteibasis stimmen also über den Vertrag ab.

Der einzige Unterschied ist eben nun, daß es kein Parteitag, sondern ein direktes Abstimmen ist. Eben mehr Demokratie, mehr direkte Demokratie. Das Bundesverfassungsgericht stützt das nebenbei auch, der Eilantrag, der da gestellt wurde, wurde abgelehnt. Daß der Union das nicht schmeckt ist klar – Demokratie ist halt lästig. Aber sie ist auch den Medien lästig und suspekt – steht bei einer Partei ein einzelner Kandidat zur Verfügung (kann auch eine Kandidatin sein), so ist das eine „Wahl“, sind es zwei für den gleichen Posten, so schreibt man von einer „Kampfabstimmung“, welche sofort nach Zwietracht klingt und so etwas mag der Deutsche Wähler ja nicht. Wenn Parteien um den richtigen Kurs ringen, diskutieren und mitunter auch recht lebhaft streiten; letztlich Mehrheiten suchen um dann darauf basierend einen Kurs festzulegen, so fallen sie in der Wählergunst sofort deutlich ab. Hm, schon wieder abgeschwiffen…

Ein bißchen Mehr an Demokratie könnte uns nicht schaden, seit einigen Jahren beobachte ich zunehmend beunruhigt, daß die demokratischen Institutionen und Entscheidungspunkte durch eher an feudale Zeiten erinnernde Clubs und Treffen von Entscheidungsträgern ersetzt werden und das Parlament eher zu einer Versammlung von Nicknegern herabgestuft wird. Das mag im Sinne von Angela Merkel sein, aber es liegt sicher nicht im Interesse von uns Bürgern. Da können die Medien, die abhängigen und die vermeintlich nicht so abhängigen (wie carta e.V. zum Beispiel, wie in diesem Beispiel im Grunde sehr lesenswert…) noch so sehr dagegen blasen: Ich werd mich von Euch sicher nicht manipulieren lassen.