Fundstück der Woche (30.KW): Mal gar nichts

Jeden Montag um 11.11 Uhr präsentiere ich Ihnen ein Fundstück der Woche. Diesmal wollte ich ein Video verlinken, das sich über die Idee des Amoklaufs und des Selbstmordattentates lustig macht.

Angesichts der beiden Anschläge in Norwegen durch den verwirrten PI-Anhänger Rechtsradikalen hielt ich das alledings nicht für sinn- oder pietätvoll. Daher verbleibe ich an dieser Stelle nur mit Beileid für die Opfer rechtsfanatischer Wahnsinniger.

Eine alte Sau (Folge II): Talkshow 1992

In den vergangenen Tagen dieser Republik hörte man ja oft von der Tatsache, daß unser Fernesehen schlecht sei. Ein Blick ins Fernsehprogramm belegt das auch ausführlich. Das liegt nicht nur (sondern auch) an der Einführung des Privatfernsehens, das hat allerdings auch viel mit den Protagonisten zu tun.

Im Jahr 1992 war eine gewisse Angela Merkel Ministerin für Frauen und Jugend der CDU-Regierung. Karin Struck hingegen war damals bereits fast zur Katholischen Abtreibungsgegnerin geworden, nachdem sie als Marxistin angefangen hatte. Im Grunde also ähnliche Biographien, von der Sozialistin (Struck war im SDS, Merkel in der FDJ) zur Christin (Struck wurde katholisch, Merkel blieb evangelisch) und am 3.7.1992 sollten die beiden nun in der NDR-Talkshow aufeinandertreffen. Selbige war eine Sendung mit einer langen und wechselvollen Geschichte aber was hier geschah war dann doch ziemlich einzigartig. Sehen Sie selbst:

Wütend, und sich im emotionalen Überschwang völlig selbst demontierend preschte Frau Struck damals aus der Sendung, bewarf das Publikum mit einem Weinglas und machte sich damit völlig unmöglich.

Wäre ich ein Konservativer oder ein „politisch Inkorrekter“ so müßte sich jetzt wieder sagen „Christen unter sich“ bzw. „So sind sie halt, die Christen“. Sage ich aber nicht weil es nicht stimmen würde.

Dennoch sollte man sich diesen Vorgang mal wieder ins Gedächtnis zurückrufen, alleine weil es im deutschen „Fernseh“ zwar eine Reihe interessanter Abgänge aus Talkshows gegeben hat, keines aber einen solchen Skandal produzierte. Ich erinnere nur mal an:

Tja, das Fernsehen. Nur noch für Hunde geeignet.

Also, wie war das jetzt nochmal..?

Preisrätsel des Monats: Wer mir diesen Satz erklären kann, nimmt an der Verlosung für einen Duden Teil.

Der Satz lautet „Liefert nur den Hinweis, betätigt den materiellen Gegenstand ist der Standard.“ und ist teil der Vertragsbedingungen in einem Münchner Lokal – das ist auf der Speisekarte zu finden. Und liefert den Hinweis. Hä?

Fundstück der Woche (24.KW): SPD – Volkspartei ohne Kompass?

Vor einiger Zeit guckte ich mir das Augstein und Blome an. Nein, ich bin nicht gerade ein Fan dieser Sendung weil ich von Herrn Blome so gar nichts halte und noch nicht sicher weiß, was ich von Jakob Augstein halten soll.

Die Sendung fand ich aber recht interessant, auch wenn der alte Fehler in der Definition des Begriffes „Volkspartei“ passiert. Aber dagegen hilft wohl nichts.

Boulevardesk, oh Sueddeutsche…

Daß die Süddeutsche Zeitung besonders in ihrer Online-Ausgabe, naja, sagen wir mal eine Boulevardzeitung geworden ist, ist ja schon lange kein Geheimnis mehr. Die Guttenberg-Kampagne ist da ja nur ein Beispiel. Aber jetzt wirds dermaßen Blödzeitung, das ist nun wirklich eklig.

Wer ist Dirk Nowitzki? Na, einer der auch schon Guttbye Germany gesagt hat und in der NBA spielt. Im Grunde nicht weiter wichtig…. es sei denn, man folgt der Sueddeutschen Zeitung die trotz ihrer Jubelartikel zu zig Sportlern mürrisch konstatiert, daß man sich in Deutschland mit der „Heroisierung von herausragenden Sportlern schwer tut“. Anscheinend hat der Autor, Jürgen Schmieder, Zeit lebens noch nie in einen Sportteil geguckt. Oder in die Bild-Zeitung, die sich mit dem Heroisieren von Figuren auch nicht gerade schwer tut.

Aber trotz der offensichtlichen Ahnungsbefreiung von Herrn Schmieder, der eigentlich öftern für den Sportteil der SZ schreibt, titelte die Sueddeutsche gestern und heute mit einem gar schrecklichen Ausdruck:

Nicht vergessen: das ist die Zeitung, die Ihren Kindern schlaue Eltern schenken will. Oder anders formuliert:

sprich: Kaufen Sie BITTE eine andere Zeitung! Die Süddeutsche mag keine solchen Leser.

Deutschland, Deine Supermärkte (Teil VI): Hysterie

Wußten Sie, daß man in Panik geraten muß, weil grad die Seuche des Jahres kursiert? Diesmal läuft es noch weniger schleichend als bei SARS, Vogelgrippe, Schweinegrippe, Rinderwahn und MKS. Diesmal reagieren die Supermärkte und nehmen zur Beruhigung des Kunden spanisches Gemüse aus dem Sortiment. Auch wenn das nun nicht mehr der böse Träger ist (Jetzt sinds grad Sprossen.) – wer mal die Mondlandschaften gesehen hat die der spanische Gemüseanbau hinterlässt freut sich wenn das Zeug nicht mehr gekauft wird.

Nachdem meine Tengelleute Zettel in die Türen hängten, auf denen der Hinweis vermerkt war: „zur Sicherheit unserer Kunden: Wir nehmen alle spanischen Gurken aus unserem Sortiment“, fand ich wie gewohnt spanisches Gemüse vor – nur halt keine Gurken. Hurra. Selektives Zeug, dieses EHEC.
Aber der Witz des Jahres dürfte japanischer Fisch sein, der aus Angst vor EHEC ohne Gurke serviert wird. Sowas gibt’s nicht? Gibt es.

Schön, daß man vor Bakterien mehr Angst haben muß als vor Strahlung.

Dinge, die sich irgendwie ums Verrecken nicht vermeiden lassen….

Im vergangenen Dreiviertel Jahr hat sich der „Kachelmannprozess“ zum wichtigsten Element deutscher Presseberichterstattung hochgeschwungen. Ein unbedeutender ARD-Wettermoderator der für seine „Blumenkohlwolken“ eher berühmt war als für seine durchaus gehobene Stellung im Metereologischen Geflecht geriet für seine Vorstellung von Sexualität nicht nur in Schwierigkeiten, nein, er skandalisierte dank der höchst aktiven Printpresse ganz Deutschland. Warum?

Ein Mann hat Sex mit einer Frau. Das ist soweit für einen gewissen Prozentsatz der Bevölkerung nichts ungewöhnliches. Ist eigentlich kaum erwähnenswert, vielleicht noch beim Boulevard. Dort gerne in der Form einer kurzen Erotikgeschichte Marke „Carolyn hat gerne kräftige Beine beim Sex. Ihr BAG (Bett-Abschnitts-Gefährte) fährt deswegen extra Fahrrad. ‚Weil er mich damit so anmacht!‘, erklärt die 21-jährige Studentin aus Unterniedergriesbachsulz.“ Ansonsten interessiert sich allerhöchstens dann noch die Kirche dafür, wenn der Akt irgendwie öffentlich gezeigt wird, zum Beispiel in Film, Fernsehen oder Internet.
Davon abgesehen muß Sex, damit der Printtauglich wird, einen Skandal beinhalten. Also irgendwas der Abteilung „Alt mit Jung, Mann mit Mann (aber prominent!), Frau mit Frau (dann aber sehr wohlwollend), Mensch mit Tier (Kai Diekmann zählt nicht als Tier!) oder aber abstoßend, öffentlich oder extrem sein. Eine Zeitung, ich erinnere mich an einen ehemaligen Schulkameraden der mittlerweile bei der Sueddeutschen versumpft ist, muß „Geschichten erzählen die interessant genug sind.“ Anders formuliert: Ein Skandal muß schon sein, weil’s die Leute sonst nicht kaufen. Warum kaufen’s die Leute sonst nicht? Na weil sie es gewohnt sind nichts anderes als Skandale zu kaufen. Man könnte sagen, daß sich das System hier selbstständig macht.

Ungewöhnlich war aber diesmal die Parteiergreifung die sich in einem sehr seltsamen Rahmen abspielte: In aller Regel gibt es da die konservative („Sie wird’s schon auch gewollte haben“) und die feministische („Sex ist grundsätzlich die Erniedrigung der Frau“) Seite. Diesmal bliesen allerdings Bild, Bunte und Emma ins gleiche Horn und mehr reflexartig als überlegt nahmen andere Medien eine dazu konträre Haltung ein.
Anstatt nun über den Prozeß zu berichten, vielleicht ein paar mehr oder weniger hysterische Gedankenspiele über die Gesetzgebung bei Sexualdelikten zu verfassen und letztlich das Urteil als zu lasch bzw. ungerecht zu kritisieren lieferte sich die deutsche Presse eine Vorverurteilungsschlacht par Excellance. Alice Schwarzer (Darf man das noch schreiben oder ist das irgendwie Alice Afro-Afrikaner?) brachte also ihre Kompetenz (als Nichtjuristin) ein um dann die feministische Sichtweise auf einen Vergewaltigungsprozeß direkt neben den blanken Brüsten von „Corinna, die es hart und dreckig mag“ darzustellen.
Im Gegenzug postulierte ausgerechnet die linke Presse eher die Unschuldsvermutung. Der arme Kerl. Und nun von der rachsüchtigen Ex-Geliebten vor Gericht gezerrt. Oh Mann!

Jörg Kachelmann, das hat der Prozeß sehr wohl gezeigt, ist offensichtlich privat ein nicht sonderlich angenehmer Zeitgenosse. Aber ein Vergewaltiger? Immer dann, wenn Emotionen in Berichterstattung und Urteilsbeurteilung fließen werden die Grenzen schwammig. Da ist ein kranker Mann schnell ein Teufel in Menschengestalt, der im Grunde auf einen Scheiterhaufen gehört. Die Emotionen, mit denen die Presse spielt, reichen von Rachegelüsten über Wut zu Haß – mehr bieten sie nicht. Eine differnzierte Betrachtung? Bloß nicht!
Ein Mann wie Kachelmann, der sich offenbar nicht besonders um die Gefühle seiner Mitmenschinnen kümmert ist kein guter Mensch. Eine Frau wie Schwarzer, die eine Hysteriewelle lostritt nur weil sie es kann und um im Zweifel trotz jeglichem Urteil die Volkswut auf die Person zu lenken, allerdings auch nicht. Und warum können wir es nicht vermeiden, sogar Geld dafür auszugeben um zu lesen wie sich schlechte Menschen Böses antun?

Fundstück der Woche (20. KW): Sage Nein, Willy! Und eine Anmerkung.

Weil ich mich nicht entsinnen kann, Konstantin Wecker hier schon einmal verlinkt zu haben, hole ich das Versäumnis nun gleich doppelt nach: Zwei der meines Erachtens nach wichtigsten Stücke aus dem Werk von Konstantin Wecker.

Gestern ham’s an Willy daschloag’n

Sage nein!

Interessant ist der Widerspruch, der sich zwischen diesen Songs aufzumachen scheint: Das zweitere ruft zu zivilem Widerstand auf, das erste beschreibt was passiert wenn er eintritt. Erscheint einem das nicht seltsam?
Für mich liegt die Lösung darin, daß dem Willy nichts passiert wäre wenn alle „nein“ gesagt hätten. Dann wäre der Herr Nazi eingekniffenen Schwanzes dahingegangen wohin er gehört. Aber die schweigenden Menschen sind die Täter.  Die, die nichts tun.

Ich hab vor beinahe einem Jahrzehnt oder so ähnlich mal eine Arbeit über eine spanische Geschichte schreiben müssen. Die ging in etwa so:

Ein Mann starb. Als er aufwachte und das in das weiße Licht getreten war sah er eine lange Schlange und stellte sich an. Nach kurzer Zeit kam der Teufel aus der Hölle. Er rief die Schlange zu sich und musste sich entschuldigen: Die Hölle sei voll, es habe nurmehr eine einzige Seele Platz. Die Menge begann zu murren, schon wieder habe man das Nachsehen. Der Teufel verkündete, er werde nun herumgehen und den schlimmsten Missetäter auswählen.
So ging er herum, hörte die Lebensgeschichten von Massenmördern, Vergewaltigern, Diktatoren und Parlamentsabgeordneten. Von Korrupten und Gierigen, von Widerlichen und Liderlichen. Schließlich kam er auch zum letzen Mann.
„Und?“, fragte der Teufel gespannt, „Warum bist Du hier? Was hast Du getan?“
Der Mann hob die Schultern. „Ich habe gar nichts getan.“, sagte er, „Ich stehe hier weil ich dachte, man stellt sich hier für Zigaretten an.“ Der Teufel war verwundert: „Wie, Du hast nichts getan? Du wirst doch eine Sünde begangen haben. Einen getötet, einen beraubt oder so?“ Der Mann schüttelte den Kopf und antwortete: „Nein. Alle haben sich sich gegenseitig ermordet und beraubt, haben sich gehaßt und verfolgt, aber ich habe nichts getan.“ Der Teufel legte den Kopf schräg und vergewisserte sich: „Du hast nichts getan?“ – „Nein, ich tat nichts.“, sagte der Mann.
„Dann, mein Sohn“, sagte der Teufel und wies mit einer einladenden Geste auf das Tor zur Hölle, „dann ist der letzte Platz für Dich reserviert.“

Das ist nur eine sinngemäße Wiedergabe. Aber ich fand das damals wie heute zutreffend. Weiß jemand die Geschichte und hat vielleicht einen Link darauf? Es gibt wieder einen Duden zu gewinnen.

Die Neutralität der Tagesthemen

Schon des öfteren habe ich mich ja gegen den Irrglauben an eine „Linke Medienhoheit“ gewehrt, im Gegenteil, ich nehme eher eine Rechtslastige wahr und stehe damit nicht gerade alleine. Aber interessant finde ich die Grünengeneigtheit bei der Süddeutschen und neuerdings bei der ARD.

So ist die Wahlberichterstattung wie bei der Tagesthemen-Extra Ausgabe vom Sonntag interessant. Durfte in der Tagesschau der SPD-Spitzenkandidat Jens Börnsen noch den Zuwachs erwähnen (den ich selbst ja auch gleich relativiert habe) so gab sich Jörg Schönenborn in der Extrasendung Mühe, das SPD-Ergebnis schnell kleinzureden. Sicherheitshalber erwähnte man auch die Wählerprognosen von anderen Parteien nicht, sondern beließ es bei der Feststellung daß die SPD das schlechteste Wählerergebnis ihrer Geschichte eingefahren hatte. Die CDU hat das ziemlich sicher auch. Aber das ist ja nicht so wichtig. Eine Erwähnung der Wahlbeteiligung fand auch nicht statt.
Das interessante an den Hochrechnungen war ja, daß zum Zeitpunkt der Sendung erst 10% aller Stimmen ausgezählt waren, Jörg Schönenborn aber irgendwie schon die genaue Zahl der SPD-Wähler verkünden konnte. Natürlich sagte er am Anfang daß es sich nur um Hochrechnungen handelt – aber zu dem Zeitpunkt ist der Zuschauer längst wieder sediert. Oder war Ihnen das noch voll bewußt zu dem Zeitpunkt der Sendung? Die CDU findet als Meinungsumfrage unter CDU-Wählern statt bei der als Schluß gezogen wird, daß auch die Bundespolitik verantwortlich ist für das Wahlergebnis. Aber nicht wegen der Inhalte sondern weil der Kurs nicht klar ist.
Nicht wenige haben bei meinem Artikel über die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz die Frage gestellt, warum ich glauben würde, daß Jörg Schönenborn, immerhin eines der Leuchtfeuer der ARD für ihre Seriosität, eine latente CDU-Neigung zeige. Ob er der CDU zugeneigt ist vermag ich nicht zu sagen und mir persönlich ist das auch egal. Aber ich bin mir ziemlich sicher, daß er gegen die SPD eingenommen ist und sich als Teil einer bereits länger andauernden Kampagne Mühe gibt, in seriösem Ton weiter auf den Sozialdemokraten herumzuhacken. Das wäre alles eine lästige Verschwörungstheorie – wenn er sich nicht bei diesem Fehler hätte erwischen lassen.

Bleiben die eigentlichen Tagesthemen um den Wahlabend abzurunden. Hierzu neuere Zahlen die auch wieder präsentiert wurden. Im Gegensatz zur Extra-Sendung durfte auch mal einer was sagen, der kein grüner Politiker war. Das war auch interessant – warum nur Frau Linnert bei der Tagesthemen Extra, warum nicht Frau Mohr-Lüllmann die noch einmal ihre lustige Einschätzung wiederholen kann, daß kaum einer wählen ging weil alle wußten wie es ausgeht? Oder auch warum nicht Frau Vogt von der Linkspartei, die sich von dem ARD-Menschen in der Tagesschau hatte fragen lassen müssen, daß man sie, wenn überhaupt irgendwo dann doch hier brauche wo alles arbeitslos sei, sich aber als Einzige tatsächlich Sorgen wegen der Wahlbeteiligung machen müsse? (Siehe hierzu die Tagesschau-Sendung).

Was war nun bei den Tagesthemen? Erst einmal wie immer, alles ist so vorhersehbar gewesen (und darum scheint die These von Frau Mohr-Lüllmann zuzutreffen, hach wie subtil!) und dann legte Jörg Schönenborn los:

Die Grünen sind zweitstärkste Kraft in einem westlichen Bundesland, das hat es noch nicht gegeben.

Naja, Baden-Württemberg ist ja auch nicht direkt Westen. Praktisch DDR, nicht? Danach haben Grünenwähler ein Motiv daß der Kriminalist Schönenborn anscheinend zu ermitteln sucht…  Ich bin wirklich platt wie schlecht das heute war. Was ist denn da los, warum ist das heute so mies?

Nicht berauschend

Ich gratuliere den Genossinnen und Genossen aus Bremen zu ihrem Erfolg und möchte ihn auch nicht kleinreden. Aber dieses Siegesgetaumel ganz besonders von Seiten bestimmter Bundespolitiker ist wahrscheinlich kontraproduktiv und bestenfalls peinlich. Die Wahlbeteiligung ist jedenfalls unglaublich schlecht gewesen und das ist nun wirklich kein Grund zum Feiern.

Wann immer Wahlsonntag ist freuen sich Politiker in der Öffentlichkeit über ihr Ergebnis – ein Vorgang der nicht selten zu Hohn und Spott führt. Dennoch gilt es als selbstverständlich daß Spitzenkandidaten hinterher a) ihren Wahlkampf (und damit die Wahlkämpfer) loben, b) von einem Wählervotum sprechen das „irgendwie“ auch für sie gut ist und c) klarstellen daß im Grunde ihre Inhalte und Ansichten gewonnen haben.

So feiert Sigmar Gabriel laut Sueddeutsche.de einen „Riesenerfolg“. Mit 38% hat die SPD dort tatsächlich Prozente eingefahren wie sie, sagen wir, in Bayern eher unwahrscheinlich sind (wo sich der Landesparteivorstand aber sehr um das Projekt 10% bemüht).  Aber real betrachtet sind es gar nicht 38%, sondern nur 54% davon. Das sind 20,52%. Das ist immer noch mehr als die andern bekommen haben, aber lediglich ein Fünftel aller Wahlberechtigten haben der SPD ihre Stimme gegeben. Nur die Hälfte ist überhaupt hingegangen und das ist ein viel dramatischeres Ergebnis als die Tatsache, daß diese Spinner von „Bürger in Wut“ ihr Ergebnis vervierfacht haben.
Andrea Nahles, die ehemalige Linke der SPD, spricht von einer Stärke der SPD in den Städten. Natürlich, wo denn auch sonst – als wäre das etwas einmaliges in der Parteigeschichte. Andererseits, bei der Dame ist eh nicht so ganz klar, was ihr gerade so alles neu ist (Was? Sarrazin hat ein Buch geschrieben?). Die Grünen legen kräftig zu und dürften meiner Einschätzung nach die einzige Partei mit echtem Stimmenzuwachs sein. Die SPD hat zwar auch gewonnen ±2%) aber ich hege die Vermutung daß das eher daran liegt, daß weniger SPD-Wähler im Schnitt zuhause blieben als bei anderen Parteien und nicht weil real mehr sie gewählt haben.

Demokratie? Machen eh die andern.

Die geringe Wahlbeteiligung von gerade mal 54% ist eine Katastrophe. Zwar war die Wahlbeteiligung in Bremen schon lange nicht besonders kräftig und seit den 70er Jahren auch am Sinken wie überall in der Republik, aber sie ist so schlecht wie bisher noch nie. Das dramatische daran ist aber, daß es ein Novum bei dieser Wahl gab: 16- und 17-Jährige durften erstmals auch wählen. Davon hatte sich die Piratenpartei besonders Vorteile versprochen. Rein zufällig natürlich ist der Server der Piratenpartei aber polizeilich beschlagnahmt worden.Könnte daher sein daß die Piraten vielleicht auch eine Verfassungsklage gegen die Wahl anstreben.
Das hat aber an der miesen Wahlbeteiligung nichts geändert. Wenn überhaupt, dann sie über die 50% gerettet aber das muß sich erst zeigen. Ist das ein Grund zum Feiern? Nein, das ist ein Grund nachdenklich zu sein.
Kein Politiker aber war an diesem Abend nachdenklich zu hören. Bislang jedenfalls. Nur noch die Hälfte ist überhaupt hingegangen, die andere Hälfte scheint kein wählbares Angebot auf den Listen entdeckt zu haben. Viele glauben nicht mehr an das Land und die Demokratie – nicht zuletzt weil sie das Gefühl haben daß Demokratie nur eine Scheinveranstaltung ist die dazu dient, eine bestimmte Clique an den Schalthebeln zu belassen. Demokratie als Diktatur  mit dem Anstrich von Mitbestimmung.
Ist das so? Existiert die Demokratie in Wahrheit doch nur auf dem Papier? Oder gelingt es den Parteien nicht mehr, die Möglichkeiten der Bürger zu vermitteln und als Stimme der Menschen den Interessen einiger weniger entgegenzutreten? Liegt die Schwäche im System oder bei seinen Trägern?
Wenn das System das Problem ist – warum gehen dann die Nichtwähler bloß nicht zur Wahl, warum ändern sie es nicht? Sind sie doch so faul und desinteressiert wie man es ihnen gerne unterstellt? Warum überlassen sie sich und das Leben ihrer Kinder dann dem System, wenn sie es ablehnen?
Wenn es nur die Trägerschaft ist – also die Parteien und vor allem die maßgeblichen Figuren darin – dann ergibt das Nichtwählen in gewisser Hinsicht Sinn. Aber es wäre dann besser hinzugehen und den Stimmzettel absichtlich unbrauchbar zu machen. Sonst könnten jene, die genau von dieser miesen Wahlbeteiligung profitieren letztlich das Gefühl bekommen, sie hätten schon fast gewonnen.