Es gehört immer wieder zu den interessanten Meldungen, wenn sich Parteien oder Vereine über ihre Mitgliederzahlen freuen, weil man den politischen Sprech darin am einfachsten decodieren kann. Der politische Sprech macht aus steigenden Schulden ein „negatives Wachstum“ und aus Arbeitslosen „totes Humankapital“. Manchmal auch aus Handlungsunfähigkeit „Alternativlosigkeit“.
Die SPD erfreute sich vor einiger Zeit über die Meldung, daß sie wieder die Mitgliederstärkste Partei im Land ist. Das war im April noch ein bißchen anders, wenn auch nicht viel:
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Wie man sieht sind CDU und SPD annähernd gleich stark gewesen, das Verhältnis hat sich nur ein bißchen umgedreht. Dabei sollte die SPD-Spitze sich mehr Gedanken darüber machen, was die sinkende Mitgliederzahl eigentlich zu bedeuten hat, die in den letzten 34 Jahren insbesondere die beiden Volksparteien SPD und CDU getroffen hat:
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Interessant ist bei der Kurve der SPD, daß der wirklich radikale Niedergang mit der Agenda-Politik Schröders zusammentrifft, aber ein ganz anderer Effekt ist, wie ich finde, daß der Niedergang schon vorher begonnen hat und der Trend lediglich durch die Wiedervereinigung kurzfristig und scheinbar aufgehalten wurde. Mittlerweile ist die SPD 483.226 Mitglieder stark – und hat damit 275 Mitglieder mehr als die CDU (482.951), was jetzt nicht gerade ein großer Vorspung ist.
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Nun ist es natürlich auch so, daß die Parteien generell rückläufige Mitgliederentwicklungen haben. Das ist mit der vermeintlichen „Politikverdrossenheit“, die mehr und mehr eine Staatsverdrossenheit ist, durchaus zu erklären. Blickt man in die Bevölkerungsstatistik, so sieht man das noch viel mehr bestätigt: Waren 1981 noch 2,118% der Bevölkerung nur in diesen Parteien aktiv, waren es 1990 nur noch 2,007%.
Auch das führt zu einer immer geringeren Akzeptanz von Staat und Parteiendemokratie in diesem Land – und das wird von Seiten der Politik und der sie beherrschenden Lobbyvertretung auch tatsächlich als Wohltat empfunden. Weil die geringe Beteiligung am demokratischen Willensbildungsprozeß sie letztendlich machen lässt, was sie wollen.
Im Ergebnis haben wir eine gewollte Armut, an der kaum ein Bürger glaubt, noch etwas ändern zu können. Die Politik müsste aber diese Problematik effektiv bekämpfen – weil sie die einzige Waffe der Bürger ist. Da sie es nicht tut sondern sich gefühlt in der Hand der Wirtschaft befindet, wenden sich die Bürger ab – und damit auch vom System. Das wird – eher früher als später – wirklich üble Folgen haben. Die Proteste in Spanien und Griechenland waren schlimm; Stuttgart 21, eigentlich nur ein Aufhänger, hat aber gezeigt, daß so etwas bei uns auch passieren kann. Ein Staat, der von seinen Bürgern nicht mehr unterstützt und geachtet wird wandelt sich entweder in eine Diktatur oder geht unter. Beides kann nicht im Sinne parlamentarischer Parteien sein.
Gerade die SPD sollte sich vielleicht nun zwischen den Jahren im Hinblick auf die Bundestagswahlen eines klar machen: Selbst wenn der Regierungswechsel klappt, einen Vertrauenvorsprung haben die Sozialdemokraten nicht mehr im Volk. Sie müssten einiges wiedergutmachen. Würden sie sich das aber zu Herzen nehmen, dann gäbe es vielleicht eine Chance den Menschen auch das System selbst wieder ein bißchen Vertrauen erweckender zu gestalten. Es ist eine monumentale Aufgabe, die sich hier stellt, und eine, die unser Staatsgefüge retten müsste. Eine Aufgabe, die den meisten Parteien herzlich egal ist. Eine Aufgabe für die SPD.