Eine konzentrierte Aktion mehrerer Online-Angebote von Magazinen und Zeitungen klappte mir gestern morgen überraschend einen Hinweis auf, der nicht nur überall gleich aussah und formuliert war, sondern der auch so ein bißchen an die Bettelhinweise Finanzierungsaufrufe bei Wikipedia erinnerte.
Ich benutze einen Adblocker. Das mache ich hauptsächlich deswegen, weil mich aggressive Werbung nervt und weil ich die Werbung ohnehin nicht beachte, weil ich einen Inhalt lesen will. Einer der Gründe, warum ich Focus nicht mehr aufrufe, selbst wenn mich der Inhalt interessiert, ist der, daß die Focus-Website mich dann geradezu aggressiv zum Facebookfreund machen will: Ein Popup-Fenster ploppt auf und möchte erst einmal beiseite geklickt werden, penetranter (und peinlicher!) geht es nicht. Grad, daß sie mir nicht noch einen Brief schreiben. Das machen manchmal Leute, zum Beipiel um Twitter-Kontakte zu finden.
Werbung ist aber nicht nur dann besonders nervtötend, wenn sie als Popup aufploppt und mich am Lesen hindern will. Richtig furchtbar wird das Ganze, wenn sie auch noch Videos abspielt oder mich plötzlich mit irgendwelchen Melodien vollquäkt. Ganz zu schweigen davon daß solche Seiten das immer dann tun, wenn ich vergessen habe die Lautsprecher auszuschalten und mein Chef grad im Raum steht.
Besonders witzig finde ich Werbung, die irgendeine Flash-Anwendung im Dauerlauf abspielt und dabei die CPU so richtig voll beansprucht. Man hat dann gerne 7 Tabs offen und sucht verzweifelt in der Lärmkulisse nach dem Urheber, während der Rechner immer langsamer und man letztlich gezwungen wird, Flash manuell abzuschießen.
Dabei ist mir noch etwas aufgefallen: Seit ich den Adblocker nutze laden die Seiten schneller. Einfach weil der ganze Müll, den ich ohnehin nicht will, nicht mehr geladen werden muß.
Auch mag ich neben einem Text eigentlich ungern blinkende Hormonspiegel aufgeregt um meine Aufmerksamkeit betteln sehen – es stört beim Lesen. Kein Problem habe ich mit dezenter Werbung am Rand, was aber nicht heißt, daß ich sie beachten würde. Damit ich sie beachte ist die Werbung mitunter reichhaltiger als der Inhalt, wie dieser Unfall hier schön zeigt.
Man stelle sich folgendes Szenario vor: Sie liegen im englischen Garten und lesen eine Zeitung/Zeitschrift Ihrer Wahl. Kurz darauf fahren um Sie herum drei LKW auf, deren Seitenflächen ein großformatiges Video abspielen, zeitgleich beschallen sie Sie mit 8000 Watt, damit Sie es auch hören. Natürlich drei verschiedene. Radfahrer kommen vorbei und legen Ihnen ungefragt ein Foto ihres Produktes vor die Augen. Hinter Ihnen spielt eine Kapelle einen Jingle ein, der im Krach aber untergeht, weswegen sie näher rückt und darum bittet, „geklickt“ zu werden.
Seien Sie mal ehrlich, liebe Online-Journalisten: Möchten Sie ihre Lebens- und Lesezeit so verbringen?
Grundsätzlicher Denkfehler der Medienwelt
Vielleicht liegt aber der grundsätzliche Denkfehler tatsächlich schon im Printbereich. Lesen Sie Anzeigen in Zeitungen oder Zeitschriften? Also ich höchstens die ganz Großformatigen, um herauszufinden ob sich da vielleicht noch irgendein Artikel versteckt. Manchmal wird die Werbung deswegen als Artikel getarnt, auch wenn das nach den Richtlinien des Pressekodex eigentlich unzulässig ist. Interessiert aber keinen, wenn es um Kohle geht.
Tatsächlich frage ich mich immer, warum Firmen eigentlich diese gigantischen Preise bei Printmedien zahlen, ich kenne niemanden, wirklich niemanden, der den Anzeigen mehr Aufmerksamkeit schenkt als jeder anderen Lesestörung. Kein Mensch guckt sich ernsthaft einen Werbeblock im Privatfernsehen an – die meisten zappen weiter oder gehen aufs Klo. Aber wenigstens kann ich das da machen – Onlineformate wollen mich aber zwingen, die Werbung zu betrachten. Und dann wird der Quatsch von einer Störung zur Zumutung.
Natürlich gucke ich auch Werbung (mangels Fernseher allerdings nicht dort) – aber eher in Katalogform. Beilagen zu Zeitschriften zum Beispiel erhalten von mir mehr Aufmerksamkeit. Wenn ich eine Aboanzeige in Briefform der FAZ in meiner Titanic finde, lese ich sie normalerweise – und bestelle hin und wieder auch ein Probeabo. Kaufanreize bei Onlineportalen, die bei mir recht gut funktionieren sind diese „Kunden haben auch schon gekauft“ oder „Das könnte Ihnen gefallen“ – auch wenn ich die damit verbundene Datensammelei nicht sonderlich mag. Prinzipiell gebe ich daher bei Portalen wo immer es möglich ist und zum Kauf nicht notwendig falsche Angaben. Falsche Vornamen sind da ein schönes Mittel – auch um herauszufinden, wohin Ihre Daten weiterverkauft werden.
Mittlerweile werden in Printmedien Anzeigen auch gerne mal mitten im Text platziert – eine Art Retrokonversion aus dem Onlinebereich. Langsam hat man uns dahin gewöhnt – angefangen hatte das mal mit als Zwischenüberschriften getarnten Zitaten, die vielleicht, aber nicht zwingend im nächsten Abschnitt kommen könnten. das war so ein bißchen wie die Werbevorschau auf den nächsten Film im Fernsehen statt des Abspannes beim letzten Film („Sehen Sie gleich..!“)
Auch das Mittendrin stört. Es stört den Lesefluß weil die Layouter mutmaßlich den Befehl bekommen haben, die Anzeige so einzuschieben, daß ein Wort getrennt werden muß – das Auge hüpft herunter, nimmt dabei die – meistens gelbe – Anzeige wahr und liest weiter, aber man hat nur kurz die Anzeige gesehen, sich nur beim Lesen stören lassen. Bis es verboten wurde hat man auch Produkteinzelbilder in Filme geschnitten.
Was wahrscheinlich kommen wird
Ich ahne schon, wohin das nun führen wird: Ich kenne Seiten, die ein PopUp Fenster aufrufen wenn man einen Adblocker an hat, welcher verhindert, daß man die Seite benutzt – so lange, bis er ausgeschaltet ist. Online-Games wir OGame beispielsweise verbieten durch ihre AGB gleich mal die Benutzung eines Adblockers; Account (und evtl. das dafür bezahlte Geld) können dann schon mal weg sein. So ist der Deutsche: Wenn er mit bitten etwas nicht erreicht sucht er keine kreative Lösung, er denkt sich eine Regel oder ein Gesetz aus und beschäftigt einen Anwalt, der es durchsetzt. Aber es geht auch anders.
Fazit
Leute, vergesst es einfach. Ihr habt mich nicht gefragt, ob ich die Werbung möchte, wollt aber, daß ich Eure Artikel lese, damit ich Euch Werbeeinnahmen verschaffe. Ihr wollt bezahlt werden, und da bin ich dafür. Treffen wir uns doch in der Mitte: Macht den Teaser kostenlos und wenn er mich interessiert, klicke ich ihn an und lese ihn. Dafür zahle ich dann eine Kleinigkeit und werde mit Werbung verschont. TAZ zahl‘ ich, versteht Ihr?
Ich halte die Micropayment – Idee eigentlich für genial und nutze sie auch. Ich werde SIe gerne benutzen, um guten Journalismus zu belohnen – und würde mich über die Möglichkeit freuen, auf diese Weise schlechten Journalismus zu bestrafen. Im Printbereich darf ich es durch Nichtkaufen ja auch.
Nachtrag:
Damit beschäftigen sich wohl auch andere wie zum Beispiel…