Fundstück der Woche (34. KW): Zynismus bei der SZ

Die Sueddeutsche Zeitung war ja vor einigen Jahren mal eine halbwegs brauchbare Zeitung. Leider muß man seit der Online-Entwicklung das Präteritum gebrauchen; Selten war der Niedergang einer einstmals großen Zeitung so sichtbar wie bei SZ-Online.

Ob Boulevardesk, schmierig oder peinlich, in der Konkurrenz zu Bild.de lässt sich kaum ein Online-Magazin wirklich lumpen. Der schlimmste Ausreißer dieser Art ist sicherlich Spiegel Online, eine schmierigere Gruppe ist höchstens noch die PARTEI.

Aber heute gibt es wieder etwas schönes bei der Sueddeutschen, was ich gleich zum Fundstück erheben möchte:

Den Lybien-Krieg-Newsticker.

Verfolgen Sie live wie bei jedem Sportereignis wenn Menschen sterben. Das ist die moderne Sueddeutsche Zeitung: Statt investigativ investment…

Von der Publizistik….

Haben Sie schonmal eine Gespensterreise nach Edinburgh gemacht? Ich nicht, war aber schon zwei- oder dreimal da und hab natürlich auch so eine Ghost-Tour mitgemacht was ziemlich lustig ist. Finden wohl auch andere, zum Beispiel die Sueddeutsche, der Spiegel und die Frankfurter Rundschau. Und weil das so einmalig ist kann man dafür anscheinend auch immer nur die gleichen Worte finden…

Heute halten wir mal drei nicht als Anzeige gekennzeichnete Artikel nebeneinander: Aus der SZ, der FR und von SPON. Keines der drei Angebote weist den Text als Marketing-Text aus, auch wenn man unter „Reise“ ja letztlich nichts anderes erwartet. Vergleichen wir doch mal ganz kurz Anfang und Ende der Artikel um einen EIndruck zu bekommen….

SZ-Online FR-Online SPON
15.10.2010, 10:04 22.10.2010 12.10.2010
Schon lange hat sich keine mir unbekannte junge Frau mehr hilfesuchend an mich geklammert. Neulich aber ist es passiert, sogar zweimal hintereinander. Ich muss zugeben, es geschah eher zufällig, weil ich gerade neben ihr stand, und ist mit einer akuten Schrecksituation zu erklären: Wir befanden uns auf einer Geisterjagd durch die Unterwelt der schottischen Hauptstadt Edinburgh. Schon lange hat sich keine mir unbekannte junge Frau mehr hilfesuchend an mich geklammert. Neulich aber ist es passiert. Ich muss zugeben, es geschah eher, weil ich gerade neben ihr stand, und ist mit einer akuten Schrecksituation zu erklären: Wir befanden uns auf einer Geisterjagd durch die Unterwelt der schottischen Hauptstadt Edinburgh. Schon lange hat sich keine unbekannte junge Frau mehr hilfesuchend an mich geklammert. Neulich aber ist es passiert. Es geschah zwar zufällig, weil ich gerade neben ihr stand, und war durch einen riesigen Schreck zu erklären: Wir befanden uns auf Geisterjagd durch die Unterwelt der schottischen Hauptstadt Edinburgh.
[…]Es geht auf Mitternacht zu, als wir unsere Jagd unverrichteter Dinge abbrechen. Liz verabschiedet sich von uns allen persönlich. Als sie nach mir die Tür schließen will, weise ich darauf hin, dass hinter mir noch jemand kommt. „Nein, nein“, entgegnet sie. „Sie waren die ganze Zeit der Letzte, da hab‘ ich drauf geachtet. Sehr mutig!“ Die Tür fällt ins Schloss. Für einen Augenblick bleibe ich noch stehen, dann schlage ich den Mantelkragen hoch und strebe dem nächsten Pub zu. Die Nächte können kalt sein in Edinburgh. […]Es geht auf Mitternacht zu, als wir unsere Jagd unverrichteter Dinge abbrechen. Als Liz nach mir die Tür schließen will, weise ich darauf hin, dass hinter mir noch jemand kommt. «Nein, nein», entgegnet sie. «Sie waren die ganze Zeit der Letzte, da hab‘ ich drauf geachtet. Sehr mutig!» […] Es geht auf Mitternacht zu, als wir unsere Jagd unverrichteter Dinge abbrechen. Liz verabschiedet sich von uns allen persönlich. Als sie nach mir die Tür schließen will, weise ich darauf hin, dass hinter mir noch jemand kommt. „Nein, nein“, entgegnet sie. „Sie waren die ganze Zeit der Letzte, da hab‘ ich drauf geachtet. Sehr mutig!“
Die Tür fällt ins Schloss. Für einen Augenblick bleibe ich noch stehen, dann schlage ich den Mantelkragen hoch und strebe dem nächsten Pub zu. Die Nächte können kalt sein in Edinburgh.
(Christoph Driessen, dpa/dd) (dpa/tmn) Christoph Driessen, dpa

Toll, nicht wahr? Immerhin, die Urheberschaft wird schon noch genannt, wenn auch nicht bei der FR. Aber nachdem mir das aufgefallen war dachte ich, ich goolge mal den Einstiegstext und siehe da, man findet das Ding auch bei Merkur Online (5.10.2010, Christoph Driessen, dpa), N-TV Online (24.10.2010, dpa), N24 Online (05.10.2010, Christoph Driessen, dpa, N24) und, hier aber als Reisebericht der dpa deutlich gekennzeichnet, bei Traveling World (ohne Datum, Christoph Driessen, dpa).

Ich frage mich, was das so einbringt seinen Text nicht nur vielen Medien anzubieten (was ja normal wäre) sondern den Medien auch zu gestatten sich selbst als Urheber drunter zu setzen nachdem sie ihn leicht verfremdet haben. Immerhin ist Herr Driessen ja durchaus eine respektable Persönlichkeit, oder?

Von einem Medienunfall – Teil VI: Mal wieder gewohnt pietätvoll, die SZ

Frau Teofila Reich-Ranicki ist tot. Das vermeldete gestern, praktisch untergehend im Royal-Rummel die Sueddeutsche Zeitung und ich möchte Marcel Reich-Ranicki an dieser Stelle mein Beileid aussprechen.

Interessant aber ist, wie die Sueddeutsche damit umgeht. So hat man zunächst die Kommentarfunktion unter dem Artikel gesperrt. Und dann hat man eine interessante Auswahl geschaffen, aber sehen Sie selbst:

Toll, oder? Diese Zusammenstellung hat schon fast was von einem Gedicht…

Kontaktbörse Oktoberfest – Im Rausch der Sinne / Rentnerehepaar stirbt bei Frontalzusammenstoß /  Kühner Gewaltakt / „Das hat ja doch wieder gut geschmeckt“ / Scheidung im Alter – Das verflixte 25. Jahr / Farbpsychologie – Alles so schön bunt hier! / Gemeinsamer Tod – Nach 70 Jahren Ehe stirbt Paar am selben Tag / Homo-Hochzeiten: Freie Ortswahl – Trausaal? Nein danke! / Mann und Alter – Laptop und Sixpack / Alter – Der neue Mann – lebt lustvoll und lang

Nein? Naja, ich bin auch froh, daß virtuelle Gräber und Nachrufe nur virtuell sind. Bei der Vorstellung, der/die dafür Verantwortliche hielte eine Rede auf meiner Feier….

Die FAZ macht es besser.

Nachtrag: Der Link selbst hat auch seine eigene Komik…

Von den verschwörten Theorien…. rund um Japan

Es gehörte schon in den vergangenen Tagen zum Standardrepertoire außenstehender Beobachter von Naturkatastrophen und solcher von Menschenhand, die Ursache solcher Katastrophen in einer Verschwörung dunkler Mächte zu suchen.

Diesmal also, entnehme ich nach der erschütternden Meldung über ein zweites Erdbeben in Japan dem Forum bei Sueddeutsche.de, sind es die Amerikaner. Mal wieder. Ähnlich machiavellistisch wie ich selbst bestimmt auch, als ich im vorvorherigen Satz das Wort „erschütternd“ im Zusammenhang mit einer Erdbebenmeldung gebraucht habe, sollen amerikanische Militärs mit Hilfe des HAARP-Projektes also das Wetter kontrollieren und bei Bedarf Erdbeben auslösen, weil Wetterkrieg der Krieg der Zukunft ist.

Um das ganze zu untermauern wird auf eine „Dokumentation“ des Kirch-Senders N-TV verwiesen, der von Nachrichten alleine offensichtlich nicht leben kann. Wenn Sie eine halbe Stunde Zeit erübrigen können Sie sich das ja mal antun:

Untermalt von dramatischer Musik werden sogenannte Experten gezeigt, die angeblich aus den Kriegsplan-Interna des US-Militärs (oder der Briten) berichten. Ein Experte zeigt in einer abgedunkelten Garage wie Haarp das Wetter verändert. Immer wieder wird dem Zuschauer eingebleut daß es hier um „geheime Kriegführung“ geht, um den „Krieg der Zukunft“ und so weiter.

Dann werden auch brav Beispiele herangezogen, so soll die Flut 1952 in Großbritannien das Ergebnis fehlgeschlagener Militärexperimente gewesen sein. (Bitte ab hier die Melodie von Akte X nachpfeifen). Auch der Hurrikan „Kathrina“ von 1995 verhielt sich „ungewöhnlich“ – dem Zuschauer wird hier die zwar deutlich als Theorie bezeichnete, dennoch nicht hinterfragte Ansicht, es handle sich dabei um eine „Hurrikan-Attacke“ von Rußland und China auf die USA, verkauft, die im Jahr 1996 dann erfolgreich abgewehrt werden konnte.

Dieser ab dem genannten Zeitpunkt endgültig absurde Unterhaltungsfilm wird nun insbesondere vom Sueddeutsche-Online User „katzbuckel“ herangezogen um zu belegen, daß die Amerikaner eine konkurrierende Wirtschaftsmacht zerstören wollen.

Alleine die Idee, die „Dokumentation“selemente auf n-tv mit Seriosität zu verbinden ist natürlich sehr gewagt.

Ah, darum geht es. Kampf um die Ressourcen in der Welt. Das macht bei einem Bergbau- und Agrarstaat wie Japan natürlich Sinn, wobei…

Also eine in Alaska, eine in Norwegen. Man vergesse nicht die Konkurrenzanlagen in China und Rußland zur Hurrikan-Bewerfung der USA. Irgendwie haben sich also die Norweger mit den Amerikanern verschworen, in Japan ein Erdbeben auszulösen. Warum ist bis jetzt nicht so ganz klar. Weil es eine konkurrierende Wirtschaftsmacht ist? Da würde China mehr Sinn machen, denen gehört nämlich der Dollar und ein nicht unbeträchlicher Anteil amerikanischen Bodens. Vielleicht ist Norwegen eifersüchtig auf die Walfangflotte der Japaner gewesen?

Mal ganz abgesehen davon, daß geheime Kriegführung schon immer stattfand sollte man nicht vergessen, daß derartiges auch derzeit und gar nicht schlecht von Navy Seals und anderen Spezialeinheiten deutlich billiger, effektiver und präziser ausgeführt wird. Wenn ein Drogenkartell, ein unbequemer Machthaber, ein Freiheitskämpfer oder sonst irgendwas schlechtes im Sinne von Geheimdiensten aller Couleur ausgeschaltet werden muß ist das mit einer kleinen Operation erheblich leichter zu handhaben als mit einer Science-Fiction-Waffe wie einem künstlichen Erdbeben.

Niemand bestreitet daß die Kriege der Zukunft um Ressourcen bereits geführt werden und daß die Auseinandersetzung um die Ressource Wasser der Welt eine ziemlich unruhige Zukunft bescheren wird. Aber weder wird jemand Gotham City mit einem auf Wasser aber irgendwie auf Menschen nicht wirkenden Mikrowellensender zerstören, noch werden sich Nationen mit offen, nicht einmal unter Verschluß gehaltenen Antennenanlagen (die mit einem einzigen Kampfjet ausschaltbar wären) gegenseitig Stürme, Erdbeben und Eiszeiten vorbeischicken.

Natürlich reicht das Wetter nicht – wer richtig Angst haben will der kann auch vermuten, daß Haarp dazu dient, eine ganze Nation auf einem Bein tanzen zu lassen. Dem Gotteskomplex unbedeutender Individuen sind anscheinend keine Grenzen gesetzt….

Vom Plagiat, von KTzG und vom Riß im Volk

Am vergangenen Tage dieser Republik gelang es der Süddeutschen Zeitung, mit einem einzelnen Bericht einen kleinen Coup zu landen. Und erwartungsgemäß waren die Fans des entlarvten Karl-Theodor zu Guttenberg ein wenig, na sagen wir, ungehalten.

Nun muß ich vorneweg gestehen, daß ich kein Fan des Barons bin. Weder als er als Wirtschaftsminister nichts tat, noch als er als Verteidigungsminister den Schuldigen vom Dienst Jung ablöste und Fehler durch „Untergebene feuern“ korrigierte. Ich halte nicht viel von seinen bisherigen Taten sofern überhaupt welche registriert werden und den Medienhype um seine Person, der Bertelsmann, Burda und Springer veranstalten sehe ich eher kritisch.

Nun will die Süddeutsche herausgefunden haben, daß Herr zu Guttenberg in seiner Doktorarbeit offenbar teilweise ein Plagiat beging – zumindest hat er die wissenschaftlichen Anstands- und Ehrenregeln verletzt. Einen Beweis lieferte man auch. Der Vorwurf weitete sich binnen kurzen dahingehend aus, daß auch die konservative FAZ im Vorwort ein Plagiat erkannt zu haben glaubte. Die Affäre zog sich wie ein Lauffeuer durch die Medien, selbst die BILD-Zeitung mußte etwas bringen. Natürlich im Tenor verteidigend.

Soweit, so normal. Die Süddeutsche Zeitung fährt seit einiger Zeit ja eine Kampagne gegen den Verteidigungsminister – so wie die Springermedien eine Kampagne gegen Klaus Ernst und Gesine Lötzsch fahren und fuhren oder Bertelsmann eine systematische Diffamierung von nicht neoliberalen Ideen betreibt.

Aber wenn ein solcher – tatsächlich eher in der wissenschaftlichen Welt interessanter – Vorwurf gegen Kalt-Theodor zu Guttenberg erhoben wird, dann kochen die Gemüter hoch.

Das SZ-Online Forum vermeldete gestern Abend unter dem ersten Artikel den sensationellen Endstand von 706 Kommentaren. Es spalteten sich hier recht schnell drei Fraktionen:

Die Guttenberg-Verteidigerfraktion

Menschen dieses Schlages sehen dahinter a) eine Diffamierung aus Neid vor dem großen Erfolg des Kompetenzministers, b) eine Verschwörung der SPD weil der Bremer Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano auch Gastvorträge für die Friedrich-Ebert-Stiftung hält, c) eine unbedeutende Vergeßlichkeit von irgendwo einer Fußnote und d) eine im Vergleich zu den finsteren Linken der Republik nun wirklich läßliche Sünde. Sei nicht ein Steinewerfer Außenminister geworden und habe nicht Wallraff dreist plagiiert?

Die Guttenberg-Angreiferfraktion

Die Gegner des Ministers schlugen sofort erfreut zu. Damit sei ja hinlänglich bewiesen daß der Ministerbaron a) Nicht zur Eigenleistung fähig ist, b) sowieso keinen Doktor verdient und eigentlich zurücktreten müsse, c) der Medienhype um den Minister seine Hohlheit entlarve und d) die ganze Regierung sowieso nur ein Schwindlerhaufen ist.

Die Was-soll-der-Schmarrn-Fraktion

Diese Fraktion fragt nach der tatsächlichen Bedeutung der Affäre. So fragte ein User: „Das Deutschland den Garantierahmen für die Euro Sanierung so um schlappe 120 000 000 000 Euro erhöhen muß und wird und dann im Fall der Fälle dem totalen Staatsbankrott sprich Pleite entgegensteuern könnte regt anscheinend Niemanden auf?
Dr. von Guttenberg, ist doch wurscht von und woher. Wichtig sind die Ergebnisse und die sind ja in der Regel bei der derzeitigen Regierung ziemlich dürftig ! Wie hat denn eigentlich Guido seinen Dr. Titel erworben ? Und die Dame mit den 3 Knöpfe Sakko ?“

Faszinierend war an der Diskussion allerdings, wie massiert die Foristen aufeinander losgingen. Die unterschiedlichen Maßstäbe, nach denen links wie rechts stets gemessen wird, sind ein schönes Zeichen für den Riß in der Gesellschaft zwischen „bürgerlichem Block“ und „Volk“. Wenn die Vorwürfe vollständig zutreffen und nicht ausgeräumt werden können wird man dem oberfränkischen Politiker die Doktorwürde absprechen und verhindern müssen, daß er sie nochmal erhält. Stimmt etwas nicht an den Vorwürfen müssen sie zurückgezogen werden.

Den Foristen und das nicht nur bei der Sueddeutschen, war das aber egal. Der triefende Haß der hier zutage trat war geradezu erschreckend. Was macht diese Regierung nur mit dem deutschen Volk?


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Von einem Medienunfall (IV): Pietät ist, wenn….

… man Überschriften oder Header formuliert, die bei Toten trotzdem zum Schmunzeln anregen. Denn in den vergangenen Tagen dieser Republik gab es ein Ereignis, das den boulevardesken Alltag völlig durcheinanderrüttelte: Der Tod einer Ex-„BigBrother“ – Containerbewohnerin und Erotikdarstellerin, womöglich an den Folgen einer Schönheits-OP.

Die Sueddeutsche Zeitung online, nach wie vor eine Fachsite für Falschinformation und Halbgares, ging mit der für die Familie der Carolin Wosnitza sicherlich nicht einfachen Situation auch gewohnt pietätvoll um:

Daa fragt man sich auch sofort, was stimmt hier denn alles nicht? Eine Menge, aber lassen wie die „Vorerkranung“ mal beiseite.
Beginnen wir mal mit der Meldung als solche:

Erste Befunde zeigen: Die Erotikdarstellerin „Sexy Cora“ starb während ihrer Brust-OP an Hirnlähmung.

Okay. Erstens starb sie später. Zweitens sicher nicht an „Hirnlähmung“, das ist nämlich Unsinn. Und Drittens darf man sich schon fragen, ob man sich bei der Redaktion heimlich ins Fäustchen gelacht hatte, als man schreiben durfte, daß eine Erotikdarstellerin (und ehemalige Prostituierte) ausgerechnet an „Hirnlähmung“ gestorben sei.

Auch die Begleitung dieser Meldung ist interessant: Rechts oben sehen Sie den Link zu einem Video der Agentur Reuters, das nochmal ein bißchen von den soeben operierten Brüsten zeigt und als wichtige Nachricht vermeldet, daß die junge Dame zuletzt noch bei einem Oben-Ohne-Kickerturnier teilnahm.

Diese Hirnlähmung, die einer Pressemeldung des zuständigen Anwalts entstammt und die verschiedene Medien begierig aufgegriffen haben (und dabei das gleiche Maß an Rücksicht erwiesen inklusive Fotoklickstrecken, Brustbildern und Erotischen Videoclips) hat es sogar bis nach Wikipedia geschafft:

Was übrigens diesen kausalen Zusammenhang nahelegt:

Nur um das mal klarzustellen: Die als Hirnlähmung bezeichnete Krankheit (zu der sinnigerweise übrigens auch der Wikipedia-Link führt!) meint eigentlich Bewegungsstörungen, deren Ursache in einer frühkindlichen Hirnschädigung noch vor der Geburt quasi liegt. Das kann schlecht die Todesursache sein, da man dies ja nicht bei einer OP bekommen kann. Die Sueddeutsche Zensur Moderation entschuldigte das dann auch ganz lapidar:

Das veranlasste die SZ aber natürlich zunächst einmal nicht, ihren Artikel zumindest dahingehend zu ändern, daß das Zitat als solches erkennbar wurde (Siehe Nachtrag). Aber es passt in die seltsame Schlamperei und scheinheilige Heuchelei bei dem Fall, den nahezu alle Medien zeigen. So protokolliert BILD auch ein „verpfuschtes Leben“ in einer völlig geschmacklosen Bildstrecke.

Was sagt das über die Medienwelt aus? Sie leben und lebten von diesen kleinen, „verpfuschten“ Leben. Sie verkaufen sie den Bürgern als schlechtes Beispiel, als Niedlichkeit beim Versuch was aus sich zu machen und bei Bedarf auch als Wichsvorlage Erotiksternchen für einsame Stunden. Dabei helfen sie kräftig diesen Menschen, ihr Leben zu verpfuschen, immer mit dem Lockangebot, so „Erfolg“ haben zu können. Anschließend wird ebenso kräftig geheuchelt. Und die Süddeutsche Zeitung, nachdem sie von der Südwestdeutsche Medienholding gekauft wurde und jetzt ostentativ abgewirtschaftet werden soll, macht da eifrig mit. Na toll.

—-

Nachtrag (19.45 Uhr): danke an die vielen Hinweisgeber. Ich habe an pikater Stelle natürlich ausgerechnet das Wort „Hirnlähmung“ falsch geschrieben. xD

—-

Noch ein Nachtrag (21:00 Uhr):

Mittlerweile hat die SZ reagiert und folgende zwei Hinweise zum korrigierten Artikel dazugestellt:

und:

Also hat man inzwischen nachrecherchiert, was ich sehr gut finde.  Das Video ist nach wie vor da und das allerschärfste fällt mir erst jetzt auf: Man kann unter diesem Artikel tatsächlich ein Newsfeed zum Thema „Brust-OP“ abonnieren.

Hallo?

 

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Von einem zweiten Medienunfall

Im schriftlichen Alltag der Sueddeutschen Zeitung gibt es Ereignisse, die man als Tiefstpunkte journalistischer Hastigkeit in Zeiten des permanenten Onlinewahns darstellen könnte. So den heutigen Beitrag der SZ-Online zu einer Studie von Wilhelm Heitmeyer.

Ich gehe jetzt mal nicht auf die eher unzureichende Analyse der Studie ein, die man immerhin von 2003, 2005, 2006, 2007 und 2008 online abrufen kann, die auch darin begründet liegen kann, daß die Sueddeutsche hier im Grunde ganz schnell was superaktuelles bringen wollte – also eine längst vergangene Meldung (Jedenfalls bezieht sich die ZEIT hier auf eine). Die ist immerhin gestern schon in der TAZ kommentiert worden und offensichtlich gab eine Pressemitteilung, denn eine ganze Reihe von Onlinemedien beschreiben die neue Studie ebenfalls.

Nur, wie kommentiert das Detlef Esslinger? Na, wie ein Profi:

Und nicht nur das: Auch Fremdenfeindlichkeit insgesamt, Rassismus, Sexismus sowie die Abwertung von Langzeitarbeitslosen sind bei diesen Bürgern ausgeprägter als früher – während derlei konstant geblieben ist bei denen, die weniger Geld haben; immerhin.

und:

Bei Fremdenfeindlichkeit und Rassismus hingegen hat der Forscher keine Zunahme festgestellt. Sexismus und Homophobie haben sogar abgenommen. Auch dafür hat Heitmeyer eine Erklärung. Eine Gesellschaft macht ja auch Fortschritte.

Toll, was? Man fragt sich, ob es eigentlich noch Leute gibt, die Artikel redigieren. Nicht immer hat das Computerzeitalter Gutes hervorgebracht:

Hat bei den Printmedien vor Jahren der Setzer die Seiten der Zeitung noch mit bleiernen Lettern gesetzt, so ist heute durch die Computertechnik die Gestaltung (das Layout) der Seiten häufig Aufgabe der Redakteure, außerdem ist er für die Formulierungen der Überschriften und Bildunterschriften, so genannte Kurztexte, zuständig. Der Redakteur arbeitet auch in Entwicklungscrews im Rahmen einer Konzeptentwicklung für neue Publikationen (Print und Online) oder Hör- und Fernsehsendungen mit.

Zitat nach der Wikipedia.