Wirtshaussterben

Die Sueddeutsche Zeitung, der Münchner Merkur und viele Andere beschäftigen sich mit einer Studie des Gaststättenverbandes, die ein Aussterben der bayerischen Wirtshauskultur nahelegt.

Natürlich sind die bösen Gestalten rund um den Herrn Frankenberger schuld. Klar. Weil Raucher nun nicht mehr weggehen dürfen. 😉 Ich bewundere den Intellekt mancher Raucher, der das Rauchverbot anscheinend mit Hausverbot und AUsgangssperre verwechselt oder aus Trotz nicht mehr weggehen will. Weil seine Gegenspieler radikal sind…

Was man nicht vergessen sollte: Die Gastwirte haben massiv bei der Euroumstellung hingelangt, während die Löhne sehr präzise umgerechnet wurden; Seit Jahren sinkt die reale Kaufkraft des Durchschnittsverdieners (hier die Zahlen für 2000-2008; Seit einigen Jahren wird ein kleines Plus verzeichnet) und besonders des unteren Drittels der Einkommen. Dabei sind das oftmal diejenigen, die gerade die kleinen Kneipen am Leben erhalten haben.

Mit 800 Euro netto und davon dann nochmal 550 Euro Wohnung geht man halt nicht ein kleines Schnitzel mit Pommes für 20 Mark (also 10-11 Euro) essen und trinkt dazu für 6,50 Mark / Glas noch drei Bier. Da ist es einfach wurscht ob man dabei rauchen dürfte oder nicht, das Geld hat so jemand nicht.

Zudem hat sich eine Menge auch in der Wirtshauskultur verändert: Der Stammgast fehlt (auch weil viele Wirte das Kartenspielen verbieten) zunehmend, die Arbeitskräfte werden auf Aushilfen umgebaut was nicht gerade zum Wohlbefinden des Kunden beiträgt weil das eben nicht die Zenzi ist, die da immer ist und alleine deswegen schon eine gewisse Autorität hat, sondern ein verängstigtes Hupferl aus Rumänien, das nichtmal die Bestellung richtig versteht und mir auf die Bestellung „ein Bier“ auch mal ein Pils bringen kann. Nichts gegen das Mädchen, aber sie ist halt billig und nur drei Monate als Aushilfe da – dem Wirt ist es egal, er muß weniger Sozialleistungen bezahlen, also bleib ich halt daheim.

Ein weiteres Phänomen ist die zunehmende Billig-Konkurrenz. Weniger die Fast-Food-Läden, denn wer rechnen kann weiß, daß einmal Burger King oder McDonalds auch nicht günstiger ist als einmal ne Kleinigkeit im Lokal essen, sondern mehr die zunehmenden Zahlen in der Selbstbedienungsgastronomie (Dönerbude, Hendlstand) und natürlich die Kantinenartigen Elemente wie bei Ikea oder anderen Möbelhäusern, wo man teilweise für drei Euro schnell zwei Hot Dogs und eine Cola verzehren kann. Der deutsche Wunsch nach „billig!“, der uns mit schöner Regelmäßigkeit Lebensmittelskandale beschehrt, schlägt sich eben auch auf die Gasthäuser nieder.

Das Rauchverbot hat sicherlich dazu beigetragen, daß manche nicht mehr in die Kneipe gingen (Wobei auch in Thüringen die Kneipen sterben; Und dort sind Raucherbereiche per Gesetz erlaubt, wie sie ja hierzulande auch gefordert werden….) aber sind wir doch mal ehrlich, liebe Raucher: Warum hindert Sie das Rauchverbot am Kneipenbesuch? Gehen Sie da hin zum Rauchen, oder zum trinken, essen und zum Treffen mit Bekannten? In Hessen muß in aller Regel vor der Türe oder im Raucherbereich gequalmt werden. Die Raucher sitzen erfahrungsgemäß im Nichtraucherbereich und gehen zum Rauchen dann halt woanders hin. Der bayerische Raucher scheint dazu intellektuell nicht in der Lage zu sein, warum bloß? Liegt’s an der Radikalität?

Von der Begrifflichkeit

„Schenken Sie Ihren Kindern schlaue Eltern!“. Das ist der Slogan einer der größten deutschen Tageszeitungen. Die Sueddeutsche bewirbt sich selbst damit, ein intelligenteres und klügeres Publikum anzusprechen, als, sagen wir, die Abendzeitung, Oder als die „Qualitätspresse“ von Axel Springer.

Nun ist Zeitung machen eine interessante Tätigkeit und das suchen und finden verkaufsfördernder Überschriften ist eine wichtige Herausforderung für die Blattmacher. Unbestritten die besten darin sind die Boulevard-Zeitung, allen voran die BILD, die nicht nur durch eine mit Ausrufegeichen gespickten Redeweise auffält, sondern besonders durch auffällige Substantivkombinationen mit einem Bindestrich. Wo „Wir sind Papst!“ noch eine brilliante, wenn auch falsche Schlagzeile war, wimmelt es in dem Blatt nur so von „Chaos-Tagen“, „Nackt-Dramen“ oder „Killer-Onkeln“.

Der Zweck boulevardesker Schlagzeilen besteht darin, nicht den Verstand, sondern das Herz des potentiellen Lesers anzusprechen. Im Grunde kann man vier verschiedene Schlagzeilentypen unterscheiden:

  1. Der Leser soll sich aufregen und wütend werden („Abzocke!“, „Wucher!“, „Irrsinn!“, „xyz-Wut!“)
  2. Der Leser soll sich emotional beteiligt, aufgenommen fühlen („Wir sind..!“, Wir haben gewonnen!“, generell „Wir..:“)
  3. Der Leser soll jemanden hassen und die Gründe dafür nach Kauf der Zeitung erfahren („Bestie“, „Monster“, „Schwein“)
  4. Der Leser soll das Rachebedürfnis befriedigt bekommen („Das ist der …“, „Bild zeigt…“)

Und im Grunde gibt es noch einen fünften Typ, der, der sich mit der direkten Aufforderung an einen Richter oder Politiker wendet und versucht, Politik zu machen oder der Rechtsprechung vorzugreifen. („Herr RIchter, verhindern Sie das!“) Gerne auch mal im Befehlston.

So funktioniert nun einmal Boulevard – niedere Instinkte werden angesprochen und möglichst vereinfachende Darstellungen versuchen, dem Leser (oder Zuschauer in dem Fall) das Gefühlt zu vermitteln, ein komplexer Sachverhalt wäre eigentlich ganz einfach und die von der Zeitung gewünschte Gruppe hat mit ihrer Meinung Recht. Das war bei der Ökosteuer und dem Kanzler so, oder auch beim Dosenpfand.

Wenn jetzt aber die Schlauen Eltern die Sueddeutsche Zeitung lesen, so werden sie möglicher Weise auch auf den Onlineteil stoßen und da auch ein bißchen nachlesen. Und da finden sich dann solche Artikel hier:

Sueddeutsche BoulevardDer „CDU-Mann“ ist anderer Ansicht als der „CSU-Chef“ weswegen er ein „Homo-Aktivist“ ist. Zudem geraten in diesem Artikel der „LSU-Chef“ Steins und der „CDU-Hardliner“ Wagner aneinander. Das sind interessante Formulierungen für schlaue Leser. Es ist zwar nicht gerade neu, daß die Sueddeutsche auf den Bindestrich geht, aber dennoch eine ziemliche Häufung.

Abgesehen davon ist auch der Begriff „Homo-Ehe“, der sogar einen Wikipedia-Eintrag hat, nicht besonders glücklich gewählt: „Homo“ heißt eigentlich Mensch, der lateinische Begriff stammt aber vom griechischen Wort homos ab, was „gleich“ oder „gemeinsam“ bedeutet. Im Grunde ist eine Homo-Ehe (welche die Sueddeutsche an dieser Stelle interessanter Weise „Homoehe“ schreibt) also eine Ehe zwischen Menschen und nur im griechischen Wortsinne eine „Ehe unter Gleichen“;  Das würde den Gegnern gleichgeschlechtlicher Ehen unterstellen, sich für die Ehe zwischen Mensch und Pferd einzusetzen. Das mag im Einzelfall zutreffend sein, ist aber trotzdem ein unglücklicher Kampfbegriff, der wohl schlicht Zeilengeld sparen soll, statt jedesmal von „gleichgeschlechtlicher Ehe“ schreiben zu müssen.

Was ich mich frage: Werden stockkonservative (im „SZ-Sprech“ vermutlich „Stock-Konservativ“) Leute wie Norbert Geis dann eigentlich auch als „Hetero-Aktivisten“ bezeichnet?

Man müsst ihn ja eigentlich ignorieren….

… aber der Erlöser ist zurück. Also der Erlöser der einfachen und wenig gebildeten Menschen. Der Mann, der seinen Doktortiltel aberkennen „ließ“ (sic!), damit jeder sehen konnte, daß das Heft des Handelns in seiner Patschepfote blieb. Der Blender und Verführer ist zurück – und gewohnt genial im Umgang mit den Medien.

Man kann über Karl-Theodor zu Guttenberg ja vieles sagen. Zum Beispiel daß er ein als Minister, egal ob als Wirtschafts- oder als Verteidigungsminister komplett versagt hatte. Man müßte aber fairerweise dazu sagen, daß das verdammt gut aussah, denn es gab tolle Photos davon. In Anlehnung an einen anderen Spruch könnte man auch von „Mieser Arbeit, aber mit geiler Grafik“ sprechen.

Guttenberg hat es, nicht zuletzt zum Neid seiner Gegner, tatsächlich geschafft den Nimbus der Anbetung um sich herum zu erhalten obwohl er in Wahrheit buchstäblich nichts auf die Reihe gebracht hatte. Als Wirtschaftsminister bei der Opel-Rettung, noch zu Zeiten der Großen Koalition, hat er dem Gegenteil dessen zugestimmt was er propagiert hatte. Gut, werden sich viele sagen: „CSU halt. In Bayern dagegen, in Brüssel dafür.“ Stimmt, so betrachtet war es konsequent. Trotzdem bleibt, daß KTzG buchstäblich nichts anderes getan hatte, als einzuknicken. Solange er das tat durfte er sich als „Widerstandinator“ aufspielen.
Als Verteidigungsminister und Erbe des auf Befehl der Oberkommandierenden in Kriegszeiten zurückgetretenen Ministers Jung nun hat er die Bundeswehrreform in Angriff genommen und die Wehrpflicht ausgesetzt. Angesichts der Tatsache, daß die CSU da immer schon dagegen war weils um das Land herum nur Russen und im Land nur Kommunisten gibt, tatsächlich eine beachtliche Leistung. Aber real war’s dann doch wieder Blendwerk: Sein Nachfolger Thomas de Maizière bescheinigte dem Reformwerk ziemliche Stümperei – auch wenn das natürlich sofort und umfassend dementiert wurde. Tatsächlich ist die Geschichte Stückwerk – der Ersatz des Wehrersatzdienstes kommt jedenfalls nicht so recht in die Gänge was nicht weiter verwundert, wünscht doch die gleiche Regierung daß man mit 17 bereits ein abgeschlossenes Studium und 15 Jahre Berufserfahrung mitbringt, um als Single flexibel für den Arbeitsmarkt 500km pendeln zu können. Da kommt Dienst an der Gesellschaft irgendwie nicht vor.

Nun also droht ein Comeback, wie der ProGuttenbergBlog begeistert veröffentlicht (auch wenn er in seiner flammenden Begeisterung irgendwie das Gegenteil dessen schreibt, was er vor drei Tagen schrieb. Guttenberg habe sich entschuldigt, sei zurückgetreten und habe daher ein Recht auf Rehabilitation. Der Vorstand des Netzwerk Recherche habe betrogen, sich entschuldigt, sei zurückgetreten und der Nachfolgende Vorstand war im Amt als die Jury den Leuchtturm an die FAZ vergab. Das wirft natürlich ein bezeichnendes Licht auf den Preis, die Jury und ihre „linke“ Haltung. Ich hab selten so sehr lachen müssen als bei diesem kurz hintereinander erfolgten Beweis für die Redlichkeit der Verteidiger…).
Die Meisterschaft des „Platitüden-Barons“ (Priol) im Umgang mit der Presse zeigt sich aber wieder einmal in der Inszenierung des Mannes. Zufällig ein paar Tage vor Erscheinen seines Buches wird ein Interview geführt was zufällig die deutsche Presse bemerkt, woraufhin zufällig die ZEIT, ausgerechnet, die Kampagne startet um das Buch ihres Chefs zu verkaufen. Zufällig ereilt den Buchveröffentlichenden auch ausgerechnet in diesen Tagen das Urteil und zufällig darf er fürs kopieren NICHT wie ein gewöhnlicher DvD-Brenner („Noch viermal singen„) büßen, sondern öffentlichkeitswirksam die deutsche Krebshilfe unterstützen („KTzG – er hat ein Herz für Krebskranke Kinder“). Begeistert wirkt die Presse positiv wie negativ mit und schon stehen heute um 10:09 Uhr volle 7 (Sieben!) Artikel zu zu Guttenberg auf Sueddeutsche.de. Dafür mußte die NSU 10 Menschen abknallen und mutmaßlich Selbstmord begehen.

Die Bildzeitung schießt, wie immer, den Vogel ab indem sie das Interview und das Buch betitelt mit „zu Guttenberg rechnet mit sich ab“ – also gleich wieder am Nimbus des Heft-in-der-Hand-Halters schraubt. Finanzkrise, Regierungskrise, Nazi-Terror? Alles plötzlich Seite 5, der Erlöser ist da. Und ob es nun seine Gegner sind, oder seine Befürworter: Ein jeder schreibt einen Artikel dazu, oder auch zehn. Selbst ich.

Da bleibt nur Kopfschütteln.

Man müsste sich freuen, aber…

Der Vorstoß der CDU zum Thema Mindestlohn hat kollektiv überrascht. Sowohl Ursula von der Leyen als auch Angela Merkel sprechen plötzlich wie die „verrrückten Linken“ (Sprich: Alle anderen, abgesehen von der FdP vielleicht) von vorhandenen und kommenden Problemen wie Altersarmut, Menschenwürde und Grundversorgung. Dieser Erkenntnissprung wäre ein Grund zu Freude wenn nicht…

… wenn nicht doch wieder Union draufstünde. So begeistert die Zeit (wie andere) auch berichtet und sowohl SPD wie auch Gewerkschaften sich vorsichtig positiv äußern, so wenig Analyse scheint für diesen Vorstoß gegeben. Wie das Deutschlandradio hier und hier berichtet äußert sich der allseits so beliebte Christian Lindner wunderschön mit den Worten: „Wir verstehen das nicht und müssen es auch nicht verstehen“. Auch der Hundt der Nation ist natürlich sauer, aber auch er warnt gleich vor Arbeitsplatzverlusten und so weiter.

Aber einer, der da mal analysiert? Nö.

Was genau fordert denn der Antrag der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft von der Union?

Ich zitiere: „Wir wollen eine durch die Tarifpartner bestimmte und damit marktwirtschaftlich organisierte Lohnuntergrenze und keinen politischen Mindestlohn.“ Das bedeutet, daß sich die Tarifpartner auf eine Lohnuntergrenze einigen sollen und zwar in den Branchen, in denen es derzeit keine Tarifverträge gibt. Und warum gibt es keine? Na weils in der Regel in diesen Branchen an Tarifpartnern mangelt.

Auch wenn es inzwischen sogar für Zeitarbeiter gelungen ist, einen Mindestlohn einzuführen (der tatsächlich lächerlich niedrig ist), so gibt es nach wie vor gerade im „Niedriglohnsektor“ eine gigantische Menge an Aufstockern. Diese Aufstocker sind letztendlich kaschierte Arbeitslose, denn sie werden nicht in der Statistik geführt (woführ sich die Regierung ja immer wieder schön bejubelt), stehen aber trotz eines Arbeitsplatzes um die Stütze vom Staat an. Dazu gibts dann aus den neoliberalen Kreisen der Bevölkerung immer noch zynische Kommentare der Kategorie „Die sollen sich halt eine besser bezahlte Arbeit suchen, der Markt regelt das“ Nett, gell?

Der Antrag nun fordert konkret, daß überall dort, wo die Beschäftigten in Betrieben arbeiten, die sich nicht an die Tarifpartner gebunden fühlen, eine Gesetzgebung greifen muß. Nach wie vor wollen sie die Tarifautonomie unangetastet lassen, sondern nur dort handeln „wo die Tarifautonomie nicht mehr greift“.

Was ist positiv an diesem Vorstoß?

Eine Reihe von Dingen fallen positiv auf und das muß auch ehrlich benannt werden:

  • die CDU erkennt damit endlich an, daß sich die Spielregeln des Martktes eben verzerrt haben weil Dumpinglöhne möglich sind
  • Die CDU begreift, daß der niedriglohnsektor schweineteuer ist und noch teurer wird sobald diese Menschen alt sind
  • Die Festlegung auf eine Lohnuntergrenze ist die Erkenntnis der CDU, daß die Arbeitgeber und zwar einseitig seit den 90er Jahren aus den Tarifverträgen herausgehüpft sind. Nicht alle, aber eine große Mehrheit.

Und was ist negativ?

Mehreres. So zeitgemäß der Vorstoß ist, so absurd sind einige Elemente auch:

  • Die Höhe am Mindestlohn für Zeitarbeiter zu orientieren ist eine interessante Idee, auch wenn die Höhe tatsächlich sehr gering ist. Aber zeitgleich wird gefordert daß Zeitarbeiter letztlich den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit erhalten sollen. Sprich: Die Erkenntnis, daß Zeitarbeiter schlecht bezahlt sind wird mit der Forderung, andere auch so zu bezahlen verknüpft…
  • Die grundsätzliche Hinwendung an die Tarifpartner ist eine typische CDU-Sache, der gesetzliche Mindestlohn wird aber nach wie vor abgelehnt. Die Gewerkschaften fordern 8,50€ was im europäischen Vergleich eher moderat ist und der wirklich wichtige Unterschied ist die Tatsache, daß ein gesetzlicher Mindestlohn gefordert wird. Es ist nämlich durchaus so, daß zum Einen nicht alle Gewerkschaften wirklich im Sinne ihrer Mitglieder streiten und zum Anderen sind die Gewerkschaften eben nicht überall vertreten. Solange der Gesetzgeber nicht eingreift wird sich aber nichts wirklich ändern.

Wie ist das zu bewerten?

Das gehört zu den interessantesten Elementen. Zunächst einmal muß man sich darüber im Klaren sein, daß der Vorschlag nicht neu ist, er stammt eigentlich aus dem Mai 2011. Auch muß man sich klarmachen, daß die allseits beliebte Behauptung, daß sich durch Mindestlöhne Arbeitsplätze vernichten lassen, einfach nicht stimmt.

Dennoch lässt die Hinwendung der Kanzlerin zu dem Thema erahnen, wie es um die Regierung bestellt ist:

  1. Merkel bereitet wohl die nächste Große Koalition vor. Ihr ist klar, daß Schwarz-Gelb nur dann 2013 überleben kann, wenn sie bis dahin den Kriegsfall ausrufen kann.
  2. Der generelle Linksruck der CDU (Atomausstieg, Abschaffung der Wehrpflicht, Frauenquotendebatte) ist interessant und zeigt, daß die Partei ziemlich Angst hat, die gesellschaftlichen Realitäten gänzlich aus den Augen zu verlieren. Würde man die CDU als politischen Arm der Kirche verstehen so wäre das Verkennen der Wirklichkeit ja noch nachvollziehbar, aber eigentlich wirkt die CDU durch den Aktionismus nur noch hilfloser.
  3. Merkel verärgerte zuerst die CSU (Steuersenkungsdebatte) und nun die FdP. Das ist seltsam – zumal sie in letzter Zeit auch beginnt, gerade bei europäischen Fragen mit der Opposition zu regieren. Dagegen spricht nichts, aber man muß sich schon fragen wohin die Kanzlerin ihre CDU da führt. Ist das eigentlich noch ein vernünftiges, parlamentarisches System, wenn die Regierung zerstritten ist und eine Regierungspartei dann mit der Opposition regiert?

Übrigens: Der BDA reagierte besonders lecker: „Die Produktivität der Köchin, des Wachmanns oder der Pflegerin lasse schlicht keine höheren Entgelte zu, argumentiert der BDA. Wenn denen das nicht zum Leben reiche, müsse eben die Gemeinschaft der Steuerzahler einspringen und den Lohn aufstocken.“ Da fällt es schwer, den Begriff mit dem A am Anfang und mit dem Loch am Ende nicht zu verwenden.

Von einem zweiten Medienunfall

Im schriftlichen Alltag der Sueddeutschen Zeitung gibt es Ereignisse, die man als Tiefstpunkte journalistischer Hastigkeit in Zeiten des permanenten Onlinewahns darstellen könnte. So den heutigen Beitrag der SZ-Online zu einer Studie von Wilhelm Heitmeyer.

Ich gehe jetzt mal nicht auf die eher unzureichende Analyse der Studie ein, die man immerhin von 2003, 2005, 2006, 2007 und 2008 online abrufen kann, die auch darin begründet liegen kann, daß die Sueddeutsche hier im Grunde ganz schnell was superaktuelles bringen wollte – also eine längst vergangene Meldung (Jedenfalls bezieht sich die ZEIT hier auf eine). Die ist immerhin gestern schon in der TAZ kommentiert worden und offensichtlich gab eine Pressemitteilung, denn eine ganze Reihe von Onlinemedien beschreiben die neue Studie ebenfalls.

Nur, wie kommentiert das Detlef Esslinger? Na, wie ein Profi:

Und nicht nur das: Auch Fremdenfeindlichkeit insgesamt, Rassismus, Sexismus sowie die Abwertung von Langzeitarbeitslosen sind bei diesen Bürgern ausgeprägter als früher – während derlei konstant geblieben ist bei denen, die weniger Geld haben; immerhin.

und:

Bei Fremdenfeindlichkeit und Rassismus hingegen hat der Forscher keine Zunahme festgestellt. Sexismus und Homophobie haben sogar abgenommen. Auch dafür hat Heitmeyer eine Erklärung. Eine Gesellschaft macht ja auch Fortschritte.

Toll, was? Man fragt sich, ob es eigentlich noch Leute gibt, die Artikel redigieren. Nicht immer hat das Computerzeitalter Gutes hervorgebracht:

Hat bei den Printmedien vor Jahren der Setzer die Seiten der Zeitung noch mit bleiernen Lettern gesetzt, so ist heute durch die Computertechnik die Gestaltung (das Layout) der Seiten häufig Aufgabe der Redakteure, außerdem ist er für die Formulierungen der Überschriften und Bildunterschriften, so genannte Kurztexte, zuständig. Der Redakteur arbeitet auch in Entwicklungscrews im Rahmen einer Konzeptentwicklung für neue Publikationen (Print und Online) oder Hör- und Fernsehsendungen mit.

Zitat nach der Wikipedia.