An manchen Tagen…

An manchen Tagen prasselt es wirklich von allen Seiten auf einen ein. Heute ist so ein Tag – eigentlich ging es Sonntag Abend schon los, als ich den Fehler machte und „nochmal schnell in die Nachrichten schauen“ wollte. Meldungen wie 1930 allernorts.

Zuerst muss ich lesen, dass es dem christlichen Barbarenhaufen gelingt, einen Pfarrer aus dem Dorf zu jagen. Er hat nämlich schwarze Haut. Das scheint zu genügen. Dann kommt die AfD in Hessen bei der Kommunalwahl auf durchschnittlich 13%, deren geistigen Brüder von der NPD sind zwar landesweit dort wo sie hingehören (0,3%), holen aber in Leun zum Beispiel 17,4% oder in Büdingen 14,2%. (Alle Ergebnisse noch vorläufig!)

Die AfD scheint in Bad Karlsbad am stärksten zu sein mit über 22% ! Das ist schon erschreckend – auch weil es dafür einen nicht weniger erschreckenden Grund gibt.

Die Wahlbeteiligung war mit 48% besonders für eine Kommunalwahl wieder einmal unglaublich schlecht. Im Ergebnis haben die Spinner einen entsprechend höheren Anteil. In Frankfurt waren es gerade mal 37,3%, die sich zur Urne schleppen konnten. Das nützt natürlich auch solchen von Rechtsstaatlichkeit faselnden Figuren wie der AfD. Interessantes Detail diesbezüglich am Rande: Die „Vereinigung zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“, ein Club einiger Millionäre die offensichtlich als eine Art Gerhard Frey der AfD auftreten möchten. Scheint aber zumindest fragwürdig im Hinblick auf Parteienfinanzierung zu sein.

Aber auch wenn es wenigstens nirgends zu einer Beteiligung der AfD an irgendeinem Amt gekommen ist – die Barbaren beherrschen die Schlagzeilen. Hier mal eine kleine Auswahl der Meldungen der letzten Zeit:

Wenn man sich über die Chronik der Vorfälle informiert (Geht sehr gut über das Portal „Mut gegen Rechte Gewalt“), so haben wir seit Januar 2015 insgesamt 248 Angriffe auf Unterkünfte (davon 46 Brandanschläge) und 54 tätliche Übergriffe mit über 100 Verletzten. Und das ist kein rein Ostdeutsches Phänomen: Alleine in Bayern reden wir im selben Zeitraum von 33 Angriffen auf Unterkünfte und 4 tätliche Übergriffe, filtert man weiter sind es 32 Terrortaten nur 2016!
Hinzu kommt, dass hier die strengsten Zählkriterien angelegt werden – anderen Quellen zufolge gab es in Deutschland im Jahr 2015 mehr als 1000 Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, darunter 94 Brand- und 16 Sprengstoffanschläge.

Es passieren derartige Dinge schon verstärkt im Osten der Republik:

Und so weiter…

Ist das also Deutschland? Sind das die Verteidiger von Recht und Ordnung im Land? Rechte Terroristen?

Denn – was anderes als Terror ist es denn, wenn man Asylbewerberheime abfackelt und Menschen bedroht? Angst soll ausgelöst werden, Angst ist das Ziel von Terroristen.

Die AfD versteht sich als politischer Arm dieser Leute und als ihre Vertreter. Natürlich finden sie die Gewalt nicht gut (außer gegen Kinder aber da prinzipiell nicht, nur an deutschen Grenzen) und das mit dem distanzieren klappt auch nicht so richtig – wird aber im Gegenzug auch gefordert. Tatsächlich gibt es militante Gegenbewegungen, da werden Autos und Büros von AfD-Mitgliedern beschädigt oder zerstört.

Das ist nicht zu dulden!

Der Verfall der politischen Kultur im Land, der viel mit der Unfähigkeit, Kompromisse zu akzeptieren, totalitären Ansichten und einem Absolutheitsanspruch von Meinungen zu tun hat. Zugleich kriechen plötzlich überall diese Scheinbürgerlichen aus Löchern, die eigentlich längst gestopft worden sind. „Ich bin ja kein Nazi, aber…“, wird zu einem „mutigen“ Satz erklärt, statt ihn einfach als das zu bezeichnen, was er ist: Dumm.

Heute, am 7.3.2016 wird es eine Dokumentation geben, die sich anzusehen lohnt: „Terror von Rechts“. Die Doku von Thomas Reutter  klingt interessant, wenn auch bedrückend. Heute um 22:45 in „die Story im Ersten“ in der ARD.

Aber es gibt auch gute Nachrichten: In Schwelm explodiert eine defekte Gasheizung in einem hauptsächlich von alten Menschen bewohnten Gebäude. Die Menschen verlassen das Haus, nebenan ist eine Flüchtlingsunterkunft. Die neuen Nachbarn holen Decken und Jacken und helfen ihren Mitmenschen, während Polizei und Feuerwehr versuchen das Problem zu beheben.

Es ist noch nicht aller Tage Abend.

Oh Herr im Himmel

Der mittlerweile bekannt gewordene Vorgang in Köln, bei dem sich zwei katholische Kliniken weigerten, einem Vergewaltigungsopfer beizustehen wird von der Kirche mit einem lapidaren „bedauerlichen Einzelfall“ beseite gewischt. Nur: Das ist ganz und gar nicht so.

Die Frau hatte nach einer Vergewaltigung und nachdem man ihr k.o. Tropfen verabreicht hatte von der Notfallärztin sicherheitshalber die „Pille danach“ verschrieben bekommen. Eine solche Pille wird von katholischen Ärzten allerdings als Abtreibung wahrgenommen und von daher grundsätzlich nicht verabreicht. Dementsprechend haben die Kliniken auch die erforderliche Spurensicherung nicht durchgeführt.

Allerdings ist das kein Einzelfall, sondern Methode einer sehr seltsamen Geisteshaltung. In Galway starb kürzlich eine Frau nach einer Totgeburt, weil sich die Ärzte weigerten, den sterbenden Fötus aus der Mutter herauszuoperieren um wenigstens das Leben der Mutter zu retten. Die Begründung dort: „Das ist ein katholisches Land“. Und ist außerdem rechtlich nicht zulässig. Dabei hatte die Mutter selbst um diese Notoperation gebeten weil klar war, daß das Kind nicht würde überleben können.

Polen wurde kürzlich vom europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verknackt, weil die dortige katholische Prägung verhindern wollte, daß eine Vierzehnjährige (!) nach einer Vergewaltigung abtreibt. 2009 machte ein Fall aus Brasilien auf sich aufmerksam: Eine Neunjährige (!!) ließ ebenfalls, nachdem sie jahrelang mißbraucht worden war, die Zwillinge mit denen sie schwanger war, abtreiben. Dafür hat man sie exkommuniziert.

Nun ist die Exkummunikation die härteste Strafe, die das Kirchenrecht kennt, es ist quasi die Verweigerung, die Seele des Täters (der Begriff wird hier oft benutzt!) wieder in die Gemeinschaft aufzunehmen, stößt ihn aus und verdammt seine Seele letztendlich in die Hölle. Das muß man zwar auch alles glauben, aber wie das auf ein neun Jahre altes Mädchen wirkt, das eigentlich nur weiterleben wollte, möchte ich mir gar nicht vorstellen. Als drohende Waffe wird es jedoch gerne verwendet. Nebenbei: Schön mittelalterlich ist es auch, daß man eine Buße tun muß, um wiederaufgenommen zu werden. Im Mittelalter nannte man das Deditio, es war eine symbolische Unterwerfungsgeste.

Es ist immer schwierig und die Religionen diskutieren selbst in Wahrheit unter sich genauso, wie es die Gesellschaft tut. Bei den orthodoxen Kirchen beispielsweise gilt der Schwangerschaftsabbruch als Mord – allerdings gilt, wenn das Leben der Frau in Gefahr ist, eine Ausnahme. Das ist eine klare Position, für die man sein kann oder auch dagegen. Hier wird ein klarer Wertemaßstab gesetzt.

Das Problem, daß andere christliche Kirchen und auch der Islam zum Beispiel haben ist die Frage mit der Seele: Ab wann ist es menschliches Leben? Eine Frage, mit der sich auch die Ethikkomission mal befasst hatte, zuletzt bei der Frage nach der Präimplantationsdiagnistik. Zu einem einheitlichen Schluß kommt man da nicht, auch der Islam nicht. Zwar meine ich, etwas über einen Spruch des Propheten gelesen zu haben, daß am soundsovielten Tage ein Engel die Seele in das tote Fleisch hauche, aber ich bin mir da nicht mehr ganz sicher – und mutmaßlich wird das verschiedentlich interpretiert.

Die Unterscheidung und Differenzierung zwischen dem Lebensrecht des Fötus und dem Selbstbestimmungsrecht der Frau ist ein heikles Thema, das weder ein einzelner Blogbeitrag, noch eine jahrelange Diskussion endgültig lösen können. Auch dieser Beitrag wird das nicht einmal ansatzweise tun.

Allerdings möchte er schon kritisch vermerken, daß das Lebensrecht, also das generelle Recht auf Leben ein hohes Gut ist, wie es die „ProLife“ Organisationen (die auch mit Krankenkassen zusammenarbeiten, scheint’s) ja auch immer betonen – und das Recht eines bereits geborenen Lebens über das eines Ungeborenen zu stellen erscheint dann doch ein wenig seltsam. Wie soll denn das Kind aufwachsen (und sich fühlen) ohne die Mutter, deren Tod es unwissentlich veranlasst (nicht verschuldet!) hat? Und warum soll eine Ärztin indischer Herkunft oder ein brasilianisches Mädchen von gerade einmal 9 Jahren kein Lebensrecht haben, der ungeborene Fötus aber schon? Fragen, die seltsamerweise nicht beantwortet werden.

Und im Falle der Spurensicherungsnummer da in Köln: Warum scheint es nicht so wichtig zu sein, wer der Vergewaltiger ist? Muß man als Kirche denn immer den Eindruck erwecken wollen, man decke lieber den Täter als dem Opfer zu helfen?

Von der Böswilligkeit von Fanatikern.

Noch am Dienstag habe ich einen Artikel geschrieben, in dem ich dargestellt habe, daß Toleranzgedanken und die Frage nach dem Umgang miteinander zwischen den verschiedenen Religionen manche Menschen schon im Mittelalter beschäftigt haben. Kaum ist der erschienen geht’s schon wieder los.

Nach Berichten der Süddeutschen Zeitung scheint es sich bei den weltweiten Angriffen auf US-Botschaften und -Einrichtungen besonders in Lybien und Ägypten um eher geplante Attacken gehandelt zu haben. Das erinnert schwer an die Ausschreitungen in der arabischen Welt bezüglich der Mohammed-Karikaturen aus dem Jahr 2005, die erst ein halbes Jahr nachdem die Karikaturen erschienen waren losbrachen, weil ja alles erst vorbereitet werden mußte. Das Ganze hat bis zu 140 Menschen das Leben gekostet und mehr als 800 verletzt.

Nun ist ein amerikanischer Botschafter umgebracht worden und zusätzlich das Personal der Botschaft in Bengasi und hier zeigt fanatische Religiösität sein häßlichste Fratze. Mord als Ausdruck von religiösen Gefühlen kann keine Antwort sein und der Bruch der diplomatischen Sicherheit ist eine ganz besonders gefährliche Sache: Ohne diese zivilisatorische Errungenschaft wären praktisch keine vernünftigen Gespräche mehr möglich.

Im Gegenzug muß man sich allerdings auch um die geistige Gesundheit des untergetauchten Machers des Films, Sam Bacile machen. Der sagte wörtlich: „Islam is a cancer. The movie is a political movie. It’s not a religious movie.“ Dem gleichen Bericht entnimmt man das Lieblingsargument des Islamhassers zur Zeit, er nimmt den Juden als Komplizen: „Mr. Bacile said he raised $5 million from about 100 Jewish donors, whom he declined to identify.“ In Anbetracht der derzeitigen, heißen Lage zwischen Israel und dem Iran ist das eine interessante, geradezu praktische Aussage für all diejenigen, die darauf hoffen daß hier endlich der ultimative Krieg zwischen Islam und Christentum beginnt. Die gibt es wirklich, die letztendlich darauf setzen, daß in der „letzten Schlacht“, also einem Weltkrieg zwischen West und nahem Ost das Christentum den Islam beseitigt zum Ruhme Gottes oder so.

Man fragt sich schon, ob dieser Schwachkopf da mit dazugehört. Das Provozieren von Muslimen ist relativ leicht, zugegeben, aber deswegem muß man es doch nicht so gezielt tun. Auch wenn die Empörung in diesen Staaten oftmals eine gelenkte und gewollte ist – schließlich ist ähnlich wie in bayerischen Bergdörfern der Pfaffe oftmals der einzige Intellektuelle vor Ort – so muß man sich doch darüber im Klaren sein, daß die Freiheit des Einzelnen da aufhört, wo sie die Freiheit des anderen beschneidet. Satire ist völlig ok und sie darf auch gerne religiöse Motive zum Ziel haben. Aber bei uns platzen ja die Kragen der Katholiken schon, wenn die Titanic ein Bild vom Papst abdruckt, und dann wird es wiederum als Beispiel für die Humorlosigkeit des Islam herangezogen, wenn eher einfache Seelen dort gegenüber Beleidigungen ihrer Religion auch nicht grad mit Gelächter reagieren.

Enge Weltbilder haben nun einmal enge Humorgrenzen, aber das, was ich in dem Videovorgeschmack des amerikanischen Films gesehen habe, ist einfach nicht lustig. Das war das letzte Titanic-Titelbild mit Benedikt übrigens auch nicht. Das hier dagegen schon, alleine wegen der damit erzeugten Reaktion, die geradezu köstlich mit den Phantasievorstellungen der vermeintlich Beleidigten spielt.

Zweierlei Maß?
Sollte also mit zweierlei Maß gemessen werden? Nein, eigentlich nicht. Ich finde allerdings, bei aller Liebe zur Satire eine gewisse Grenze schon richtig, wobei ich diese Grenze weit hinter den sogenannten Mohammed-Karikaturen ziehen würde. Die dänischen Muslime haben sich ja auch keinen Strich aufgeregt, man war das einfach gewöhnt und ist achselzuckend zur Tagesordnung übergegangen. Eines sollten sich Gläubige auf jeden Fall man hinter die Ohren schreiben: Man kann einen Gott, wenn er denn als solches höheres Wesen existiert, nicht beleidigen. Das geht einfach nicht. Und dann ist auch die ganze Aufregung sinnlos.

Eines ist gewiß: Egal welche Worte oder Bilder auch immer gesagt oder gezeigt werden, nichts, aber auch gar nichts rechtfertigt Mord.

Und damit es nicht ganz so ernst aufhört, hier der Extra-3 Beitrag zum Karikaturen-Streit: