Oh Herr im Himmel

Der mittlerweile bekannt gewordene Vorgang in Köln, bei dem sich zwei katholische Kliniken weigerten, einem Vergewaltigungsopfer beizustehen wird von der Kirche mit einem lapidaren „bedauerlichen Einzelfall“ beseite gewischt. Nur: Das ist ganz und gar nicht so.

Die Frau hatte nach einer Vergewaltigung und nachdem man ihr k.o. Tropfen verabreicht hatte von der Notfallärztin sicherheitshalber die „Pille danach“ verschrieben bekommen. Eine solche Pille wird von katholischen Ärzten allerdings als Abtreibung wahrgenommen und von daher grundsätzlich nicht verabreicht. Dementsprechend haben die Kliniken auch die erforderliche Spurensicherung nicht durchgeführt.

Allerdings ist das kein Einzelfall, sondern Methode einer sehr seltsamen Geisteshaltung. In Galway starb kürzlich eine Frau nach einer Totgeburt, weil sich die Ärzte weigerten, den sterbenden Fötus aus der Mutter herauszuoperieren um wenigstens das Leben der Mutter zu retten. Die Begründung dort: „Das ist ein katholisches Land“. Und ist außerdem rechtlich nicht zulässig. Dabei hatte die Mutter selbst um diese Notoperation gebeten weil klar war, daß das Kind nicht würde überleben können.

Polen wurde kürzlich vom europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verknackt, weil die dortige katholische Prägung verhindern wollte, daß eine Vierzehnjährige (!) nach einer Vergewaltigung abtreibt. 2009 machte ein Fall aus Brasilien auf sich aufmerksam: Eine Neunjährige (!!) ließ ebenfalls, nachdem sie jahrelang mißbraucht worden war, die Zwillinge mit denen sie schwanger war, abtreiben. Dafür hat man sie exkommuniziert.

Nun ist die Exkummunikation die härteste Strafe, die das Kirchenrecht kennt, es ist quasi die Verweigerung, die Seele des Täters (der Begriff wird hier oft benutzt!) wieder in die Gemeinschaft aufzunehmen, stößt ihn aus und verdammt seine Seele letztendlich in die Hölle. Das muß man zwar auch alles glauben, aber wie das auf ein neun Jahre altes Mädchen wirkt, das eigentlich nur weiterleben wollte, möchte ich mir gar nicht vorstellen. Als drohende Waffe wird es jedoch gerne verwendet. Nebenbei: Schön mittelalterlich ist es auch, daß man eine Buße tun muß, um wiederaufgenommen zu werden. Im Mittelalter nannte man das Deditio, es war eine symbolische Unterwerfungsgeste.

Es ist immer schwierig und die Religionen diskutieren selbst in Wahrheit unter sich genauso, wie es die Gesellschaft tut. Bei den orthodoxen Kirchen beispielsweise gilt der Schwangerschaftsabbruch als Mord – allerdings gilt, wenn das Leben der Frau in Gefahr ist, eine Ausnahme. Das ist eine klare Position, für die man sein kann oder auch dagegen. Hier wird ein klarer Wertemaßstab gesetzt.

Das Problem, daß andere christliche Kirchen und auch der Islam zum Beispiel haben ist die Frage mit der Seele: Ab wann ist es menschliches Leben? Eine Frage, mit der sich auch die Ethikkomission mal befasst hatte, zuletzt bei der Frage nach der Präimplantationsdiagnistik. Zu einem einheitlichen Schluß kommt man da nicht, auch der Islam nicht. Zwar meine ich, etwas über einen Spruch des Propheten gelesen zu haben, daß am soundsovielten Tage ein Engel die Seele in das tote Fleisch hauche, aber ich bin mir da nicht mehr ganz sicher – und mutmaßlich wird das verschiedentlich interpretiert.

Die Unterscheidung und Differenzierung zwischen dem Lebensrecht des Fötus und dem Selbstbestimmungsrecht der Frau ist ein heikles Thema, das weder ein einzelner Blogbeitrag, noch eine jahrelange Diskussion endgültig lösen können. Auch dieser Beitrag wird das nicht einmal ansatzweise tun.

Allerdings möchte er schon kritisch vermerken, daß das Lebensrecht, also das generelle Recht auf Leben ein hohes Gut ist, wie es die „ProLife“ Organisationen (die auch mit Krankenkassen zusammenarbeiten, scheint’s) ja auch immer betonen – und das Recht eines bereits geborenen Lebens über das eines Ungeborenen zu stellen erscheint dann doch ein wenig seltsam. Wie soll denn das Kind aufwachsen (und sich fühlen) ohne die Mutter, deren Tod es unwissentlich veranlasst (nicht verschuldet!) hat? Und warum soll eine Ärztin indischer Herkunft oder ein brasilianisches Mädchen von gerade einmal 9 Jahren kein Lebensrecht haben, der ungeborene Fötus aber schon? Fragen, die seltsamerweise nicht beantwortet werden.

Und im Falle der Spurensicherungsnummer da in Köln: Warum scheint es nicht so wichtig zu sein, wer der Vergewaltiger ist? Muß man als Kirche denn immer den Eindruck erwecken wollen, man decke lieber den Täter als dem Opfer zu helfen?