Das muß man dann wohl so akzeptieren…

Tja, als Demokrat muß ich meine Niederlage eingestehen – 54% der SPD-Mitglieder haben für den Koalitionsvertrag gestimmt, sogar 76% derjenigen, die abgestimmt haben. Das muß ich so akzeptieren.

Es ist eine herbe Enttäuschung, denn so richtig schmecken kann mir der Vertrag nicht. Aber sei es wie es ist: Die Mehrheit entscheidet und das muß ich akzeptieren. Immerhin – die neue Regierung hat eine interessante Zusammensetzung.

Die Beste Nachricht überhaupt ist, daß Frank-Walter Steinmeier wieder Außenminister ist. Nachdem da vier Jahre lang sowas von peinlich herumgestümpert wurde hat Deutschland mit ihm eine echte Chance bekommen – er war und ist ein hervorragender Mann für’s Auswärtige Amt.

Daß Siegmar Gabriel Vizekanzler wird war klar – das Superministerium aus Energie und Wirtschaft finde ich dagegen nicht so ideal. Über das Wirtschaftministerium haben die Energieriesen ohnehin schon zuviel Einfluß – mal sehen ob Gabriel die vier Monopolisten daran hindern kann, die Energiewende zu torpedieren. Da hat er eine Menge vor sich. Immerhin – er soll sich mit Rainer Baake einen Grünen als Staatssekretär geholt haben, das ist eine sehr interesssante Entscheidung.

Erstaunlicher finde ich Heiko Maas als Justizminister – mir ist er bislang noch nicht als Rechtspolitiker aufgefallen. Ob er sich ähnlich wie Brigitte Zypries, Hans-Jochen Vogel oder Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in diesem Amt als Glücksgriff erweist bleibt abzuwarten. Immerhin, er ist vom Fach – er hat Jura an der Uni Saarland studiert und das Referendariat gemeistert, mithin also das zweite juristische Staatsexamen.

Die SPD schickt mit Manuela Schwesig (Familienministerium), Andrea Nahles (Arbeitsministerium) und Barbara Hendriks (Umweltministerium) auch drei Frauen ins Kabinett. Manuela Schwesig ist vor allem im Bereich Kinderschutz hervorgetreten was zunächst einmal eine sehr gute Sache ist, auch wenn sie ähnlich wie Zensursula eine mitunter etwas weltfremde Gesetzgebung bezüglich des Internets bevorzugen würde. Andrea Nahles als Vertreterin und Anführerin der Parteilinken ist im Arbeitsministerium ziemlich genau da angekommen, wo sie auch hingehört, wenn die SPD ihr Wahlprogramm zumindest in Teilen durchsetzen will. Ich mache da keine Prognose. Was Barbara Hendriks betrifft, so kenne ich sie zum Einen als Verbraucherschutzministerin im Schattenkabinett von Steinmeier 2009, zum Anderen als Chefin im Bereich Finanzierung des Kulturforums der Sozialdemokratie sowie als Schatzmeisterin der SPD, die die klammen Parteifinanzen zusammenhält.

Die Union sorgte für mehrere Überraschungscoups: Pofalla geht (endlich!) in den Ruhestand, stattdessen wird Peter Altmeier Kanzleramtsminister. Das ist interessant, Altmeier ist ein ähnlich loyaler Merkelanhänger wie Pofalla. Dann verschwindet Peter Ramsauer und wird durch Alexander Dobrindt ersetzt, der Mann, der Widerstand gegen Atomkraft dafür verantwortlich macht, daß Minarette gebaut werden. Naja, für die CSU vermutlich ausreichend. Hans-Peter Friedrich bleibt, gibt aber das Innenministerium an Thomas de Mazière zurück und wird stattdessen Landwirtschaftsminister, einen Posten, den er seit der Rückkehr von Ilse Aigner nach München ohnehin schon kommissarisch bekleidete. Ursula von der Leyen wird nach Arbeits- und Familienministerium nun Verteidigungsministerin; Das ist konsequent, Franz-Josef Jung wurde nach dem Verteidigungsministerium Arbeitsminister für ein paar Tage, jetzt ist es halt umgekehrt. Was Gerd Müller und die CSU mit dem Entwicklungshilfeministerium wollen hat sich mir bislang nicht erschlossen, besser als Dirk Niebel kann es aber nur werden weil selbst ein Stück Brot in dem Amt besser als Dirk Niebel wäre.

Habe ich wen vergessen? Ach ja, Wolfgang Schäuble bleibt Finanzminister. Nun gut. Johanna Wanka bleibt Bildungsministerin, wozu auch immer. Oh, und Hermann Gröhe als Gesundheitsminister. Aber den vergisst man einfach besser.

Was passierte da bei der CSU?
Ich finde es interessant, daß die CSU nach ihrer Ausländer raus!Mautkampagne zwar folgerichtig das Verkehrsministerium wieder bekommen hat, Ramsauer aber von Seehofer abgesägt wurde. Das ist erstaunlich, aber nicht unerklärbar: Ramsauer hat die Mautpläne der CSU immer recht kritisch betrachtet, da er als zuständiger Fachminister ja um die Schwierigkeiten bei der Umsetzung weiß. Und wenn ein Christ seine Mitchristen mit Fakten verwirrt, kann das schon einmal zum Verlust des Jobs führen.
Außerdem hat die CSU statt dem Innenministerium (Das sie zu Anfang vom Kabinett Merkel II nicht, dann aber schon) hatte das Entwicklungshilfeministerium bekommen; eine ungewöhnliche Entscheidung. Nicht einzigartig, vielen dürfte noch Jürgen Warnke in Erinnerung sein, ein mitunter umstrittener, aber typisch konservativer Entwicklungshilfeminister, der die Entwicklungshilfe gerne daran geknüpft hatte, wie vermeintlich „Links“ eine zu unterstützende Regierung ist. Carl-Dietrich Spranger, Hans Klein oder Werner Dollinger sind andere Beispiele für CSU-Entwicklungshilfeminister. Dennoch hätte ich das Ministerium irgendwie eher bei der SPD als bei der CSU erwartet. Aber mutmaßlich mußte die kleine Regionalpartei ihre drei Ministerposten um jeden Preis halten, damit Seehofer in der Heimat nicht angekratzt wird.

Miniopposition
Wir werden sehen, wie sich die neue, übermächtige Regierung gegenüber der Oppositioon verhalten wird. Ich habe da meine größten Zweifel, daß der Opposition genügend Redezeit zugestanden und entsprechende Mitsprachebefugnisse in den Ausschüssen gegönnt werden.
Die SPD wird nun vor der großern Herausforderung stehen, den vagen und in weiten Teilen unter Vorbehalt stehenden Koalitionsvertrag sowie ihre Wahlversprechen umzusetzen und zeitgleich die Rechte der Oppositionsparteien zu wahren. Denn nur wenn sich dort zaghaft eine Zusammenarbeit ergibt bestehen ansatzweise Chancen, daß die SPD aus dem Wahltief wieder herauskommt. Besonders hoffnungsvoll bin ich da aber nicht. Sigmar Gabriel ist ein sehr guter Parteichef. Ob er ein guter und vorausschauender Vizekanzler sein wird, das wird die Zeit zeigen.

Vom Sozialismus in der FDP

Am vergangenen Tage dieser Republik berichtete die TAZ von einem interessanten Vorgang im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung („Entwicklungshilfeministerium“), das dem Entwicklungshilfegegner Dirk Niebel (FdP) untersteht.

Niebel hat, so der Artikel, einen Vertrauten mit einer Lebensrente auf Kosten des Steuerzahlers ausstatten wollen und das hatte den Unmut der Beamtinnen und Beamten im Ministerium erregt. Der Mann heißt Tom Pätz, ein FDP-Lokalmathador aus Bonn der sich lange Zeit hervorgetan hatte, daß er Talkshows mit FDP-Größen gestaltete. Anfang 2010 nun, so berichtet es der Spiegel, wird Pätz als Ersatz für erfahrene Beamte eingesetzt und soll die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) mit zwei kleineren Agenturen verschmelzen. Das gelingt auch, die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) wird gegründet.

Zur Belohnung für die Umsetzung einer Idee, woran Heidemarie Wieczorek-Zeul und Carl-Dieter Spranger gescheitert waren, bekommt Pätz offenbar eine Rente ausgesetzt. Er bekommt nicht nur das Unternehmergehalt, das er als neuer Leiter der GIZ erhält, sondern auch noch einen unbefristeten Vertrag vom BMZ. Ein Vorgang, der angesichts der ohnehin sehr seltsam anmutenden Personalpolitik der FDP, ob im Ministerium Niebel oder im Ministerium Rösler eigentlich nicht ungewöhnlich ist.

Man könnte auch sagen: In ganz „sozialistischer Manier“ sorgt die FDP für eine flächendeckende Grundversorgung. Halt nur für die eigenen Leute, aber Sozialismus ist sowas, nach den Worten von Herrn Westerwelle, ja trotzdem. Die FDP ist also eine sozialistische Partei, na da haben wir wieder was gelernt.
Aber ist das so ungewöhnlich? Man denke an einen Bericht der BLÖD-Zeitung, der so schnell wieder verschwunden war daß sich keiner sonst mehr traute das aufzugreifen. Mitarbeiter der CDU, für die Partei finanziell nicht zu halten, wurden in Ministerien, Behörden und sogar in die Verwaltung des Bundestags übernommen. Dort machen sie zwar auch nichts vernünftiges, werden aber weiter bezahlt – vom Steuerzahler diesmal.

Das hat sich, bei aller Dreistigkeit so mancher Rot-Grüner Vorgänge, nicht mal die Regierung Schröder getraut. Sie wäre dafür von der bürgerlichen Minderheit gekreuzigt worden – und das zu Recht!

Wenn Hype Hyper wird…

Im journalistischen Alltag dieser Republik gab es ein Ereignis, das die „Mächtigen zittern ließ“ – die Veröffentlichung der nächsten Welle Geheimdokumente der US-Regierung. Aber ist das wirklich die Enthüllung des Jahrhunderts? Oder zumindest des Monats?

Wikileaks enthüllte ja vor ein paar Monaten eine ganze Reihe von Geheimdokumenten, die wirklich brisantes enthielten und eine Menge Dinge über den Irak-Feldzug enthüllten, die man sich zwar schon irgendwie gedacht hatte, aber noch nicht schwarz auf weiß belegen konnte. Nun ging das und die USA, einstmals tatsächlich ein wertvoller Freiheitsmotor in der Welt verloren auch den allerletzten Rest ihres angeschlagenen Ansehens.

Nun hat Wikileaks eine neue Reihe veröffentlicht und sie vorab einigen wenigen Medien zur Verfügung gestellt (Nik’s Notizblog berichtete). Allerdings macht sich beim Lesen des Artikels in mancherlei Hinsicht Ernüchterung breit: Die Urteile stammen alle von Mitarbeitern der US-Botschaften und sind schlicht persönliche Kommentare und Anmerkungen zu den betreffenden Politikern und das scheint es zunächt einmal gewesen zu sein.

Nun brauche ich nicht direkt Hilfe von einem Angehörigen der US-Amerikanischen Botschaft um zu merken, daß Merkel im Grunde unkreativ, Westerwelle verblödet aggressiv und Seehofer ahnungslos ist. Darauf wäre ich auch alleine gekommen. Auch daß man so manchem Sarkozy oder Putin nicht viel weiter trauen sollte als man den entsprechenden werfen könnte ist mir auch nicht direkt ein Neues.

Zwei weitere Punkte kommen dazu: Die Diplomaten der USA sind selten ausgebildete Diplomaten sondern gerne Freunde von Wahlkampfspendern der jeweiligen Regierungen oder auch Spender selbst. Im Grunde holen die sich ihre Spende da quasi auf Steuerzahlerkosten zurück. In der Regel sind das Geschäftsleute, also die sind nun nicht völlig verblödet oder unnütz, aber technisch gesehen denken die nur einer bestimmten Richtung und irgendwie merkt man das der US-Diplomatie auch an. Stellen Sie sich einfach vor, ein BWL’er wäre Außenminister.

Der zweite Punkt ist die Frage, ob die internen Ansichten irgendwie wirklich wichtig sind. Ich meine, wen schert das? Wir reden hier über die persönlichen Meinungen von irgendwelchen Leuten über irgendwelche Leute. Kein Mensch würde einen Mitmenschen wie Dirk Niebel über den Status „extrem gewöhnlich“ hinausheben. Eine Null im Amt, das kennt man seit einer langen Reihe von so genannten Bundespräsidenten. Niebel hat (natürlich) bewiesen, daß es noch beschränkter geht und es hat auch nur für die Entwicklungshilfe gereicht.

Im Großen und Ganzen freut man sich als Angehöriger der oppositionellen Mehrheit der Bevölkerung mehr darüber, daß man selbst nicht so ganz alleine ist mit seiner Einschätzung des politischen Spitzenpersonals der Bundesregierung (die mit BuReGier eigentlich ausreichend umschrieben scheint). Vor allem daß die „Profis“ diese Ansicht teilen. Aber davon abgesehen ist eigentlich nicht viel dahinter. Ein paar Leute sind jetzt beleidigt und ein paar noch mehr sauer als vorher aber gebracht hat das Ganze zumindest im Informationsgehalt wenig.

Aber – und da kommt es wieder – es gibt dann doch zwei interessante Informationen: Worauf sich die Presse stürzte und was wirklich interessant ist, ist die Tatsache, daß das überhaupt möglich war – das spricht für ein massives Sicherheitsleck (was ja angeblich ein einfacher GI gewesen sein soll) über das man eigentlich nur noch amüsiert den Kopf schütteln kann angesichts der Datensammelwut der amerikanischen Behörden.

Die für mich aber pikanteste Information ist allerdings die Tatsache, daß die Koalitionsverhandlugen offensichtlich von einem FDP-Mitglied an die Amerikaner verkauft wurden. Von wem?

Sehen wir uns mal die Teilnehmer an:

Die Verhandlungen wurden in verschiedenen Arbeitsgruppen durchgeführt was ja völlig normal ist.

So saßen für die FDP bei den Verhandlungen im Bereich

Diese arbeiteten der Steuerungsgruppe zu die wiederum der großen Koalitionsrunde zuarbeitete. In der großen Runde saßen die Spitzenpolitiker drin sowie weitere Vertreter, von jeder Partei 9. Die FDP schickte den Parteivorsitzenden Westerwelle und acht weitere Vertreter.

Das waren also im einzelnen:

  • Guido Westerwelle
  • Rainer Brüderle
  • Hermann Otto Solms
  • Cornelia Pieper
  • Andreas Pinkwart
  • Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
  • Dirk Niebel
  • Birgit Homburger
  • Philipp Rösler

Ich möchte nun keine Verdächtigungen äußern, vermute aber stark, daß es ein Teilnehmer der Großen Runde gewesen sein muß. Vom Charakter her könnte man es jedem zutrauen, geltungssüchtig und bedeutungslose Persönlichkeiten sind sie ja alle.

Aber ich schlage vor, man beobachtet eventuelle „notwendige“ oder „aus persönlichen Gründen“ stattfindende personelle Veränderungen in der Spitzen-FDP im nächsten halben Jahr.

Es gibt das bekannte Buch „Unter Linken“ von Jan Fleischauer, hervorgegangen aus seinem Blog, das beweisen will, daß die Steigerung von Feind und Erzfeind der Parteifreund ist. Die Regeln in der Spitzenpolitik sind auch ziemlich hart. Aber mal ganz ehrlich: unter Rechten ist das nicht anders, höchstens schlimmer.