Manchmal ist es zum Lachen

Normalerweise schreibe ich ja nicht über das Blatt. Aber diesmal konnte ich es mir nicht verkneifen. Es gibt wohl kaum ein anderes Medium, welches sich derart penetrant mit dem Schüren von Ängsten bei Eltern beschäftigt, wie das Springer-Vorzeigeprodukt.

Bild und Facebook: Das ist eine Hassliebe, ähnlich wie generell das ganze böse Internet und die Bildzeitung als Verfechter der guten Sache. Man betrachte mal kurz folgende Schlagzeilen:

  • Facebook-Party auf Sylt eskaliert (21.5.2013)
  • Jugendlicher feiert Geburtstag: Randale bei Facebook-Party (31.3.2013)
  • Haus nach «Facebook»-Party verwüstet (11.2.2013)
  • Facebook-Party kostet 218 000 Euro (9.2.2013)
  • Trotz Warnungen! Jugendliche verwüsten Haus bei Facebook-Party (12.12.2012)
  • Erlangen verbietet Facebook-Party
  • Randale verhindert! Dresdner Polizei löst Facebook-Party auf

Insgesamt 150 Treffer bietet alleine der Begriff „Facebook-Party“ bei Bild.de. Was ein Zufall. Besonders das Verbot der vermeintlichen Krawall-Party (auch wieder so ein Begriff!) in Dresden liefert zig Artikel. Das machen natürlich auch andere unseriöse und seriösere Medien ganz gern. Je nach Kundschaft kann auch das Besäufnis von 60 Personen schon mal als „Facebook-Party“ gelten, auch wenn man das grad in Bayern sonst Volksfest nennt.

Der MDR brachte gestern, am 27.5., eine Meldung über „geschockte Eltern“. Sowas ist natürlich noch nie dagewesen, die 60er und 70er Jahre sind für das vorbildliche Verhalten ihrer Jugend ja schon öfter ausgezeichnet worden. Das sind heute oftmals dann die „geschockten Eltern“, aber wir wollen ja nicht nachtragend sein. Das werden wir lieber dann, wenn diese Generation, die uns ja immer erzählt hat, daß man vom fremden Mann keine Schokolade nehmen darf, auf eine Kaffeefahrt mitfahren…

Soweit so langweilig. Wo wollte ich eigentlich hin? Ach ja, die Aufbereitung bei Bild. Die funktioniert so:

Überschrift: Drama und entsetzen!

Überschrift: Drama und Entsetzen!

Unterschrift: Auch schon dabei?

Unterschrift: Auch schon dabei?

😉

Was mich eigentlich so fasziniert ist, daß es dieser „Zeitung“ gelingt, den Lesern den Link zu verkaufen, derartiges hätte es noch nie gegeben und sei letztendlich die Schuld von diesem neumodischen Facebook. Das dann mit Facebook-Werbung zu kombinieren ist eben lustig…

P.S.: Weils mir grad erst jetzt aufgefallen ist: Im Folgeartikel ist natürlich auch eine Klickstrecke mit schrecklichen Bildern zu sehen. Und die 15-Jährige (!), die dazu eingeladen hatte. Unverpixelt. Es lebe der Pranger.

Hallo Welt! Eine Presseschau.

Oh Wunder, die Welt steht noch. Morgen beleuchte ich ausführlich, ob es in der esoterischen Szene irgendeine Reaktion gab, heute fangen wir einfach mal mit der deutschen Presse an. Eine Auswahl.

Seltsam…. wir sind noch da… und auch die Abendzeitung, leider. Denn die fragt ganz scheinheilig, ob man heute noch was vorhat und ist auch online nicht gerade kreativ bzw. verbreitet auch dort den selben Unsinn. Die Sueddeutsche macht es immerhin besser und beleuchtet zum Einen die Tatsache, daß das hauptsächlich zum Geldscheffeln gedacht ist und zum Anderen wird das als netter Aufhänger für diverse Artikel genutzt.

Die Frankfurter allgemeine Zeitung bot zunächst einen musikalischen Final Countdown (interessant sind die Verlinkungen zu youtube-Musikvideos hinsichtlich der Position der Zeitung zum Leistungsschutzrecht, aber wir wollen mal nicht kleinlich sein…) gefolgt von einer recht bösen Kolumne, warum der Weltuntergang keine schlechte Idee gewesen wäre. Die Titanic bietet Powersätze für den Weltuntergang und die Frankfurter Rundschau bot gleich einen Live-Ticker sowie einen recht vernünftigen Bericht. Die TZ München ist gleich massiv in dem Thema vertreten und hat sowohl aufklärerisches als auch humorvolles zu bieten – wenn es nicht grad ein bescheuerter Aufhänger ist. Und natürlich einen Live-Ticker. Einen Liveticker bietet nebenbei auch der hoch verehrte Florian Freistätter, wenn auch mehr als Live-Blog, bei dem er auch zum Teil skurrile Radio-Interviews geben muß.

Die Welt ist dem Thema „Welt-Untergang“ endgültig verfallen, der meistgelesene Artikel ist immerhin ein halbherziger Versuch, auch wenn er den Unsinn mit der Vorhersage des Kalenders wiederholt. Lustiger ist es da schon, dem eher spöttischen Live-Ticker auf Spiegel-Online zu folgen.

Dem stehen die schlimmeren Boulevard-Medien gegenüber. Die Berliner Zeitung zum Beispiel gibt sich erleichtert, unabhängig davon daß ein Weltuntergang durchaus schön gewesen wäre um die endlich nicht mehr zu haben. Den Vogel aber schießt – natürlich – die Bild-Zeitung ab:

Bild.deund quakt irgendwas vom Maya-Geddon. Immerhin, humorvoll garniert mit Maya-Garnix. Am lustigsten aber ist es, wenn man auf den Link draufklickt:

Bild.de02

Tja… da ist dann wohl bei Springer wenigstens die Welt untergegangen und Alien-Cookies haben die Seite befallen. Schatz, hol den Champagner.

Eine antisemitische SPD?

Diese Woche geisterte ein Aufschrei des Zentralrates der Juden durch die deutsche Presse: Die SPD habe sich mit einer Islamistengruppe zusammengeschlossen und betreibe nun eine Zusammenarbeit mit den Palästinensern gegen Israel. Im ersten Augenblick fragte ich mich ganz offen: „Häh?“. Dann aber las ich einfach ein bißchen darüber… Oh, Wunder: Stimmt nicht.

Der Nahost-Konflikt ist ein ziemlich komplexes und langwieriges Pflaster bei dem es auch äußerst schwierig ist, Stellung zu beziehen; Nicht zuletzt, weil die Stimmungslage da ziemlich aufgeheizt ist. Redet man mit Israel, bezieht man offensichtlich Position gegen das Selbstbestimmungsrecht des Palästinensischen Volkes, redet man mit den Palästinensern, ist man Antisemit. (Wobei man sagen muß, daß beide Völker Semiten sind. Aber wen interessieren schon Wahrheiten wenn man Schubladen hat?)

Die ganze Geschichte wurde – natürlich – von der BILD-Zeitung aufgeblasen, die damit wohl endlich den Wahlkampf der Konservativen Presse eröffnet hat. Hier durfte sich der Vorsitzende des ZdJ, Dieter Graumann zu Wort melden und die Bildzeitung fragte auch gleich empört: „Was hat sich die SPD dabei blos gedacht?“. Gegenmeinung oder eine Stellungnahme der SPD enthält die Geschichte natürlich nicht, immerhin wird auf die Pressemitteilung verlinkt.

Die Geschichte wirkte. Binnen Stunden war die Story bei der Sueddeutschen, der Welt (die auch gleich mit einem „schrecklichen Verdacht“ aufwartet), der „Deutsche Welle“, der Taz,  dem „DerWesten“ und vielen anderen zu lesen. Was allerdings am meisten erstaunt dabei ist die Tatsache, daß bis auf ein paar Spinner unter den Kommentatoren die meisten Leserkommentare eher ruhig wirkten; Das habe ich schon lange nicht mehr so gesehen.

Dabei spielt der Zentralrat hier ziemlich mit dem Feuer: Die Fatah ist zwar ein Teil der PLO, aber sie ist die gemäßigtere palästinensische Partei, die sich letztendlich für eine Zweistaatenlösung einsetzt und rein prinzipiell das Existenzrecht Israels damit anerkennt. Das war in den Anfängen deutlich anders, aber die Osloer Friedensgespräche machten 1993 aus der Fatah letztendlich den Gesprächspartner im Nahostkonflikt, auch wenn sie nach wie vor der politische Arm der Al-Aqsa-Brigarden sind – beziehungsweise umgekehrt, selbige der militärische Arm der Fatah.

Was genau hat denn die SPD da gemacht?
Tja, das ist eigentlich ziemlich einfach zu beantworten, wenn man das Papier, um das es geht, einfach selber mal liest und nicht nur die Pressemitteilung. Im Grunde hat die Gesprächsrunde mit der Fatah, die mal so ganz nebenbei den Beobachterstatus bei den Sozialdemokratischen Parteien Europas hat, sich schlicht um die Fragestellung bemüht, inwieweit sozialdemokratische Werte in der arabischen Welt orientiert sind und letztendlich bemüht sich die Fatah, ein sozialdemokratisches Forum zu gründen.

Zentrale Werte der Sozialdemokratie wie Frieden, Gerechtigkeit und Solidarität in einer Krisenregion an den Menschen zu bringen, kann eigentlich gar nicht so schlecht sein.

Ein gewisses Unbehagen bleibt aber trotzdem, denn bei aller Freundschaft zum Gespräch sollte die SPD aufpassen, daß sie nicht eine außenpolitische Position bezieht, die letztendlich den Interessen Deutschlands und der EU zuwiderläuft. Das Ziel muß Frieden in der Region sein. Dazu hat die SPD hier einen wesentlichen Schritt getan – vielleicht wäre ein Treffen mit Vertretern der Fatah, der Awoda und der Meretz-Jachad eine gute, nächste Idee. Auf jeden Fall sollte die SPD schnell klären, welche gemeinsamen Werte sie mit der Fatah entdeckt haben will – und das nächste Mal den Arbeitskreis jüdischer Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten einladen.

Aus is! Gott sei Dank.

München ist wieder betretbar, zumindest ab morgen, wenn die Reinigung der Stadt einigermaßen abgeschlossen ist. Die Wiesn ist vorbei, der Alltag kehrt zurück. Und man darf sich schon fragen: Muß das sein?

Nichts gegen ein Volksfest. Ich gehe gern auf die Auer Dult und trinke da auch ein, zwei Bier oder genieße einfach Stimmung und die Leute. Die Wiesn hingegen besuche ich schon seit Jahren nicht mehr. Wer in München lebt kennt die Zustände der Stadt – es ist ja nicht so, als müsste man sich wirklich über die Wiesn schleppen um Dinge zu sehen und zu erleben, die man eigentlich nicht sehen möchte. Im Gegenteil: Bleibt man in der Stadt ist man beinahe gezwungen mitzuerleben wie die völlig Besoffenen nach und nach die Stadt für sich besetzen – Occupy mal anders.

Pendler leiden unter dem Ansturm, der S-Bahnen und Regionalzüge ab dem frühen Morgen in Beschlag nimmt und spätestens ab 19 Uhr immer unangenehmer macht. Bierleichen pflastern die Straßen und zwar nicht nur auf der Wiesn oder im Bereich drumherum sondern in der ganzen Stadt – wer nicht will kann sich trotzdem nicht heraushalten. Die Wiesnzeit ist die einzige Zeit in München, in der man sogar einen Parkplatz finden kann – wer kann, fährt die zwei Wochen nämlich einfach in den Urlaub. Auch weil es oft zu Zwischenfällen mit Betrunkenen kommt, die den öffentlichen Nahverkehr lahmlegen.

Was mich auch immer wieder verwundert ist die Tatsache, wieviel sich die Leute dafür abpressen lassen. Ich meine jetzt nicht die Abzocker, die das Ganze zu einem brutalen Geschäft ausnutzen und offenbar dafür auch Kunden finden. Oder noch merkwürdigere Angebote wie Sex gegen Wiesn-Tisch. Die Preise sind ohnehin schon komisch: 1971 kostete die Maß Bier 2,95 DM. 1990 waren es dann im Schnitt 7,55 DM. Heuer kostete die dann 9,50€, das wären umgerechnet 18,58 DM. Hendl gibt’s in aller Regel für 12€, ein Steckerlfisch kostet schon mal fast 30€. Warum bezahlen die Leute das? Und wovon?

Damit das Massenbesäufnis genug Leute anzieht, werden immer wieder Sex und Wiesn gemischt – von der Miss-Wahl unterstützt durch den Merkur/TZ bis hin zum Porno-Dreh bei dem jeder mitmachen darf ist alles drin. Dazu kommt, daß die konsumierte Biermenge steigt – und die Vorfälle werden immer krasser. Da drückt ein Mann im Gesicht einer 20-Jährigen seine Zigarette aus. Vergewaltigungen „gehören scheinbar dazu“. Fliegende Maßkrüge kennt man ja und Promillefälle sind auch nichts Neues – aber neuerdings auch gerne mal gegen Frauen, die sich nicht abschleppen lassen wollen. Messer sind sowieso so ein Ding, Ausländerfeindliche Sprüche werden auch gern gehört. Der Security-Point, der Frauen betreut, stößt an seine Grenzen und mutmaßt sogar, daß da hin und wieder heimlich K.O.-Tropfen ins Bier gemischt werden, um die Frauen willenlos zu machen. 1470 Straftaten zählte die Polizei dieses Jahr – trotz leicht gesunkener Besucherzahlen. Bei im Schnitt weit mehr als einer Maß pro Besucher ist die steigende Kriminalität auch kein Wunder, wie die Wiesn-Reporte der Poliezi zeigen.

Immer weniger Münchnern gefällt das Oktoberfest, wie es sich entwickelt hat. Das führt zu mitunter recht lesenswerten Glossen und auch sehr guten Kommentaren darunter. Ändern wird sich allerdings nichts. Das Fest wird einfach geliebt. Von den Anderen.

Lastknightniks Woche (18/2012)

Wie jeden Freitag (ab jetzt) eine kurze Nachschau über die fünf m.E. nach wichtigsten oder interessantesten Geschichten der Woche zur Nachlese.

Ein schönes Wochenende wünsche ich.


Nachtrag, 14:51:

Es sollte in dieser Übersicht nicht fehlen, daß jemand die CDU in Schleswig-Holstein 3 Tage vor der Wahl wegen Volksverhetzung angezeigt hat.

Von der perfekten Choreographie…

Wenn ich an Verschwörungen glaubte, so hätte ich hier eine wunderbare Szene vor Augen: Eine Gruppe von Wissenschaftlern untersucht bestimmte Phänomene über Migration, ein bekanntes Sensationsblatt nutzt das aus und veröffentlicht Bausteine der Untersuchung um eine These zu untermauern, die von der Untersuchung gar nicht gestützt wird. Dann werden eilfertig Minister zitiert die sich sofort hinter die These stellen und den „Beweis“, also die Studie noch gar nicht gelesen haben können. Kurz darauf wird ein Politiker verabschiedet, der ebenfalls der These widersprochen hätte. Und dann – als die Geschichte schon wieder im Dschungel der neuesten Nachrichten unterzugehen droht – taucht ganz schnell eine Story über einen Türken mit mangelhaften Deutschkenntnissen auf.

Das nenne ich eine perfekte Choreographie. Gestern morgen eröffnete die Abendzeitung München den Lokalteil mit der Schlagzeile, daß ein Schöffe abtreten muß, weil er kein Deutsch könne. Natürlich ein Türke.

Und nun wird es dezent unappetitlich: Der Mann sprich Deutsch. Recht gut sogar, allerdings spricht er nicht so gut Deutsch, daß er einem Isotopengutachten folgen kann, wie die Sueddeutsche Zeitung berichtet. Nur um das mal kurz zu erklären: Ein Isotopengutachten ist eine Methode der Rechtsmedizin, bei der mit Hilfe von Messungen von Isotopen, einer anderen Form eines Nuklides mit mehr oder weniger Neutronen als das ursprüngliche Element (Das bekannteste Isotop dürfte Deuterium sein – schwerer Wasserstoff) bestimmte Zusammensetzungen nachgewiesen werden aufgrund derer man Rückschlüsse auf beispielsweise den Aufenthaltsort von jemanden ziehen kann.

Alles klar?

Ein rechtsmedizinisches Gutachten ist immer eine recht komplizierte Angelegenheit. So ist auch dem Durchschnittsdeutschen sicherlich nicht jeder Fachbegriff aus beispielsweise der Blutanalyse geläufig – und im Übrigen auch nicht zwingend jedem Richter. Deswegen müssen die Rechtsmediziner in einem Prozess in der Regel auf Bitten der Staatsanwaltschaft auch Aussagen machen, weil dann Fragen geklärt werden können und die Staatsanwaltschaft so auch zugleich den Fachkenntnisstand des hinzugezogenen Experten aufzeigt.
Nun sprach der genannte Schöffe offenbar nicht ausreichend Deutsch um einen solchen Bericht zu verstehen – und ich wette, andere Schöffen würden das auch nicht ohne weiteres. Das Prinzip des Laienrichters ist ja, daß er aus der eben nicht Formaljuristischen und Rechtsphilosophischen Praxis heraus argumentiert sondern den oder die Berufsrichter mit einer externen Meinung konfrontiert.

Aber natürlich lässt sich dieser Vorgang munter zur rassistischen Hetze nutzen, wie dieser Link zur Google-Suche zeigt. Sowohl dieses seltsame Thiazi-Forum als auch die ProBayern Bewegung nutzen die Geschichte gleich wieder in Richtung Integrationsverweigerer aus. Mal sehen wann die BILD damit aufmacht….

 

Es ist doch immer wieder erstaunlich….

…. da versüßte uns die BILD-Zeitung den Februar-Abschied am vergangenen Mittwoch doch glatt mit einem Artikel über die Integrationsunwilligkeit junger Muslime in Deutschland, spricht gar von einer „Schock-Studie“. Es wurde aber gar nicht der Schock studiert, es wurden stichprobenhaft Muslime befragt – um auf Verhaltens- und Denkmuster zu schließen und vor allem um herauszufinden, wie man Radikalismus eigentlich definieren soll.

Die zentrale Fragestellung der Studie findet man auf Seite 10 der 764 Seiten starken Studie: „Welche Kriterien lassen sich empirisch begründen, um junge Muslime in Deutschland auf der Grundlage ihrer Einstellungen und Verhaltensweisen als integriert beziehungsweise radikalisiert und unter Umständen extrem islamistisch beurteilen zu können?“ Nicht also wieviele sind es sondern „Wie beurteilt man das eigentlich?“ haben sich die Wissenschaftler gefragt. Eine legitime Frage. Zu diesem Zweck wurden (in der ersten Phase) 923 Teilnehmer interviewt, und zwar 206 deutsche Nichtmuslime, 200 deutsche Muslime und 517 nichtdeutsche Muslime (Siehe dazu S. 123 der Studie). Deutlich verweisen die Autoren der Studie darauf, daß die Ergebnisse gerade wegen dieser geringen Zahl an Teilnehmern kaum statistisch nennen kann (S. 277):

Aber, oh Wunder, der Springerstiefelpresse und ihren Handlangern kam das wieder einmal viel zu langweilig vor, sie konstatieren da lieber, daß 2,5% aller deutschen Muslime gefährlich und gewaltbereit seien. Bei 923 Teilnehmern sind das nicht ganz 4 Leute. Interessant, wenn von weniger als 1.000 plötzlich doch auf eine Zahl von 3,8-4,3 Millionen (!) hochgerechnet wird. Würde mich mal interessieren, ob das wohl stimmt, wenn ich die drei Minderbemittelten, die gestern in der Trambahn eine Bildzeitung lasen und in Fetzen rissen, um damit nach Passagieren zu werfen auf den Gesamtdurchschnitt der Bild-Leser hochrechne (BILD erscheint in eienr Auflage von etwa 2,7 Millionen)… Damit dürften die drei fast schon eine bessere statistische Aussage geben als die vier Typen (oder Typinnen) der Studie.

Warum macht dieses rechtsradikale Hetzblatt das? Als Wegbereiter eine arischen Gesellschaft? Mitnichten, das Ziel derartiger konservativer Hetzblätter ist es immer, die Bevölkerung soweit zu beeinflussen, daß sie vor Angst und Haß in eine Richtung zielt und so dem Dunstkreis von Döpfner und Diekmann die Meinungshoheit überlässt. Deutlich wird das am heutigen Samstag, wo Innenminister Friedrich brav wieder seine Sprechblasen über das gescheiterte Multikulti entleeren darf. Gibt man bei Bild.de in der Suche nur den Begriff „Muslime“ ein, erscheinen fast nur Hetz- und Tiradenartikel über gefährliche, gewaltbereite Muslime und – ganz wichtig! – blinde Linke und Grüne, die „die Augen vor der Wahrheit verschließen„.

Tja, hätte man es selbst halt mal mit der Wahrheit probiert. Aber für die Kaffeefahrtopfer wird es intellektuell noch reichen.

Anmerkungen:

Edit: Der Jakob Jung Blog hat einen ausführlicheren und deutlich lesenswerteren Artikel über den Inhalt der Studie erstellt auf den ich an dieser Stelle gerne verweisen möchte.

Von der Direkten Demokratie – Teil III

Vielleicht können Sie sich erinnern – ich besuchte vor etwa einem halben Jahr das „Gustav Radbruch Forum“ der Arbeitsgemeinschaft der Juristinnen und Juristen in der SPD zum Thema „Direkte Demokratie auf Bundesebene“ und veröffentlichte darüber zwei Artikel (nachlesbar hier und hier). Nun ist daraus ein Gesetzentwurf geworden, denn ich Ihnen natürlich nicht vorenthalten möchte.

Beschluss des ASJ-Bundesvorstandes
Einführung eines Verfahrens über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid auf Bundesebene durch Änderung des Grundgesetzes und Beschluss eines Ausführungsgesetzes

Auf der Basis des von den Fraktionen der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen 2002 eingebrachten Antrags (BT-Drs.14/8503) und im Ergebnis der Beratungen in Partei und ASJ, insbesondere der Klausurtagungen des ASJ Bundesvorstandes 2010 und 2011, des ASJ Bundesauschusses 2010 in Laatzen, der ASJ Bundeskonferenz 2010, des Gustav-Radbruch-Forums 2011 in München sowie den Ergebnissen der SPD Werkstatt Freiheit und Demokratie 2011 („Mehr Demokratie leben“) ruft der ASJ Bundesvorstand die SPD-Bundesfraktion auf, den folgenden Gesetzentwurf möglichst in Abstimmung mit anderen Parteien in den Bundestag einzubringen und um die notwendigen verfassungsändernden Mehrheiten zu werben:

I. Einführung
Die im Grundgesetz verankerte parlamentarische Demokratie hat sich in der Bundesrepublik Deutschland bewährt. Doch der Wunsch nach stärkerer Beteiligung wächst in der Bevölkerung. In den letzten Jahren wurden die Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger auf Ebene der Bundesländer deutlich ausgebaut. Die Erfahrungen damit waren überwiegend positiv.
Bürgerinnen und Bürger sollen die Möglichkeit erhalten, dem Parlament selbst Gesetzgebungsanträge zu stellen (Volksinitiative) und – falls das Parlament dem nicht entspricht – im Wahlvolk für einen Volksentscheid werben können. Wird dieses (Volks-) Begehren von genügend Wählerinnen und Wählern unterstützt, soll das Volk über das Gesetz wie bei einer Wahl selbst entscheiden.

Es wird folgendes Verfahren vorgeschlagen:

  • Die Volksinitiative ist ein Antrag aus dem Volk an das Parlament, ein konkret formuliertes Gesetz zu beschließen. Die Beratung des Antrags im Parlament mit den Antragstellern ermöglicht einen umfassenden Diskurs, die Vermittlung von Erkenntnissen, die Parlamentarier den Antragstellern voraus haben mögen – und umgekehrt. Argumente und Vorgänge werden plastisch und transparent. Die Möglichkeit, einen Volksentscheid herbeizuführen, wird die parlamentarische Arbeit positiv beeinflussen. Antragsteller einer Volksinitiative können im Parlament ähnlich verhandeln wie parlamentarische Antragsteller. Dabei bleibt die Souveränität des Parlaments in vollem Umfang erhalten: Das Parlament kann ein durch das Volk beschlossenes Gesetz genauso ändern wie ein parlamentarisches.
  • Kommen die Initiatoren mit dem Parlament nicht zu einem Ergebnis, das dem initiierten Gesetzentwurf entspricht, haben sie die Möglichkeit, für ein Volksbegehren zu werben. Das Quorum muss so hoch sein, dass erkennbar wird, dass viele Bürgerinnen und Bürger es unterstützen, über das Anliegen einen Volksentscheid herbeizuführen; aber es darf nicht so hoch sein, dass es regelmäßig mit den Mitteln ehrenamtlich tätiger Initiatoren nicht zu erreichen ist, weil sonst das Instrument der direkten Demokratie leer liefe. Vorgeschlagen wird deshalb eine Zahl von 2 Millionen Stimmen als Voraussetzung für ein erfolgreiches Volksbegehren.
  • Nach einem erfolgreichen Volksbegehren findet ein Volksentscheid nach dem Muster einer Wahl statt, bei dem regelmäßig über den Entwurf der Antragsteller, aber ggf. auch über einen Alternativentwurf des Parlaments abgestimmt wird.
  • Der Ablauf von Volksinitiativen soll so ausgestaltet werden, dass auf jeder erfolgreich genommenen Verfahrensstufe eines Plebiszits das Parlament eingeschaltet werden muss, damit dieses mit Korrekturen oder im Falle einer parlamentarischen Konkurrenzvorlage auch mit einem Kompromissangebot reagieren kann. Es sind obligatorische Hearings und Debatten im Parlament vorzusehen, in denen Initiatoren ihre Vorlage öffentlich verteidigen müssen. Eine solche Verzahnung der parlamentarischen Gesetzgebung mit Prozessen der direkten Demokratie führt zu einer Kontinuität der so erfolgreichen parlamentarischen Diskussions-, Verhandlungs- und Kompromisspotentiale auch bei direktdemokratischen Gesetzgebungsverfahren.
    Durch die Koppelung kann noch stärker garantiert werden, dass nicht das Einzelinteresse, sondern das Interesse des Gemeinwohls dominiert. Die Initiatoren von Volksentscheiden müssen die Möglichkeit haben, ihren Vorschlag im Laufe von Verhandlungen mit dem Parlament zu modifizieren oder zurückzuziehen. Das Parlament muss hingegen die Kompetenz besitzen, einen eigenen Alternativentwurf mit zur Abstimmung zu stellen. Und Parlamente sind natürlich berechtigt,
    volksbeschlossene Gesetze ihrerseits zu ändern.
  • Finanzwirksame Volksentscheide müssen, um zulässig zu sein, Kostendeckungsvorschläge enthalten. Ausgeschlossen sind Volksentscheide über das Haushaltsgesetz als solches.
  • Ein Volksentscheid kann sich – überwindet er das dann höhere Quorum – nur insoweit auf die Änderung der Verfassung richten, als dies auch der parlamentarische Gesetzgeber könnte.
  • Ein Gesetzentwurf ist angenommen, wenn die Mehrheit der Abstimmenden zugestimmt hat und mindestens ein Fünftel der Stimmberechtigten sich an der Abstimmung beteiligt haben.
    Für Verfassungsänderungen gelten erheblich höhere Quoren. Ein verfassungsändernder Gesetzentwurf ist angenommen, wenn zwei Drittel der Abstimmenden zugestimmt und mindestens fünfzig vom Hundert der Stimmberechtigten sich an der Abstimmung beteiligt haben. Dies entspricht der erschwerten Abänderbarkeit der Verfassung im parlamentarischen Verfahren. Die Verfassung als Grundlage der Rechtsordnung und des politischen Prozesses soll nur dann durch Volksabstimmung geändert werden können, wenn ein breiter gesellschaftlicher Konsens besteht. Bei Gesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen und bei verfassungsändernden Gesetzen gilt das Ergebnis der Abstimmung in einem Land als Abgabe seiner Bundesratsstimmen.
  • Neue direktdemokratische Beteiligungsrechte müssen sich wie parlamentarische Initiativen und Entscheidungen an den Grundrechten, den unveränderlichen Grundentscheidungen der Verfassung und den übrigen verfassungsrechtlichen Bestimmungen ausrichten. Auch bindendes Völkerrecht, EU-Recht und sonstiges Europarecht, insbesondere die Europäische Menschenrechtskonvention müssen gerichtlicher Prüfungsmaßstab sein. Die Rechtmäßigkeit von Gesetzesinitiativen aus dem Volk und ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht sollen umfassend bereits im Zulassungsstadium geprüft werden können.
  • Der Präsident des Bundestages prüft jede Volksinitiative auf ihre Zulässigkeit. Sieht er die gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Volksinitiative als nicht gegeben, entscheidet über die Zulassung das Bundesverfassungsgericht. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts muss spätestens drei Monate nach Anrufung durch den Präsidenten des Bundestages erfolgen.
  • Parlamentarische Vertretung des Volkes und direkte Gesetzgebung kosten Geld. Es war – trotz vieler Anfeindungen – einer der größten Fortschritte der Demokratie, dass nicht nur Adelige und wohlhabende Bürger Politik machen oder Parteien gründen konnten. Genauso muss auch bei der Einführung direkter Demokratie verhindert werden, dass sich Konzerne Gesetze oder Reiche Volksabstimmungen „kaufen“ können oder es sich nur Reiche leisten können, Volksentscheide zu initiieren. Wie bei den Regeln über direkte Demokratie in den Bundesländern sollen deshalb auch auf der Bundesebene Erstattungen vorgesehen werden. Die Initiatoren erhalten einen Ausgleich für die ihnen entstandenen Kosten, wenn ein Volksbegehren oder ein Volksentscheid erfolgreich sind. Dies kann ähnlich gestaltet werden wie die Wahlkampfkostenerstattung der Parteien. Auch damit soll der Gefahr entgegen getreten werden, dass sich Volksbegehren und Volksentscheid nur leisten kann, wer Geld hat; umgekehrt muss die Erstattung so begrenzt werden, dass es sich nicht lohnt, nur ihretwegen Volksgesetzgebung zu initiieren.
  • Mit dieser Kostenerstattung müssen die Initiativen in Vorleistung gehen und bei einem nicht erfolgreichen Volksbegehren die Kosten für ihr Anliegen allein tragen. Zwar baut dies Hürden auf insbesondere für Anliegen, hinter denen keine finanzkräftigen Interessen stehen. Deswegen sind weitere Maßnahmen zu entwickeln, um die Zivilgesellschaft insofern auch finanziell zu stärken.
  • Es ist sicherzustellen, dass nicht durch finanzintensive Kampagnen und Öffentlichkeitsarbeit zur Durchsetzung individueller Interessen eine einseitige Beeinflussung der Öffentlichkeit erfolgt. Gegner und Befürworter eines Volksentscheides müssen auf Augenhöhe agieren und ihre Argumente der Öffentlichkeit vermitteln können. Sämtliche Offenlegungspflichten, die für Parteien gelten, sollen auch für die Initiatoren von Volksentscheiden gelten.
  • Angehörige bestimmter sozial schwacher Milieus beteiligen sich an Volksabstimmungen meist deutlich weniger als andere besserverdienende Bürger. Diese Entwicklung zeigt sich zwar auch bei Parlamentswahlen, etwa bei den Europawahlen. Trotzdem muss bei der Ausgestaltung der Volksgesetzgebung besonders auf Transparenz und Chancengleichheit geachtet werden. Um das Instrument allen zugänglich zu machen, bedarf es einer breiten Informationskampagne sowie der dauerhaften Einrichtung einer Beratungsinstanz durch die Bundesregierung oder den Bundestag. Dies erfordert insbesondere, dass ausführlicheAbstimmungsheftemit Informationen über die verschiedenen Positionen bereitgestellt werden, in denen u.a. die Abstimmungsempfehlungen von Parteien und Verbänden deutlich aufgeführt werden.
  • Volksentscheide vorzubereiten erfordert Sach- und Verfahrenskenntnis. Es muss gewährleistet werden, dass dieses Instrument für jede Bürgerin und jeden Bürger handhabbar ist und nicht ausschließlich von einer gesellschaftlich privilegierten Bevölkerungsschicht angewandt wird, weil politische Partizipation für alle sonst nicht gewährleistet ist. Dafür bedarf es auch einer öffentlichen Verwaltung, die die Initiierung von Volksbegehren unterstützt und sie nicht blockiert. Es muss sichergestellt sein, dass die Initiatoren durch die öffentliche Verwaltung fachkundig beraten und hinsichtlich des Verfahrens unterstützt werden (ähnlich wie die Mitglieder des Bundestages durch den wissenschaftlichen Dienst).
  • Die Einführung direkter Demokratie wird einerseits zu einem Verlust an Einfluss der Parteien führen, andererseits eröffnen sich aber auch neue Chancen für die Parteien. Die SPD muss sich auf diese neuen Herausforderungen einstellen: Parteien haben die Möglichkeit, neben den Wahlen für Themen zu werben und zu streiten.

Die tatsächlich erforderlichen Gesetzänderungen können Sie dem ASJ BuVo Beschluss Direkte Demokratie 09.07.2011 hier entnehmen. Ich freue mich auf Kommentare und Diskussion.

Boulevardesk, oh Sueddeutsche…

Daß die Süddeutsche Zeitung besonders in ihrer Online-Ausgabe, naja, sagen wir mal eine Boulevardzeitung geworden ist, ist ja schon lange kein Geheimnis mehr. Die Guttenberg-Kampagne ist da ja nur ein Beispiel. Aber jetzt wirds dermaßen Blödzeitung, das ist nun wirklich eklig.

Wer ist Dirk Nowitzki? Na, einer der auch schon Guttbye Germany gesagt hat und in der NBA spielt. Im Grunde nicht weiter wichtig…. es sei denn, man folgt der Sueddeutschen Zeitung die trotz ihrer Jubelartikel zu zig Sportlern mürrisch konstatiert, daß man sich in Deutschland mit der „Heroisierung von herausragenden Sportlern schwer tut“. Anscheinend hat der Autor, Jürgen Schmieder, Zeit lebens noch nie in einen Sportteil geguckt. Oder in die Bild-Zeitung, die sich mit dem Heroisieren von Figuren auch nicht gerade schwer tut.

Aber trotz der offensichtlichen Ahnungsbefreiung von Herrn Schmieder, der eigentlich öftern für den Sportteil der SZ schreibt, titelte die Sueddeutsche gestern und heute mit einem gar schrecklichen Ausdruck:

Nicht vergessen: das ist die Zeitung, die Ihren Kindern schlaue Eltern schenken will. Oder anders formuliert:

sprich: Kaufen Sie BITTE eine andere Zeitung! Die Süddeutsche mag keine solchen Leser.

Von der Direkten Demokratie Teil II

Das Gustav-Radbruch Forum benennt sich nach dem ehemaligen Reichsjustizminister und Reichstagsabgeordneten Gustav Radbruch, der als Jurist und Sozialdemokrat eine Periode der Weimarer Republik entscheidend mitgestaltet hatte.

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Die Frage nach der direkten Demokratie ist die Frage nach einer Wirklichkeit, die den Sinn hat, der Gerechtigkeit zu dienen, wie Radbruch es wahrscheinlich formulieren würde. In diesem Sinne fanden sich auf dem Podium Prof. Dr. Peter Huber (Richter des Bundesverfassungsgerichts), Prof. Dr. Jürgen Kühling (Ordinarius für Öffentliches Recht an der Universität Regensburg), Dr. h. c. Moritz Leuenberger (Schweizer Bundesrat a. D.) und andere.

Argumentativ begann die Veranstaltung schnell mit der Skepsis (die ich ja bereits schilderte). Demagogie ist eine stete Gefahr der direkten Volksabstimmungen, ein Beispiel das sich sehr schön mit den regelmäßigen Wellen von Forderungen nach der Todesstrafe in Volk und Bildzeitung, beispielsweise im Zusammenhang mit den Taximorden in den Siebzigern oder beim Thema Kinderschänder derzeit.

Zudem ist es institutionell in Deutschland ein gewisses Problem – durch das unsägliche föderale System ist es nicht so ohne weiteres möglich, durch ein direktes Votum des Volkes den Bundesrat zu umgehen, das System müsse geändert werden. Und wer sagt, daß eine Entscheidungsmacht wirklich Zustimmung und Zufriedenheit generiert?

Da fragt man am besten die Schweizer. Und Dr. Leuenberger konnte eine Menge erhellender Gedanken bieten. So aktiviere die Entscheidungsmacht die Bürger, zwar mitunter polarisierend aber die Bürger in der Schweiz informieren sich auch tatsächlich über die Fragen, denen sie sich stellen. Jedes Gesetz wird mit Argumenten dafür und dagegen zuvor gedruckt und an die Haushalte verteilt. Auch der Rundfunkstaatsvertrag ist in der Schweiz keineswegs wie in Deutschland die Lizenz zum Verblöden, sondern erzwingt politisch neutrale Diskussionssendungen mit denen die Bürger sich eine Meinung bilden können.

Es ist also möglich, kostet aber Geld und Zeit – und manches ist in Deutschland auch nicht praktikabel, das sollte allen klar sein. Niemand möchte für 80 Millionen Bürger zig Gesetzesvorlagen mit Argumenten drucken, welcher Bürger liest denn schon das Bundesgesetzblatt? Eines muß man sich aber klarmachen, so Leuenberger, Demokratie ist ineffizient und direkte Demokratie ist noch ineffizienter. Aber zumindest den Schweizern sei Partizipation wichtiger als Effizienz.

Auch Professor Huber wiegelte ab – so viele Volksbegehren entstünden ja gar nicht und man müsse sich von dem Gedanken trennen, die Direkte Demokratie als Konkurrenz zu unserem Staatswesen zu verstehen. Ein Volksentscheid könne eine Ergänzung sein, kein Ersatz, egal wie polarisierend das Thema sei. Man denke nur an die Volksinitiativen zum Thema G8 oder auch zur Privatisierung des Waldes hier in Bayern – beides seien polarisierende Themen gewesen die es nicht über die Hürde geschafft hatten.

Letztlich könnte man die Direkte Demokratie als eine Methode zur Entwicklung einer Schere im Kopf der Politiker betrachten: „Will mein Volk das?“

Dr. Leuenberger zeigte bei der anschließenden Fragerunde der Bürger Verständnis für die Unsicherheit der Deutschen – Deutsche Bürger seien einfach in anderer Form sozialisiert. Deutsche Verbände, Parteien und Kirchen passten nicht immer zu den Milieus. Legitimität in der Interessenvertretung und Legitimität eines Staatsapparates sei kein natürlicher Zustand, sondern werde zugesprochen. Wenn die Deutschen dies verstünden würden sie vielleicht offener sein für die Verantwortung der Bürger. Aber dies sei ein schwieriges unterfangen – er berichtete von einem Treffen mit dem damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler am Bodensee, der ihm sagte: „Also Euer System mit der Direkten Demokratie bei Euch, das müsst Ihr jetzt dann mal aufhören.“

Ein Bürger griff den Faden auf und meinte, So mündig sei der Bürger gar nicht. Man sehe sich die Debatte zur doppelten Staatsbürgerschaft an oder frage sich, ob die Ostpolitik Willy Brandts wirklich möglich gewesen wäre. Guttenberg wäre wahrscheinlich noch Verteidigungsminister, immerhin hätten ihm in Kelkheim auch Akademiker und Intellektuelle applaudiert.

Dem entgegnete Prof. Huber ganz nonchalant die Frage, wenn die Bürger denn nicht mündig wären, wer wähle denn dann? Lobbyarbeit gegen das Volk sei im Parlament nun einmal einfacher (und billiger!) als gegen eine breite Masse. Um die Akzeptanz und die Erkenntnis über die Möglichkeiten dem Bürger klar zu machen sei es wichtig, niedrige Quoren einzuführen und den Bürgern zu zeigen, daß sie etwas bewegen könnten. Zudem sei die Außenpolitik aufgrund ihrer immensen Komplexität tatsächlich nicht von einer direkte Bürgerentscheidung abhängig zu machen, auch sollte man zumindest diskutieren, ob man dem Parlament nicht das Budgetrecht überlässt.

Fragen gab es viele die im Einzelnen aufzuzeichnen hier jeden Rahmen sprengen würde (ich habe auch bei weitem nicht alles mitgeschrieben). Aber abgesehen von der tatsächlichen Ausgestaltung ist die direkte Demokratie vielleicht wirklich eine Möglichkeit, bestimmte Elemente der Politik wieder für das Volk umzugestalten und nicht gegen seine Interessen. Dr. Leuenberger rundete das Ganze mit einem schönen Satz ab:

Es gibt nur zwei politische Systeme: Solche mit unzufriedenem Volk und solche mit unzufriedenen Politikern. Überlegen Sie wo Sie leben wollen.