Wie es das Känguru sagen würde: „Der Comedypreis aus Stockholm ist dieses Jahr wohl an die EU gegangen.“ Das ist so ein bißchen wie mit dem Axel-Springer-Preis für Journalismus, in sich ein Witz. Tatsächlich fragt man sich schon was genau das Komitee damit sagen will.
Als 2009 Barack Obama kurz nach seiner Wahl ausgezeichnet wurde war die Empörung besonders bei Konservativen groß: Ausgerechnet ein „sozialistischer Neger“ soll einen Preis bekommen, der doch eigentlich Helmut Kohl zustünde. Tatsächlich hatte das Komitee mit dieser leicht überraschenden Entscheidung wohl vor allem Dankbarkeit dafür ausgedrückt, daß die acht Jahre Bush endlich vorbei waren. Denn die offizielle Begründung dafür, „für seine außergewöhnlichen Bemühungen, die internationale Diplomatie und die Zusammenarbeit zwischen den Völkern zu stärken“, konnte zu diesem Zeitpunkt kaum zutreffen. Das klingt eher nach der Belohnung für ein Lebenswerk, so war es eine frühe Wahlkampfspende.
Gibt es das eigentlich? Den Friedensnobelpreis für eine Organisation statt eine Person?
Natürlich. 1904 zum Beispiel wurde das „Institut de Droit international“ gewürdigt, 1910 das „Bureau International Permanent de la Paix“, dann, während der Pause von 1914 bis 1918 wurde 1916 das Internationales Komitee vom Roten Kreuz ebenfallsmit dem Preis bedacht. Es folgten 1938 das „Office international Nansen pour les réfugiés“, also das Nansen-Büro für Flüchtlinge in der Schweiz, 1939-1945 wurde wieder kein Preis verliehen mit Ausnahme 1944 noch einmal das Internationales Komitee vom Roten Kreuz, was während eines Weltkrieges damit schon fast Tradition wurde, es folgten 1947 die Quäker mit dem britischen Quaker Peace and Social Witness und dem amerikanischen American Friends Service Committee. 1955 wurde das UN-Flüchtlingskommissariat, das United Nations High Commissioner for Refugees ausgezeichnet, 1963 zur Abwechslung mal wieder das Rote Kreuz und auch die Liga der Rotkreuz-Gesellschaften, 1965 das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) und 1969 die Internationale Arbeitsorganisation (IAO).
1977 folgte dann endlich Amnesty International, 1981 dann zum zweiten Mal das United Nations High Commissioner for Refugees, also das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen. 1985 die Ärzte gegen nukleare Kriege (International Physicians for the Prevention of Nuclear War), 1988 bekam ihn dann die erste militärische Vereinigung, die Friedenstruppen der Vereinten Nationen. 1995 folgten die erste Gruppe Naturwissenschaftler, die sich mit der Frage nach dem „ob“ beschäftigten, die Pugwash Conferences on Science and World Affairs, 1997 folgte die Internationale Kampagne für das Verbot von Landminen. 1999 wurde das Komitee auch endlich auf die Ärzte ohne Grenzen aufmerksam. 2001 erhielten Kofi Annan und die UNO gemeinsam den Preis, 2005 dann die IAEO, also die Internationale Atomenergie-Organisation. 2007 im Zeichen des Klimawandels erhielten ihn Al Gore und der Weltklimarat, sas Intergovernmental Panel on Climate Change. Und nun, 2012, eben die EU. Eine Sonderstellung hat sie damit aber: Zusammen mit der UNO ist es das zweite Mal, daß ein Staatenbund ausgezeichnet wurde.
Es ist also nicht ungewöhnlich und man darf sich fragen, ob nun jeder EU-Bürger einen Teil des Preisgeldes erhält. Bei etwa 500.000.000 EU-Bürgern sind das immerhin 0,2 Cent. Oder wie das sonst verteilt wird. Vielleicht fließt es ja in die Agrarsubventionen für die Lufthansa, die sie dafür kassiert, wenn die Gumnmisemmeln im Flieger Europäischen Luftraum verlassen. Oder in eine Verordnung über das Tragen von Schutzbrillen für Maulwürfe.
Ist die EU denn das wert?
Treue Leser meines Blogs wissen natürlich, daß ich die EU für eine der grundsätzlich großartigsten Erfindungen halte, die uns hier in Europa passieren konnte, allen Unkenrufen in Richtung Bürokratie zum Trotz. Der Preis zielt mit seiner Begründung in die gleiche Richtung wie es Jean-Claude Juncker, dem Vorsitzenden der Euro-Gruppe und Premierminister von Luxemburg, tat: “Wer an der Idee Europas zweifelt, der sollte Soldatenfriedhöfe besuchen.”
Nur: Die EU führte in ihrer Geschichte mehrfach Krieg und daß Frieden innerhalb Europas herrscht hat auch was damit zu tun, daß man Nationen, die sich im Krieg befinden nicht aufnehmen möchte. Der Einsatz im ehemaligen Jugoslawien war eine ebenso politische, wie humanitäre Notwendigkeit, so verabscheuungswürdig das auch im ersten Moment klingen mag. Aber meiner Ansicht nach wäre es ein viel größeres Verbrechen gewesen nichts zu tun und einfach zuzusehen, wie sich vor unserer Haustüre einige Völker gegenseitig auszurotten versuchen. Tatsache ist nebenbei, daß der „ehrenbürger Europas“, Helmut Kohl, den 10-Tage-Krieg in Slowenien (1991), den Kroatienkrieg (1991–1995) und den Bosnienkrieg (1992–1995) schlichtweg ignoriert hat und sich darum nur dann scherte, als er es innenpolitisch zur Abschaffung des deutschen Asylrechts benutzen konnte. Eine der widerlichsten und schlimmsten Sünden, die unser Land nach dem Krieg begangen hat. Dafür, daß die EU zuerst zehn Jahre zusah und dann mit militärischer Intervention unter Führung der NATO eingriff ist ein Friedensnbobelpreis… naja, fraglich.
Ein anderer Krieg ist der Afghanistan-Konflikt, der zwar offiziell weder Krieg heißt noch von der EU geführt wird, wohl aber von einigen Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland. Bislang sind dabei mindestens 12.500 Zivilisten und alleine auf der Seite der Koalitionstruppen 14.449 Soldaten ums Leben gekommen. Alleine aus der EU sind 32.518 Soldaten in Afghanistan stationiert, eine Tatsache die immer wieder als Völkerrechtswidrig verstanden wird. Gut, Obama führte da ebenfalls Krieg und tut es noch und erhielt den Friedensnobelpreis trotzdem. Ehrlich gesagt, angesichts der Geschichte kommt gerade mir als Münchner die Verleihung an Jassir Arafat noch viel seltsamer vor. Ist der Friedensnobelpreis überhaupt etwas wert?
Vielleicht.
Der Preis geht an die EU dafür, daß es seit ihrer Gründung wenigstens innerhalb der EU keine militärischen Kriege mehr gegeben hat. Das Einzige, was ich daran wirklich gut finde, hat ein Twitteruser schön ausgedrückt: „Die EU hat den Nobelpreis gewonnen, weil sie die Europäer 60 Jahre lange davon abgehalten hat, gegeneinander zu kämpfen. Etwas, das der Nahe Osten auch versuchen sollte.“