Komisch, worüber so manches Medium nicht berichten mag….

Im journalistischen Alltag unserer Republik gab es ein Ereignis im abgelaufenen Jahr 2010, das einen gewissen kleinen Wirbel geschlagen hat: Die Hamburger Morgenpost, an sich ja ein völlig unwichtiges Presseerzeugnis, hatte in einem Artikel die Behauptung eines Anwalts aufgegriffen, der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder sei in irgendeiner Form Beifahrer bei der ehemaligen Bischöfin Margot Käßmann gewesen, als diese ihre berühmteste Autofahrt machte. Dagegen hatte Schröder geklagt.

Verschiedene Medien berichteten darüber, aber eher am Rande und im Grunde auch nur ein bißchen. Größere Medien vermieden das Thema. Nun ist es nicht so, daß diese Sache auch nur den Hauch einer wichtigen Relevanz hat (Auch wenn das RTL Nachtjournal gern darüber berichtet, daß Präsident Obama ein Melonen-Zitronen-Eis mit Kirschsoße gegessen hat – jedem Publikum das Niveau, das es verdient!), selbst wenn die Welt in Ihrem Bericht die Sache gleich zu einem weiteren „Kampf Schröder contra Presse(freiheit)“ hochstilisiert:

Es ist nichts das erste Mal, dass Gerhard Schröder rechtlich gegen die Presse vorgeht. 2002 hatten Journalisten der Nachrichtenagentur ddp behauptet, der damals 57-Jährige habe durch das Nachfärben grauer Schläfen seinem jugendlich wirkenden Aussehen nachgeholfen.

Holger Kreymeier, der Fernsehkritiker verlinkte jedoch diesen Beitrag hier auf Facebook und ich fand ihn wichtig und interessant genug, um ihn ebenso hier zu verlinken und zu kommentieren. Zwar fand das Urteil schon am 13. August statt, aber der Kommentar ist erst kürzlich erfolgt.

Demnach ist es wohl so, daß eine Richtigstellung in der Presse nur noch nötig ist, wenn eine „erhebliche Ansehensminderung“ die Folge wäre – was im genannten Fall nicht so war.

Welche Folge hat das? Nun, der Behauptungsjournalismus hat wieder einen Sieg davongetragen. Solange man nur ein bißchen hier und da am Ruf kratzt kann man schreiben was man will – ich könnte hier also nicht behaupten, daß Seehofer homosexuell ist (da sprechen auch die ehelichen wie nichtehelichen Kinder dagegen), wohl aber, daß ich ihn schonmal mit Männern in händeschüttelnden berührenden Posen gesehen habe. Formuliere ich das richtig, dann hinterlasse ich einen Eindruck ohne was wirklich rufschädigendes gesagt zu haben. Machen das 140 andere Blogger und vielleicht drei Zeitungen entsteht ein dauerhafter Eindruck aus einem vagen Verdacht heraus – behauptet es dann mal jemand tatsächlich, so wundert sich keiner und auch die Behauptung ist nicht mehr „rufschädigend“ weil ja Allgemeingut.

Da gruselt es einen schon, insbesondere wenn man erlebt, wie die Medien mittlerweile arbeiten. Die Hektik, mit der Politik und Journalismus sich selbst lähmen und die Bereitwilligkeit, mit der die Medien unlauteres Zeug verbreiten und sich dem Kampagnenjournalismus unterordnen, um den Mächtigen zu gefallen und mit Boulevard, den sie zur Belohnung erhalten, die Auflage zu stabilisieren sorgt auch dafür, daß der Wert der Medien als „Vierte Macht im Staat“ gegen Null tendiert. Blickt man auf die Darstellung der Onlinemedien von FAZ über Sueddeutsche und Spiegel bis hin zur untersten Medienschublade von Az, Bild und Bunte, so fällt auf daß drei Dinge vorherrschen: Möglichst harsch formulierte Meinungsartikel, Boulevard der untersten Schublade und Sport ohne Ende. Seriöse Meldungen, möglicherweise gar etwas nachrecherchiertes? Fehlanzeige.

Dafür gibt es sicherlich eine Menge Gründe. Ein nicht unerheblicher Grund ist sicherlich das marktwirtschaftliche System – da die Nachfrage nach gehaltvollem weniger groß ist gewinnt halt die Zeitung, die mehr Unsinn schreibt. Der Käufer ärgert sich gern beim Lesen der Headline oder fühlt sich gern pornografisch angesprochen. Daraus kann man schließen, daß die freie Marktwirtschaft nicht das beste hervorbringt, nicht das intelligenteste oder wichtigste sondern das primitivste. Ist wie immer bei dieser Wirtschaftsform mit der rohen Natur zu vergleichen – der primitive einzellige Virus schlägt jeden Vielzeller auf die Dauer.

Ein weiterer Grund ist aber auch die Steuerung der Nachfrage – irgendwie vermisse ich bei marktwirtschaftlichen Theoretikern und vor allem Politikern den Hinweis darauf, daß Nachfrage ja nicht etwas ist was nur von alleine entsteht sondern etwas, was durch Dauerberieselung gesteuert wird. Warum sonst grinst an jeder Bushaltestelle ein halbnackter Mensch und verkauft damit von der Unterwäsche über Parfüms bis hin zur Klospülung alles? Warum wohl sonst bieten die Fernsehsender bis hin zu den staatlichen praktisch überall den selben Einheitsbrei?

Der Spiegel – in der Printausgabe diese Woche – brachte einen recht langen Artikel über den modernen und hektischen Alltag im Politikbetrieb und im Onlinejournalismus. Die Quintessenz war, daß unter anderem Denkler von der SZ-Online erklärte, daß es nur um einen schnellen Kommentar geht – eine Durchsicht von Artikeln, eine qualitative Erhebung des Inhalts ist vollkommen egal. Wichtig ist, um es mit dem Joker zu sagen, eine Botschaft unterzubringen und welche das ist, das vermitteln die hunderttausenden Agenturmeldungen die unkommentiert einfach in den Medien veröffentlicht werden.  Hauptsache, die Linie stimmt.

Im Gegenzug ist es erlaubt, Feinde und Gegner zu diskreditieren und das mit allen Mitteln die einem einfallen. Ob die CSU über „Dumme Grüne“ einen Spot bringt (Niks Blog berichtete) oder ob sich möglichst ahnungslose Vollidioten auf eine Lötzsch stürzen, wichtig ist der Tenor, die Gleichschaltung aller nur denkbaren Gedanken.

Vor diesem Hintergrund ist das erwähnte Urteil ein Alarmsignal. Es ist nicht entscheidend, was richtig und was falsch ist, sondern ob etwas falsch genug ist damit eine Gegendarstellung erzwungen wird.

Quo vadis, Pressefreiheit?

Von einem zweiten Medienunfall

Im schriftlichen Alltag der Sueddeutschen Zeitung gibt es Ereignisse, die man als Tiefstpunkte journalistischer Hastigkeit in Zeiten des permanenten Onlinewahns darstellen könnte. So den heutigen Beitrag der SZ-Online zu einer Studie von Wilhelm Heitmeyer.

Ich gehe jetzt mal nicht auf die eher unzureichende Analyse der Studie ein, die man immerhin von 2003, 2005, 2006, 2007 und 2008 online abrufen kann, die auch darin begründet liegen kann, daß die Sueddeutsche hier im Grunde ganz schnell was superaktuelles bringen wollte – also eine längst vergangene Meldung (Jedenfalls bezieht sich die ZEIT hier auf eine). Die ist immerhin gestern schon in der TAZ kommentiert worden und offensichtlich gab eine Pressemitteilung, denn eine ganze Reihe von Onlinemedien beschreiben die neue Studie ebenfalls.

Nur, wie kommentiert das Detlef Esslinger? Na, wie ein Profi:

Und nicht nur das: Auch Fremdenfeindlichkeit insgesamt, Rassismus, Sexismus sowie die Abwertung von Langzeitarbeitslosen sind bei diesen Bürgern ausgeprägter als früher – während derlei konstant geblieben ist bei denen, die weniger Geld haben; immerhin.

und:

Bei Fremdenfeindlichkeit und Rassismus hingegen hat der Forscher keine Zunahme festgestellt. Sexismus und Homophobie haben sogar abgenommen. Auch dafür hat Heitmeyer eine Erklärung. Eine Gesellschaft macht ja auch Fortschritte.

Toll, was? Man fragt sich, ob es eigentlich noch Leute gibt, die Artikel redigieren. Nicht immer hat das Computerzeitalter Gutes hervorgebracht:

Hat bei den Printmedien vor Jahren der Setzer die Seiten der Zeitung noch mit bleiernen Lettern gesetzt, so ist heute durch die Computertechnik die Gestaltung (das Layout) der Seiten häufig Aufgabe der Redakteure, außerdem ist er für die Formulierungen der Überschriften und Bildunterschriften, so genannte Kurztexte, zuständig. Der Redakteur arbeitet auch in Entwicklungscrews im Rahmen einer Konzeptentwicklung für neue Publikationen (Print und Online) oder Hör- und Fernsehsendungen mit.

Zitat nach der Wikipedia.