Ein kurzer Nachkommentar…

Am Dienstag schrieb ich ja über die Frage nach der praktisch kritiklosen Hinnahme von vermeintlichen Studienergebnissen, heute lese ich einen – allerdings schon zwei Tage alten Artikel im Cicero über die Macht der Medien.

Der überaus lesenswerte Beitrag von Professor Kepplinger beschäftigt sich mit der Causa Wulff und der Frage, ob und wenn ja wie die Medien den Präsidenten aus dem Amt geschrieben haben. Insbesondere wird der Vorgang bei Wulff mit einem ähnlichen bei Johannes Rau (Die Flugaffäre) verglichen. Das ist insofern folgerichtig, als daß Wulff – der 2000 den Rücktritt von Rau wegen der Vorbildfunktion des Präsidenten gefordert hatte – sich nun auf den gleichen Anwalt, einen Herrn Lehr von der Bonner Anwaltskanzlei Redeker Sellmann Dahs, verließ, wie seinerzeit Rau.

Trotzdem führte der Artikel sofort zu einem in koservativer Empörung gehaltenen Kommentar über die linken Medien, welchen ich hier sehr kurz beantworten möchte. Denn die Mär von den „linken“, bzw. SPD-affinen Medien wird gerne und oft wiederholt, ist angesichts der Übermacht der konservativen Verlagshäuser Springer und Bertelsmann sowie der den Konservativen zu ewigem Dank verpflichteten Privatfernsehwirtschaft (auch hier ist Bertelsmann neben der ProSiebenSat1 federführend, schließlich verdanken sie ihre Existenz der Union) leicht widerlegbar.

Es ist vollkommen richtig, daß Schröder zum Zeitpunkt seines Wechsels nicht sonderlich für den neuen Job als Gasableser bei Putin gescholten wurde – das hat sich in den Folgejahren allerdings ziemlich geändert. Der Beitrag von Prof. Kepplinger ließe sich ebenso auf die Causa Steinbrück lesen, der ebenfalls zuerst zum Kandidaten hochgeschrieben und dann ziemlich gründlich demontiert worden ist. Zuletzt hätte er das Grundgesetz zitieren können und man hätte ihm Mißbrauch der Justiz unterstellt…

Die Medien sehen sich – nicht zufällig – schon länger als die eigentlichen Machthaber im Land, denn das Projekt BILD – viel gescholten und doch unerreicht – hat gezeigt, daß Meinungsmache Macht bedeutet. Kein Kanzler kann gegen Springer regieren, keine Partei gegen die Medien eine Wahl gewinnen. Da es neutrale Medien nicht geben kann wäre Vielfalt demokratisch wünschenswert, allerdings gibt es diese Vielfalt, insbesondere in den Meinungsspektren der Medien praktisch nicht mehr. Und wer sich die Personalien der Chefredakteure und Inhaber ansieht, vor allem nachguckt wer so von wo nach wo geht und was mitnimmt, der weiß auch genau, warum.

Proteste in der Türkei, Stille bei uns

Die Sueddeutsche Zeitung verlinkt heute einen Beitrag, der sich um die Proteste gegen ein neues Gesetz in der Türkei wenden; Hierbei soll nach Angaben des Videos die Netzneutralität in Frage gestellt werden – angeblich zur besseren Überwachung der Privatsphäre der Nutzer.

Was in der Türkei zu Protesten führt wird in der Europäischen Union ganz nach deutschem Maßstab achselzuckend hingenommen. Vielleicht, weil es nicht die Regierung ist, die davon profitiert. Aber der Reihe nach.

Die Europäische Union bereitet ein Gesetz vor, nach dem Anbieter von ihnen bestimmte Datenpakete schneller als andere über das Internet transportieren dürfen. Am 27. Februar wird darüber abgestimmt.

Dahinter steckt nun nicht ein großer, böser Staat sondern die Telekommunikationsfirmen, die dann Datenpakete schneller oder weniger schnell transportieren dürfen. In den USA hat das schon einmal geklappt, allerdings könnte dort die FCC noch einmal einschreiten. Das hat gleich mehrere Dinge zur Folge:

  1. Die Netzneutralität schwindet, da künftig natürlich die eigenen Angebote der Provider und die Angebote derer, die einen Provider schmieren dafür bezahlen, schneller transportiert werden. Das bedeutet, daß junge Start-Up Unternehmen zum beispiel ausgebremst werden weil die sich das nicht leisten können. Profiteuere sind die Branchenriesen – egal in welcher Branche. Ein Beispiel: Sie möchten völlig legal ein Video im Internet ansehen. Dazu haben sie nicht beim Branchenriesen Amazon ein Konto, sondern haben einen Vertrag mit einer kleinen legalen Online-Videothek. Die kann sich es aber nicht leisten, Ihren Provider zu schmiebezahlen, schon funktioniert es nicht mehr, weil die Bandbreite nicht mehr gegeben ist – es sei denn, Sie als Kunde leisten sich einen entsprechend teueren Anschluß.
  2. Wie ist das denn mit Nachrichten? Die ohnehin schon recht überschaubare Vielfalt unserer Medien wird einen entsprechenden Dämpfer erhalten, wenn nur noch Premium-Kunden einen vernünftigen Video-Stream sehen können oder der Aufbau einer Nachrichtenseite dank der unüberschaubaren Werbemenge in die Minuten geht und jeder Nutzer entnervt das Handtuch schmeißt. Im Ergebnis sind dann weniger Newsseiten entsprechend verfügbar – die konservativen Meinungsmacher rund um Bertelsmann und Springer werden sich schon die Hände reiben. Denn sie wissen, daß viele Bürger sich sagen „Taz zahl ich nicht, kann ich nicht“.
  3. Informationsseiten wie Wikipedia zum Beispiel könnten ebenfalls im Zugang erschwert werden, wenn das, was dort steht, den richtigen Leuten nicht gefällt – beispielsweise Skandale aufgelistet werden. Netzneutralität sieht anders aus.

Man kann sich aber wehren – es gibt eine Kampagne die auch darauf abzielt, daß man den eigenen Abgeordneten entsprechend informiert über die Stimmung im Land. Sie hat klare Forderungen:

  • Wir wollen kein Zwei-Klassen-Internet, alle Datenpakte sollten gleich behandelt werden. Artikel 19 muss gestrichen werden.
  • Private Unternehmen dürfen im Netz nicht zum Richter und Vollstrecker werden. Netzsperren zur nicht näher definierten „schweren“ Verbrechensbekämpfung sind nicht der richtige Weg. Artikel 23.5.a muss fallen.
  • Europa ist Friedensnobelpreisträger – die Glaubwürdigkeit der EU als Menschenrechtsakteur sollte nicht durch die Einführung einer Zensurinfrastruktur verspielt werden, die wir in anderen Teilen der Welt kritisieren.
  • Um Schaden oder Zusatzkosten vom offenen Internet abzuwenden, muss die Definition von „spezialisierten Diensten“ alle Dienste des offenen Internets klar ausschließen (Artikel 2.15)
  • Wo in der Verordnung von den „Freiheiten“ der Nutzer gesprochen wird muss von den „Rechten“ die Rede sein (Artikel 23)

und empfiehlt, den Abgeordneten anzurufen oder ihm eine EMail zu schreiben. Für Deutschland sitzen 99 Abgeordnete im Europäischen Parlament, für Bayern alleine sind es immerhin 8 Stück. Schreiben Sie sie doch gleich mal direkt an, gar nicht als Einheitsmail sondern individuell. Leider sind alle bayerischen Abgeordneten CSU’ler (Darunter der gruselige Herr Posselt), mithin also nicht sonderlich am Bürgerwillen interessiert, aber dennoch können einige (hundert) Emails vielleicht etwas bewirken. Im Zweifel gibt es ja immer noch den Präsidenten des Parlamentes, Martin Schulz.

Die folgenden Argumente zitiere ich von der Kampagnenseite Savetheinternet.org/de

Argumente

kein Zwei-Klassen-Internet

Um Schaden oder Zusatzkosten vom offenen Internet abzuwenden, muss die Definition von Specialised Service alle Dienste des offenen Internets ausschließen.

Internetprovider versuchen seit Jahren Specialised Services – wie HD-Video oder Online-Telefonie – getrennt vom Internet bei garantierten Geschwindigkeiten für Nutzung in der Industrie zu vermarkten. Solange diese Dienste getrennt von Internet angeboten werden und nicht die Internet Qualität stören sehen wir darin auch kein Problem.

Derzeit beinhaltet der Vorschlag aber keine genaue Definition von „Specialised Services“, daher kann dieser Begriff auch ziemlich breit interpretiert werden. Es droht daher, dass ein Zwei-Klassen-Internet geschaffen wird, wo manche Dienste priorisiert, während andere wiederum gebremst werden. So könnte die Freiheit der Kommunikation und die Möglichkeiten und Vorteile des Internets beschränkt werden. (Artikel 2.15)

Beispiel: Viele Mobilfunkanbieter bieten derzeit unbeschränkten Zugang zu Facebook an, während alle anderen Dienste einem beschränkten Datenvolumen unterliegen. Die derzeitige Definition von „Specialised Services“ erlaubt Angebote, die den Markt für mögliche Konkurrenzdienste beschränken und daher die freie Wahl der Dienste, aber auch die Innovation im Internet bremsen wird.

Was wir brauchen ist eine klare Definition, damit solche „Dienste“ nicht anboten werden können, die auch im Internet existieren und selbst dann nur auf Netzwerken, die komplett vom Internet getrennt sind. Die Vereinigung aller europäischen Telekommunikationsregulierungsbehörden (BEREC) empfiehlt, dass „Specialised Services“ getrennt vom „Best Effort Internet“ nur innerhalb des Netzwerkes des Internetanbieters angeboten dürfen werden sollen. Der Vorschlag der Kommission ist nicht nur bei weitem schwammiger in der Definition, sondern erweitert den Text um Begriffe wie „substantially“, „general“ und „widely“, die nicht definiert sind und weitere juristische Unsicherheiten bergen. Damit das Zwei-Klassen-Internet auch auf Anbieter Seite verhindert wird muss Artikel 19 restlos gestrichen werden.

Internetzensur

Private Unternehmen dürfen im Netz nicht zum Richter und Vollstrecker werden. Netzsperren zur Verbrechensbekämpfung sind nicht der richtige Weg.

Die Verordnung ermöglicht es Internetprovidern Inhalte im Netz zu zensieren um „um einer Rechtsvorschrift oder einem Gerichtsbeschluss nachzukommen oder um schwere Verbrechen abzuwehren oder zu verhindern„. Damit sind Netzsperren auch ohne konkretes Gesetz oder Richterliche Anordnung möglich, es gibt also gar keine Rechtsstaatlichen Kontrollen mehr. Was ein „schweres Verbrechen“ sein soll wird mit dem Gesetz gar nicht definiert, es ist also zu befürchten, dass auch Urheberrechtsverletzungen darunter fallen. Zuletzt deutet auch die Wortwahl „abzuwehren oder zu verhindern“ auf das präventive Sperren von Seiten noch bevor überhaupt ein „Verbrechen“ passiert ist. (Artikel 23.5).

Beispiel: In Großbritannien haben Internetprovider Maßnahmen gesetzt, die Benutzern ermöglicht auf freiwilliger Basis ihre Nutzung des Internets einzuschränken. Im Jahr 2012 wurden damit auch Seiten wie die der französischen Menschenrechtsorganisation La Quadrature du Net blockiert.

Was wir brauchen ist eine Abänderung, die diesen gefährlichen Paragraphen, der die Kommunikation im Internet massiv verändern könnte und unserer Meinung nach eine Verletzung des Artikels 52 der Charta der Grundrechte der EU darstellt, ein für alle Mal entfernt.

Rechte der Nutzer

Wo in der Verordnung von den “Freiheiten” der Nutzer gesprochen wird muss von den “Rechten” die Rede sein.

Der Kommissionsvorschlag würde den Nutzern die „Freiheit“ geben diskriminierende Dienste zu nutzen. Diese „Freiheit“ hat nicht nur für die Internetnutzer negative Konsequenzen, sondern auch für das innovative Ökosystem im Internet. Nutzer brauchen keine Rechte aus einer Vielzahl an verwirrenden Angeboten zu wählen, sondern sie brauchen einklagbare Rechte auch den Service zu bekommen, für den sie bezahlen. (Artikel 23).

Beispiel: Schätzungen zufolge zahlen britische Kunden derzeit ca. 5 Milliarden Pfund zu viel, aufgrund der „Freiheit“ zwischen vielen verschiedenen, verwirrenden Optionen zu wählen.

Was wir brauchen ist eine Änderung des Textes, damit Internetprovider diskriminierende Dienste nicht anbieten dürfen.

Zum Schluß nochmal der „Elektrische Reporter“

Von der Neutralität der Staatsmedien

Oftmals kritisiert die Bevölkerung ja die Gebühren für die staatlichen Medien – der Medienjournalist Holger Kreymeier lebt unter anderem auch von seiner Kritik am öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Man kann auch vieles nicht gerade gutheißen, auch wenn mir persönlich das Privatfernsehen deutlich unsympathischer ist als das öffentliche. Jedenfalls meistens.

Seit einiger Zeit irrlichtert jedoch der Verdacht, daß die Tagesschau, oder sagen wir genauer, die ihr seit 1997 ständig zuarbeitende Infratest Dimap, die im Gegensatz zur Tagesschau nun wirklich eine private GmbH ist, nicht unbedingt so neutral ist wie man immer meint. Ihre Ergebnisse werden in aller Regel von Jörg Schönbohm vorgetragen, der mir ja auch schon einmal sauer aufstieß. Trotzdem war ich beeindruckt, daß es der WDR und die Infratest geschafft haben, in den ARD-Brennpunkt rund um den Zusammenbruch der Rot-Grünen Minderheitsregierung in NRW gleich dreimal das CDU-Wahlplakat und den Spruch in die „Informationssendung“ zu halten. Glauben Sie nicht? Bitte:


(bei 00:54, bei 03:25 und bei 15:18)

Aber das ist ja gar nicht das, worauf ich heute hinauswollte. Heute Abend habe ich mit eher beiläufigem Interesse auf der Homepage der Tagesschau die Haushaltsplanungen unserer Regierung für 2012 geschaut. Gucken Sie sich doch mal diese Grafik an:

Ich finde es doch deutlich interessant, daß der „kleine“ Darstellungsfehler ausgerechnet beim sehr umstrittenen Element Bildung im Vergleich zu den allgemeinen Finanzen passiert. Nicht wahr?