Dieser Text erschien bereits im Januar 2017 in der Zornedinger Rundschau Nr. 80.
„Du bist der Richtige!“ Geständnissen aus dem Leben eines Oberbürgermeisters konnten die Bürgerinnen und Bürger am 11. November im ausverkauften Mairsamer- Saal in Pöring lauschen. Begleitet von Jonathan Bockelmann an der Gitarre las Christian Ude auf Einladung des Literarischen Herbstes des Vereins Pro Christophoruskirche einige seiner Geschichten aus dem Zyklus „Öha und andere Geständnisse“.
Das erwähnte Zitat klärte nun endlich über Udes Spitznamen „Ali Schienbein“ auf, denn bei einer Türkeireise noch als junger Journalist war auf dem Reisepass des künftigen Rathauschefs als „Besonderes Merkmal: Narbe a.li. Schienbein“ vermerkt und da sich das für den des Deutschen nicht mächtigen Hoteliers wie der einzige vernünftige Vorname las, wurde Christian Ude stets höflich mit „Guten Morgen, Herr Schienbein!“ begrüßt.
Eingestiegen war der Mann, der viermal zum Münchner Oberbürgermeister, dreimal zum Präsidenten des deutschen Städtetags und keinmal zum bayerischen Ministerpräsidenten gewählt worden ist, allerdings nicht mir seinen reichhaltigen Erfahrungen in der Türkei, die ihn letztendlich zum Berater in Istanbul machten, sondern mit einem Konzert. Die musikalische Frühkarriere blieb aber hinter den Erwartungen – auch weil die Schulkameraden sich lieber gleich wieder verdrückten und Ude, der ob seines eigenen Spiels nicht gerade überzeugt war und darum nur so tat als ob, prompt alleine und tonlos vor sich hin spielend auf der Bühne zurückließen.
Ein Höhepunkt war sicherlich auch die Geschichte „Kirche im Paragraphenwald“, in der Ude von einem wahrhaft seltsamen Fall berichtet, in der er als Anwalt für Mietrecht plötzlich in ein kirchenrechtliches Verfahren gezwungen wurde, um den Pfarrer Betzwieser gegen das Ordinariat zu verteidigen. Manchem Leser wird der Pfarrer sicher noch ein Begriff sein. Ude, der sich im Kirchenrecht überhaupt nicht auskennt, wird von Betzwieser aber nicht wegen dessen juristischer Qualitäten aufgesucht, sondern weil er als „roter Lump“ bekannt sei, was die im Ordinariat sicher erschrecke und zu einem Rückzug zwänge. Was tatsächlich auch geschah.
Das Glanzstück des Abends blieb für mich aber die stellenweise urkomische, insgesamt aber bitter-süße Liebeserklärung an seine verehrte Mutter Renée. Ude berichtet, wie sich seine Mutter schon zu Schulzeiten mit der Energie einer Wölfin vor ihn gestellt hat und dann später, als er bereits Oberbürgermeister Münchens war, so manche Situation vom Absurden der Wirklichkeit hinein ins Groteske der Wahrheit zog. Und die, als sie starb, es noch verstand, ihm die Angst vor dieser schlichten Tatsache des Lebens zu nehmen.
Die Geschichte heißt „Man wacht nicht mehr auf“. Vielleicht sollte man sie einmal gelesen haben und seinen Eltern dankbar sein.