Von der direkten Demokratie – Teil I

In der vergangenen Woche besuchte ich eine Veranstaltung der ASJ, der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen über die Direkte Demokratie. Als Diskussion mit Podium und Publikum konzipiert konnte man beim Gustav-Radbruch-Forum eine Menge Erkenntnisse über ein schwieriges Thema gewinnen und durchaus spannende Einblicke in den schweizer Alltag bekommen.

Wer weiß, wie die direkte Demokratie in der Schweiz wirklich funktioniert? Jeder kennt so Schnipsel aber zumindest ich mußte zu meiner Schande gestehen, daß ich über den genauen Ablauf des Schweizer Modells gar nicht so informiert war. Man geht halt häufig doch eher vom eigenen Stand aus und die Vorstellung einer direkten Demokratie unter der Leitung von Springer, Bertelsmann und Pro7 hat ihre ganz eigene gruselige Wirkung. Tatsächlich ging ich mit einer sehr vorgefassten Meinung hin und kam mit einer recht anderen wieder zurück.

Wenn ich an Direkte Demokratie denke, so fallen mir spontan vor allem erstmal Volks- und Bügerentscheide ein. Ein Element unseres Staatswesens, das mehr oder weniger normal ist, auch wenn es eher selten bis zu einer Abstimmung kommt. Das war zuletzt eigentlich nur beim sogenannten Nichtraucherentscheid so. Anhand dieses Vorgangs konnte man auch wunderbar beobachten, mit welchen Mitteln hier gearbeitet wurde und welche Gewaltpotentiale sich hier plötzlich auftaten

Für politisch Handelnde hat der Volksentscheid den gewichtigen Nachteil, daß manchmal etwas ganz anderes herauskommt als man haben wollte. So war das politische Establishment in Europa ziemlich schockiert als die Iren die Eu-Verfassung ablehnten und seit sich in Baden-Würtemmberg langsam die Erkenntnis durchsetzt, daß sich möglicherweise keine Mehrheit gegen S21 finden lässt, rotieren die Grünen vor Ort hauptsächlich zu Belustigung des rechtskonservativen Fleischhauer, der den Vorgang gleich zu einer ätzenden Hetze nutzte um mit vielen Behauptungen möglichst die wenigen Tatsachen auch noch zu zerreden. (Zitat: „Wenn es der guten Sache dient, sind in der grünen Überzeugungswelt Gesetzesübertretungen immer erlaubt, ja geradezu geboten.„) Auch die Schweizer waren völlig verblüfft daß es den rechtsnationalen Hetzern gelungen war, aus einer Bauvorschriftenfrage eine Kulturdebatte zu machen.

Tatsächlich muß man sich immer fragen, in wie weit man dem Volk eigentlich trauen möchte. Wie sehen denn die Bundesbürger das Thema Griechenlandkrise? Kann es sein, daß die „Ihr griecht von uns nix!“ – Kampagne der Bildzeitung da doch auf fruchtbareren Boden stieß als gedacht? Eine Studie beschäftigte sich unter anderem mit diesem Vorgang. Möchte ich wirklich haben, daß „der Stammtisch die Politik bestimmt“?

Die Veranstaltung trug nicht umsonst den Untertitel „Volksbegehren und Volksentscheide – das Recht mündiger Bürger oder die ‚Prämie für jeden Demagogen‘?“. Beobachtet man politische Diskussionen in Online-Foren, den zum Teil an krasser Unkenntnis oder unglaublichem, aufgestautem Hass leidenden User, sprich: Bürger, so stellt sich schon die Frage, ob man wirklich möchte, daß ein solcher Mensch maßgebliche Entscheiedungen für viele mitbestimmen kann.

Ein nicht unerheblicher Teil dieses Vorgangs ist aber die Mitbestimmung. Natürlich gibt es Leute denen man keinen Staat anvertrauen sollte, bei manchen Wählern, die man so erlebt, habe ich schon Zweifel ob man ihnen überhaupt die Uhrzeit anvertrauen kann. Andererseits stellen solche Leute deutlich eine Minderheit dar – es würde mich wundern wenn das mehr als ein Promille ist. Ist also – ganz entgegen Schiller – die Vernunft doch in der Masse zu suchen?

Meine Antwort wäre gewesen: „Nicht unbedingt.“ Denn der Historiker in mir weiß um die Verführbarkeit der Menschen von Ideen, sobald diese Ideen ein Gemeinschaftsgefühl einerseits entstehen lassen und andererseits aus dem Gemeinschaftsdenken heraus eine Gegnerschaft zu etwas anderem definiert. So funktioniert zu einem nicht unerheblichen Teit der Nationalismus, aber auch die kommunistische Idee lebt davon, letztlich ist das auch der Grund warum Konservative von „den Sozen“ oder „den Grünen“ sprechen und wir von „den Schwarzen“. Die Zugehörigkeit einer Gruppe wird – auch –  durch die Gegnerschaft zu einer anderen definiert und man sieht derzeit in der explosionsartig auflebenden Islamfeindlichkeit (hinter dem Begriff „Kritik“ versteckt um unkritisch „Kritik“ zu konsumieren) sehr schön, wie schnell Ressentiments, Vorurteile und Ahnungsfreiheit zu einer Meinung werden.

Man erinnere sich nur an solche Vorgänge wie Helmut Kohls und Roland Kochs Doppelstaatsbürgerschaftsdebatte („Wo kann ich hier gegen Ausländer unterschreiben?“) oder auch das „Minarettverbot“ in der Schweiz, als eine einfache Entscheidungsfrage über ein baurechtliches Vorhaben mal eben zu einer Kulturdebatte ausartete, die dann vom Diskurs „Überfremdung“ und „Islam ist Islamismus“ bestimmt wurde. Vernunft war da nicht mehr zu finden, die Debatte wurde mit Emotionen geführt.

Mit dieser Ansicht also marschierte ich hin und dann…. [der zweite Teil erscheint am Sonntag]

Heute große Demo? Mal sehen…

Am heutigen Tage dieser Republik werden sich, so ist der Plan einer Facebook-Gruppe, eine große Mehrheit der Deutschen in 22 19 Großstädten treffen und für die Rückkehr von Karl-Theodor zu Guttenberg demonstrieren. Soweit der lustige Plan.

Warum der Plan lustig ist? Na weil das gar nicht funktionieren kann – nach der Entlassung als Minister und vor allem der Rückgabe des Bundestagsmandates kann er als Abgeordneter erst nach der nächsten Wahl wieder ins Parlament kommen. Aber er passt sehr gut zu dem, was man auf seinen diversen Fanpages lesen kann. Diese Bewegung will ich mir nun ein bißchen näher ansehen und dann auch mal auf sinnige und unsinnige Vergleiche kommen.

Der Ahnungslose Fan
Ein nicht unerheblicher Teil der Anhänger von zu Guttenberg ist in der Regel apolitisch. Die Leute sind nicht hauptsächlich mit politischen Themen befasst und wenn dann eher auf der Schlagzeilen-Ebene; Die Zeitungständer, die überall herumstehen und die Schnipsel, die man in den Mickey-Mouse-Nachrichten auf Sendern wie Pro7 oder RTL zu sehen bekommen genügen in der Regel ja, um einem den Eindruck zu vermitteln man bekomme vom tagesaktuellen Geschehen einiges mit und sei „relativ gut informiert“.

Sehr schön zeigen dies die Mitglieder der diversen Facebook-Gruppen. Ich habe hier mal Exemplarisch vier Beispiele herausgegriffen, es finden sich beliebig weitere. Wenn Sie auf Facebook sind, können Sie diese Gruppen hier, hier und hier finden.

Hier sagt ein gewisser Martin Schumacher, daß er es enttäuschend finde, wie diese „Akademia-Spiesser“ selbstzerstörerisch mit „Leistungsträgern“ in Deutschland umgehen. Aha. Gemeint ist vermutlich das Stammtischbekannte „heit kaff ma uns an G’Studierden!“. In der Regel nennt man dergleichen Sozialneid, aber lassen wir das…
Hier machen sich gleich zwei Herren Luft, sehr heftig sogar. Alex Klein beklagt eine „gleichgeschaltete Presse, Elfenbeinturmakademiker und eine scheinheilige Berufspolitikerkaste“ und bedient sich dabei so ziemlich jeder linken Anarchistenrehetorik der letzten 20 Jahre. Guttenberg wurde als „Hoffnungsträger“ demontiert, „weil er eine Gefahr war“. Das finde ich interessant weil hier der Effekt eintritt daß der Berufspolitiker zu Guttenberg offensichtlich mehr als Bunte-Sternchen wahrgenommen wird. Und hier beginnen ernsthafte Zweifel aufzutauchen…
besonders gelungen: Aufruf zu einer Straftat, nämlich Mail-Bombing. Es gibt ja keinen erkenntbaren Zweck der Mails, es geht drum die elektronischen Postfächer zu überfüllen. Das spricht für den Diskussionswillen der Beteiligten…
Hier zeigt sich gleich in mehreren Beiträgen dann das ganze Ausmaß der Ahnungsfreiheit. „Jeder“ habe ja schlicßlich schon einmal „irgendwo abgeschrieben“. Den Leuten ist gar nicht bewußt, worum es ging – oder es ist ihnen egal. Was das mit einem Wissenschaftsstandort, der nichts hat an Ressourcen außer der Qualität seiner Akademiker und Schüler, anrichtet ist dem gemeinen Konservativen scheinbar völlig egal. Dabei bin ich mir nicht einmal sicher ob das da wirklich klassische „Konservative“ sind. Gerade der Post von Nadine Melanie zeigt eher, daß sie mit Sicherheit mehr Bilder von zu Guttenberg kennt als Reden oder Programme. Über die Forderung, daß eine Uni zurücktreten soll spreche ich lieber gar nicht weil das selbsterklärend ist….

Diese Auswahl ist sicherlich nicht repräsentativ, aber symptomatisch. Ich kann jedem Empfehlen sich die Pinnwände der betreffenden Facebook-Gruppen anzusehen und sich selbst ein Bild zu machen. Seit einiger Zeit geistert durch das Netz auch dieses Video, daß mir ebenso symptomatisch erscheint:

Es ist zugegebener Maßen nicht wirklich einfach, sich diese Dame 11 Minuten lang anzutun aber tatsächlich zeigt sie sehr schön, worin das eigenartige am Phänomen Guttenberg liegt: Man weiß gar nicht wofür er steht.

Von unpassenden Vergleichen
Eines vorneweg: Ich verabscheue Nazi-Vergleiche. Sie stellen in jeder Hinsicht ein Versagen in der Diskussionskultur dar und in der Regel den Moment, in dem eine Diskussion abgleitet. Man nennt das Godwin’s Law. Tatsächlich ist dergleichen auch immer ein Zeichen für Argumentemangel.

Gerade aber Argumente fehlen den Anhängern des zu Guttenberg aber grundsätzlich. Zeit seiner Karriere habe ich nicht verstanden was der Hype um den Mann herum soll – weder als Wirtschaftsminister, noch als Verteidigungsminister ist er mir durch irgendeine Großtat besonders aufgefallen, eher im Gegenteil. Skandal reihte sich an Skandal, Lüge an Lüge und Fehler an Fehler. Das war nichts weiter ungewöhnliches, man sah einem Konservativen halt beim regieren zu.

Beispiel gefällig? Guttenbergs einzige Leistung als Wirtschaftsminister – und das wird tatsächlich als Leistung verstanden – war gegen einen Plan der Kanzlerin zu sein, zu sagen, er würde zurücktreten wenn sie ihm nicht folge und dann zu erklären, er habe in dem Plan der Kanzlerin, der 1:1 umgesetzt wurde, seine „abweichende Haltung wiedergefunden“. Für sowas heißt man als Sozialdemokrat „Lügilanti“

Der Maßstab bei Guttenberg ist ein anderer. Ein Großteil der Fans wird seltsam still wenn man das Argument „Er hat doch einen tollen Job gemacht“  mal hinterfragt. Die Dame von dem Video da oben war ja nicht unbedingt eine intellektuelle Höhenfliegerin, aber dennoch ist das eines der schönen Beispiele dafür, daß es nicht um Argumente geht sondern daß eine gewisse Gruppe versucht daraus eine Neiddebatte zu machen.  Und der Versuch zu erklären, daß es nicht um Neid, um Ablehung, um Haß und sonst irgendwas geht, sondern schlicht um eine praktisch nicht tragbare Situation prallt ab. Die Leute hören nicht zu. Ich selbst war auch nicht unbedingt der Ansicht, daß er deswegen zurücktreten hätte müssen, im Gegenteil, als Beispiel für einen „ehrbaren Konservativen“ wäre er für meine Begriffe ideal in dem Amt gewesen.

Nun zieht ein inzwischen berüchtigter Artikel gleich einen Vergleich zwischen Hitler und zu Guttenberg. Das ist provokant und ideel sicher daneben. Aber einige der Thesen sind sicher nicht falsch. Die Erregung über den Artikel hat in der Regel etwas damit zu tun, daß kaum einer über die Schlagzeile hinaus guckt – und daß eine Bewegung oft mit dem Äußeren verbunden wird und nicht etwa mit dem politischen Inhalt. Unreflektiert, unpräzise und vor allem ahnungsbefreit und ich frage mich echt, warum?

Vergleichen kann man den Schaum vor dem Mund mancher Anhänger allerdings vielleicht mit der Reaktion der Fans von Kaiser Franz Beckenbauer, wenn jemand wie die Titanic da etwas gemeines tut.  Zur Erinnerung: Titanic hatte seinerzeit im Namen des Büros von Franz Beckenbauer gefälschte Bestechungsbriefe an die Mitglieder des FIfa-Ausschusses geschickt und so die Entscheidung zugunsten von Deutschland herbeigeführt. Daraufhin rief die Bild-Zeitung dazu auf, bei Titanic anzurufen und der Lemming-Zug setzte sich in Bewegung. Titanic hatte die Anrufe der Bild-Leser mitgeschnitten – da mein Titanic-Abo älter ist als mein Internetanschluß habe ich das noch auf CD. Inzwischen gibt es die Anrufe aber auch auf Youtube in drei Teilen und Titanic macht sowas seither öfter….

Die große Demo
war dann so groß nicht. Ich war jetzt nur eine dreiviertel Stunde da, etwa dreihundert Menschen tummelten sich auf dem Rindermarkt in München und es war eine nicht unerhebliche Menge an Spaßdemonstranten dabei.

Da fragt man sich schon, wie bedeutungsvoll diese vermeintliche Bewegung ist, die besonders die Bild-Zeitung zum „Aufstand im Internet“ hochgejubelt hat. Gut, ein Klick ist schnell gemacht und Heidi, das schielende Opossum hat viermal so viel Fans wie Angie, die schielende Kanzlerin aber dennoch blieb ein gewisses Potential da das sich vor allem die Fans wohl erhofft hatten. Ich bin sehr gespannt ob bis heute Abend gegen 17 Uhr noch mehr kommen oder ob sich das ungefähr bei 300 Leuten einpendelt.

Fazit?
Was bleibt einem als Fazit zu schreiben? Zum Einen daß es besorgniserregend ist, inwieweit es den Menschen egal ist, was bestimmte Werte zu bedeuten haben. Zum Zweiten sicherlich, daß die Deutschen eine gewisse Demokratiemüdigkeit mitbringen, die „Lichtgestalten“ zu dem machen will was sie nicht sind. Das ist allerdings nicht nur die Schuld dieser Leute sondern allen voran ein Versagen der deutschen Politik vom Bürgermeister eines 100-Seelen-Dorfes bis hin zur Kanzlerin. Denn wenn Sie die Leute mal ernsthaft fragen, ob sie an unsere Demokratie glauben erstaunt doch immer wieder die Antwort: „Nein.“ Die Begründung liegt meistens darin, daß die Menschen die Politik als korrupt, abhängig von Lobbyisten und abgehoben wahrnehmen, nicht aber als Dienerin des Volkes. Das aber wäre ihre Aufgabe gewesen.

Aber es gibt auch eine dritte Sache, die nachdenklich stimmt. Die Menschen wehren sich gegen Medienmanipulation – so verstehen sie den Schildern nach zu urteilen die manche hochhielten die Guttenberg-Kampagne der „linken Hetzpresse“ – und lassen sich zu diesem Zweck bedenkenlos von den Medien, in dem Fall Bild und Bunte, manipulieren. Somit ist Manipulation okay, wenn sie von der richtigen Seite kommt?

Und ein letzter Gedanke überfällt eher rückwirkend noch meinen Artikel: Die Hetze von Seiten der Bild, aber auch von Seiten der vielen Fans des Barons führt zu einer ganz seltsamen Melange von Sarrazin-Anhängern und Guttenberg-Lemmingen, wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf. Diese Leute verstehen sich als „Opfer“ eines linken Mainstreams, der ihnen aufgezwungen sei und verhindere, daß man die „Wahrheit“ sagen dürfe. Und das ist tatsächlich nicht ganz ungefährlich – denn das macht für Manipulation besonders anfällig.

 

 

 

 

 

 

Ist das eigentlich ein Scherz..?

Im kaufmännischen Alltag der Internetplattform Amazon wurde schon vor einiger Zeit erkannt, daß man die Rezensionenfunktion zur politischen Agitation benutzen kann. Das ist besonders gut unter dem HetzSachbuch von Thilo dem Sarrazenen zu beobachten, nun gibt es auch köstliche Rezensionen unter der Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg.

Hier finden Sie die meiner Ansicht nach gelungenste, weil sie humorvoll und stilistisch gut ist – und vor allem ohne Häme auskommt. Und das fällt vielen scheinbar schwer was viel über diese Leute aussagt.

Aber eines muß man schon fragen: Hat Amazon Humor?

Haben Sie es gesehen? Genau, der Herr zu Guttenberg wird nur als Herausgeber, nicht aber als Autor tituliert. Warum?

Titanic setzt sich heldenhaft für die Gerechtigkeit ein!

In den vergangenen Tagen der iranischen Republik wurden zwei Reporter der Bild-Zeitung verhaftet, diegegen das iranische Einreiserecht verstoßen hätten. Abgesehen davon, daß die Inhaftierung von Springermitarbeitern zwar eine gute Idee ist, muß man doch festhalten, daß ein iranisches Gefängnis nicht unbeding das optimale Aufzuchtgelände, nicht nur für diesen Menschenschlag, sondern für jeden Menschen darstellt.

Wie sicherlich vielen bekannt ist, werden die Mitarbeiter einer großen Boulevardzeitung festgehalten, weil sie ein Interview mit einer zum Tode durch Steinigung verurteilten Frau führen wollten. An verschiedenen Stellen wurde darüber berichtet, allenzuvorderst selbstverständlich beim Springerverlag selbst und das ist auch ganz in Ordnung so. Selbst wenn der Verlag scheinbar nichts draus lernt.

Titanic nun, ein immer wieder lesenswertes Blatt auch wenn der derzeitige Chefredakteur Leo Fischer dringend nochmal in die Schule gehen sollte, hat in diesem Artikel nun einmal sehr fein die Masche der BILD-Zeitung umgedreht und auf die Herrschaften selbst zurückgeworfen. Ich verlinke mal das Titelbild dazu:

Man kann nun über Geschmack bekanntlich nicht streiten und im Grunde sollten wir es alle mit Macus Cole halten: „Früher einmal habe ich bedauert, daß das Universum so schlecht ist. Mittlerweile empfinde ich aber großen Trost in der allgemeinen Ungerechtigkeit, denn sonst würden uns allen ständig die Dinge widerfahren, die wir häufig verdienen.

Angstpanikmache

Wozu dient die Angstkampagne der Medien? Welchen Zweck erfüllt die mediale Aufrüstung? Und warum will Mathias Döpfner in den Krieg ziehen?

Im politischen Alltag unserer Republik gab es eine Reihe von Ereignissen, die den Zustand dieser Republik von einem demokratischen Staat in etwas anderes zu transferieren suchen scheinen. Da war ich mal ein paar Tage in England (und bin weder auf dem Hin- noch auf dem Rückflug nervösen Sicherheitsbeamten, noch beunruhigten Passagieren begegnet) und habe dann doch eine Menge Dinge verpasst, die zumindest Anlaß zur Sorge geben müssen.
Zur Begrüßung in München erhielt ich eine Bildzeitung die von der „Terrorangst in Deutschland“ schwadronierte und ein kurzer Blick in die größte Suchmaschine der Welt offenbart ein massives Medienecho. Natürlich hat keiner aus dem Bombenattrappenvorfall gelernt. Ganz besonders die unsägliche Vierbuchstabenzeitung benutzt den Begriff ja recht gerne um mulmige Gefühle zu schüren und neben der von Heribert Prantl gut erkannten Problematik, daß selbst das frühere Qualitätsblatt Spiegel bei dieser Panikmache eifrig mitmacht, inzwischen aber wenigstens beginnt sich selbst ein bisschen zu hinterfragen, frage ich mich ehrlich gesagt vor allem, wem das eigentlich wirklich nützt.
Es stimmt: Der Innenminister hat kein einziges Gesetz angekündigt das er als Reaktion auf diese „Neue Bedrohungslage“  initiieren will, aber dennoch bleibt da ein diffuses Mißtrauen übrig. Man erinnere sich: Kurz vor der Bundestagswahl schein die SPD einen Aufwind zu erleiden und die Union samt Freiheitspartei bekamen es mit der Angst zu tun. Fast schon begeistert verkündete dann die Welt, daß doch endlich ein bisschen Angst vor dem Islamismus herrschen kann und deswegen der alte Wähler-Link wieder funktioniert: Islamismus –> Islam –> Ausländer –> Linke für Ausländer –> Grüne für Terrorismus –> CSU beschützt uns. Das ist eine moderne Rote-Socken-Kampagne die insbesondere bei konservativen Hirnen nicht schlecht zu funktionieren scheint. Schließlich wollte die SPD ja auch immer den Anschluß an die Sowjetunion, nicht wahr?
Das wird nun wieder vorbereitet. Wieder wird eine diffuse Angst geschürt und gezielt mit Ressentiments verbunden. Dabei vergißt man auch nicht die wirtschaftliche Keule. Einzig die ZEIT scheint in der Lage zu sein, bei all dem Rauschen im Blätterwald eine kleine, aber nicht unwichtige Information unterzubringen: Nämlich daß es gar keine konkreten Warnungen gibt.
Und das wirft auf den Herrn Innenminister ein ganz anderes, durchaus interessantes Licht. Denn wenn es gar keine konkreten Hinweise gibt – warum warnt der Herr de Mazière dann eigentlich so konkret, wenn auch unaufgeregt. Warum genau platziert er sich als Stimme der Vernunft in der von ihm selbst erzeugten Hysterie?
Hauptsächlich geht es in Politik und Medien darum, Themen zu besetzen. Nicht unbedingt Positiv, aber mit bestimmten Begriffen soll im Idealfall auch eine Partei verbunden werden. Besonders hervorstechen kann in dieser Hinsicht die CSU, der es gelungen ist, so ziemlich alles, was mit Bayern zusammenhängt zu verkörpern – selbst das Oktoberfest schafft einen gedanklichen Link zur Staatspartei. Sicherheit ist ein typisches von der Union besetztes Thema.
Wenn die konservativen Leitmedien wie die „Welt“ und ihr Chefangsthaber Döpfer sich um das Panikmachen kümmern, dann kann die Vernunftseite auch besetzt werden und andere Parteien bleiben in dieser Debatte außen vor. Googeln Sie Terror oder einen anderen Begriff, die Union ist der Meinungsführer in den Veröffentlichungen. In beiden Richtungen. Und dabei gelingt es, schon fast gemeingefährliches Gedankengut unterzubringen. Ich zitiere mal Döpfner (aus dieser Quelle):

Seit einer Woche ist Deutschland im Ausnahmezustand: Vor den Kaufhäusern steht ein Polizist, in den U-Bahn-Schächten wachen Sicherheitsbeamte, und vor dem Reichstag in Berlin stehen gepanzerte Fahrzeuge. Die Angst geht um in der Bundesrepublik, denn ein Aussteiger hat berichtet, dass islamische Fundamentalisten unser Land aus den Angeln heben wollen. Ein Anschlag auf den Reichstag sei geplant. Ausgerechnet der Reichstag, der 1933 brannte, bevor die Nazis das Land für den Holocaust mobilisiert haben. Wir aber üben uns in Gleichmut. Die Kanzlerin mahnt zur Gelassenheit. Ruhe sei die erste Bürgerpflicht. Das stimmt, denn wir wollen unsere Agenda nicht von Terroristen bestimmen lassen. Aber es stimmt auch nicht. Die Ereignisse haben viel miteinander zu tun. Unruhe ist auch Bürgerpflicht. Denn es geht um die Freiheit. Und die ist so gefährdet wie seit 70 Jahren nicht mehr.
(…)
Und die Deutschen? Ich fürchte: Die Deutschen haben aus dem Trauma des Dritten Reiches und des Holocaust leider überwiegend die falsche Lektion gelernt. Das nationalsozialistische Deutschland war eine von einem Diktator geführte Gesellschaft, die auf einer systematisch angelegten Freiheitsberaubung des Individuums basierte. Kollektivistisch, autoritär, ressentimentgeladen, neidgetrieben, rassistisch, nationalistisch, sozialistisch trieb Deutschland auf Vernichtungskrieg und Massenmord zu, ohne dass jemand rechtzeitig einschritt. Die Lektion dieser Erfahrung hätte sein müssen: Nie wieder Unfreiheit, nie wieder Rassismus, nie wieder antidemokratische Autorität. Und vor allem: mehr Wehrhaftigkeit der freien Gesellschaften. Konkret heißt das: Wehret des Anfängen! Und noch konkreter: Wo immer unfreiheitliche Energien auszumachen sind, vor allem dort, wo sie unsere Interessen berühren, muss mit Nachdruck und zur Not als Ultima Ratio auch mit militärischen Mitteln die Freiheit verteidigt werden. Und der beste Weg, die Ultima Ratio nicht eintreten zu lassen, ist es, sie nicht auszuschließen. Stattdessen hat man die deutsche Lektion so interpretiert: Nie wieder Krieg, nie wieder militärische Involvierung, nie wieder sollte Deutschland irgendwo eine Führungsrolle übernehmen wollen. Der gute Deutsche als europäisches Wir ohne eigene Interessen, als Pazifist, der sich heraushält. Dass mit dieser Haltung Unfreiheit, Diktatur, Rassismus, Massenmord ermöglicht statt verhindert werden, ist bisher kaum aufgefallen. Lernen wir aus der Geschichte nur, dass wir aus der Geschichte nichts lernen? Oder wird der freie Westen es diesmal besser machen?
Der 11. September war das Menetekel eines Heiligen Kriegs gegen unsere westlich-freiheitliche Lebensform. Entweder wir haben die Symbolik des gefallenen World Trade Center verstanden und nehmen den Kampf an. Oder wir sind verloren.

Haben Sie es gemerkt? Ausnahmezustand am Anfang, Angst und Panik die darin Ausdruck findet das ein Polizist das Kunststück vollbringt, vor allen Kaufhäusern zu stehen. Die Erklärung, Panik sei Pflicht weil ein Aussteiger irgendwelche Warnungen von sich gegeben hat. Und dann der Link nach unten – es geht um die Freiheit. Und die muß notfalls mit Krieg verteidigt werden. Natürlich nicht, indem man seine Grenze schützt sondern mit Krieg gegen die Kräfte der Unfreiheit (die „Islam“ zu nennen er sich hier wohlweislich weigert aber herausarbeitet und meint) bei denen zuhause. Hier bei uns ist Freiheit zu verteidigen, Angst zu haben vor der “ systematisch angelegten Freiheitsberaubung“ die uns droht, und diese Angst zu bekämpfen. Am besten durch systematisch angelegte Freiheitsberaubung?
Die deutsche Lektion, die er hier anspricht ist zunächst einmal eigentlich nicht falsch: Was haben wir militärische Verteidigungen von Wirtschaftsinteressen auf dem Globus zu installieren? Das hat der Deutsche kapiert. Bislang. Unter Rot-Grün kam es dann zum ersten militärischen Eingreifen Deutschlands im Ausland aber wo? Im ehemaligen Jugoslawien. Auch da könnte man drüber streiten aber de facto fand dort ein Völkermord vor unserer Haustür statt und dazusitzen und zuzuschauen hätte uns mit schuldig gemacht. Pazifismus um des Pazifismus willen ist der Gipfel des arroganten Egoismus, wenn er einen daran hindert jenen, die Not leiden, zu helfen. Ja.
Aber das findet doch kaum statt? Glaubt irgendwer wirklich, daß wir in Afghanistan Bürgerrechte verteidigen? Menschen beschützen? Glauben Sie, es geht um Menschenrechte beim Irak-Konflikt? Oder doch eher um Schürfrechte?
Döpfner entwirft in seinem Kommentar eine schöne konservative Welt, in der Deutschland Israel dabei hilft, sich gegen den Iran zu verteidigen und darum aufrüsten muß. Israel mißinterpretiert der Springerjournalist wohl im Gleichschritt zur BuReGier denkend offenbar als Bollwerk der Freiheit gegen den Kommunismus Islam.
Und so ganz nebenbei scheinen Konservative wie Döpfner ernsthaft zu glauben, daß der Deutsche seine Schuld sühnen kann, wenn er nun Israel verteidigt. Blut vergießen um der Sühne Willen, wie biblisch, wie antik. Um den friedensliebenden Deutschen aber dazu zu bringen sich für ein solche heheres Ziel zu engagieren ist es halt notwendig, ihm Angst zu machen und ihn im richtigen Sinne zu manipulieren. Willige Erfüllungsgehilfen sind die Boulevard – Medien. Und der Spiegel. Na dann gute Nacht.