Nachdem ich einige recht unfreundliche Kommentare erhalten habe möchte ich doch kurz dazu Stellung beziehen, daß ich als Sozialdemokrat mit einem Mann wie dem Weiß Ferdl so viel anfangen kann. Der wird ja gerne als Nationalsozialist beschrieben, was nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig ist.
Weiß Ferdl, eigentlich Ferdinand Weisheitinger, ist 1883 geboren worden und starb 1949. Er war als bayerische Volksschauspieler und Sänger bekannt, aber vor allem seine satirischen Bühnenprogramme sind heute den meisten überliefert, darunter eben die Linie 8, wie auch das bayerische Wikipedia in aller Kürze vermerkt. Er war, das muß man klar sagen, ein früher Anhänger des Nationalsozialismus, trat allerdings erst um 1940 der Partei bei, was vermutlich auch mit seinen zum Teil sehr kritischen Bühnenwerken zu tun hatte.
Weiß Ferdl war sicher kein Widerstandskämpfer, aber er hat in einer Zeit, als ein Großteil des Volkes sein Denken kollektiv eingestellt hatte, sich immerhin Geist und Charakter bewahrt. Es geht das Gerücht, daß er öfter mal nach Bühnenauftritten von der stets anwesenden Polizei einkassiert worden ist und sogar eine regelrecht private Zelle in Stadelheim hatte. Ein schönes Beispiel war ein Auftritt mit einem großen Koffer. Er verkündete dem Publikum und den dort anwesenden Polizisten, er habe „die ganze Regierung darin“. Auf Befehl des sofort herbeigeeilten Schutzmannes öffnete er den Koffer in dem sich nur Stofffetzen befanden. Als der Polizist nach kurzer Durchsuchung eher überrascht rief: „Da sind ja nur Lumpen darin!“ Soll der Weiß Ferdl locker geantwortet haben: „Das haben jetzt Sie gesagt.“ Den Mut sieht man heute eher bei den Priols und Schramms, eher selten schon bei einem Pispers und kaum bei einem anderen.
Ein anderes Beispiel, das mir meine Großmutter erzählt hat, gefällt mir noch besser: Weiß Ferdl betritt mit einem Hitlerporträt die Bühne, stellt es zunächst an die linke Seitenwand, dann an die rechte, anschließend in die Mitte. Auch das gefällt ihm nicht und er hält es an verschiedenen Stellen am Hintergrund hoch. Schließlich, bislang wortlos, nun scheinbar ratlos, wendet er sich ans Publikum und fragt: „Was meinen Sie? Hänegen wir ihn auf oder stellen wir ihn an die Wand?“
Weiß Ferdl hat sich auch immer kritisch mit seiner Zeit auseinandergesetzt. So hat er 1946 sehr schön im Refrain des Liedes „Unser Fähnelein weht weiß und blau“ eingefügt: „Und jetzt weht’s Fähnelein wieder – mit Genehmigung der Militärregierung – aber weiß und blauhu!„. Auch sah er den Entnazifizierungsvorgang eher kritisch, man darf gerne drüber streiten wie er es meinte wenn er ins Publikum 1946 rief: „Und wenn ihm sonst nichts zu beweisen war: Hitler-Briefmarken hat er bestimmt von hinten abgeleckt!“ Ein anderer Stropheneinsatz fällt auch auf, wieder aus dem „Fähnelein“:
„Das Bayernlandle, ja, das muß bestehen.
Wo soll’n die vielen Flüchtling‘ auch sonst hingehen?
Mir wer’n net weniger, auf keinen Fall
zu uns da kummans her von überall.
Do geht’s uns guat, sie wissen’s ganz genau:
Wo aber weht das Fähnelein schön, aber weiß und blau?“
Erinnert in gewissen Noten doch an sehr aktuelle Aussagen, nicht wahr? So richtig haben sich manche Dinge nicht geändert. Einen anderen Text vom Weiß Ferdl möchte ich Ihnen hier noch vorstellen, er stammt aus dem Jahr 1932 und heißt: „Die Großkopferten“.
Bevor ich den Text nun bringe, zur Unterstützung meiner Nordlichterleser: Ein „Großkopferter ist einer, der bestimmt. Am Ort sind das meist die reichen Bauern und heutzutage eventuell die Familien mit viel Grundbesitz oder einer Firma. Auf Bayern bezogen sind es die Großindustriellen, die Großbanker und die Spitzenpolitiker. Das sind Großkopferte.
Schon im Altertum freuten sich die Leute, wenn ein Spaßvogel über die Großkopferten etwas sagte. Und das ist bis zum heutigen Tage gleich geblieben. zur Zeit hat halt ein Komiker bei diesem Thema Konzentrationshemmungen, Sie werden das verstehen. Aber ich weiß auch, das die wirklich großen Männer, daß die auch einen Spaß verstehen, die lachen selber drüber, und sie wissen ach, daß wenn ein kleiner komiker einen Witz macht, daß ihre Position noch lange nicht erschüttert ist.
Unangenehm sind aber die anderen, die sich immer einbilden, Großkopferte zu sein, und sind gar keine. Sie, Gschaftlhuber hat’s schon immer gegeben, man nennt sie jetzt ‚Hundertzehnprozentige‘. Man wird doch noch lachen dürfen. Es heißt ja immer: ‚Kraft durch Freude‘. Gibt es eine größere Freude als wie die Schadenfreude?
Nein. Über die prominenten Persönlichkeiten existieren schon viele Witze, die die Herren sicher selber kennen. Interessant ist es nur, wie die erzählt werden. Während die wirklichen Nationalsozialisten, SA und SS solche Witze wirklich hemmungslos und mit voller Namensnennung erzählen, ihnen kann ja nix passieren, sind andere etwas vorsichtiger:
Er trifft einen Freund, will ihm den Witz erzählen, schaut rechts, schaut links und nach unten und dann wispelt er ihm ins Ohr den Witz. Wenn nun sein Freund lacht, dann ist alles in Ordnung, wehe aber wenn der ein bedenkliches Gesicht macht: Dann kriegt’s der Witzeerzähler gleich mit der Angst und sagt: „Ja, ich hab ihn halt auch g’hört, ja? Er wird jetzt überall erzählt, mhm, ja, also, Heil Hitler, gell?“
Der Name des Führers, der muß viel zudecken, wenn sich zwei streiten, so kommen sie sofort auf das politische Gebiet.
Neulich hat ein Hausbesitzer, eines der bedauernswertesten Geschöpfe der Jetztzeit, mit einem Spenglermeister einen Krach gehabt, wegen den Dachrinnen, ned, und sagt also: „Ihr seid’s ja ausg’schamt, mit Eich konn ma ned orbeiten, Ihr seid’s ja ärger wie sie Juden!“ Jetzt fängt der Spenglermeister an: „So? Da hoaßt’s allweil ma soit dem Handwerkererstand wiada auf’s Fiaß heifa, weil ma a so scho hoibat am verrecka san; na wenn ma a paar Penning verlang‘, na is Eich grod as zuvui, es Hungerleider, es traurigen! Es wart’s ma die richtigen Volksgenossen, hm? Woit’s an Hakenkreuzfanderl raushänga und am andern de Gurgl zudrucka, schamt’s eng!“
Jetzt fing aber der Hausbesitzer an: “ A so kamst ma Du, Du Aprilnazi, Du trauriger, Du eam schaug o, Du bist ja erst zu uns kemma wias koa andere Partei mehr geb’n hat..!“
Man könnte das nun ewig fortsetzen. Ein Stück Zeitgeschichte ist es allemal. Eines aber möchte ich trotzdem gesagt haben: Auch das gehört zu unserer Vergangenheit – und ehrlich gesagt, einen besseren Blick auf die Verhältnisse als so durch eine Quelle kann man kaum bekommen.