Von der Moral…

Eine Erzieherin arbeitet für die katholische Kirche. Nach 12 Jahren allerdings gestattet sie sich ihr Coming-Out und gesteht ihrem Arbeitgeber, daß sie lesbisch sei. Pikanter Weise befindet sie sich zu diesem Zeitpunkt – man liest es leicht verblüfft – im Mutterschutz. Dennoch kündigt ihr Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis weil es sich dabei um eine „schwerwiegende Loyalitätspflichtverletzung im Sinne der kirchlichen Grundordnung“ handeln soll. Aha.

Wie die Sueddeutsche Zeitung berichtete, hat die junge, lesbische Dame wohl zumindest die erste Instanz gewonnen. Entschieden ist aber in Wahrheit noch gar nichts, denn die Kirche prüft, ob sie gegen das Urteil Berufung einlegt und vor allem ändert sich ja nichts an der Situation; Sobald sie aus dem Mutterschutz kommt wird sie von der Kirche entlassen. Sie könnte sicherheitshalber vielleicht noch eine Maultasche essen, aber vermutlich braucht sie das nicht. Auf der Homepage der Sueddeutschen findet sich der komplette gerichtliche Vorgang, den ich auch eigentlich unkommentiert lassen möchte.

Deutlich faszinierter bin ich zum Einen von der kirchlichen Doppelmoral, die sich hier wieder einmal offenbart: Einerseits betreibt die Kirche ein reges Verschleiern der sexuellen Neigungen und Vorlieben ihrer (geweihten) Bediensteten, bezahlt für die illegitimen Kinder und schaut bei homosexuellen Priestern weg, andererseits werden nicht geweihte Angestellte bei Bedarf entlassen. Ich kann mich gut an die ganzen Regeln erinnern, die mir eine Komilitonin, die das katholische Religionslehramt studierte, erläuterte. Sie mußte unter anderem zur Schutzbehauptung greifen, weder bei ihrem Freund, noch bei einem anderen, nicht verwandten Vertreter des anderen Geschechtes zu leben, also auch nicht in einer gemischten WG. Lustig, wenn sie eine Lesbe gewesen wäre…
Die katholische Sexualmoral ist in ihrer propagierten Art ein wenig altmodisch, in der praktizierten Art verlogen. Die Liebe wird als Machtinstrument verstanden und wohlweißlich reglementiert, der Fortpflanzungstrieb kann dem Gläubigen eigentlich nur unter kirchlicher Erlaubnis befriedigt werden ( = „Sakrament der Ehe“) mit den entsprechend bitteren Ergebnissen. Und das Verhalten der Kirche im Rahmen der systematischen sexuellen Ausbeutung von Kindern („Dienst am Hirten“) durch ihre Bischöfe, Pfarrer und Erzieher, da wollen wir lieber nicht von anfangen. Das meine ich mit verlogen.

Was mir aber zweitens viel mehr aufstößt, um nicht zu sagen, wirklich ankotzt ist die Tatsache, daß irgendeine Religionsgemeinschaft, völlig wurscht welche das ist, sich anmaßen kann, die Besetzung eines Arbeitsplatzes an einen persönlichen GLauben oder eine bestimmte Sexualpraktik zu knüpfen. Daß so etwas arbeitsrechtlich überhaupt möglich ist (Was der Richter ja schön lapidar mit  den Worten „Wer für die Kirche arbeitet, ist selber schuld.“ kommentiert.)
Regeln hat jeder Arbeitgeber. Manche verlangen einen gewissen Dress, ein bestimmtes Auftreten, keine Piercings oder extremen Frisuren, gewisse Fähigkeiten und Fertigkeiten werden immer vorausgesetzt. Das ist völlig normal. Aber wir sind schon beim Besetzen von Stellen nach Geschlecht oft am Rand der Diskriminierung weil es keinen Grund für eine Geschlechterspezifische Besetzung gibt: Weder sind Männer automatisch die besseren Chefs noch per se die schlechteren Kellner. Natürlich gibt es Männer, die bessere Chefs als Kellner sind aber das gilt auch umgekehrt.
Ein kirchlicher Arbeitgeber darf mich aber nach meiner Religionszugehörigkeit befragen und mir Vorschriften über meine Partnerwahl im Schlafzimmer machen. Ich zitiere mal in Auszügen eine Stellenausschreibung der evangelischen Landeskirche:

„Stellenausschreibung des Landeskirchlichen Archivs der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern
[…]
Ihr Profil:
[…]
– Mitgliedschaft in einer evangelischen Kirche (vorzugsweise der evangelischlutherischen)“

Was hat die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die eine bestimmte Weltanschauung pflegt, mit den Diensten und Fähigkeiten eines Archivars zu tun? Warum muß man religiös sein, um eine Hilfsarbeit für Historiker verrichten zu dürfen?

Religion ist Privatsache. Was wer glaubt interessiert mich nicht. Wenn einer meint, er müsse bei Vollmond um Mitternacht einen Ochsen melken so soll er es tun – er und der Ochse werden schon sehen was sie davon haben. Weder den Staat, noch meinen Arbeitgeber oder sonst jemanden geht mein persönlicher Glaube etwas an. Das ist eine Sache zwischen Gott (oder den Göttern) und mir. Eine Weltanschauung als Grundvoraussetzung für eine Arbeitsstelle…. man darf nur hoffen, daß andere nicht auf die Idee kommen, diesem Beispiel zu folgen. Das gab es schon mal – war der sogenannte „konservative Lösungsansatz der sozialen Frage“ in der Zeit des Kaiserreiches. Ein gewisser Herr Krupp baute Arbeitersiedlungen und Schulen und verlangte im Gegenzug von seinen Arbeitern, bei den Reichstagswahlen in seinem Sinne abzustimmen. Käme heute irgendwie auch nicht gut an in der Öffentlichkeit, oder? Aber die Kirche(n), die darf alles.

Nachträglicher Einwurf am Rande: Wo bleibt eigentlich eine Sarrazineske Auslassung des Islamophoben Mobs darüber, daß vermutlich auch islamische Einrichtungen streng auf die religiöse Orientierung ihrer Putzkräfte achten? Einfach, weil in Deutschland die Religionsfreiheit von manchen als Narrenfreiheit verstanden wird und man als „Kirche“ schlicht machen darf was man will?