Es ist immer wieder faszinierend, wie das Fernsehen funktioniert. Das sogenannte Unterschichtenfernsehen lebt davon, Menschen bloßzustellen die nur wenig vom Leben haben und denen in durchaus böswilliger Absicht Hoffnung gemacht wird: Letztendlich scheint der Unterhaltungswert darin zu bestehen, daß die Hoffnungen wieder kaputtgemacht werden. Aber da gibt es ja noch das bürgerliche Fernsehen.
Bürgerliches Fernsehen ist heute das, was früher auch Unterschichtenfernsehen war. Wenn früher Oliver Geissen oder einer seiner Klone ihre Sendung dazu benutzt haben, um Lebensstile vielleicht zu karikieren aber mit Sicherheit Laiendarsteller dazu benutzt haben, Menschen bloßzustellen, so macht dieses Format, Talkshow genannt, heute das bürgerliche Fernsehen. Ob das seit einiger Zeit Günther Jauch ist oder Anne Will, sie alle haben stets eine irgendwie illustre Runde und geben vor sich mit dieser zu unterhalten. Hauptsächlich ist der Zweck der Sendung, daß Platitüden von Platitüdenbaronen und -baronessen unkommentiert abgesondert werden dürfen weswegen Fernsehen nach wie vor ähnlich unterhaltsam ist wie das angucken von Sofakissen.
„Menschen bei Maischberger“ nennt sich auch so ein Format daß Sie, verehrter Leser, vermutlich besser kennen als ich der es bislang vermieden hat einen Fernseher anzuschaffen. Damit auch nur ja jeder mitbekommt was der eine oder andere zu sagen hatte gibt es in den sogenannten Qualitätsmedien wie der Süddeutschen Zeitung dann immer eine Nachkritik, in der die Sendung einfach nochmal erzählt wird. So auch bei dieser Sendung. Die Kritik bewog mich, die Sendung in der ARD-Mediathek nachzuschlagen und selbst anzusehen, denn hauptsächlich beschäftigte sich die Kritik damit, daß der Pirat Ponader nichts gesagt habe und dafür auf Twitter verspottet wurde.
Mal ganz abgesehen davon, daß ich durchaus nachvollziehen kann, daß man sich gegenüber rhetorisch gut geschulten Leuten ein wenig ins Abseits gedrängt fühlen kann, hatte diese Sendung einen interessanten Aspekt schon gleich zu Anfang herausgearbeitet: Was für Gesäßviolinen die Oberschicht zu bieten hat.
Tatsächlich eröffnete die als „Selfmade-Millionärin“ vorgestellte Claudia Obert die Talkrunde mit einem derart unerträglichen Gesülze, daß man schon fast vergaß sich über diese penetrant widerliche Stimme zu ärgern, die schwer an „Deckname Tinitus“ Birgit Homburger erinnerte. Ich darf zitieren:
Maischberger: „Frau Obert, Herr Ponader sagt, er brauche 1000 Euro im Monat zum Leben. Bei dem Lebensstil den Sie gerne haben, wie lange würden Sie dann damit auskommen?“
Obert: „Also, ich mein, ich verdien‘ mein Geld mit glamurösen Artikeln und Luxus und ich meine, ich sag mal so, das ist wie bei Anne-Sophies Mutter, die geigt auf ’ner Stradivari. Und, äh, ich bin keine Millionärin, ich leb, wie ’n Millionär, ja?“
Maischberger: „Sie sind keine Millionärin?“
Obert: „Vom Lebensstil vielleicht, ja. Ich mach mir, ähnlich wie Herrn Ponader, ich mach mir nix aus Hab und Gut, ich sag immer: Reich gelebt und Arm gestorben ist dem Teufel die Rechnung verdorben. Aber ich denk‘ mir, das Geld das bei halt immer so durch den Siffon sickert ist natürlich, äh…“
Maischberger: „Jetzt verstehe ich: Sie wären gerne Millionärin wenn Sie nicht gerne Geld ausgeben würden, sondern es vielleicht sparten, kann man das so sagen?“
Obert: „Also ich sag mal so, ich gebe eher am Tag 1000 Euro aus als daß ich 1000 Euro spare und so sehe ich mich eigentlich als sehr, sehr positives Element dieser Volkswirtschaft oder der Weltwirtschaft. Ich reis‘ natürlich auch viel, ja? Eröffne meinen Horizont und gucke mich um, New York, Tokio, was meinem Buissiness ja zugute kommt. Auch viel natürlich..“
Maischberger: „Aber Sie tragen ja auch gerne schönen Schmuck, wie man sieht.“
Obert: „Ja was soll ich denn ne Litfaßsäule für Luxus, ich sag ja, Anne-Sophies Mutter geigt auch auf ’ner Stradivari, und ich kann ja nicht Luxus verkaufen oder Schnaps brennen, wenn ich nicht weiß wie Schnaps schmeckt.“
Maischberger (kichert): „Sie kommen aus einer Beamtenfamilie, vier Kinder zuhause, das ist jetzt wahrscheinlich nicht arm aber auch nicht üppig, oder?“
Obert: „Also meine Eltern haben jeden Dollar umgedreht und mein Vater war sogar Finanzbeamter, und ich kann eigentlich nur sagen jeder zweite Satz von meinem Vater war ‚Wenn der Staat ein Privatunternehmen wäre, dann wäre er schon längst pleite.‘ Die können nicht mit Geld umgehen.“
Maischberger: „Waren Sie denn jemand der schon als Kind die Idee hatte ‚Ich möchte mal im Luxus leben, wenn ich groß bin‘?“
Obert: „Also mich hat neulich eine meiner besten Kundinnen gefragt, und eine der reichsten Frauen von Deutschland, ’nach wem kommen Sie eigentlich – nach Ihrem Vater oder Ihrer Mutter?‘ und dann habe ich gesagt: ‚Ich, ich komme nach Onassis’…“
Maischberger: „Nach Onassis?“ [gemeint ist wohl der Reeder Aristoteles Onassis, anm. v. Lastknighnik]
Obert: „Ich geb ehrlich zu, ja, ich geh nach dem Geld, ja? Geld ist nicht wichtig, wenn’s nur viel ist.“
Maischberger: „Und es macht glücklich?“
Obert: „Ich sag mal so, Sie können nicht das Fernsehen anschalten, ohne daß da über Geld argumentiert wird, ja?“
Maischberger: „Och, es gibt ein paar Sendungen, wo’s nicht so häufig vorkommt..:“
Obert: „In erster Linie ist mir meine Gesundheit wichtig und mein Selbstbestimmungsrecht. Ich bin mein eigener Herr und ich kann über mich selbst bestimmen, bin von niemandem abhängig, jeder muß für sein Brot und Butter klarkommen und mir ist es natürlich lieber, ich leb für Champagner und Kaviar und ich hab angeblich… ist mir zugetragen worden daß auch Frau Wagenknecht gesagt hat bei Harald Schmidt als Sie gefragt wurde ‚Was finden Sie toll am Kapitalismus?‘ ‚Mein Lebensstil‘. Ich lebe lieber in Reichtum als in Armut. Lieber reich und glücklich… lieber reich und gesund als arm und krank, das ist meine Devise.“
Und so weiter. Nachdem die Dame so viel über Stradivaris parlierte bin ich um den Begriff Gesäßvioline nicht herumgekommen, als sie dann endgültig den Piraten Poneder auf’s Korn nahm. Poneder erzählte das Gleichnis von der Maus Frederick, das letztendlich besagt, daß auch diejenigen, die vielleicht nur erzählen einen Teil zur Gesellschaft beitragen.
Das qualifizierte die Dame ab indem sie sinngemäß sagte: „Ich philosophier auch gerne und lese Bücher [Anmerkung: Ponader sprach von einem Kinderbuch aus dem Kindergarten…] aber wenn man Hunger hat muß Brot und Butter auf den Tisch oder ein Schnitzel und mit so einem Gefasel kann man nichts anfangen.“ Sie bestimmt nicht, verstanden hat sie nicht einmal die leichte Kindergeschichte über die Frage, was wichtig im Leben sein kann.
Interessant war an dem Auftritt dieser von der Süddeutschen liebevoll als „schriller Paradiesvogel“ titulierten Obert vor allem der argumentative Strang: Sie gönne ja „so Leuten“ wie Herrn Poneder ihren Lebensstil, also sie wolle jetzt kein despektierliches Wort für sie benutzen, aber ständig sprach sie über ihre Selbstbestimmung. Frau Obert, Selbstbestimmung heißt eben auch zum Beispiel als Künstler zu leben weil man sich da berufen fühlt. Und eben nicht Designerklamotten zu entwerfen. Freiheit, die eingegrenzt wird durch die Wirtschaftlichkeit ihrer Ideen ist keine Freiheit sondern reine Ökonomie. Herr Ponader hat sich den beleidigenden Äußerungen auch meines Erachtens nach gekonnt entzogen und eine sehr höfliche Form gewählt, um ihr Paroli zu bieten: „Vielen Dank.“
Letztendlich ist das bürgerliche Fernsehen hier zur Vorführung der Ober- statt der Unterschicht verkommen. Aber alleine dafür, daß ich mal wieder erleben durfte, was für eine Art „Mensch“ in der Oberschicht herumlaviert, und wie wenig Rücksicht man auf diese Leute nehmen muß wenn es um Gerechtigkeit geht, weil sie selbst völlig ohne soziale Empathie sind (Zitat: „Ich bin sowieso der Meinung, daß es in Deutschland keine Arbeitslosen gibt, sondern nur Arbeitsscheue“), dafür vielen Dank an Herrn Ponader.
Man muss doch sagen, dass die Sendung gestern quasi nur Vertreter bzw zumindest Argumente für linke (weil viele nicht wissen, was das ist: links bedeutet, eine Politik vom Volk fürs Volk, während rechts Politik von einer Elite für eine Elite bedeutet, nicht weniger und auch nicht wirklich mehr) Politik war.
Die gute Frau Luxusartikel? Die war – wenn auch wohl unbeabsichtigt – doch Satire in Reinkultur.
Koppler hat wie üblich seine gesamte Menschenverachtung von sich geben und wie immer bewiesen, dass er aus einem Spiegeluniversum stammen muss, da in seiner Welt die Geschichte gänzlich anders verlaufen sein muss, als bei uns. Grob zitiert: Einem Land geht es umso besser, je mehr Reiche es hat.
Also in unserer gesamten Menschheitsgeschichte war das stets genau umgekehrt, sieh Jahrtausende mit reichen Sklavenhaltern, Feudalherren und Co – doch darum geht es dem Chefredakteur der ultrarechten Weltwoche ja auch, selbst wenn er das Wort nie in den Mund nehmen wird.
Im Vergleich zum letzten Mal, als ich Rossmann in so einer Runde gesehen habe, war er dieses Mal dagegen fast schon harmlos, aber natürlich immer noch eine Witzfigur ohne ein einziges auf Fakten beruhendes Argument. Er? Ein Wohltäter? Das Stück zahlt auch nur 5-6€ und DM ist immer noch günstiger als er, mit besseren Produkten.
Die ganzen richtigen Hintergründe und Fakten muss ich hier ja sicherlich nicht aufzählen, die kennt ja ohnehin längst jeder, der sich ernsthaft damit beschäftigt und die anderen würden es hier eh nicht lesen.