Als ich heute von der Arbeit nach hause kam begegneten mir gleich dreierlei Dinge, die irgendwie nachdenklich stimmen. Eine Begegnung zwischen zwei Menschen, ein Bettler und eine bettelnde Rentnerin.
Im Münchner Studentenviertel zwischen Maxvorstadt und Schwabing begegnen einem zwischen Frühling und herbst stets eine Gruppe von Gestalten, die um eine kleine Spende bitten. Sie sind meist südländischer Herkunft, gehen samt und sonders mit einer Krücke umher und – ganz wichtig – sie haben die Straßen offenbar deutlich nach Bezirken unter sich aufgeteilt.
Das wäre soweit ja ein ganz normales Verhalten in einer Großstadt allerding sind diese Jungs offensichtlich ziemlich gut organisiert – sobald ich mal einen freien Abend habe finde ich mal heraus woher die eigentlich kommen und vor allem wo die wohnen. Ich habe nicht das geringste dagegen, daß sie Hilfe benötigen und würde ihnen auch gerne helfen. Allerdings glaube ich in dem Zusammenhang nicht an echte Armut, sondern eher an eine straff durchorganisierte Geschichte bei der vielleicht ein Dritter mitverdient.
Es gibt hier im Viertel einen oder zwei Obdachlose die gelegentlich nach Geld fragen – oder sich auch mal einen Kaffee spendieren lassen. Die kennt man und das sind ziemlich liebe Kerle, einer von ihnen ist ein hochgebildeter Mann der mir mal erklärt hat, seine selbstgewählte (und eigentlich in Deutschland nicht zwingend notwendige) Lebensweise sei seine Art, das System zu ignorieren. Er ignoriert das System und das System ignoriert ihn meistens auch. Naja, warum denn nicht, das ist ein freies Land. Bei den Studentenprotesten vor ein paar Jahren konnte man ihn stets antreffen – ob das allerdings etwas mit einer politischen Haltung zu tun hatte oder doch eher mit der Volksküche bleibt mal dahingestellt.
So ganz einfach ist dieses Leben sicher auch nicht – vergangenen Winter erfror ein Obdachloser nahe der U-Bahnstation Universität.
Das zweite, was mir begegnete war eine Rentnerin. Sie stellte sich als Luise vor und bat um zwei Euro, weil ihre Rente ihr nicht reiche, um in München Wohnung und Leben zu finanzieren. Im Winter könne sie nicht heizen und im Sommer selten duschen, weil die Nebenkosten zusätzlich zur Miete einfach zuviel sind. Kinder hat sie keine, leben tut sie, nach eigener Aussage, in einem kleinen Ein-Zimmer-Appartment nahe der Münchner Freiheit.
Ich habe nun keine Möglichkeit, jedenfalls keine, die ich derzeit realisieren möchte, um diese Aussagen zu überprüfen aber die zwei Euro bekam sie dennoch. Warum? Naja, ich beobachte seit einigen Jahren daß nicht nur sichtlich besonders arme Schlucker in den Müllkörben und -tonnen der Bahnhöfe nach Pfandflaschen graben sondern zunehmend Senioren, die mitunter auch nicht gerade einen armen Eindruck machen. Ein bißchen einen Schrecken versetzte es mir, als ich mir vor ein paar Wochen bewußt wurde, daß ich am Ostbahnhof einen Senioren (ich würde sagen so um die 70) im tadellosen Anzug dabei beobachtete, wie er Cola- und Bierflaschen aus einem Papierkorb fischte. Quer hatte vor einigen Monaten einmal über eine Seniorin berichtet, die in ihrer eigenen Wohnung fror weil die Rente die Heizkosten der ungedämmten Wohnung nicht mehr deckt. Parallel (Mitte Februar) sind mal wieder Rekordgewinne verkündet worden (beispielsweise bei Daimler). Schöne, neue Welt.
Allerdings gibt es auch etwas positives. Münchens Politessen haben allgemein einen recht schlechten Ruf, sie gelten als harsch, unfreundlich und vor allem als rechthaberisch. Es kann einem durchaus passieren, daß man das Knöllchen kassiert, während man schon wieder im Wagen sitzt und fünf Minuten über der Zeit ist.
Nun hatte ein junger Mann bei mir um die Ecke sein Fahrrad so blöd hingestellt, daß sowohl der begehrte Münchner Parkplatz, als auch der Bürgersteig unbenutzbar waren, da dort auch noch ein Baugerüst stand. Madame Politesse, eine sehr junge und wirklich bemerkenswert schöne Frau, wartete auch gleich beim Fahrrad wohl in der Hoffnung, den Delinquenten zu erwischen. Schrieb sogar, mein Eindruck, am Strafzettel.
Wieviel schöner dann die Szene, als er wieder herauskam. Sie unterhielten sich kurz, dann schob sie ihm ihren Block und den Stift zu. Sie tauschten Telefonnummern, keine Strafzettel. Mein München, irgendwie…