München ist wieder betretbar, zumindest ab morgen, wenn die Reinigung der Stadt einigermaßen abgeschlossen ist. Die Wiesn ist vorbei, der Alltag kehrt zurück. Und man darf sich schon fragen: Muß das sein?
Nichts gegen ein Volksfest. Ich gehe gern auf die Auer Dult und trinke da auch ein, zwei Bier oder genieße einfach Stimmung und die Leute. Die Wiesn hingegen besuche ich schon seit Jahren nicht mehr. Wer in München lebt kennt die Zustände der Stadt – es ist ja nicht so, als müsste man sich wirklich über die Wiesn schleppen um Dinge zu sehen und zu erleben, die man eigentlich nicht sehen möchte. Im Gegenteil: Bleibt man in der Stadt ist man beinahe gezwungen mitzuerleben wie die völlig Besoffenen nach und nach die Stadt für sich besetzen – Occupy mal anders.
Pendler leiden unter dem Ansturm, der S-Bahnen und Regionalzüge ab dem frühen Morgen in Beschlag nimmt und spätestens ab 19 Uhr immer unangenehmer macht. Bierleichen pflastern die Straßen und zwar nicht nur auf der Wiesn oder im Bereich drumherum sondern in der ganzen Stadt – wer nicht will kann sich trotzdem nicht heraushalten. Die Wiesnzeit ist die einzige Zeit in München, in der man sogar einen Parkplatz finden kann – wer kann, fährt die zwei Wochen nämlich einfach in den Urlaub. Auch weil es oft zu Zwischenfällen mit Betrunkenen kommt, die den öffentlichen Nahverkehr lahmlegen.
Was mich auch immer wieder verwundert ist die Tatsache, wieviel sich die Leute dafür abpressen lassen. Ich meine jetzt nicht die Abzocker, die das Ganze zu einem brutalen Geschäft ausnutzen und offenbar dafür auch Kunden finden. Oder noch merkwürdigere Angebote wie Sex gegen Wiesn-Tisch. Die Preise sind ohnehin schon komisch: 1971 kostete die Maß Bier 2,95 DM. 1990 waren es dann im Schnitt 7,55 DM. Heuer kostete die dann 9,50€, das wären umgerechnet 18,58 DM. Hendl gibt’s in aller Regel für 12€, ein Steckerlfisch kostet schon mal fast 30€. Warum bezahlen die Leute das? Und wovon?
Damit das Massenbesäufnis genug Leute anzieht, werden immer wieder Sex und Wiesn gemischt – von der Miss-Wahl unterstützt durch den Merkur/TZ bis hin zum Porno-Dreh bei dem jeder mitmachen darf ist alles drin. Dazu kommt, daß die konsumierte Biermenge steigt – und die Vorfälle werden immer krasser. Da drückt ein Mann im Gesicht einer 20-Jährigen seine Zigarette aus. Vergewaltigungen „gehören scheinbar dazu“. Fliegende Maßkrüge kennt man ja und Promillefälle sind auch nichts Neues – aber neuerdings auch gerne mal gegen Frauen, die sich nicht abschleppen lassen wollen. Messer sind sowieso so ein Ding, Ausländerfeindliche Sprüche werden auch gern gehört. Der Security-Point, der Frauen betreut, stößt an seine Grenzen und mutmaßt sogar, daß da hin und wieder heimlich K.O.-Tropfen ins Bier gemischt werden, um die Frauen willenlos zu machen. 1470 Straftaten zählte die Polizei dieses Jahr – trotz leicht gesunkener Besucherzahlen. Bei im Schnitt weit mehr als einer Maß pro Besucher ist die steigende Kriminalität auch kein Wunder, wie die Wiesn-Reporte der Poliezi zeigen.
Immer weniger Münchnern gefällt das Oktoberfest, wie es sich entwickelt hat. Das führt zu mitunter recht lesenswerten Glossen und auch sehr guten Kommentaren darunter. Ändern wird sich allerdings nichts. Das Fest wird einfach geliebt. Von den Anderen.