Von Irrationaler Freude – Vorwärts-Version

Nachdem ich zu meiner großen Freude eingeladen wurde, den Artikel beim Vorwärts noch einmal zu veröffentlichen erfuhr er eine leichte Überarbeitung. Lesen Sie selbst:

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Am vergangenen Tage dieser Republik haben die Bürgerinnen und Bürger in drei Bundesländern gewählt – und CDU und FDP eine heftige Klatsche verpasst. besonders die FDP flog – zu recht – aus dem Rheinland-Pfälzischen Parlament und schaffte nur mit Mühe den Wiedereinzug in Baden-Württemberg. Das ist positiv. Die Ergebnisse der SPD sind es nicht.

Unverständlich der frenetische Jubel der Genossen in Bund wie den Ländern ob der Wahlergebnisse. Um es mal ganz ohne Scheuklappen zu sagen: Die SPD hat eine historische Niederlage eingefahren. Noch knapp 23% der Wähler (15,29% der Wahlberechtigten) in Baden-Württemberg und 35% der Wähler (22,06% der Wahlberechtigten) in Rheinland-Pfalz gaben den Sozialdemokraten ihre Stimme. Vermutlich ist das der Grund, warum Jörg Schönenborn so verhalten erfreut guckte.
Alle Parteien die verloren hatten erklärten ihre Niederlage mit dem Atomthema, das den Grünen halt so genützt hätte, aber so ganz stimmt das nicht. Die Werte der SPD werden nicht mehr mit der SPD identifiziert. Deswegen nützt die Schwäche der vermeintlich „bürgerlichen“ Parteien nicht der SPD.
Auch wenn Konservative die „Sozialdemokratisierung“ der CDU beklagen so sollten Sozialdemokraten sich vielleicht mal über die Christdemokratisierung der SPD Gedanken machen. Es ist nicht unbedingt so daß die Wähler der SPD davonlaufen – vielmehr läuft die SPD thematisch den Wählern weg.
Es mag durchaus sein, daß das Thema Kernkraft alles weitere überstrahlt hat – blickt man aber in die Wählerwanderungen der einzelnen Wahlen so kann man den Trend erkennen, daß sich SPD-Wähler zu Nichtwählern entwickeln, wenn sie nicht an andere Parteien, vor allem an die Linke abwandern. Das ist ein langfristiges Phänomen daß diesmal genauso zugeschlagen hat wie die Male zuvor, nur hat es diesmal anscheinend keiner gemerkt.

Adieu Volkspartei?
Was ist eigentlich eine Volkspartei?Alle naselang wird ja das Ende der Volksparteien beschworen so als sei eine Volkspartei eine Partei die irgendwie 40%+X der Stimmen erhält. Das ist Unsinn, und zwar bedauerlicher Unsinn. Eine Volkspartei ist eine Partei, die programmatisch aus jeder Schicht, jeder Klasse und jedem Lager gewählt werden kann. Eine Partei, die Inhalte anbietet die sowohl den Arbeitslosen als auch den Manager ansprechen.
Anders als eher monoprogrammatische Parteien wie besonders die FdP oder die Grünen haben und hatten die beiden Volksparteien Inhalte und auch Fachpolitiker in (fast) jeder Richtung zu bieten. Und das muß auch weiterhin ein Markenzeichen der SPD bleiben, sonst wird sie sich noch weiter aufsplitten.

Die Grünen als Konkurrenz- und Volkspartei?
Die Grünen sind im Augenblick natürlich trendy, aber das wird sich vermutlich schnell wieder auszaubern. Es ist unwahrscheinlich, daß die Grünen Stuttgart 21 kippen können und bislang ist hinter dem Ruf „Abschalten!“ noch nicht hinaus klar gemacht worden, was man denn mit den alten Atomkraftwerken eigentlich tun will. Die Dinger strahlen nämlich noch ein paar hundert oder tausend Jahre. Alleine das geregelte Herunterfahren wird ca. 2 Jahre in Anspruch nehmen, die „Entsorgung“ der Brennstäbe ist ebenso wie die „Entsorgung“ der Gebäude noch gar nicht geklärt. Und das wird richtig teuer weil die Betreibergesellschaften mit Sicherheit „irgendwie pleite gehen“ und ihren Abfall natürlich dem Staat, also uns um den Hals hängen.
Somit werden die Grünen ihren Wählern erklären müssen warum vieles von dem versprochenen dann doch nicht geht – und warum daran „keiner gedacht hat“. Eine Aufgabe, der sich auch die anderen Parteien noch stellen müssen, dies aber nicht als Kernelement haben.
Das allerdings könnte eine Chance für die SPD werden, ein vermeintlich ″grünes″ Thema zu besetzen und auch im Umweltbereich wieder ernst genommen zu werden. Denn auf diese Fragen haben bislang keine Parteien vernünftige Antworten geliefert – auch die Grünen nicht. Es könnte somit durchaus sein, daß sich der ″monothematische Wahlsieg″ der Grünen langfristig als Bumerang erweist.