Von der Idiotie in der Ideologie – Diskussion

In den vergangenen Tagen dieser Republik gab es ein Ereignis, das die Konservativen dieses Landes schäumen ließ und die Linkspartei wieder wunderbar ins Hintertreffen brachte. Gemeint war die ungeschickte Äußerung von Frau Gesine Lötzsch für die junge Welt.


Eines sei vorneweg gesagt: In der Linkspartei gibt es eine Menge Strömungen und Gruppen, an deren Verfassungstreue man zumindest zweifeln kann, sicher jedoch wollen diese Gruppen Elemente der bestehenden Weltordnung verändern. Solche Gruppierungen gibt es auch in der Union, die Vertriebenenverbände, die mittlerweile mehr Erbenverbände sind, seien hier nur mal als Beispiel genannt. Das gehört ja mit zu den Aufgaben der großen Parteien – und man kann sich winden wie man will, die Linkspartei ist mittlerweile eine recht große Partei – die dereinst auch Franz-Josef Strauß seinerzeit einmal festgehalten hat: „Rechts der Union darf es keine weitere Partei geben – und links der SPD auch nicht.“

Das ist seit den Achtziger Jahren längst überholt.

Es gibt die Grünen, die SPD wird von den Netzwerkern und Seeheimern beherrscht und daher benötigte das deutsche Volk, so scheint es, ein Korrektiv von links – sonst wäre die Linke nicht das geworden, was sie heute ist. Kleine und durchaus eher verwirrte Gruppen und Parteien links der SPD gab es schon lange, sei es die MLPD, die DL oder auch die Volksfront, aber sie spielten nie eine echte Rolle im Leben der Bundesrepublik Deutschland.

Nun spricht Frau Lötzsch von „Wegen zum Kommunismus“ in einem Artikel, den, das wette ich, kaum jemand von denen, die sich da geäußert haben, gelesen hatte. Das war ein bisschen wie bei Sarrazin, den haben auch viele nicht gelesen und es dauerte erstaunlich lange, bis sich die Hysteriker beider Seiten heiser genug geschrieen hatten, daß die vernunftorientierten Kritiker auch mal zu Wort kommen konnten. Ähnlich war es jetzt.

Kaum tauchten die ersten Medienberichte auf, polterten und plärrten die ersten CD/SU-Politiker schon los, „Verfassungswidrig“, „Parteienverbot“, „Mörder!“. Und so weiter. Alleine der Begriff „Kommunismus“ erzeugte reflexartig das Mauerschützen-Stasi-Diktatur Denkschema und wie bei Pawlov beschrieben setzte der Geifer ein.

Zielbeschreibung anhand von Lötzschs interpretation von Rosa LuxemburgDen hat Frau Lötzsch nicht bedacht. Aber sie hatte das, was die Union da konstruierte, auch gar nicht gemeint. Ich will das nicht verteidigen weil ich deutlich anderer Ansicht bin als Frau Lötzsch, aber ich nehme diese Reflexartigkeit, mit der dumme Gedankenverbindungen hergestellt werden, erstaunt zur Kenntnis und bin erschrocken, in welch festgefahrener Denkschemawelt ich hier lebe – besonders, wie schnell die Leute wieder eine Meinung haben und wie lange es dauert, bis sie eine Ahnung haben.

Besonders bitter war die Reaktion der SPD: Auf einen kritischen Blick der Union hin überschlugen sich Partei- und Fraktionsvorsitzender geradezu darin, die Linke für nicht Koalitionsfähig zu erklären. Man könnte sagen, sie haben brav Männchen gemacht und merken anscheinend nicht, daß es sich hierbei letztlich um ein strategisches Manöver der Union handelt.

Denn die Strategen der Union haben längst begriffen, daß es dank der Linkspartei auf absehbare Zeit nicht mehr für ein Rot-Grünes, spricht linkes Volksbündnis reichen wird. Solange man die SPD mit dem „Ypsilati-Syndrom“ unter Kontrolle halten kann und die Partei sich ständig zwingen lässt, vor irgendwelchen Wahlen Koalitionsaussagen zu treffen, kann die Union mit ihrer Minderheitenherrschaft über das deutsche Volk munter weitermachen. Das ist unverantwortlich von einer SPD, deren Hauptaufgabe es sein sollte, dem Volk wieder eine von Anstand geprägte Regierung zu verschaffen.

Die Einigung am Ende war auch interessant: Die Linke ruderte eifrig zurück und erklärte, daß sie es einsehen, daß man von „Kommunismus nicht mehr sprechen kann, ohne auch die Opfer, die im Namens dieser Ideologie ermordet wurden, zu erwähnen.“

Das kann man so betrachten, einverstanden. Gilt das dann auch für das Christentum? Das ist am Ende auch eine Ideologie – muß ich nun jedes Mal, wenn ich vom Christentum sprechen möchte, auch die Menschen erwähnen, die im Namen der Ideologie ermordet wurden? Was ist mit dem Machtmißbrauch im Namen der Ideologie? Darf ich dann fordern, daß man C-Parteien verbietet, wenn sich diese nicht ausdrücklich von den Taten der Vergangenheit distanzieren?

Das ist gar nicht so albern wie es klingt. Natürlich ist es kein Element des Christentums, daß man Menschen ermordet – es ist sogar ausdrücklich verboten. Es fand nur trotzdem statt und wurde gebilligt vom Vatikan, nicht vom Religionsstifter selbst. Es ist aber auch kein Element des Marxismus, daß Menschen ermordet werden. Im Rahmen einer Revolution wird das nur billigend in Kauf genommen. Weitere Parallelen könnte man jederzeit ziehen (Es gibt auch eine Denkschule, die Jesus Christus als prä-marxistischen Revolutionären deutet!), aber was soll das bringen?

Es spricht nichts dagegen, kritisch zu sein. Nur wer zweifeln gelernt hat, bleibt ein selbst denkender Mensch. Aber könnten wir bitte mal Äußerungen als Äußerungen hinnehmen, vielleicht mißlungene Äußerungen dem Verfasser auch wieder um die Ohren schlagen und sie kritisieren, aber den Geifer in der Debatte weglassen? Danke.

0 thoughts on “Von der Idiotie in der Ideologie – Diskussion

  1. endlich mal eine vernünftige meinung und analyse.
    ich bin in der linkspartei, baujahr ’81, im westen geboren und habe es satt von den unionsgeiferern als undemokratisch bezeichnen zu lassen!
    ich bin demokrat durch und durch und ich behaupte einfach mal das ich da in meiner partei nicht in der minderheit bin.
    was momentan stattfindet ist zutiefst undemokratisch und wählerverachtend…
    einfach mal entspannter politik betreiben und nicht nur auf die netten lobbyisten acht geben, auch wenn die geschenke von denen schöner sind als die diäten die der souverän zahlt

  2. Pingback: Niemand hat die Absicht…. « Last Knight Nik

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