Im universitären Alltag unserer Republik gab es ein Ereignis im abgelaufenen Jahr 2006, das eine große Beachtung gefunden hatte weil es wichtig schien und von dem bis heute als Selbstverständlichkeit weil nun alles anders sei die Rede ist. Seit man in einem eher seltsamen Auswahlverfahren unter den Spitzenunis Spitzenunis gefunden hatte ist jedenfalls alles anders. Oder?
München hat ja das Glück, mehr als nur eine Universität zu beherbergen, rechnet man die Fachhochschulen noch dazu kommt man auf die sensationelle Zahl von 20 Hochschulen im Raum München – eventuell zählt Augsburg auch noch mit. Ein besonderes Glück hatte München, daß gleich beide Universitäten als „Elite“-Universität ausgezeichnet wurden. Bewundert wurde, daß auch die LMU München ausgezeichnet werden konnte, obwohl sie ja keine technische Universität, sondern „nur“ eine Volluni ist. Die Vergabelaudatoren klopften sich jedenfalls für den genialen Einfall, auch eine Volluni ausgezeichnet zu haben auf die Schultern, daß die Wände wackelten.
Der Elitestatus rechtfertigte natürlich erst recht die Gebührenpolitik, nebst den 500 Euro nochmal 92 Euro „Verwaltungsunkosten- und Studentenwerksbeitrag“ einzukassieren – wer in München studierte zahlte dafür 1200 Euro im Jahr. Ohne Fahrkarte, die mit mindestens 360 Euro im Jahr auch noch zu Buche schlägt.
Die Elite des Landes sollte nun an der Elite der Universitäten studieren, das war wahrscheinlich der Plan.
Heute, im fast abgelaufenen Jahr 2010 kann man sich deutlich sagen: Nein, das hat sicher nicht geklappt. Anekdoten könnte man viele erzählen aber ich belasse es mal bei drei normalen Begegnungen mit der geistigen Elite des Landes.
Das erste ist etwas, was jeder Student bei jedem Seminar erlebt, und zwar praktisch jede Stunde. Natürlich erlebt man es auch in manchen Vorlesungen, aber wirklich erleben sollte man das im Seminar. Zur Handreichung werden bei jedem Referat neudeutsche Handouts gereicht. Aber Referenten sind manchmal fies und produzieren 3 Seiten Handout. Jetzt besteht in den Anfangsminuten des kleinen Seminars (sagen wir, 40 Teilnehmer. Von Klassenstärken à 30 träumen Lehramtsstudenten nur…) die komplexe Aufgabe darin, zwei Stapel so durchzugeben, daß jeder Student…. jeder Studierende drei Handoutseiten vor sich liegen hat.
Ich mach es kurz: Nein, das klappt nicht. Das ist zu kompliziert. Elitestudenten reichen nichts durch, sie scheffeln und sammeln an. Das ist sehr wichtig später. Etwa ein Fünftel hat gar nicht mitbekommen, daß es zwei Blätter hätte nehmen sollen und wenn man Pech hat sitzen die irgendwo vor einem und reichen den zweiten Stapel wieder nach vorne „weil das haben ja alle schon“. Das ist die Elite des Landes. Wahrscheinlich ist darum auch die Schere im Land so groß, die können das mit dem weitergeben einfach nicht.
(c) des Bildes liegt bei Zeit.de. Quelle
Die nächste Elite sind die Seniorstudenten. Also Studierenden. Sind auch Seniorinnen darunter, geschlechtsneutral Alternde. Also die alternden Studierenden, das graue Heer. Latein-Muttersprachler im Geschichtskurs. Sie sind deswegen eine Elite, weil sie Zeit haben. Eine gute halbe Stunde vor Vorlesungsbeginn stehen sie schon an der Tür, da sind die jungen noch im vorherigen Kurs, und sorgen dafür, daß sie sicher einen Sitzplatz bekommen. Das lange anstehen macht ja auch müde. Manchmal schlafen sie dann auch deswegen. Wichtigste Regel aber schein zu sein: Wer früh dran ist, setzt sich außen hin. Dann kann man für jeden anderen noch einmal aufstehen und ihn persönlich begrüßen, das ist höflich. Im Ergebnis bleiben mitunter innen Sitze frei und draußen lümmeln Leute auf dem Boden herum. Das ist natürlich unordentlich und zeigt, daß die heutige Studentengeneration keinen Anstand mehr hat, erklärte jedenfalls vorgestern in der Reihe vor mir ein Senior dem anderen in Bezug auf die im völlig überlaufenen Saal auf Boden und Heizung sitzenden Studenten…. Studierenden. Elite unter sich.
Die dritte echte Eliteeigenschaft ist die ausgeprägte Fähigkeit von in Gesprächen vertieften Gruppen, genau vor Eingangstüren stehen zu bleiben und eine möglicherweise stattfindende Bewegung der Menschen drumherum eher als störend zu empfinden. Manchmal sitzen diese Gruppen auch auf ihren Plätzen bis zum Beginn der nächsten Veranstaltung und huschen dann rasch hinaus. Nicht, daß sich da vielleicht jemand gern für seine Veranstaltung eingerichtet hätte oder so. Tatsächlich scheint sich die Elite unseres Landes schon in der Ausbildung durch die mangelnde Fähigkeit, Mitzudenken auszuzeichnen.
Dafür aber haben sie eines erreicht.
Als die Gebühren eingeführt werden sollten hatte eine kleine Gruppe an der LMU München dagegen zur Demonstration aufrufen wollen. Spontane Auskunft eine (mutmaßlichen) BWL-Studenten war, daß er froh sei, wenn die Gebühren kommen – dann würden endlich „die ganzen Gammler und Linken verschwinden“.
Achso. Na gut daß keiner mehr im Weg ist. Ich nehme mal an es sind elitäre Menschen wie das genannte Beispielexemplar, die dafür waren weil man extra Leute mit Wunschlisten durch die Unis geschickte hatte. Schließlich ist ja jetzt unendlich Geld da, nicht wahr?