Von der Ethik, von der Wissenschaft und von Fragen, die sich manchmal stellen.

Immer mal wieder kommt es zwischen mir und Corneliya zu interessanten Diskussionen, die sich um die unterschiedlichen Ausrichtungen unserer Interessengebiete beziehungsweise um die verschiedenen Ansatzpunkte die Welt zu betrachten, mit denen wir durch unser unterschiedliches Studium (Meines Geisteswissenschaftlich, ihres Naturwissenschaftlich) gebildet wurden, drehen. Das ist sehr fruchtbar und interessant und an einer solchen Unterhaltung möchte ich Sie, meine lieben Leser, auch teilhaben lassen.

Ausgangslage: Wir unterhalten uns über einen wissenschaftlichen Artikel, der neue Erkenntnisse der Stammzellenforschung berichtet: Wissenschaftlern in Göttingen ist es gelungen, aus männlichem Sperma unterschiedliche Zelltypen wachsen zu lassen. Soweit die Ausgangslage.

Lastknightnik: Ja. Aber das sind ja nur Theorien

Corneliya: wobei ich beim lesen des Artikels schon wieder so einen Anti-Tierversuchs-Impuls hatte. Die armen Mäuse…

Lastknightnik: Nun, man könnte statt Tieren Strafgefangene nehmen…

Corneliya: klar sind’s nur Theorien, was dachtest Du denn? Das sind Naturwissenschaftler: wir forschen und die Anwendung können dann die Deppen in der Industrie finden, ist uns doch wurscht 😉
Ich weiß nicht, ich finde es ist ein Unterschied ob ich versuche, eine Maus zu heilen und die dabei blöderweise stirbt oder ob ich sie mit Absicht umbringe um nachzugucken, wie lange sie dafür braucht, verstehst Du, was ich meine?

Lastknightnik: Ja, natürlich

Corneliya: ich finde einfach: „Hurrah, die Maus hat Krebs bekommen!“ ist eine etwas makabre Aussage…

Lastknightnik: Um Dein Argument zu nehmen: Das sind Naturwissenschaftler: wir forschen und die Ethik können dann die Deppen in der Philosophie finden, ist uns doch wurscht. 😉

Corneliya: ich weiß, ist Dein Lieblingsargument

Lastknightnik: Ist es nur deswegen weil die Naturwissenschaft m.E. nach immer nur nach dem „Wie“ fragt, eher sehr selten nach dem „soll“.
Das ist ja nicht zwingend falsch, aber ehrlich gesagt ohne sich zu überlegen was man mit der Forschung macht kommen manchmal ungute Dinge bei raus…. Genetisch veränderte Pflanzen, Atombomben…

Corneliya: Schon, aber: zwei Sachen. Erstens gibt es so etwas wie Wissensdrang. Und wenn Du nach zwanzig Jahren Forschung an den Bindungen zwischen Kohlenstoff und Sauerstoffatomen plötzlich den Geistesblitz hast, dann veröffentlichst Du das, auch wenn dann irgendjemand daherkommt und sagt „ja, aber technisch gesehen könnte man daraus eine Bombe bauen“ Genauso wie Du nicht einfach sagen kannst: ich ziehe die Schlussfolgerung nicht, oder ich „will das nicht wissen“ Wer nicht wissen will, wird kein Naturwissenschaftler. Das ist genauso als würde man ein super spannendes Buch lesen und dann die letzten zwei Seiten einfach nicht lesen und entscheiden, dass es einen nicht mehr interessiert ob’s gut oder schlecht ausgeht.
Zweitens: Man kann alles auch zu Schlechtem verwenden. Die Natur macht da genauso wenig einen Unterschied. Ein Beispiel: Explosiva. Klar kann man damit Menschen töten. Aber man kann Menschen auch genauso gut retten, z.B. indem man eine Schneedecke wegsprengt bevor die Lawine runtergeht. Wissen an sich ist weder moralisch gut noch moralisch schlecht. ich nehme an, Du kennst die Geschichte des Nobelpreises? Und noch was: für denjenigen, dessen Kind durch Genforschung nach einem Unfall die eigene Haut wiederbekommen kann, ist es schnurzpiepegal ob es genetisch veränderte Pflanzen gibt oder nicht und er würde fünfmal Genmais fressen, und dabei den Göttern danken, dass ein „verantwortungsloser Wissenschaftler“ Genforschung betrieb. Versteh mich nicht falsch, ich halte diese Genmanipulationen für sehr unheimlich und sehr gefährlich, und ich stehe nicht dahinter. Ich finde, wir sollten nicht Gott spielen. Aber alles schlechte, was zum Beispiel für den Krieg entwickelt worden ist, also um möglichst schnell möglichst vielen Menschen ihre Liebsten zu entreißen, hat auch positive Anwendungen bekommen

Lastknightnik: Natürlich. Man kann aus Ästen Keulen machen, also Bäume verbieten? Das ist natürlich quatsch und das habe ich auch nicht gemeint. Aber Naturwissenschaftler neigen dazu, die Folgen ihrer Forschung (oder das Motiv der Finanzierer) auszublenden weil das unbequem sein kann. Lieblingsargument ist letztlich das der Waffenhersteller: Es gibt keine gefährlichen Waffen, es gibt nur gefährliche Menschen. Oder nehmen wir Tabakkonzerne: Was können die dafür, wenn sich Leute mit dem Zeug umbringen?
Ich glaube nicht, daß jede Entwicklung für den Krieg automatisch auch gutes für die Menschheit hervorgebracht hat. Viele sicherlich, aber wenn man Schneedecken mit Wasserstoffbomben wegsprengt könnte das ein klitzkleines bißchen übertrieben sein – es sei denn man will gleich den lawinengefährlichen Berg mit loswerden. Panzer – da könnte man nun streiten, denn Panzer sind ziemlich stabil und Geländegängig.
Es geht auch nicht um die gewonnene Erkenntnis, die jemand anders mißbraucht – sondern eher darum, daß man mit Erkenntnissen einfach verantwortungsvoll umgehen muß. das ist nicht immer bequem weil es den eigenen Erkenntnisdrang bremsen kann, klar. Es kann auch unangenehme Fragen aufwerfen. Nehmen wir nochmal den Tabakkonzern. Da arbeiten Leute, den Tabak so zu verändern, daß der Geschmack besser und die Sucht größer wird, was ihrem Konzern Geld einbringt. Für sie mag das nur die Frage sein, ob man den Tabak so verändern kann wie man will oder nicht – solange sie sich nicht mit der Frage befassen müssen ob sie eigentlich am Kundensterben mitwirken.
Gleiche Fragen vermeidet aber zum Beispiel auch die Werbeagentur, die den Selbstmord mit einem Ausdruck von Freiheit bewirbt – im Grunde ist das schon fast zynisch.
Gentechnik ist nicht per se böse, das ist Unsinn – der Mensch betreibt das seit Jahrtausenden und hat so stabilere Kartoffeln, Terrier und besondere Blütenpflanzen erzeugt. Aber man muß sich eben immer fragen, was man damit anstellt. Und ich bin schon der Ansicht, daß in einen Artikel, in dem Dr. Haumichtot das Schlagmichtodgen entdeckt hat und das nun beschreibt auch der eine oder andere Gedanke, wie die Anwendung sein sollte und wie vielleicht nicht miteinfließen könnte.

Corneliya: zu einem gewissen Grad hast Du recht. Eins hab ich dazu allerdings noch zu sagen: gerade heute (Stichwort Sponsoren war gar nicht schlecht) bestehen vielleicht 5% einer Publikation aus eigener Erkenntnis (das wäre schon viel!) und der Rest ist Zusammenfassung davon, was vorher andere gesagt und geschrieben haben. Z.B. wäre die Atombombe vielleicht nie erfunden worden, wenn Rutherford nicht eines Tages Partikel durch eine Goldfolie geschossen hätte. Hast Du irgendeine Ahnung, was für ein fantastischer Wissensdurchbruch das war, als man beweisen konnte, dass zwischen Atomkernen ein Haufen Nichts ist?!?! Oder Bohr mit seinem Atommodell. Die Leute, die Protonen und Neutronen erforscht haben. Das alles ist Teil der Erfindung der Atombombe. Hätte man all das nicht gewusst, hätte es auch keine Atombombe gegeben, weil die 5% Zusatz, die aus dem Wissen von Generationen eine tödliche Waffe machen, hätten ohne dieses Wissen nicht genügt. Frage: Woher hätte Bohr das bitte wissen sollen? Hätte er schon aufhören sollen zu forschen, einfach kein Atommodell postulieren? Sagen „ich hab ne grandiose Idee, die die gesamte Physik und Chemie revolutionieren würde, aber lassen wir’s lieber“? Vielleicht sollte derjenige, der die letzten 5% hinzufügt, tatsächlich mal für 5 ct sein Hirn einschalten. Aber: weil es nur 5% sind, gibt es etwa 100 Menschen (statistisch gesehen), die draufkommen könnten. Also wer ist wirklich schuld? der die 5% hinschreibt oder die Leute, die die 95% zusammengetragen haben?
Ich verstehe was Du sagen willst. aber ich glaube, Du kannst Wissen nicht aufhalten. Und wenn Du’s könntest bin ich mir nicht sicher, ob man das sollte. Auch Erfindungen, die absolut keinen guten Nutzen haben, haben vielleicht indirekt doch einen. Atombomben sind was furchtbares, aber die Abrüstungsabkommen hätte es vielleicht nie gegeben, wenn man nicht so eine Angst vor einem Atomkrieg hätte. oder wir hätten schon längst einen Dritten Weltkrieg gehabt. Vielleicht ist ja die Atombombe wiederrum zu 5% mit Schuld dran, dass wir Krieg plötzlich nicht mehr als ganz normale politische Aktion sondern als „letzten Ausweg“ klassifizieren, zumindest einige von uns…

Lastknightnik: Schuld sind nicht die , die Grundlagen liefern. Schuld sind auch nicht die, die sich eine Erkenntnis zusammenschrauben. Schuld sind aber die, die sie dann benutzen. Wenn man schon moralisch argumentiert: Die Atombomben auf Hiroschima und Nagasaki waren schrecklich – aber wären vielleicht 5 weitere Jahre Krieg nicht schlimmer gewesen? Wären die Sowjetunion und die USA vielleicht übereinander hergefallen, wenn sie nicht Angst vor der letztlichen Konsequenz gehabt haben?
Letztendlich kann man sehr wohl sich der Verantwortung bewußt sein, die man hat wenn man etwas schafft was im Mißbrauch schrecklich ist. Und man kann das Wissen sehr wohl so dosieren, daß es nur Menschen mit großem Verantwortungsgefühl auch bekommen.
Die Erfinder der Atombombe haben nachdem sie begriffen hatten was sie da konstruiert haben einen Rat gegründet, dessen Ziel es war diese Waffe wieder in der Versenkung verschwinden zu lassen – nur viel zu spät. Wären sie vorher sich darüber klar geworden – hätten sie darüber überhaupt nachgedacht – wäre es vielleicht nicht so weit gekommen. Ob das dann gut oder schlecht ist. Man muß sich einfach Gedanken über die Konsequenzen machen und zwar noch während man daran bastelt.

Corneliya: Zitat:  <<< Letztendlich kann man sehr wohl sich der Verantwortung bewußt sein, die man hat wenn man etwas schafft was im Mißbrauch schrecklich ist. Und man kann das Wissen sehr wohl so dosieren, daß es nur Menschen mit großem Verantwortungsgefühl auch bekommen. >>>
Ehrlich? Also ich persönlich hätte schon mal enorme Schwierigkeiten, jemanden mit genügend Verantwortungsgefühl zu finden um ihm das Geheimnis der Atombombe zu verraten. Also wie suchst Du Dir das bitte aus? Zweitens: ein Wort: Geheimdienste. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass die nicht alles herausfinden, was sie können. Drittens: es gibt durchaus Geschichten darüber, dass die Atombombe schneller hätte fertig sein können, und dass es Saboteure in den Labors gab die sehr genau wussten, was sie da bauen. Ich glaube, eine Geheimgesellschaft, der alles Wissen der Welt vorenthalten bleibt und die dann entscheiden, was wie weitergegeben wird ist das schlimmste, was uns passieren kann
Außerdem sind die meisten Naturwissenschaftler keine Propheten und man kann sich manchmal wirklich nicht vorstellen auf was für Anwendungsgedanken die Leute kommen. ein Beispiel: Katze in der Mikrowelle trocknen. Natürlich ist das dem Erfinder der Mikrowelle NICHT in den Sinn gekommen, dass seine Erfindung eine Katze töten wird. Man kann einfach nicht vorhersehen, wie die Leute auf etwas bestimmtes reagieren, was sie damit anstellen – jedenfalls häufig nicht.
Noch was wollte ich sagen: es ist nicht nur die Naturwissenschaft, die gefährliche Dinge auf die Leute loslässt. Nur so nebenbei: Gedanken, Ideen können noch viel gefährlicher sein. Und da machen sich die Leute WESENTLICH weniger Gedanken über Konsequenzen

Lastknightnik: Richtig. Das ist nicht immer vorhersehbar. Auch daß man die Technologie der Mikrowelle dazu benutzen kann, einen Silent Sherriff zu bauen war sicher nicht vorhersehbar. Bei einer Atombombe ist es eben schon vorhersehbar und wenn ich eine Pflanze so züchte, daß sie sich a) nicht mehr vermehren kann und b) den Boden kontaminiert, so daß nur noch sie aber nicht ihr natürlicher Abkömmling dort gedeihen kann, dann kann ich auch vorhersagen, was geschieht. Immer ist das sicher nicht abzuschätzen, aber sehr wohl öfter.
Was das Thema Geheimdienste/Geheimgesellschaften angeht: KLar ist das unterdrücken von Wissen auch nicht der richtige Weg. Der Umgang damit aber das entscheidende Element.
Mit Deinem letzten Absatz hebst Du die Diskussion aber nun in eine andere Ebene. Ich habe weder behauptet noch gemeint, daß nur die Naturwissenschaft so gefährlich sei – ich habe lediglich darauf verwiesen daß eben oftmals Physiker oder Biologen sich nur wenige bis gar keine weiteren Gedanken machen.
Natürlich sind politische oder religiöse Gedanken stets das gefährliche Mittel, das den vom Naturwissenschaftler hergestellen Zweck heiligt. Der Mensch findet auch immer eine Methode, um seine Ziele zu erreichen, hätte es weder Schußwaffen noch Gaskammern gegeben wären die braunen Horden vermutlich eben mit der Keule über ihre Mitmenschen hergefallen.
Was mich stört ist a) Eben der Umgang der Naturwissenschaftler mit ihrem gewählten Fach, weil sie sich eben oftmals keine Gedanken über das „und was dann?“ machen und b) der Umgang der Gesellschaft, in der wir leben, mit der Problematik, wie wir mit unserer Technologie umgehen sollen. Im Augenblick wird alles im Hinblick auf Vermarktung und Möglichkeiten, Geld und Macht zu scheffeln bewertet. Forscht einer an irgendwas interessiert nur ob man damit entweder viel Geld machen kann oder ein Einflußmittel in die Hand kriegt, das andere nicht haben. Der generelle Umgang mit unserem Potential als Art ist nicht wirklich durchdacht und er folgt auch keinem ernsten Konzept, das eventuell ein bißchen längerfristig weiterdenkt. Hindernisse beim Geldscheffeln (Stichwort Ethikrat) werden beiseite geschoben und die Forschung fokussiert sich immer mehr auf die Frage nach der Machbarkeit und dem Marktwert von Ideen, ohne Konsequenzen zu berücksichtigen oder selbige mal infrage zu stellen.
Gerade im Bereich Genmanipulation und Vernichtung von Boden für andere Pflanzen: Das Zeug breitet sich ja aus, „verseucht“ quasi andere Felder. Was macht eigentlich eine Firma wie Monsanto mit der Macht, alleine bestimmen zu können was wo wächst? Sollte eine Firma, der es ja nur um Geld geht weil das nun einmal ihre Aufgabe ist, eigentlich diese Macht haben? Ist es wirklich sicher, daß die da in bester Absicht handelt oder handeln wird? Und was bedeutet das für einen Planeten, dessen Biosphäre schon mit Monokulturen nur begrenzt zurande kommt? Was wenn es kein Saatgut mehr dafür gibt, weil die Formel verschütt gegangen ist? Verhungern dann Milliarden weil halt nix mehr sonst wächst?
Das sind Fragen, die wir uns jetzt stellen – aber das Kind ist eben schon in den Brunnen gefallen. Die Zerstörung der Agrarwelt in Indien ist nicht mehr aufzuhalten und im kommenden Jahrhundert werden viele Bauern dort ihr Leben lassen – weil sie sich das Saatgut nicht mehr leisten können aber leider auch sonst nichts mehr dort wachsen kann.
Das Kind ist noch nicht in den Brunnen gefallen beim menschlichen Erbgut. 2007 hat eine Firma das Patentrecht auf einen Teil des menschlichen Erbgutes erworben. Was macht die damit? Warum will die das? Noch kann man einschreiten aber wer weiß? Vielleicht werden in 100 Jahren Menschen nur noch in der Lage sein, sich mit Sperma dieser Firma fortzupflanzen gegen eine saftige Gebühr? Und vielleicht können die Kinder dann auch nur noch das Food der Firma essen weil ihr Magen mit einem normalen Weizen überfordert ist. Ist toll für die Firma weil das verspricht Milliardengewinne. Ist halt scheiße für die Leute.
Fragen dieser Art sollte man aber nicht stellen, weil das hält den Betrieb auf. Und das ist eigentlich ein Problem.

Corneliya: Ok, stimmt. Aber ich finde Du ignorierst einen kleinen Unterschied, der meiner Meinung nach – nicht immer, aber doch manchmal – existiert. Ein Forscher kann sich, wenn er viel Glück hat, aussuchen, ob er nun für Monsanto arbeitet oder für einen anderen Verein, sei es eine Uni, ein staatliches Forschungslabor oder ein privates. (Monsanto zahlt besser). So, wenn er für Monsanto arbeitet, kann er sich eh nicht mehr entscheiden, ob er nun eine Erkenntnis macht oder es sein lässt. Ich meine, ich kann natürlich für eine Zeit die Forschung sabotieren, werde gefeuert und krieg nie wieder einen Job. Oder ich arbeite sagen wir an der Uni. Um das tun zu können, brauche ich Forschungsgelder. Dafür muss ich die „Motivation“ meiner Forschung so definieren, dass irgendjemand das für eine Geld bringende Information hält. Grundlagenforschung wird nun mal nicht finanziert, Dinge, die kein Geld bringen, auch nicht. Und genau das steht dann natürlich auch im Artikel, weil Mister Finanzierer da ja drüberliest, um „Geheimhaltung“ zu gewährleisten. Ist ja nicht Deine Arbeit, gehört ja dem Finanzierer. Also hab ich die Wahl, ob ich meine Forschungsergebnisse so präsentiere, dass es dem Geldscheffeln nützlich ist, oder ob ich mir wieder einen Kellnerinnenjob suche.
Ja, gerade in der Industrie geht es nur ums Geldscheffeln, ist ja nichts neues. Aber wenn ich als Forscher arbeite, dann kann ich meine Erkenntnisse gar nicht zurückhalten, selbst wenn ich es wollte. Dann müsste ich aufhören, zu arbeiten.
Es stimmt, wenn ich für Monsanto arbeite, weiß ich, dass meine Forschungsergebnisse nicht direkt den Frieden auf Erden fördern werden. Aber jetzt haben wir ein Abgrenzungsproblem. Wenn ich für TycoElectronics arbeite, fließt ein Teil meiner Arbeit in die Kriegsindustrie. Ein anderer Teil sorgt dafür, dass Leute mit Strom versorgt werden. Ist das jetzt auch schlecht? und wenn ich für die Uni arbeite, finanziert mich eh jemand anderes, selbes Problem. Wenn Geld eben doch stinkt, hab ich nur die Wahl, überhaupt nicht zu forschen, aber zu forschen und meine Ergebnisse nicht zu präsentieren, weil jemand sie missbrauchen könnte (und die Möglichkeit besteht nun mal immer, tut mir leid), die Möglichkeit hab ich nicht. Also ist nur noch die Frage: forsche ich, mit dem Risiko, dass jemand meine Ergebnisse missbraucht, oder forsche ich nicht, mit der Gewissheit dass niemand meine Ergebnisse missbraucht, aber dafür als Fußabtreter eines Chefs, dem es buchstäblich schnuppe ist, ob ich oder der Rest der Menschheit verreckt.
Zurück zum Thema: ich weiß nicht, wie Du Dir das vorstellst, dass man Wissen zurückhalten soll? Ich kann mir das nicht vorstellen, wie das gehen soll. Mal ganz abgesehen von Monsanto, ich kann den laden auch nicht leiden, aber mir fällt zu denen jetzt einfach kein Beispiel ein, wie ich das erklären könnte, was ich meine

Lastknightnik: Welchen Unterschied ignoriere ich denn nun? Natürlich kann ich mir als Forscher das nicht immer aussuchen – genau da liegt aber doch der Hund begraben. Da die Forschung davon abhängig ist, wer sie finanziert gibt es keine ethische Entscheidung, sondern nur eine Ökonomische. Wäre die Forschung unabhängig, oder sagen wir einfach, von der Gesellschaft direkt finanziert, gäbe es die vielleicht schon eher. Unabhängige Forschung wird aber zurückgedrängt indem die Wirtschaft dafür sorgt, daß die Parlamente weniger Geld dafür bereitstellen (können). Ob das ein bewußter Plan ist vermag ich nicht zu sagen, ich lehne Verschwörungstheorien einfach ab und bezweifle zudem, daß ein BWL-Lobbyist im Auftrag der Deutschen Bank schlichtweg den Weit- und Überblick hat um derartige Makrozusammenhänge zu erkennen.
Wissen zurückhalten? Hm… also wenn in eine bestimmte Richtung geforscht wird und das Ergebnis ist irgendwie Null… dann wird das in der Regel zumindest eine Weile lang nicht angetastet. Aber vom Zurückhalten von Wissen sprach ich doch nicht. Nur vom verantwortungsvollen Umgang damit, lies nochmal nach. Daß man Wissen unterdrücken oder Verhindern kann glaube ich auch nicht – aber man kann ihm gleich einen entsprechenden Beigeschmack verpassen. Heute, wenn jemand mit Verstand über Atomkraft nachdenkt, denkt er auch immer gleich an die Gefährlichkeit der Technologie. Das schränkt zumindest hier in Deutschland den Umgang damit einfach ein.
Ich sage nicht, daß das eine perfekte Lösung ist weil das gibt es nicht. Aber es ist eine Chance. Man sagt Kindern, daß Autos gefährlich sind. Und diese immerwährende Warnung sorgt – meistens – dafür, daß sie vorsichtiger über die Straße gehen.

Corneliya: Ich finde, Du hast zumindest bis zu diesem Kommentar den Forscher und den Anwender über einen Kamm geschoren. Gut, die Finanzierung der Forschung durch die Wirtschaft hate ich auch für total bescheuert und nicht nur aus ethischen Gründen. Und ich finde man könnte hier einfach mal weitergehen und sagen, dass ich diese Geldgeilheit schon in der Gesellschaft für schlimm genug halte. Es geht immer nur um die Kohle, für die Leute privat ebenso wie für die Manager von Firmen und Lobbyisten. Selbst wenn die Forschung aber unabhängig wäre, hättest Du immer Forscher, die die Reichweite ihrer Erkenntnisse nicht erfassen können, und solche, denen es völlig wurscht ist, weil ihnen die Unsterblichkeit auf Erden wichtiger ist als das Himmelsreich, um das ganze mal etwas melodramatisch zu formulieren.
Ich gewinne immer mehr den Eindruck, dass Du wesentlich mehr Vertrauen in Menschen hast als ich… Also, ich glaube es ist völlig egal, welchen Beigeschmack Du Deiner Veröffentlichung gibst, es wird immer Idioten geben, die das a) überlesen, weil wir ja in der Kurzinfos und bloß nichts länger als 4 Seiten Zeit sind b) sich davon nicht abschrecken lassen. Du unterstellst der Mehrheit der Menschen ein bisschen mehr skrupel als ich für realistisch halte. Wenn jemand mit Verstand über die Genforschung nachdenke, ist ihm die Gefahr auch bewusst. Aber wenn jemand ohne Verstand über die Atombombe nachdenkt, dann landen wir nur bei „solange die nicht bei uns fällt, mir doch egal. Aber es ist voll gut, dass wir sie haben, bzw. das wir die Erdkugeln 30 mal häufiger zerstören könnten als die anderen“ Sobald Wissen draußen ist, egal in welcher Form, kann und wird es missbraucht werden. Außerdem: begründet werden Forschungsprojekte immer mit Medizin. Finanziert werden sie aus militärischen Beweggründen. Ein Beispiel: IR Sensoren haben im Motivationsschreiben und in der Publikation immer das Thema Solarzellen und Medizin drin (man kann anscheinend alles für Medizin verwenden, frag mich nicht), aber Du glaubst doch nicht im Ernst, dass dann niemand auf die Idee kommt, damit Hirtenjungen in der Nacht abzuknallen, weil es ja bestimmt böse Guerillakämpfer sind, deren Signal man da auffängt?

Lastknightnik: Hm… also über einen Kamm geschoren habe ich sie nicht. Guck mal weiter oben nach der Schuldfrage… Nebenbei würde eine Firma, die unethischen Kram erforschen lassen will, blöd schauen wenn keiner Mitmachen würde, oder? Das nur so nebenbei zur Moral der Forschenden….
Ich muß Vertrauen in Menschen haben – ich bin Demokrat. Wäre das nicht so könnte ich unmöglich für demokratische Wahlen sein, weil dann oftmals nur Unsinn rauskäme. … Na gut, als Bayer oder auch als Deutscher der unter dieser Regierung leidet sollte ich das Maul vielleicht nicht zu voll nehmen aber generell glaube ich schon – muß ich glauben – daß Menschen in ihrem verhalten letztendlich mehr vom Verstand als vom Gefühlsüberschwang gelenkt werden, sonst kann ich das ganze gleich wieder vergessen. Das funktioniert auch mal mehr, mal weniger gut, ja, aber letztendlich ist die Mehrheit doch vernünftig.
Natürlich kann man die Dinge alle mißbrauchen und mir ist schon auch klar, daß ethische Beweggründe gerne einmal vorgeschoben werden. Das ist nun einmal auch unser Weg, nichts ist perfekt. Würde man aber die vorgeschobenen Gründe wahrnehmen und wirklich cash dafür verlangen kämen vermutlich weniger Mißbrauchsfälle zustande. So klopfen sich alle auf die Schulter: Die Forscher, weil sie einen Weg entdeckt haben die Finanzierung zu sichern, die Industrie, weil sie ein ethisches Argument bekommen hat um ihren Unsinn zu treiben, die Gesellschaft weil sie die Augen vor der Wahrheit verschließen kann und die Börse, weil Forschung völlig unabhängig von Zweck, Ziel oder Inhalt als „Zukunftsinvestition“ belohnt werden kann.

Corneliya: na ja, ich hab in letzter Zeit keine Meinungsumfrage gestartet, aber ich glaube nicht, dass ich die Aussage „die Mehrheit ist vernünftig“ so unterschreiben würde.

Lastknightnik: Naja. Schiller sagte mal: „Vernunft ist die Befähigung des Einzelnen, die Masse hat keinen Verstand.“
Da ist schon etwas dran, liegt aber auch daran, daß Massen in der Lage sind, Gefühle zu teilen, eine sehr einzigartige Fähigkeit, wenn man mal drüber nachdenkt. Dennoch fußt die Demokratie auf der Idee, daß jeder Bürger die Bildung erhält und die Urteilskraft besitzt, eine Entscheidung über den Weg in die Zukunft seiner ganzen Gesellschaft zu treffen. Das entscheidende ist allerdings die Bildung dazu – und natürlich das Interesse. Beides wird allerdings zur Zeit massiv von Werbung und Massenunterhaltung behindert oder eingegrenzt – das letzte echt politische Zeitalter war die 68er Bewegung und die hat weder Regierenden, noch der Industrie geschmeckt. In den 80ern gabs das hier in Deutschland noch einmal rund um das System Kohl und die Atomkraft, aber dann schlief es ein. Die Occupy-Bewegung versucht genau das wiederzubeleben, nur mal so als Beispiel.

An dieser Stelle schwenkte die Diskussion wieder woanders hin, daher beende ich hiermit den Ausschnitt. 😉