Bahn-Streik, na und?

Ich bin so wie fast jeder Arbeitnehmer im Land Bahnkunde und davon abhängig, mit dem Zug zur Arbeit zu kommen. Naja, S-Bahn. Ich habe Alternativen (Bus, U-Bahn), zugegeben. Aber nicht für alles. Meine Lehrtätigkeit erledige ich mit dem Zug, sei es für die Flüchtlinge in Zorneding oder für meine Schüler. Und wissen Sie was? Ich habe trotzdem kein Problem.

Klar, lästig ist es eben schon. Aber so weit scheint es gekommen zu sein: „Lästig“ ist es, wenn Menschen Ihre Grundrechte wahrnehmen. „Lästig sein“ ist das Maß aller Dinge. Hoppla!

Woher kommt denn der mediale Gegenwind – den ich nebenbei bei Bahnreisenden verhältnismäßig selten spüre – geradezu der geballte Haß auf den Gewerkschaftsboß? Gerade die konservative Presse schüttet Wut und sehr interessante Rechenbeispiele über uns Lesern aus in der Hoffnung, daß sich jeder von uns persönlich geschädigt fühlen möge.

Fühlen Sie sich geschädigt? Ich meine jetzt nicht im Hinblick darauf, daß Sie Ihre Fahrt zur Arbeit ein bißchem umplanen oder sogar einfach einen ungeplanten Urlaubstag nehmen müssen, sondern tatsächlich geschädigt, also persönlich oder finanziell?

Ja, sehen Sie sich schon, oder? Es geht um die Fahrkarte: Sie bekommen nämlich nur als Zugreisender den Fahrpreis erstattet, wenn Sie nicht fahren können, nicht aber als Nahverkehrskunde. Als ein solcher erhalten Sie pro Fahrt 1,50 € erstattet. Bei 2 Fahrten am Tag (Hin zur Arbeit und wieder zurück) und das für 5 Tage sind das immerhin 15 Euro. Das Ticket ist teurer, stimmt. Die Differenz ist tatsächlich Ihr persönlicher Schaden. Ich würde für diese Woche keine Wochenkarte kaufen, bei einer Monatskarte würde ich es geltend machen. Da könnte, je nach dem welche Sie brauchen, eventuell ein Viertel wieder drin sein.

Aber eigentlich geht es gar nicht um mich als Kunde…

Seltsamer Weise ist das aber gar nicht die häufigste Kritik, die man so hört. Die häufigste geht so:

Kein Mensch will das Streikrecht in Frage stellen. Aber vielleicht sollte man allmählich die Verhältnismäßigkeit in Frage stellen. Wenn ein Streik eine ganze Volkswirtschaft gefährden kann . . . Alles hat Grenzen, auch das Streikrecht.

Die spannende Frage lautet dann aber: Wo machen wir diese Grenze fest? und – wichtiger fast, will mir scheinen – wer legt die fest?
Wenn Arbeitnehmer streiken entsteht dem Unternehmen ein finanzieller Schaden. Das wiederum ist stets ein Schaden für die ganze Volkswirtschaft; Denn bestreikt werden in aller Regel eher sehr große Unternehmen – und da bemerkt man das auch auf Volkswirtschaftlicher Ebene.
Wann also ist der Schaden für die Volkswirtschaft (interessanter Begriff an der Stelle, übrigens) zu groß, was ist die Grenze? Wenn man bei Lidl nicht mehr um 19:30 Uhr einkaufen gehen kann? Wenn mein Zug nicht fährt? Wenn mein Paket erst übermorgen kommt? Oder wie?

Es ist ja nun nicht so, daß die Wirtschaft des Landes deswegen zusammenbrechen würde. Ganz im Gegenteil. Vielleicht stockt es grad mal ein bißchen. Aber mal ehrlich: Da werden gerne Zahlen in den Raum geworfen und so richtig weiß keiner, wo die eigentlich herkommen. „Ökonomen“ „schätzen“, daß der Streik bislang „die deutsche Wirtschaft“ „bis zu 500 Millionen“ gekostet haben soll.

Wer sind denn diese „Ökonomen“? Der große Streik 2007/2008 hat angeblich um die 500 Millionen Euro gekostet – und zwar „die deutsche Wirtschaft„. Schon damals war hinterher klar, daß die große Panikmache von täglich dreistelligen Millionenkosten ziemlicher Unsinn war. Das dürfte heute auch nicht anders sein, und trotzdem werden – gerade bei bestimmten Zeitungen – gerne nicht namentlich genannte „Ökonomen“ zitiert, die uns wieder die gleiche Panik zu amchen versuchen.

Andere, wie das Institut der deutschen Wirtschaft, werden wenigstens hin und wieder genannt und sprechen von „bis zu 100 Millionen Euro am Tag„, die das an Kosten verursachen soll. Andere zitieren „zwischen 50 und 100 Millionen„. Okay, nehmen wir das mal einfach an und gehen von 100 Millionen aus. Das bedeutet, „die deutsche Wirtschaft“ setzt pro Tag etwa 100 Millionen Euro mit der Bahn um. Insgesamt natürlich bedeutend mehr. Und da ja immer alle zitierten Experten im Zitat hochgradig nebulös bleiben, woher denn die Zahlen kommen und worauf sie sich beziehen, gehe ich jetzt einfach mal davon aus, die meinen das Bruttoinlandsprodukt. Das betrug in Deutschland 2014 immerhin 2.903,8 Milliarden Euro. Oder 2,9 Billionen Euro. Suchen Sie sich’s aus. Davon – nach Rechnung der Experten, wie sie uns von Seiten der Presse erklärt werden – stammen 36,5 Milliarden Euro durch den Bahnumsatz.

Das ist garantiert alles Quatsch, lassen Sie sich von mir nicht kirre machen. Mir geht es drum, daß Sie aufhören den Zahlen, die da in den Raum geworfen werden, zu glauben sondern diese mal hinterfragen. Denn alleine, indem man die Angaben und die Art der Präsentation in den Medien vorrechnet, wird einem eigentlich der Unsinn schon deutlich.

Also, wenn wir von den genannten Zahlen ausgehen, kostet ein Bahnstreik der Dauer von 30 Tagen (Immerhin ein Monat!) also 3 Milliarden Euro, was 0,1 % unseres Bruttoinlandsproduktes ausmacht. Bei den 10 Tagen in diesem Jahr bis jetzt (angenommen, dabei bleibt es und das BIP wäre gleich) wären es also 0,03% des BIP. Seltsamer Weise ist das nicht die Schlagzeile in der BILD-Zeitung.

Die Zahlen sind, ich betone das nochmal, Unsinn. Es ist simple Rechenspiele die Ihnen zeigen sollen, daß die Angaben über Kosten eines Streiks insbesondere im Vorfeld einfach keinen Sinn ergeben, wohl aber zur Meinungsmache genutzt werden können. Dazu bedient man sich manchmal sogar einer geschickten Fehlinterpretation und macht aus den 500 Millionen Kosten insgesamt einfach mal 500 Millionen am Tag. Geht auch. Oder aber so wie die Shz: Da werden aus den 500 Millionen oder den 100 Millionen oder wie auch immer plötzlich 500 Milliarden – und 100 Milliarden täglich.

Das ist beeindruckend. Bei 100 Milliarden Euro Umsatz am Tag könnte die Bahn alleine Die Eurozone retten. Das schafft nichtmal die Deutsche Bank, ist aber bislang (12:00 Uhr) keinem aufgefallen…

Geld verdienen mit dem Bahnstreik

Nebenbei, noch eine Randbemerkung: Nicht nur die Konkurrenten der Bahn im Bus- und Zugbereich freuen sich, auch die Bahn selbst. Jetzt kommt wieder eine Milchmädchenrechnung, aber interessant finde ich die Idee schon:

Angeblich beträgt beim Preis einer Fahrkarte, insbesondere bei Monatstickets, der Anteil der Personalkosten etwa 70% des Preises. So ganz glaube ich das nicht, aber okay. Wenn jetzt von diesen Tickets nicht alle erstettet werden müssen – aber auch kein gehalt gezahlt werden muß…. könnte sich so ein Streik lohnen, denn es gibt Geld, ohne daß geleistet werden muß.

Naja. Wie gesagt, Milchmädchenrechnung. Ist natürlich Unsinn. Aber eingehen wird die Bahn schon nicht, keine Angst. Entspannen Sie sich. Es ist höhere Gewalt. Gehen Sie einfach mal wieder ein Stück zu Fuß.

Von den kleinen Scheinen

Ist es Ihnen schon aufgefallen, daß seit drei oder vier Jahren die Banken gerne in den Geldautomaten nur noch Scheine ab 50€ herausgeben? Ich habe mich immer wieder darüber geärgert, weil das auch bedeutete, daß ich mit mehr Geld herumlaufen muß als ich brauche – das verführt einerseits zum Kauf sinnlosen Krimskrams, zum anderen bin ich im Fall eines Taschendiebstahls noch ärmer, als es ohnehin schon sein muß.

Jetzt aber ist mir heute von einer Einzelhändlerin da etwas ganz anderes gesagt worden und das fand ich faszinierend und es hat mich nachdenklich gemacht. Kurz zu Erklärung: Ich spiele ja LARP und mein Larpcharakter Faron raucht gerne Pfeife oder Zigarillo in der Taverne. Ein bißchen abseits, das Treiben beobachtend und so weiter. Zu diesem Zweck kaufte ich mir heute also mal wieder eine Packung Zigarillos. Leider hatte ich nur einen 50€ – Schein und siehe da, die Händlerin erklärte mir, warum das für die Händler ein Problem ist.

Die wenigsten Händler haben gerne den drei- oder vierfachen Tagesumsatz als Wechselgeld in der Portokasse, alleine schon deswegen weil das Überfälle anzieht. Besonders die Tabakhändler allerdings verdienen wegen der Preisbindung und Steuerstruktur nicht besonders viel an den Waren, so daß sich der Einsatz der EC-Karte nicht lohnt, denn dafür müssen sie wiederum Gebühren bezahlen. Und hier steckt der Teufel drin: Mit Hilfe der Nichtausgabe kleinerer Scheine animieren die Banken so die Kunden, mit großen Scheinen oder eben mit EC-Karte zu bezahlen, was den Umsatz an EC-Gebühren erhöht. Die Last trägt der Einzelhandel.

Es ist eigentlich an der Zeit, mehrere Regelungen im Bankensystem im Verhältnis zum Kunden zu ändern – und weil Banken ja stets im Sinne des Vorstandes denken wird man wohl zwangsläufig auf gesetzliche Regelungen zurückgreifen müssen. Warum kostet es Geld, bei einer nicht zur eigenen Bankgruppe gehörenden Bank Geld abzuheben? Das ist in England zum Beispiel unüblich – und das ist immerhin eines der Mutterländer des kapitalistischen Systems. Und warum sollte es EC-Kartengebühren geben – das erledigen doch Computer, ein Mensch wird gar nicht mehr zum Denken gezwungen, das Schmerzensgeld dafür, wie es die Deutsche Bahn beispielsweise verlangt wenn man am Schalter statt am Automaten kauft, entfällt also eigentlich.

Zudem ist es wohl der Kundenwunsch kleine Scheine zu haben – aber wegen der Fälschungsgefahr auch der der Händler. Die Politik könnte da im Sinne der kleineren leute mal tatsächlich was tun.

"Hier stand die Fairness gegenüber den Reisenden im Vordergrund"

Unsere liebe Bahn hat zum kommenden Juni eine neue Preis-, äh, -anpassung vor und davon betroffen ist unter anderem das bei vielen Reisenden beliebte Bayern-Ticket. Mehr durch Zufall habe ich das mitbekommen und mir dann doch einmal durchrechnen wollen, was genau der Reisende eigentlich davon hat – oder eben nicht.

Zunächst einmal muß man sagen, daß das Bayern-Ticket in seiner bisherigen Konfiguration ein Relikt ist – in NRW und auch in vielen anderen bundesländern funktionieren die Ländertickets schon nach anderen Modi. Das einfache am Bayernticket war, daß man es kaufen konnte (fing 1997 mal bei 35DM an) und sich dann Mitreisende gesucht hat, die mit einem das Ticket geteilt haben. Neben dem Effekt, daß man so weniger für die Fahrt zahlte lernte man so auch manchmal recht interessante Zeitgenossen kennen.

Die Konditionen und Preise haben sich mehrfach geändert, so ist 2003 das Bayern-Ticket Single zum Beispiel eingeführt worden (Hat damals, glaube ich, 15€ gekostet) und nun haben wir folgende Preise erreicht:
Bayern-Ticket: 29€; Bayern-Ticket Single: 21€
Das sind für das Bayern-Ticket im Zeitraum von 15 Jahren eine Steigerung (17.89€ –> 29€) von 62%, für das Single im Zeitraum von 9 Jahren eine Steigerung (15€ –> 21€) von immerhin 40%. Bischen höher als die Inflation seit 1997, gell?

Nun also gibt es ein neues System: Man muß vorher wissen, wieviele mitfahren. Das kann sich also rechnen, aber nun muß ich vor lösen des Tickets wissen, ob ich die fünf Leute zusammenbringe; Last-Minute-Geschäfte gehen nun nicht mehr. Die Preise haben sich wie folgt verändert:

Zeitraum 1 Person 2 Personen 3 Personen 4 Personen 5 Personen
Preis Mai 2012 21€ 14,50€ 9,67€ 7,25€ 5,80€
Ticketpreis 21€ 29€ 29€ 29€ 29€
Preis Juni 2012 22€ 13€ 10€ 8,50 7,60€
Ticketpreis 22€ 26€ 30€ 34€ 38€

Eine zum Teil recht heftige Steigerung, im Falle der 2 Personen ist es aber zum Beispiel günstiger geworden. Bei Gruppen hingegen zahlen die Leute 17,24% (4 Personen) bzw. 31% (5 Personen) pro Kopf mehr, das ist schon ziemlich kräftig. Die Bahn hat dazu folgendes Statement auf ihrer Homepage veröffentlicht:

Preiserhöhung oder neue Preissystematik? Wie schlüsselt sich der Preis für das neue Bayern-Ticket auf?
Aufgrund gestiegener Personal- und Energiekosten mussten wir nach 18 Monaten jetzt den Basispreis für das Bayern-Ticket erhöhen – um 1 Euro je Ticket. Die neue Preissystematik allerdings ist davon abgekoppelt zu sehen. Durch sie sind keinerlei Mehreinnahmen geplant, hier stand die Fairness gegenüber den Reisenden im Vordergrund.

Hm…. glaube ich nicht, jedenfalls nicht wenn man mal tatsächlich mitrechnet. Das neue System sorgt in gewisseer Hinsicht für Fairness: Wer keine 5 Reisenden zusammentrommeln kann oder nicht daran glaubt probiert es künftig mit dem 2 Personen-Ticket, aber letztendlich sind die Gruppen hier die am heftigsten betroffenen im Vergleich zu den bequemer zu verwaltenden Einzelreisenden.
Spontanes Umentscheiden ist dann auch nicht mehr drin, auch kann man nicht mal eben noch jemanden „dazubuchen“, auch wenn die Bahn damit wirbt daß jede Person zusätzlich nur noch 4€ bezahlt – das findet natürlich nicht statt, vor allem später nicht. Kinder dürfen auch nur – und das finde ich wirklich witzig – mit dem Bayernticket kostenlos mitfahren wenn es nur zwei Erwachsene sind. Drei Erwachsene und 2 Kinder müssen das volle Ticket für 38€ kaufen (Anstatt das Ticket für drei Personen z.B.). Laut Bahn klingt das so:

Zusammenfassend gilt die Faustregel: Bis zu 2 Erwachsene dürfen Kinder des Reisenden, dessen Name auf dem Ticket steht, kostenfrei mitnehmen. Sobald mehr als zwei Erwachsene mit dem Ticket reisen, ist die „Familienregelung“ preislich ungünstiger. Der beste Preis ergibt sich dann, wenn die Kinder als Mitfahrer bei der Preisberechnung gezählt werden.

„Preislich ungünstiger“ ist es natürlich nur für die Bahn, nicht etwa für den Kunden. Die Variante mit drei Erwachsenen und zwei Kindern kostet dann nämlich entweder 48€ (zwei Bayerntickets, eine Single, eines für zwei Personen) oder 38€ (ein Ticket für 5 Personen) aber eben nicht 30€ (ein Ticket für 3 Personen).

Insgesamt eine fairere Regelung – für 2 Personen-Gruppen. Um die geht es ja auch laut Bahn:

Warum ist das neue Bayern-Ticket jetzt fairer?
Die Größe der Gruppe bestimmt ab sofort den Ticket-Preis. 2 Personen haben nun nicht mehr das Gefühl, für 3 „leere Plätze“ auf ihrem Ticket mitzubezahlen.